OGH 9ObA56/01b

OGH9ObA56/01b11.7.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Karl Lewisch und Dr. Reinhard Drössler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gerhard S*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Horst Auer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M*****-AG, *****, vertreten durch Dr. Karl Klein, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 514.920,98 brutto sA (Revisionsinteresse S 445.835,47), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Dezember 2000, GZ 9 Ra 264/00k-29, womit das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 20. April 1999, GZ 5 Cga 254/97t-21, bestätigt wurde, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

19.845 (darin enthalten S 3.307,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache nach § 503 Z 4 ZPO, auf den sich der Revisionswerber ausschließlich stützt, ist nur bei unrichtiger rechtlicher Beurteilung in materiellrechtlicher Beziehung gegeben, wogegen zur Bekämpfung einer unrichtigen Anwendung der Prozessgesetze die Revisionsgründe der Nichtigkeit oder der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens dienen (Kodek in Rechberger, ZPO**2 Rz 5 zu § 503 mwN). Ein Mangel des Berufungsverfahrens wäre daher ua dann gegeben, wenn sich das Berufungsgericht ohne zutreffende Begründung mit der Beweisrüge nicht befasst (Kodek aaO Rz 3 zu § 503 mwN; vgl auch RIS-Justiz RS0043231).

Dass das Berufungsgericht die Behandlung der Beweisrüge des Klägers zu Unrecht mangels gesetzmäßiger Ausführung abgelehnt habe, wird vom Revisionswerber nicht als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens bekämpft. Einem derartigen Einwand wäre aber ohnehin kein Erfolg beschieden gewesen, weil - wie schon das Berufungsgericht zutreffend aufzeigte - die gesetzmäßige Ausführung der Beweisrüge die Darlegung erfordert, a) welche konkrete Feststellung bekämpft wird, b) infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde, c) welche Feststellung begehrt wird und d) auf Grund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen diese begehrte Feststellung zu treffen gewesen wäre (Kodek aaO Rz 8 zu § 471 mwN). Unter Pkt 3.2.1. der Berufung wurde vom Kläger entgegen den Ausführungen in der Revision keine bestimmte Feststellung bekämpft, sondern lediglich eine zusätzliche Feststellung begehrt. Zu Pkt 3.2.2. der Berufung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen.

Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Berechtigung der Entlassung des Klägers zutreffend bejaht, sodass es ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung zu verweisen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers Folgendes entgegenzuhalten:

Der Revisionswerber räumt selbst ein, dass die von ihm als Filialleiter vorgenommene "Rücknahme" von nicht bei der Beklagten gekauften Waren von einer Kundin (= Mutter einer Bekannten des Klägers) außerhalb des Üblichen lag, wofür er die Zustimmung des Rayonsleiters benötigt hätte. Nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen stimmte der Rayonsleiter auf Fragen des Klägers im Fall einer Stammkundin zweimal einer derartigen "Rücknahme" gegen Gutschrift (und nicht gegen Barzahlung) zu, und zwar zunächst hinsichtlich ca 5 Flaschen und danach noch hinsichtlich "einiger" weiterer Flaschen alkoholischer Getränke. Dass der Kläger durch die in der Folge im Juni/Juli 1997 tatsächlich vorgenommene Rücknahme von etwa 195 Flaschen Spirituosen, wofür er insgesamt rund S 63.640 in bar an die Mutter seiner Bekannten auszahlte bzw auszahlen ließ, nicht nur die beim Rayonsleiter angefragte Menge bei weitem überschritt, sondern durch die Gewährung einer Barvergütung eindeutig gegen die Auflage des Rayonsleiters verstieß, bedarf keiner besonderen Erörterung. In der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass sich der Kläger durch dieses Handeln, aber auch durch die mehrmalige Annahme ausdrücklich untersagter Geschenke von Kunden und Lieferanten in der Größenordnung von mehreren Tausend Schilling (vom Kläger "zweite Kasse" genannt), Handlungen schuldig machte, die ihn des Vertrauens des Arbeitgebers unwürdig erscheinen ließen (§ 27 Z 1 AngG, dritter Tatbestand), vermag der erkennende Senat keine Fehlbeurteilung zu erblicken.

Der Kläger schuf durch die Annahme von Vorteilen ohne Wissen und gegen den in einer Sondermitteilung ausdrücklich erklärten Willen des Arbeitgebers eine zweifelhafte Situation, die durch die klare und strikte Anweisung des Arbeitgebers gerade verhindert werden sollte. Dass der Kläger die Geschenke letztlich nicht für sich, sondern für Filialzwecke (zB Weihnachtsdekoration) verwendete und auch in Zukunft für Filialzwecke verwenden wollte, beseitigt diese zweifelhafte Situation nicht, zumal die tatsächliche Verwendung der zugeflossenen Gelder nichts an dem (bei Einhaltung des Verbots der Geschenkannahme leicht vermeidbaren) Verdacht ändert, dass die Gewährung und Annahme der Geldgeschenke nicht nur mit der Erwartung einer Sonderbehandlung zu Gunsten der Geschenkgeber verknüpft wurde, sondern gleichzeitig auch mit Nachteilen zu Lasten anderer, weniger spendabler Lieferanten, aber letztlich auch des Arbeitgebers, verbunden war.

Der Kläger verwirklichte durch die Annahme unberechtigter Vorteile von Dritten auch den zweiten Tatbestand des § 27 Z 1 AngG (Kuderna, Entlassungsrecht**2 85). Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass gerade an Angestellte in leitender Stellung im allgemeinen strengere Anforderungen zu stellen sind. Diese Anforderungen werden durch die teilweise Mitwirkung anderer Mitarbeiter an den einzelnen Transaktionen entgegen der Auffassung des Revisionswerbers weder aufgehoben noch abgeschwächt. Für den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit und der Annahme unberechtigter Vorteile reicht bereits fahrlässiges Handeln aus; auf den tatsächlichen Eintritt eines Schadens kommt es nicht an (Kuderna aaO 85 f). Bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit kommt es vor allem darauf an, ob für den Arbeitgeber vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung besteht, dass seine Belange durch den Angestellten gefährdet seien (Kuderna aaO 86; RIS-Justiz RS0029652). Dies war bei den genannten Handlungen des Klägers zweifellos der Fall.

Aus der Ansicht des Revisionswerbers, er habe durch die Behauptung, die Entlassung sei ungerechtfertigt gewesen, seine Behauptungspflicht "übererfüllt", ist nichts zu gewinnen, zumal der Beklagten der Nachweis des Vorliegens eines Entlassungsgrunds gelungen ist (Kuderna aaO 49 f).

Eine allfällige Vorteilsausgleichung beim Schaden der Beklagten hat entgegen der Auffassung des Revisionswerbers nicht von Amts wegen oder über negativen Beweis der Geschädigten zu erfolgen, sondern nur über Einwendung des Schädigers, den für deren Voraussetzungen die Behauptungs- und Beweislast trifft (RIS-Justiz RS0036710).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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