OGH 15Os76/01

OGH15Os76/0128.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juni 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ali Mouhamed A*****, wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG, teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 11. Jänner 2001, GZ 4b Vr 1133/00-56, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, der Angeklagte habe die zum Schuldspruchfaktum A 1 und 2 bezeichnete Tat gewerbsmäßig und mit Beziehung auf ein Suchtgift begangen, dessen Menge zumindest das 25-fache der Grenzmenge (Abs 6) ausmacht, sowie in ihrer rechtlichen Unterstellung (auch) unter § 28 Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 des § 28 SMG, demnach auch im Strafausspruch (ausgenommen die Entscheidungen betreffend die Einziehung) und dem damit untrennbar verbundenen Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten seiner erfolglosen Nichtigkeitsbeschwerde zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurde Ali Mouhamed A***** (A) des Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG, teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB und (B) des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider

A) gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt

sowie in Verkehr zu setzen versucht, wobei er die Taten mit Beziehung auf ein Suchtgift beging, dessen Menge zumindest das 25-fache der Grenzmenge ausmachte, indem er

1) von ca Mitte Jänner 1999 bis zum 25. Jänner 2000 zumindest 600 Gramm Heroin an die gesondert verfolgten Isabella S***** und Alexandra W***** sowie an unbekannte Personen verkaufte;

2) am 25. Jänner 2000 2,3 Gramm Heroin zum Weiterverkauf bereithielt;

B) von ca Sommer 1998 bis zum 25. Jänner 2000 wiederholt Suchtgift,

und zwar Heroin, Kokain und Vendal erworben und besessen.

Die dagegen aus Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten erweist sich teilweise als berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Tatsachenrüge (Z 5a) moniert (inhaltlich) zum Schuldspruch wegen des Suchtgiftverbrechens unter Hinweis auf die namentlich unbekannt gebliebenen Abnehmer und nicht näher geklärten Details der Suchtgiftverkäufe "unstatthafte Vermutungen zu Lasten der Angeklagten", vermag aber mit diesem Vorbringen keine konkreten, aus den Akten gegen die entscheidungswesentlichen Schuldfeststellungen sprechende Umstände aufzuzeigen und somit keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Soweit sich die (undifferenziert angemeldete) Nichtigkeitsbeschwerde inhaltlich des - auf gänzliche Aufhebung abzielenden - Rechtsmittelantrages formell auch auf die übrigen Teile des Schuldspruches (Punkt B) erstreckt, war sie mangels näherer Substantiierung einer sachlichen Erwiderung unzugänglich und damit nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO).

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuweisen.

Im Ergebnis zu Recht reklamiert die Beschwerde mit ihren Einwendungen zur Mängelrüge (Z 5, inhaltlich auch Z 10) unzureichende Konstatierungen bzw Mängel an Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit und übergroßen Menge. Ihr ist darin beizupflichten, dass die das Faktum A (1 und 2) betreffende Urteilsannahme einer (zwar) "von einem einheitlichen Tatvorsatz getragenen" Gesamtmenge von 600 Gramm (600 + 2,3) Gramm Heroin von "eher guter Qualität" mangels näherer Feststellungen über die Beschaffenheit des Heroins und die darin enthaltene Reinsubstanz schon deshalb einen sicheren Schluss auf die vom Erstgericht angenommene übergroße Gesamtmenge nicht zulässt. Angesichts der Bruttogewichtsmenge von insgesamt 602,3 Gramm Heroin und im Hinblick auf den notorisch häufigen Vertrieb "gestreckten" Suchtgiftes sind Konstatierungen über den Reinheitsgehalt zur Beurteilung des Vorliegens jener Menge, die zumindest das 25-fache der "großen Menge" - deren Untergrenze nach § 28 Abs 6 SMG iVm (der hier anzuwendenden Fassung des) § 1 der Suchtgiftgrenzmengenverordnung BGBl II Nr 374/1997 bei Heroin mit 5 Gramm festgestellt wurde - unerlässlich. Dies umso mehr, als der übliche Reinheitsgehalt von Heroin in Straßenqualität nach forensischer Erfahrung 10 bis 25 % beträgt.

Im Ergebnis berechtigt moniert die Beschwerde weiters, Nichtigkeit nach Z 10 geltend machend, mangelnde Feststellungen zur Annahme der Gewerbsmäßigkeit.

Das Erstgericht ging davon aus, dass der Angeklagte fast täglich etwa 3 Gramm Heroin kaufte, welches er aufteilte und zum Großteil verkaufte. Einen Teil davon verwendete er auch für den Eigenkonsum. Durch die täglichen Verkäufe wollte er sich eine laufende Einnahmequelle verschaffen. Bei der rechtlichen Beurteilung ging es davon aus, dass - bezüglich der übergroßen Menge - sämtliche Verkäufe von einem einheitlichen Tatvorsatz getragen und in der Absicht begangen wurden, sich dadurch eine laufende Einnahmequelle zu verschaffen und unterstellte dies der Gewerbsmäßigkeit nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG.

Hiezu ist zu erwägen:

Die zuvor erwähnte Qualifikation verlangt, dass die in § 28 Abs 2 bezeichnete Tat gewerbsmäßig (§ 70 StGB) begangen wird; das heißt, dass sich die Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) des Täters auf wiederkehrende Begehung von im § 28 Abs 2 bezeichneten Taten bezieht, die jeweils für sich allein als Verbrechen nach Abs 2 zu beurteilen sind (13 Os 8, 11/98; 11 Os 129/98; 15 Os 58/00 ua). Da § 28 Abs 2 SMG auch in Teilakten verwirklicht werden kann, kann dies auch wiederkehrend geschehen (Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 107), sofern sich die Absicht des Täters auch auf diese sukzessive Wiederholung von Handlungskomplexen, die jeweils als solche für sich als Verbrechen nach § 28 Abs 2 SMG zu werten wären, erstreckt (11 Os 91/00, 13 Os 107/00, 13 Os 124, 125/00). Der Urteilskonstatierung, dass sich der Angeklagte durch die täglichen Verkäufe eine laufende Einnahmequelle verschaffen wollte, lässt sich - auch im Zusammenhang mit derjenigen des "einheitlichen" Tatvorsatzes - nicht entnehmen, dass die Absicht des Täters auf die sukzessive Wiederholung nach § 28 Abs 2 SMG zu wertender Taten und Tatkomplexe gerichtet war.

Da die aufgezeigten Mängel vom Obersten Gerichtshof nicht behoben werden können und sohin eine neue Hauptverhandlung (und Entscheidung) nicht zu vermeiden ist, war der Nichtigkeitsbeschwerde im aufgezeigten Umfang schon bei nichtöffentlicher Beratung Folge zu geben (§ 285e StPO).

Dem Beschluss auf Absehen vom Widerruf der bedingten Entlassung ist durch die Aufhebung des damit zusammenhängenden Strafausspruchs der Boden entzogen; er war daher ebenfalls zu beseitigen.

Demzufolge waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte