OGH 1Ob129/01d

OGH1Ob129/01d26.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Leopold M*****, vertreten durch Dr. Helene Klaar und Mag. Norbert Marschall Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die beklagte Partei Evelyne H*****, vertreten durch Dr. Rainer Maria Schilhan, Rechtsanwalt in Wien, und den Nebenintervenienten Dr. Theodor S*****, vertreten durch Dr. Wolfgang G. Kretschmer und Dr. Thomas Buschmann, Rechtsanwälte in Wien, wegen 119.000 S sA infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 25. Jänner 2001, GZ 34 R 517/00g-36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom 5. August 2000, GZ 5 C 838/99a-29, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und dem Nebenintervenienten die mit je 8.112 S (darin 1.352 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten deren Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte den Zuspruch von 119.000 S sA und brachte vor, die Beklagte habe eine Wiener Liegenschaft mit Haus, deren Alleineigentümer er seit 1997 sei, bis zum 30. 9. 1999 im Auftrag der im Frühjahr 1996 verstorbenen ehemaligen Mehrheitseigentümerin, die er beerbt habe, verwaltet und gegen den Mieter einer Wohnung ein "Räumungsverfahren" geführt. Dieser Mieter habe die Zahlung einer Investitionsablöse von 70.000 S verlangt. Der Nebenintervenient - in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt Klagevertreter im Räumungsverfahren - habe die Ablöseforderung persönlich erfüllt, weshalb die Beklagte die frei gewordene Wohnung (Fläche 32,40 m2) mit Vertrag vom 16. 10. 1996 an den Nebenintervenienten um einen monatlichen Mietzins von 356,40 S zuzüglich Umsatzsteuer und Betriebskosten vermietet, ihm ein Untervermiet- und ein Weitergaberecht auf unbestimmte Zeit eingeräumt und auf die Geltendmachung des Kündigungsgrunds gemäß § 30 Abs 2 Z 4 MRG verzichtet habe. Er - der Kläger - habe sich sodann um die einvernehmliche Auflösung dieses Mietvertrags bemüht, nachdem ihm seine Tragweite bewusst geworden sei. Der Nebenintervenient habe "in Kenntnis seiner rechtlichen Position" auf einer Zahlung von 200.000 S als Gegenleistung beharrt. Er habe diesen Betrag gezahlt, woraufhin der Nebenintervenient die Wohnung zurückgestellt habe. Bereits vorher habe ein Sachverständiger deren "Freimachungskosten" auf 81.000 S geschätzt. Die Differenz von 119.000 S sei der Vermögensschaden, den er infolge "der schlechten Beratung durch die Beklagte" erlitten habe, beruhe doch der Abschluss des Mietvertrags vom 16. 10. 1996 auf einem offenbaren "Kunstfehler". Die dem Nebenintervenienten - aufgrund eines Verzichts auf die Geltendmachung eines bestimmten Kündigungsgrund - durch "unübliche Vertragsbedingungen" eingeräumten Rechte, das Mietobjekt untervermieten und weitergeben zu dürfen, stünden im Missverhältnis zur Gegenleistung. Ein Kaufinteressent hätte die Liegenschaft "bei Bestehen dieses Vertrages nicht erworben", sodass ihm die Einbringung einer Räumungsklage gegen den Nebenintervenienten und das Abwarten der Beendigung des Verfahrens einen "erheblichen Schaden gebracht hätte" und deshalb "unzumutbar gewesen wäre" (ON 27).

Die Beklagte wendete unter anderem ein, dass der Kläger dem Nebenintervenienten ohne Bestehen einer Rechtspflicht "freiwillig" 200.000 S gezahlt habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte - neben anderen Tatsachen - fest, der Beklagte habe in den Abschluss des Mietvertrags mit dem Nebenintervenienten eingewilligt, sei jedoch über die "Sondervereinbarungen" (Untervermiet- und Weitergaberecht sowie Kündigungsverzicht) nicht informiert gewesen. Dagegen habe die ehemalige Mehrheitseigentümerin auch der Einräumung solcher Rechte zugestimmt. Der Kläger habe "erst 1998 oder 1999 das letzte Viertel" der Liegenschaft erwerben können und sei seither deren Alleineigentümer gewesen. Danach habe er sich entschlossen, diese Liegenschaft zu verkaufen. Ein Kaufinteressent sei über den Mietvertrag mit dem Nebenintervenienten "nicht glücklich" gewesen, weshalb der Kläger dem Nebenintervenienten 200.000 S als Entgelt für die Räumung des Mietobjekts gezahlt habe. Daraufhin verkaufte er "das Haus" verkauft.

Nach Ansicht des Erstgerichts ist der geltend gemachte Schadenersatzanspruch schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil auch der Kläger in die Vermietung der Wohnung an den Nebenintervenienten eingewilligt habe. Daran könnten die mietvertraglichen "Nebenabreden" (Untervermiet- und Weitergaberecht sowie Kündigungsverzicht) nichts ändern. Diese seien "nicht gültig getroffen" worden. Die Zahlung von 200.000 S an den Nebenintervenienten beruhe auf einem, von wirtschaftlichen Überlegungen getragenen "eigenen Willensentschluss" des Klägers, der einen Vermögensschaden allenfalls dann hätte erleiden können, wenn die Kosten der Durchsetzung eines Räumungsanspruchs gegen den Nebenintervenienten uneinbringlich gewesen wären oder "der einzige Käufer oder ein besonders guter Käufer das Angebot eines Kaufpreises" wegen des Risikos eines Räumungsprozesses "herabgesetzt hätte".

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Diesen Ausspruch änderte es mit Beschluss vom 5. 4. 2001 schließlich dahin ab, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, der geltend gemachte Ersatzanspruch sei "auf eine Überschreitung der Vollmacht bzw eine missbräuchliche Ausübung der Vertretungsmacht", aber auch "auf eine der Beklagten anzulastende Sorgfaltspflichtverletzung" gestützt worden. Die Beklagte habe ihren Auftrag bzw die Vollmacht im Verhältnis zur ehemaligen Mehrheitseigentümerin nicht überschritten und die Vertretungsmacht auch nicht missbraucht. Die dem Nebenintervenienten eingeräumten Rechte auf Unververmietung unter Verzicht auf den Kündigungsgrund gemäß § 30 Abs 2 Z 4 MRG und auf Weitergabe beruhten auf ungewöhnlichen Nebenabreden nach § 2 Abs 1 MRG. Solche Abreden hätten als Voraussetzung ihrer Wirksamkeit der Einwilligung aller Miteigentümer bedurft. Demnach hätte sich die Beklagte "auch um das Einverständnis des Minderheitseigentümers bemühen müssen". Der Klageanspruch sei jedoch nicht auf "diese der Beklagten anzulastende Unterlassung bei Ausführung des Geschäfts" gestützt worden. Allerdings verweise der Kläger im Antrag gemäß § 508 Abs 1 ZPO zutreffend darauf, dass das Berufungsgericht nicht die Frage erörtert habe, "ob und in welchem Umfang der Gewalthaber Sorgfaltspflichten gegenüber den Erben des verstorbenen Gewaltgebers" wahrnehmen müsse. Da der maßgebende Mietvertrag erst nach dem Tod der ehemaligen Mehrheitseigentümerin geschlossen worden sei, hänge die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung ab, die der Oberste Gerichtshof "in jüngster Zeit" nur in der Entscheidung SZ 64/13 behandelt habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

1. Nach Ansicht des Klägers kam der Mietvertrag schon mangels Einwilligung aller Liegenschaftsmiteigentümer in die mit dem Nebenintervenienten getroffenen ungewöhnlichen Nebenabreden nicht zustande. Überdies meint der Kläger, der Mietvertrag hätte auch einer Genehmigung durch das Verlassenschaftsgericht bedurft.

Auf dem Boden solcher Voraussetzungen entbehrt der erhobene Schadenersatzanspruch einer schlüssigen Begründung. Der Kläger brachte im Verfahren erster Instanz nur vor, "ein Kaufinteressent" hätte "das Objekt bei Bestehen dieses Vertrages nicht erworben", sodass ihm die Einbringung einer Räumungsklage gegen den Nebenintervenienten und das Abwarten der Beendigung des Verfahrens einen "erheblichen Schaden gebracht hätte" und deshalb "unzumutbar gewesen wäre" (ON 27). Ein Vorbringen, welcher konkrete Vermögensschaden eingetreten wäre, wenn der Kläger an den Nebenintervenienten nicht freiwillig 200.000 S gezahlt hätte, wurde dagegen nicht erstattet, obgleich der Kläger zur schlüssigen Begründung seines Ersatzanspruchs solche Tatsachen hätte behaupten müssen. Das wurde schon im Ersturteil aufgezeigt. Ein Vermögensschaden hätte etwa auf einem geringeren Marktwert der Liegenschaft beruhen können, falls die Klärung der Unwirksamkeit des maßgebenden Mietvertrags einer prozessualen Auseinandersetzung bedurft hätte. Der Kaufinteressent, auf den sich der Kläger berief, könnte im Fall einer Räumung des Mietobjekts bereit gewesen sein, einen über dem Marktwert der Liegenschaft liegenden Preis zu zahlen, sodass dem Kläger ohne die Zahlung von 200.000 S an den Nebenintervenienten gegen Räumung der Wohnung eine besonders günstige Verkaufsgelegenheit entgangen wäre. Der Kläger hätte für die von ihm behauptete Unzumutbarkeit der gerichtlichen Durchsetzung eines Räumungsanspruchs auch ins Treffen führen können, für den Kostenzuspruch in einem Räumungsurteil im Vermögen des Nebenintervenienten keine Deckung zu finden. Es mögen auch noch andere Behauptungen denkbar sein, aus denen ein Schadenersatzanspruch herleitbar gewesen wäre. Der Kläger erstattete indes kein Vorbringen, das einem ersatzfähigen Vermögensschaden trotz der nach seiner Ansicht aus rechtlichen Gründen nicht erforderlichen freiwilligen Leistung an den Nebenintervenienten eine plausible Grundlage hätte verschaffen können. Er rügte in der Berufung auch nicht das Unterbleiben einer richterlichen Anleitung gemäß § 182 Abs 1 ZPO als wesentlichen Verfahrensmangel erster Instanz, weil er die ungenügenden Angaben zum Klagegrund aufgrund einer solchen Anleitung hätte vervollständigen können. Den Urteilen der Vorinstanzen haften demnach auch keine Feststellungsmängel an, die durch die Ergebnisse der Vernehmung eines in erster Instanz beantragten Zeugen behebbar gewesen wären, erfordert doch ein unschlüssiges Vorbringen kein Beweisverfahren.

2. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass ein Anspruch auf Schadenersatz dann nicht besteht, wenn der behauptete Vermögensnachteil auf einem selbständigen, durch den angeblich haftungsbegründenden Vorgang nicht herausgeforderten Entschluss des Ersatzwerbers beruht (1 Ob 148/98s; SZ 67/55 je mwN).

2. 1. Der Kläger hat dem Nebenintervenienten eine nach seiner Sicht der Rechtslage nicht erforderliche, auf einem selbständigen, durch den angeblich haftungsbegründenden Vorgang nicht herausgeforderten Entschluss beruhende freiwillige Leistung erbracht. Allein dadurch wurde kein Vermögensnachteil verursacht, den die Beklagte dem Kläger zu ersetzen hätte. Schon unter 1. wurde dargelegt, dass der Kläger einen im Lichte bestimmter Fallgestaltungen - trotz der Freiwilligkeit seiner Leistung an den Nebenintervenienten - denkbaren ersatzfähigen Vermögensschaden nicht schlüssig behauptet hatte.

3. Nach den voranstehenden Erwägungen ist die Lösung der vom Kläger in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen, die das Berufungsgericht zur nachträglichen Zulassung der ordentlichen Revision bewogen, nicht präjudiziell. Rechtsfragen von bloß theoretischer Bedeutung sind vom Obersten Gerichtshof nicht zu lösen. Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision gemäß § 508a Abs 1 ZPO überdies nicht an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO gebunden. Die Revision ist somit wegen des Fehlens einer präjudiziellen erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte und der Nebenintervenient wiesen auf Unzulässigkeit der Revision hin und beantragten deren Zurückweisung. Ihre Revisionsbeantwortungen waren daher einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung dienlich, weshalb ihnen der Revisionswerber die Kosten dieser Schriftsätze zu ersetzen hat.

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