Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung über den Rekurs des Vaters an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.
Text
Begründung
Das Erstgericht setzte die Unterhaltspflicht des Vaters für die mj. Daniela mit 2.200 S monatlich und für die mj. Beatrix, den mj. Christian und die mj. Angelika mit je 2.000 S monatlich - jeweils ab 1. 5. 1999 - fest.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese - nur in Hinsicht auf die monatlich 1.200 S für die mj. Daniela bzw monatlich 1.000 S für die anderen Minderjährigen übersteigenden Unterhaltsbeträge bekämpfte - Entscheidung und sprach zunächst aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Mit Beschluss vom 2. 3. 2001 änderte es diesen Ausspruch dahin ab, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch zulässig sei. Es nahm aufgrund des - nach der Rekursentscheidung ergänzten - Akteninhalts als bescheinigt an, dass sich der Vater seit dem Frühjahr 1999 bei seiner Schwester in Rohrbach aufhält, weshalb für ihn an der Wiener Zustelladresse im Zeitpunkt der Zustellung des Antrags auf Unterhaltsfestsetzung (ON 44) und der Aufforderung zur Äußerung gemäß § 185 Abs 3 AußStrG (ON 45) durch postamtliche Hinterlegung (Beginn der Abholfrist 4. 5. 1999) keine Abgabestelle bestand. Mangels einer rechtswirksamen Zustellung seien demnach die Rechtsfolgen des § 185 Abs 3 AußStrG nicht eingetreten. Der ordentliche Revisionsrekurs sei somit nachträglich zuzulassen gewesen, weil das Rekursgericht seinen Beschluss nicht selbst aufheben könne.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
1. Der Oberste Gerichtshof hat bei Beurteilung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses von der im Beschluss des Rekursgerichts vom 2. 3. 2001 als bescheinigt angenommenen Tatsachen auszugehen, aus denen folgt, dass für den Vater im Zeitpunkt der Zustellung des Antrags auf Unterhaltsfestsetzung und der Aufforderung zur Äußerung gemäß § 185 Abs 3 AußStrG an der Wiener Zustelladresse keine Abgabestelle bestanden hat.
2. Die Bestimmung des § 185 Abs 3 AußStrG enthält eine besondere Regelung der Art der Gewährung rechtlichen Gehörs bzw des Verlusts des Anspruchs auf rechtliches Gehör in dringenden Vormundschafts- und Pflegschaftssachen. Danach ist das Schweigen des gemäß § 185 Abs 3 AußStrG aufgeforderten Beteiligten nach ständiger Rechtsprechung so zu verstehen, dass er dem Antrag nicht entgegentritt und das dem Tatsachenbereich zuzuordnende Vorbringen nicht bestreitet. Dem Beteiligten, der eine Äußerung trotz einer Aufforderung gemäß § 185 Abs 3 AußStrG unterließ und keine eigenen Tatsachenbehauptungen aufstellte, ist es verwehrt, dem Sachverhalt, von dem das Gericht bei der Entscheidung wegen seines Schweigens ausgehen durfte, im Rekurs neue, davon abweichende Tatsachenbehauptungen entgegenzusetzen (1 Ob 16/00k mwN). Die Anwendung dieser Grundsätze setzt jedoch die rechtswirksame Zustellung der Aufforderung zur Äußerung gemäß § 185 Abs 3 AußStrG und des von einer solchen Aufforderung betroffenen Antrags voraus, weil der Verfahrensbeteiligte vom rechtlichen Gehör andernfalls gänzlich ausgeschlossen wäre.
3. Der Revisionsrekurswerber hatte in seinem zu Gerichtsprotokoll erklärten Rekurs gegen die erstgerichtliche Unterhaltsfestsetzung einleitend vorgebracht, "heute ... aus dem Burgenland angereist" zu sein und deshalb "um Vorsprache" zu ersuchen, weil er "durch die Richterin Kenntnis vom Unterhaltsfestsetzungsbeschluss" erhalten habe. Er sei "schwer krank" und "an sich nicht reisefähig". Daraufhin holte das Erstgericht - noch vor der Aktenvorlage an das Rekursgericht - eine Auskunft der Marktgemeinde Rohrbach ein, in der deren Bürgermeister mitteilte, der Vater halte sich in Rohrbach auf, sei jedoch dort nicht gemeldet (ON 51). Trotz dieser Indizien für eine allfällige Rechtsunwirksamkeit der Zustellung des Antrags auf Unterhaltsfestsetzung und der Aufforderung zur Äußerung nach § 185 Abs 3 AußStrG unterließ das Rekursgericht eine Klärung der Frage, ob der Vater vor der erstgerichtlichen Unterhaltsfestsetzung eine mit den Verfahrensgesetzen im Einklang stehende Möglichkeit vorfand, mit allfälligen Einwendungen gegen die Antragsbehauptungen gehört zu werden. Das Rekursgericht unterstellte vielmehr einen rechtmäßigen Zustellakt und gab dem Rekurs des Vaters auf dieser Grundlage nicht Folge.
4. Die Nichtbehandlung einer dem erstgerichtlichen Verfahren anhaftenden Nichtigkeit durch das Gericht zweiter Instanz stellt einen wesentlichen Mangel des Rekursverfahrens dar (EFSlg 88.604; 9 Ob 382/97k). Ein solcher Mangel ist, wenn er in einem zulässigen Rechtsmittel geltend gemacht wurde (vgl EFSlg 88.604), zur Wahrung der Rechtssicherheit stets aufzugreifen, kommt doch der Lösung der Frage, ob eine Nichtigkeit vorliegt, eine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG zu (vgl EFSlg 82.858). Diese Maxime muss auch angesichts der vom Rekursgericht zunächst übergangenen Indizien für die allfällige Verwirklichung eines Nichtigkeitstatbestands gelten, wenn die endgültige Klärung der Nichtigkeitsfrage - auch unter Berücksichtigung des Akteninhalts seit der Rekursentscheidung - noch einer Verfahrensergänzung bedarf, dürfen doch Indizien, die auf die allfällige Verletzung eines durch Nichtigkeit sanktionierten fundamentalen Verfahrensgrundsatzes hinweisen, gleichfalls nicht unbeachtet bleiben.
5. Das Rekursverfahren ist somit mit einem Mangel behaftet, fehlt es doch an Feststellungen auf mängelfreier Grundlage, die bereits eine abschließende Beurteilung der Frage nach einer - durch Nichtigkeit sanktionierten - Verletzung des verfahrensrechtlichen Anspruchs des Vaters auf rechtliches Gehör erlaubten. Vor der neuerlichen Beurteilung dieser Frage sind nämlich noch die Antragsteller anzuhören, die ihrerseits Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu dem vom Vater behaupteten, die Sachentscheidungen der Vorinstanzen betreffenden Nichtigkeitstatbestand haben. Diese könnten im Rahmen einer Äußerung etwa die bisherigen Erhebungsergebnisse, nach denen das Rekursgericht den Aufenthalt des Vaters in einer burgenländischen Ortschaft seit dem Frühjahr 1999 für bescheinigt hielt, in Zweifel ziehen und Beweise dafür anbieten, dass für den Vater dort, wo der Antrag auf Unterhaltsfestsetzung und die Aufforderung zur Äußerung nach dem im Akt erliegenden urkundlichen Nachweis zugestellt wurde, sehr wohl eine Abgabestelle nach § 4 ZustG bestand und im Übrigen auch die gesetzlichen Voraussetzungen für eine postamtliche Hinterlegung des Zustellstücks erfüllt waren.
6. Nach den voranstehenden Erwägungen sind daher vor der neuerlichen Entscheidung über den Rekurs des Vaters in einem mängelfreien Verfahren jene Tatsachen zu klären, die eine abschließende Beurteilung der Frage erlauben, ob dem Vater das rechtliche Gehör für allfällige Einwendungen gegen den Antrag auf Unterhaltsfestsetzung verwehrt wurde, würde doch ein solcher Ausschluss vom rechtlichen Gehör als Verletzung eines fundamentalen Verfahrensgrundsatzes Nichtigkeit bewirken.
7. Dem Revisionsrekurs ist somit Folge zu geben. Der Vater beantragte zwar nur eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses, er behauptete jedoch (auch) die Nichtigkeit der erstgerichtlichen Unterhaltsfestsetzung. Das ist im Kontext der Rekursausführungen (auch) so zu verstehen, dass er der Sache nach auch den unter 4. erläuterten Verfahrensmangel in Verbindung mit einem entsprechenden Aufhebungsbegehren geltend machte.
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