OGH 1Ob14/94

OGH1Ob14/9429.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser, Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dietmar J*****, vertreten durch Dr.Wilhelm Winkler, Dr.Gebhard Winkler-Heinzle und Dr.Julia Winkler, Rechtsanwälte in Bregenz, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 102.479,60 s.A. (Revisionsinteresse S 88.700,60 s.A.), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 22.September 1993, GZ 3 R 169/93-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 7.April 1993, GZ 4 Cg 422/92-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

I. Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden, soweit das Klagebegehren im Teilbetrag von S 14.370 s.A. abgewiesen wurde, mittels Teilurteils dahin abgeändert, daß die beklagte Partei schuldig ist, der klagenden Partei den Betrag von S 14.370 samt 4 % Zinsen seit 25.März 1993 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Die Kostenentscheidung wird insoweit dem Endurteil vorbehalten.

II. Im übrigen (Teilbetrag von S 74.330,60 s.A. wird das berufungsgerichtliche Urteil aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Gericht zweiter Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind insoweit weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde mit seinem Motorrad auf einer Bundesstraße bei einer Fahrt am 19.8.1991 gegen 11 Uhr 25 von einer Zivilstreife der Gendarmerie verfolgt. Die Beamten erstatteten in der Folge gegen ihn die Anzeige wegen 15 Verwaltungsübertretungen. Unter anderem wurde er angezeigt, er habe 25 PKW trotz starken Gegenverkehrs, der deshalb zum Abbremsen bzw zum Ausweichen gezwungen worden sei, in mehreren Fällen auch ohne Möglichkeit, sich einwandfrei einzuordnen, und in zwei Fällen auf Schutzwegen überholt, dabei die Fahrtrichtungsänderung nicht angezeigt, ferner die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um 28 km/h überschritten und die Sperrlinie sowie eine Sperrfläche überfahren. Außerdem sei der Hinterreifen des Motorrades bis auf 1,8 mm bei Stellen mit einer Profiltiefe von 0,0 mm abgefahren und am Fahrzeug keine Begutachtungsplakette angebracht gewesen, überdies hätten die Seitenstrahler vorne links und rechts gefehlt.

Die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde lastete dem Kläger mit Strafverfügung vom 12.9.1991 zwölf der angezeigten Verwaltungsübertretungen an. Mangels Einspruchs erwuchs die Strafverfügung soweit in Rechtskraft, als dem Kläger die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um 28 km/h, die Unterlassung der Fahrtrichtungsanzeige und das Unterschreiten der vorgeschriebenen Profiltiefe angelastet worden waren.

Mit Straferkenntnis vom 20.1.1992 lastete die Bezirksverwaltungsbehörde dem Kläger an, er habe in zwei Fällen auf einem Schutzweg und ferner im Bereich einer unübersichtlichen Links- und Rechtskurve bei ungenügender Sicht überholt und die Sperrlinie sowie eine Sperrfläche befahren. Der dagegen erhobenen Berufung des Klägers gab der unabhängige Verwaltungssenat für Vorarlberg teilweise und insoweit Folge, als das Straferkenntnis im Umfang des Vorwurfs des Überholens in unübersichtlicher Kurve aufgehoben wurde.

Aufgrund der Anzeige vom 5.9.1991 leitete die Bezirksverwaltungsbehörde gegen den Kläger auch ein Verfahren wegen Entziehung der Lenkerberechtigung ein, in dem die Gendarmeriebeamten vernommen wurden. Diese bestätigten die Angaben in ihrer Anzeige; einer der beiden Beamten sagte aus, der Hinterreifen des Motorrads sei komplett (0,0 mm) abgefahren gewesen.

Mit Bescheid vom 14.1.1992 entzog die Bezirksverwaltungsbehörde dem Kläger gemäß § 73 Abs 1 und § 66 Abs 1 lit a und Abs 2 lit f KFG 1967 die Lenkerberechtigung für die Gruppen A und C, erkannte einer Berufung gemäß § 64 Abs 2 AVG 1950 die aufschiebende Wirkung ab und trug dem Kläger gemäß § 75 Abs 4 KFG 1967 auf, den Führerschein unverzüglich abzuliefern. Die Behörde unterstellte die Schlüssigkeit der Anzeige, bejahte unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs das Vorliegen besonders gefährlicher Verhältnisse angesichts des Überschreitens der zulässigen Geschwindigkeit um 28 km/h, des Überholens in unübersichtlicher Links- und Rechtskurve bei starkem Verkehr in beiden Richtungen und vor allem aufgrund der Tatsache, daß der Hinterreifen abgefahren gewesen sei. Dieser Bescheid wurde dem Kläger am 23.1.1992 zugestellt.

Mit Berichtigungsbescheid vom 29.1.1992 entzog die Bezirksverwaltungsbehörde dem Kläger die Lenkerberechtigung für die Gruppen A, B, C, F und G und führte zur Begründung aus, es sei ein offenbares Versehen der Behörde gewesen, daß ihm zunächst nur die Lenkerberechtigung für die Gruppen A und C entzogen worden sei. Es entspreche ihrer Praxis, bei derart schwerwiegenden Verwaltungsübertretungen alle Gruppen einer Lenkerberechtigung zu entziehen. Aus dem Bescheid vom 14.1.1992 ergebe sich auch, daß dem Kläger die Lenkerberechtigung in Wahrheit in vollem Umfang entzogen worden sei.

In Stattgebung der Berufung des Klägers hob der Landeshauptmann von Vorarlberg nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens die bekämpften Bescheide vom 14. und 29.1.1992 auf. Er stellte fest, der Hinterreifen habe anstatt der vorgeschriebenen Profiltiefe von 2 mm an einer Stelle über eine Länge von 10 cm nur ein Profil von 1,8 bis 1,9 mm aufgewiesen, der Reifen sei somit nicht komplett abgefahren gewesen. Die vorgeschriebene Mindestprofiltiefe sei nur geringfügig unterschritten worden; dieser Umstand könne dem Kläger nicht als weiteres schwerwiegendes Sachverhaltselement im Sinne des § 66 Abs 2 KFG 1967 vorgeworfen werden.

In der Zeit vom 31.1. bis 15.2.1992 lenkte der Kläger weiterhin PKW; er wurde wegen seiner Fahrten am 31.1., 1.2., 3.2., 4.2., 5.2., 6.2., 7.2., 8.2., 9.2., 12.2., 13.2., 14.2. und 15.2.1992 von Gendarmeriebeamten angezeigt. Er verantwortete sich jeweils damit, er werde seinen Führerschein nach Rücksprache mit dem Klagevertreter nicht abgeben, und kündigte an, er werde auch in Hinkunft Kraftfahrzeuge auf öffentlichen Straßen lenken.

Die Bezirksverwaltungsbehörde erließ gegen den Kläger am 4., 6., 9. und 13.3.1992 insgesamt 14 Strafverfügungen wegen Übertretung des § 64 Abs 1 KFG 1967. Gegen fünf dieser Strafverfügungen erhob der Kläger am 13.3.1992 und gegen neun von ihnen am 23.3.1992 jeweils gesondert Einsprüche, die alle inhaltsgleich waren. Alle Strafverfahren wurden daraufhin eingestellt.

Der Kläger gab am 14.2.1992 seinen Führerschein ab und verzichtete auf das Lenken eines PKWs.

An Kosten seiner Rechtsvertretung im Verwaltungsverfahren liefen ihm Beträge von insgesamt S 14.370 auf, für die 14 Einsprüche weitere Kosten von S 50.722,56.

Der Kläger begehrte die Verurteilung der beklagten Partei aus dem Titel der Amtshaftung zum Ersatz seines mit insgesamt S 102.479,60 bezifferten Schadens. Neben dem Ersatz seiner schon erwähnten Vertretungskosten von insgesamt S 65.092,56 machte der Kläger, weil ihm die Ausübung seiner Berufstätigkeit als Taxifahrer nicht mehr möglich gewesen sei, einen Verdienstentgang für die Zeit vom 14. bis 27.2.1992 in Höhe von S 28.755 geltend. Ferner begehrte er die Kosten eines Einspruchs gegen eine weitere Strafverfügung im Betrag von S 3.623,04. Dem Entziehungsbescheid sei in erster Linie der Zustand des Hinterreifens zugrunde gelegen. Diese aufgrund der Aussagen der Gendarmeriebeamten getroffene Feststellung habe sich im Berufungsverfahren als unrichtig erwiesen, der Reifen sei lediglich an einer Stelle bloß geringfügig über das zulässige Maß hinaus abgefahren gewesen. Bei richtiger Sachverhaltsfeststellung wäre der Bescheid nicht erlassen worden. Es handle sich dabei um ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten der Organe der beklagten Partei. Auch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung beruhe als Ermessensüberschreitung auf unvertretbarer Rechtsansicht. Es sei denkunmögliche Rechtsanwendung, sehe sich die Behörde nach viermonatigem Ermittlungsverfahren plötzlich veranlaßt, Gefahr im Verzug anzunehmen, habe doch der Kläger nach dem 19.8.1991 keinerlei weitere Verwaltungsübertretung mehr begangen. Unzulässig sei auch die Berichtigung des Bescheids vom 14.1.1992 gewesen. Daß dem Kläger die Lenkerberechtigung für die Gruppe B nicht entzogen worden sei, sei sinnvoll, habe er doch am 18.9.1991 ein Motorrad gelenkt. Er habe sich an den Entziehungsbescheid nicht gehalten, weil dieser aus mehreren Gründen gesetzwidrig gewesen sei. Der Bescheid des Landeshauptmanns sei der Bezirksverwaltungsbehörde bereits am 4.3.1992 bekannt gewesen, dennoch habe sie nach diesem Zeitpunkt noch 14 Strafverfügungen gegen den Kläger erlassen. Nach verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung gelte ein aufgehobener Bescheid als nicht erlassen, der Kläger sei genötigt gewesen, 15 Einsprüche zu erheben.

Die beklagte Partei wendete ein, es sei unklar, weshalb die Gendarmeriebeamten in der zweiten Instanz ihre Angaben über die Profiltiefe nicht mehr hätten bestätigen können. Dies sei aber für die amtshaftungsrechtliche Beurteilung ohne Bedeutung. Auch bei Unterstellung des vom Kläger behaupteten Sachverhalts wäre die Entziehung der Lenkerberechtigung rechtmäßig, mindestens aber vertretbar gewesen. Das Fahrzeug habe jedenfalls wegen Unterschreitung der Mindestprofiltiefe nicht die erforderliche Verkehrs- und Betriebssicherheit aufgewiesen, so daß besonders gefährliche Verhältnisse im Sinne des § 66 Abs 2 lit f KFG 1967 vorgelegen seien. Durch den Berichtigungsbescheid vom 29.1.1992 sei der Kläger nicht beschwert, weil die Lenkerberechtigung der Gruppe B in der Gruppe C eingeschlossen sei, so daß eine Berichtigung an sich gar nicht erforderlich gewesen wäre. Die den Strafverfügungen zugrunde liegenden Verhaltensweisen des Klägers lägen zwischen Entzug der Lenkerberechtigung und Aufhebung dieses Bescheids durch die zweite Instanz. Vorweg betrachtet habe er damit die Übertretung nach § 64 Abs 1 und § 134 Abs 1 KFG 1967 begangen. Die vom Kläger angestrebte Auslegung lade die Normunterworfenen geradezu ein, derzeit gültige Vorschriften in der vagen Hoffnung auf rückwirkende Änderungen zu mißachten. Damit verlören das Verwaltungsstrafrecht, die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung und Mandatsbescheide jede Effektivität.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es traf im Rahmen der rechtlichen Beurteilung noch die Feststellung, die Bezirksverwaltungsbehörde hätte richtigerweise davon ausgehen müssen, der Kläger habe am 19.8.1991 auf der Fahrt mit seinem Motorrad etwa 25 PKW bei starkem Verkehr in beiden Richtungen überholt. Dabei habe er zweimal auf Schutzwegen überholt und Sperrflächen überfahren. Alle Überholvorgänge habe er außerdem nicht angezeigt. Die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit habe er einmal um 28 km/h überschritten. Der Hinterreifen des Motorrads habe weiters eine Stelle in der Länge von 10 cm aufgewiesen, an der die Profiltiefe nicht die vorgeschriebene Mindesttiefe von 2 mm erreicht habe. Im Verwaltungsstrafverfahren habe nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden können, daß der Kläger zusätzlich noch in übersichtlichen Links- und Rechtskurven überholt habe.

Rechtlich meinte das Erstgericht, die Bezirksverwaltungsbehörde habe mit ihrem Bescheid vom 14.1.1992 aufgrund eines Verfahrensfehlers den Entzug der Lenkerberechtigung ausgesprochen. Der Bescheid, dem ein zur Gänze abgefahrener Hinterreifen unterstellt sei, entbehre der Rechtmäßigkeit. Es sei aber rechtmäßiges Alternativverhalten zu berücksichtigen. Verkehrsunzuverlässigen Personen sei die Lenkerberechtigung ganz oder für bestimmte Gruppen zu entziehen. Besonders gefährliche Verhältnisse lägen nur dann vor, wenn zu einer Übertretung einer Verkehrsvorschrift ein objektives Element hinzutrete. Der Hinterreifen habe die vorgeschriebene Mindestprofiltiefe nicht aufgewiesen, so daß die Gefahr für alle übrigen Straßenbenützer erhöht worden sei. Der Kläger habe bei starkem Verkehr in unübersichtlichen Kurven und auf Schutzwegen überholt und dabei auch noch die zulässige Höchstgeschwindigkeit erheblich überschritten, was Rückschlüsse auf die Sinnesart, also den Charakter zulasse. Da dem Kläger ohne Zweifel rücksichtsloses Verhalten zur Last falle, sei der Entzug der Lenkerberechtigung bei dieser Sachlage rechtlich vertretbar gewesen. Im Bescheid vom 14.1.1992 sei ohne Zweifel der Wille der Bezirksverwaltungsbehörde, die Lenkerberechtigung in vollem Umfang zu entziehen, zum Ausdruck gelangt. Daß die Behörde dennoch ausdrücklich nur die Entziehung der Lenkerberechtigung für die Gruppen A und C ausgesprochen habe, sei offenbar ein Versehen gewesen, das die Behörde vertretbarerweise berichtigen habe können. Die Behörde habe auch der Berufung aufschiebende Wirkung aberkannt. Der Kläger habe trotz des Entziehungsbescheids weiterhin PKW gelenkt und habe auf diese Weise gegen die Rechtsordnung verstoßen. Das Kraftfahrgesetz 1967 bezwecke, die Gefahr für alle Teilnehmer am Straßenverkehr möglichst gering zu halten. Wer der Meinung sei, das ihm vorgeschriebene Verhalten sei nicht rechtmäßig, könne Rechtsmittel ergreifen und sei zu diesem Verhalten erst verpflichtet, wenn der Bescheid in Rechtskraft erwachse. Die Rechtsordnung lasse bei Gefahr im Verzug aber den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels zu. Solche Vorkehrungen wären sinnlos, könnte der Normunterworfene auch dann zunächst die Entscheidung der höheren Instanz abwarten.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es ging auf die Beweisrüge nicht näher ein und führte in Erledigung der Rechtsrüge aus, den erstinstanzlichen Feststellungen sei nicht zu entnehmen, welche Reifenprofiltiefe das Hinterrad aufgewiesen habe, weil das Erstgericht nur die Ergebnisse des Verwaltungsverfahrens referiert habe. Entgegen dem Erstgericht könne daher nicht von einem Verfahrensfehler oder davon ausgegangen werden, der Bescheid vom 14.1.1992 sei nicht rechtmäßig ergangen. Im Amtshaftungsprozeß sei anders als im Rechtsmittelverfahren nur zu prüfen, ob die beanstandete Entscheidung auf vertretbarer Rechtsanwendung beruhe. Diese löse keinen Amtshaftungsanspruch aus, selbst wenn sie mit der bisherigen Rechtsprechung nicht in Einklang stehe; nur wenn die Entscheidung von einer völlig eindeutigen Gesetzeslage oder ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung abweiche, könne dem Organ ein Verschulden zur Last fallen, sofern seine Entscheidung nicht erkennen lasse, daß sie auf sorgfältig begründeten Erwägungen beruhe. Dem Kläger sei vorgeworfen worden, sein Hinterreifen sei bis auf 1,8 mm (Stellen mit 0,0 mm) abgefahren gewesen. Er habe im Verwaltungsstrafverfahren die Richtigkeit der Anzeige in diesem Punkt bestätigt. Die Bezirksverwaltungsbehörde habe die amtlichen Wahrnehmungen der Gendarmeriebeamten daher nicht in Zweifel ziehen müssen. Daß der Landeshauptmann diese Feststellungen in Zweifel zog, ändere nichts daran, daß auch der Entziehungsbescheid auf vertretbarer Rechtsanwendung beruhe. Selbst bei Annahme, daß die Profiltiefe nur an einer Stelle 1,8 bis 1,9 mm aufgewiesen habe, wäre der Entziehungsbescheid jedenfalls vertretbar. Die Bezirksverwaltungsbehörde habe die Verkehrszuverlässigkeit des Klägers aufgrund einer Gesamtbetrachtung verneint. Die Reifenprofiltiefe sei im Berufungsbescheid zu Unrecht zur zentralen Frage aufgewertet worden. Dem Bescheid vom 14.1.1992 sei zu entnehmen, daß die Behörde die Lenkerberechtigung auch für die Gruppe B habe entziehen wollen. Man könne die Auffassung vertreten, daß schon der Spruch des Bescheids vom 14.1.1992 die Entziehung der Lenkerberechtigung auch für diese Gruppe beinhaltet habe, weil die Gruppe C einen gesetzlichen Überbegriff darstelle. Überdies könne eine Berichtigung nach § 62 Abs 4 AVG 1950 auch zu einer Änderung des Bescheidinhalts führen. Die beklagte Partei habe sich in diesem Zusammenhang übrigens zu Recht auf rechtmäßiges Alternativverhalten berufen. Entscheidungswille der Bezirksverwaltungsbehörde sei es jedenfalls gewesen, dem Kläger die Lenkerberechtigung für alle Gruppen zu entziehen. Das rechtmäßige Verhalten der Behörde hätte nun nicht darin bestanden, den Kläger im Besitz der nicht entzogenen Lenkerberechtigung für die Gruppe B zu belassen, sie hätte in diesem Fall rechtmäßigerweise einen zweiten Entziehungsbescheid erlassen und einer Berufung auch dagegen die aufschiebende Wirkung aberkennen müssen. Ein Formfehler hätte die Rechtsstellung des Klägers somit nicht berührt. Seinen Standpunkt, der Ausschluß der aufschiebenden Wirkung der Berufung beruhe auf Ermessensüberschreitung und damit unvertretbarer Rechtsansicht, verfolge der Kläger in seinem Rechtsmittel nicht mehr weiter. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs führe zwar die Behebung eines Bescheids durch die Berufungsinstanz dazu, daß der aufgehobene Bescheid im Rahmen anhängiger oder anhängig gemachter Verfahren als unerheblich zu betrachten sei, doch folge daraus noch nicht zwingend der Schluß, daß ein „in der Vergangenheit gesetztes, dem aufgehobenen Bescheid widersprechendes Verhalten straflos“ bleibe. Dem Kläger sei durch den Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde der Führerschein entzogen und dessen Ablieferung aufgetragen worden. Angesichts der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung sei das Verbot, ein Kraftfahrzeug zu lenken, schon mit der Zustellung des Bescheids in Kraft getreten. Es sei jedenfalls rechtlich nicht unvertretbar, die Strafbarkeit des Verhaltens des Klägers im Sinne einer ex-ante-Betrachtung nach der Rechtslage im Tatzeitpunkt zu beurteilen. Andernfalls würden die Normunterworfenen geradezu eingeladen, Bescheide in der Hoffnung auf eine rückwirkende Änderung zu mißachten und Sanktionsandrohungen in den Wind zu schlagen. Machte ein solches Verhalten Schule, verlören das Verwaltungsstrafrecht und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung jede Effektivität. Der Adressat würde umgehend die Richtigkeit des Bescheids selbst beurteilen und in der Hoffnung auf eine kassatorische Berufungsentscheidung die bescheidmäßigen Verpflichtungen mißachten. Dies brächte gerade beim Führerscheinentzug gefährliche Auswirkungen mit sich, zumal in solchen Verfahren die aufschiebende Wirkung einer Berufung grundsätzlich im Interesse des öffentlichen Wohls auszuschließen sei, erfordere es doch die Sicherheit im Straßenverkehr, den Kraftfahrer mangels Verkehrszuverlässigkeit vom Straßenverkehr auszuschließen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist berechtigt.

Nach wie vor vertritt der Rechtsmittelwerber die Auffassung, der Bescheid, mit dem ihm die Lenkerberechtigung entzogen wurde, der Ausspruch in diesem Bescheid, daß einer Berufung gegen diesen die aufschiebende Wirkung aberkannt werde, der Berichtigungsbescheid und die Erlassung der Strafverfügungen nach Aufhebung des Entziehungsbescheids seien nicht nur rechtswidrig gewesen, sondern beruhen auch auf unvertretbarer Rechtsansicht. Besonderes Gewicht kommt dem Entziehungsbescheid zu, weil er die Grundlage für alle weiteren beanstandeten behördlichen Verfügungen ist; gesonderter Erwägungen bedürfen aber noch die Kosten für die Einsprüche gegen die Strafverfügungen der Bezirksverwaltungsbehörde.

A) Zum Entziehungsbescheid:

Vorab ist festzuhalten, daß der Kläger seine durch den Entziehungsbescheid ausgelösten Vermögensnachteile vor allem auch auf die fehlerhafte Anzeige und die unrichtigen Angaben der beiden Gendarmeriebeamten stützt, auf die die Bezirksverwaltungsbehörde die Feststellungen in ihrem Bescheid gegründet hat (ON 1, S.4): Diese Behörde unterstellte der Anzeige die Schlüssigkeit und nahm besonders gefährliche Verhältnisse gemäß § 66 Abs 2 lit f KFG 1967 an, weil der Kläger die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit um 28 km/h überschritten, in unübersichtlichen Kurven bei starkem Verkehr in beiden Richtungen überholt und vor allem ein Motorrad mit völlig abgefahrenen Hinterreifen benützt habe. Tatsächlich findet sich in der Anzeige der Hinweis, daß der Hinterreifen des Motorrads komplett (0,0 mm) abgefahren gewesen sei, was von den beiden Gendarmeriebeamten auch im Ermittlungsverfahren der Bezirksverwaltungsbehörde bestätigt wurde.

Die Berufungsbehörde wiederholte die Beweisaufnahme: Beide Gendarmeriebeamten räumten nun ein, die Anzeige beruhe insoweit auf einem Verständigungsirrtum. Aufgrund der Ergebnisse des eigenen Ermittlungsverfahrens stellte die Berufungsbehörde abweichend von der Bezirksverwaltungsbehörde fest, der Hinterreifen habe an einer Stelle über eine Länge von 10 cm statt der vorgeschriebenen Mindetprofiltiefe von 2 mm lediglich eine Profiltiefe von 1,8 bis 1,9 mm aufgewiesen. Daraus schloß die Berufungsbehörde, darin liege bloß eine geringfügige Unterschreitung der Mindesttiefe, so daß dem Kläger das nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Annahme besonders gefährlicher Verhältnisse geforderte zusätzliche schwerwiegende Sachverhaltselement nicht zur Last falle. Demgemäß gab der Landeshauptmann der Berufung Folge und hob den Entzug der Lenkerberechtigung - ersatzlos - auf. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Nun hat die beklagte Partei jedoch schon von Anfang an den Standpunkt vertreten, rechtswidrig sei nicht der erstinstanzliche Bescheid gewesen, sondern der Bescheid der Berufungsbehörde; dieser Einwendung muß jedoch jede inhaltliche Prüfung versagt bleiben: Ungeachtet der Frage der generellen Bindung der Gerichte an Erkenntnisse der Verwaltungsbehörden (Schragel, AHR2 Rz 269; insbesondere aber Fasching JBl 1976, 557; derselbe auch in LB2 Rz 96) ist die Entziehung der Lenkerberechtigung ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt, dessen Überprüfung durch das Gericht schon angesichts des Grundsatzes der Gewaltentrennung (Art 94 BVG) jedenfalls ausgeschlossen ist (SZ 55/22; ähnlich auch SZ 64/98; RZ 1986/1; JBl 1980, 320 ua; vgl auch Fasching in JBl 1976, 561). Hat daher - wie hier - die Verwaltungsbehörde im Berufungsverfahren die aufgrund der fehlerhaften Anzeige ausgesprochene und infolge Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung sogleich wirksam gewordene Entziehung der Lenkerberechtigung - ersatzlos - aufgehoben, dann steht nunmehr für die Gerichte bindend fest, daß die Bezirksverwaltungsbehörde dem Kläger die Lenkerberechtigung aufgrund der von ihr angestellten Erwägungen nicht hätte entziehen dürfen.

Dieser Bindung ist auch das Amtshaftungsgericht unterworfen, soweit es sich nicht um jenen Bescheid handelt, aus dem der Kläger seinen Amtshaftungsanspruch ableitet. Die Bindung an einen solchen Verwaltungsakt kann bei der Beurteilung seiner Rechtswidrigkeit schon nach dem Wesen der Amtshaftung nicht bestehen (Schragel aaO Rz 269 und 273), weil der Ersatzanspruch andernfalls daran schon von vornherein scheitern müßte; insoweit sind die Bindungsfragen durch § 11 Abs 1 AHG auch eigenständig gelöst. Aus dem Berufungsbescheid leitet der Kläger aber seine Amtshaftungsansprüche gerade nicht ab, er beruft sich im Gegenteil vielmehr auf diesen Bescheid zur Stützung seiner Behauptung, die Entziehung der Lenkerberechtigung durch die Bezirksverwaltungsbehörde sei rechtswidrig gewesen.

Ist das Amtshaftungsgericht an den vom Kläger unbeanstandet gebliebenen rechtskräftigen Bescheid der Berufungsbehörde gebunden, so bleibt dem beklagten Rechtsträger, als dessen Organ diese Behörde bei ihrer Entscheidung handelte, schon deshalb die von ihm gebrauchte Einwendung verwehrt, der Bescheid ihres Organs sei rechtswidrig. Die beklagte Partei könnte sich übrigens schon ganz allgemein der Amtshaftung nicht durch Berufung auf eigenes, jedenfalls aber ihr zuzurechnendes rechtswidriges Organverhalten entledigen. Es wäre wohl auch ein Wertungswiderspruch, bestünde der amtshaftungsrechtliche Ersatzanspruch nicht, gleichviel ob der Geschädigte nun die Schadensverhütung durch ein Rechtsmittel (im Sinne des § 2 Abs 2 AHG) unterließ oder zwar das vorgesehene Rechtsmittel ergriff und damit auch erfolgreich war, den Ersatz des ihm mangels aufschiebender Wirkung des Rechtsmittels erwachsenen Schadens aber dennoch nicht erreichen kann, nur weil ihm nun vom beklagten Rechtsträger die Rechtswidrigkeit der ihm günstigen Rechtsmittelentscheidung durch das Organ eben dieses Rechtsträgers entgegengehalten werden könnte: Mit dieser Einwendung kann der beklagte Rechtsträger im Amtshaftungsverfahren daher nicht gehört werden.

Es ist daher im Amtshaftungsverfahren in Bindung an den in Rechtskraft erwachsenen Berufungsbescheid zugrundezulegen, daß die Bezirksverwaltungsbehörde dem Kläger die Lenkerberechtigung nicht hätte entziehen dürfen, ihr Bescheid somit rechtswidrig war.

Die beklagte Partei behauptet auch noch in ihrer Revisionsbeantwortung, die Bezirksverwaltungsbehörde hätte die Lenkerberechtigung auch entziehen dürfen, hätte sie die Unterschreitung der Mindestprofiltiefe des Hinterreifens auch nur in dem von der Berufungsbehörde aufgrund der richtiggestellten Aussagen der beiden Gendarmeriebeamten im angenommenen Ausmaß festgestellt: Mit diesem Vorbringen spricht die beklagte Partei rechtmäßiges Alternativverhalten an, macht also geltend, ihr Organ (die Bezirksverwaltungsbehörde) habe sich zwar rechtswidrig verhalten, es hätte den Schaden indessen auch durch rechtmäßiges Verhalten herbeiführen dürfen (SZ 64/23 mwN). Die beklagte Partei meint zwar, mit dieser Einwendung schon die Rechtmäßigkeit des beanstandeten Bescheids darlegen zu können, übersieht dabei jedoch - abgesehen davon, daß damit in die vom Berufungsbescheid ausgehende Bindung eingegriffen werden würde - , daß die Bezirksverwaltungsbehörde ihre Verfügung in erster Linie auf den „total“ abgefahrenen Hinterreifen gründete, die der Entziehung der Lenkerberechtigung vorausgesetzten besonders gefährlichen Verhältnisse also gerade nicht bloß auf die übrigen ins Treffen geführten Verwaltungsübertretungen des Klägers stützte.

Ist die Begründung des Bescheids unvertretbar, kann der auf das darin liegende Verschulden gegründete Amtshaftungsanspruch nicht dadurch abgewehrt werden, daß anstelle unvertretbarer Rechtsansicht eine zwar auch objektiv unrichtige, immerhin aber vertretbare Ausführung gesetzt wird, bezieht sich doch die Einwendung rechtmäßigen Alternativverhaltens nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats (JBl 1992, 316; 1 Ob 20/92; 1 Ob 17/92; 1 Ob 40/91 ua) nicht auf das Verschulden, sondern auf den dem Ersatzanspruch vorausgesetzten Rechtswidrigkeitszusammenhang. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob den Organen des beklagten Rechtsträgers eine vertretbare Rechtsansicht zugebilligt oder ihnen sonst ein Verschulden nicht zur Last gelegt werden kann; danach ist zu untersuchen, ob die Entscheidungen der Organe der beklagten Partei in erster Instanz in materieller Hinsicht richtig waren. Beides ist zu verneinen:

Der Rechtsträger haftet für die nachteiligen Folgen eines Bescheids trotz dessen Rechtswidrigkeit nicht, wenn jenen Organen, die zu dessen Zustandekommen beigetragen haben, kein Verschulden zur Last liegt. Dabei ist zu beachten, daß die Behauptungs- und Beweislast für das mangelnde Verschulden stets den Rechtsträger trifft, so daß die Haftung für die Schadensfolgen aus dem rechtswidrigen Organverhalten ohne weiteres anzunehmen ist (1 Ob 16/92; Schragel aaO Rz 149).

Das Erstgericht hat - wenngleich verfehltermaßen im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung - festgestellt (S.16), die Bezirksverwaltungsbehörde hätte „richtigerweise“ von folgendem Sachverhalt ausgehen müssen:

Der Kläger überholte am 19.8.1991 auf der Fahrt mit seinem Motorrad ca. 25 PKW. Dies bei starkem Verkehr in beiden Richtungen, so daß er beim Einordnen teilweise Probleme hatte. Dabei überholte er zweimal auf Schutzwegen und überfuhr Sperrflächen. Alle Überholvorgänge zeigte er außerdem nicht an. Die im Ortsgebiet zulässige Geschwindigkeit überschritt er einmal um 28 km/h. Der Hinterreifen des Motorrads wies weiters eine Stelle in der Länge von 10 cm auf, wo die Profiltiefe nicht die vorgeschriebene Mindesttiefe von 2 mm erreichte.“

Weiters stellte das Erstgericht noch fest, im Verwaltungsstrafverfahren habe nicht mit erforderlicher Sicherheit festgestellt werden können, daß er „zusätzlich noch“ in unübersichtlichen Links- und Rechtskurven überholt habe.

Das Gericht zweiter Instanz will darin keine Feststellungen erblicken. Richtig ist zwar, daß das Erstgericht dabei nicht mit der wünschenswerten Deutlichkeit vorging, es hat aber doch deutlich genug zum Ausdruck gebracht (arg. „richtigerweise“), daß die Bezirksverwaltungsbehörde diese Feststellungen hätten treffen müssen, weil sich die Vorfälle, die die beiden Gendarmeriebeamten zur Anzeige bewogen, in der Tat so zutrugen.

Nun mag zwar jenem Organ, das den beanstandeten Bescheid erließ, kein Verschulden zuzurechnen sein, weil es auf die Richtigkeit der Anzeige und der Angaben der beiden Gendarmeriebeamten vertrauen durfte, das Amtshaftungsbegehren ist indessen auf das schuldhaft rechtswidrige Verhalten der Organe des beklagten Rechtsträgers gestützt, die zum Zustandekommen des Bescheids in adäquater Weise beitrugen. Die beiden Gendarmeriebeamten räumten aber im Ermittlungsverfahren der Berufungsbehörde ein, die Angaben über den vollständig abgefahrenen Hinterreifen beruhten auf einem ihnen unterlaufenen (Verständigungs-)Irrtum, den sie nicht aufzuklären wußten. Hätten die beiden Beamten die Anzeige den Tatsachen gemäß erstattet bzw wenigstens bei der Bezirksverwaltungsbehörde richtige Angaben über den Reifenzustand gemacht, so hätte die Behörde zweifellos jene Feststellungen getroffen, von welchen in der Folge die Berufungsbehörde bei ihrer (abändernden) Entscheidung ausging. Der Irrtum der Gendarmeriebeamten als Organe des beklagten Rechtsträgers beruht auf mangelnder Sorgfalt bei Klärung des Sachverhalts und Abfassung der Anzeige und ist deshalb der beklagten Partei als Verschulden zuzurechnen; diese hat besondere Umstände, derentwegen den Beamten ein sorgfältigeres Vorgehen nicht hätte zugemutet werden dürfen, nicht einmal behauptet.

Der beanstandete schadensauslösende und später von der Berufungsbehörde beseitigte Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde beruht daher auf schuldhaft rechtswidrigem Vorgehen von Organen, die für den beklagten Rechtsträger handelten.

Damit aber versagt auch die Einwendung rechtmäßigen Alternativverhaltens: Die Behauptung, die Bezirksverwaltungsbehörde hätte die Lenkerberechtigung auch entziehen müssen (oder wenigstens dürfen), wenn ihr von vornherein eine richtige Anzeige vorgelegt worden wäre, scheitert schon an der Erwägung, daß die Berufungsbehörde den verbliebenen Sachverhalt gerade nicht als ausreichend erkannt und bindend ausgesprochen hat, daß die Lenkerberechtigung auf dieser Sachverhaltsgrundlage nicht hätte entzogen werden dürfen. Auf das verfehlte Vorbringen der beklagten Partei, das ins Treffen geführte Alternativverhalten wäre wenigstens vertretbar gewesen, ist schon aus den oben angestellten Erwägungen nicht weiter einzugehen.

Auch die Frage, ob der Ausspruch über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung und der Berichtigungsbescheid - zu welchen es gar nicht hätte kommen können, wäre der Entziehungsbescheid nicht ergangen - rechtmäßig waren oder mindestens auf vertretbarer Rechtsansicht beruhten, muß nicht geprüft werden, weil der vom Kläger insoweit geltend gemachte Schaden bereits durch den Entziehungsbescheid ausgelöst wurde, also nicht entstanden wäre, hätte die Bezirksverwaltungsbehörde diesen Bescheid nicht erlassen, und damit in diesem Bescheid seine adäquate Ursache findet (vgl Schragel aaO Rz 165).

Der unmittelbar aus diesem Bescheid abgeleitete Ersatzanspruch umfaßt - da der Kläger die begehrte Haftentschädigung im Rechtsmittelverfahren nicht mehr weiter verfolgt - die vom Erstgericht auch in dieser Höhe festgestellten Kosten der rechtlichen Vertretung des Klägers im Entziehungsverfahren von S 14.370 und den noch mit S 19.985 (ON 6, S.9) geltend gemachten Verdienstentgang, den das Erstgericht jedoch lediglich in Höhe von DM 500 ermittelte. Die dagegen gerichtete Beweisrüge des Klägers erledigte das Gericht zweiter Instanz angesichts seiner Rechtsauffassung nicht. Dem Kläger kann daher mit Teilurteil lediglich ein Betrag von S 14.370 zuerkannt werden; der restliche in diesem Zusammenhang geltend gemachte Ersatzanspruch erweist sich aus den genannten Erwägungen noch nicht als spruchreif.

B) Zu den Strafverfügungen:

Zwischen den gleichfalls geltend gemachten Kosten der Vertretung in den Strafverfahren und dem Entziehungsbescheid besteht dagegen kein rechtlich anzuerkennender ursächlicher Zusammenhang mehr. Der Kläger lenkte in der Zeit zwischen dem Wirksamwerden des Entziehungsbescheids und der Zustellung des Berufungsbescheids Kraftfahrzeuge, obwohl seiner Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt und der Bescheid daher schon mit dessen Zustellung wirksam geworden war; dieses ihm auf rechtlich wirksame Weise verbotene Verhalten beruhte auf seinem freien Willensentschluß. Nach ständiger Rechtsprechung (RZ 1976/90; MietSlg 34.644/12; 6 Ob 768/83 ua; vgl insbesondere auch SZ 57/173 und SZ 60/49) ist die Zurechnung einer Schadensfolge aber dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn diese auf einem selbständigen, durch den haftungsbegründenden Vorgang nicht mehr herausgeforderten Entschluß des Verletzten beruht. Von einer solchen Herausforderung des freien Entschlusses des Klägers, trotz wirksam gewordener Entziehung der Lenkerberechtigung Kraftfahrzeuge zu lenken, kann angesichts der gegebenen Sachlage keine Rede sein: Der Kläger hat nicht einmal vorgebracht, daß er durch besondere Umstände genötigt gewesen wäre, entgegen dem Bescheid Kraftfahrzeuge zu lenken; seine wenn auch von der Berufungsbehörde letztlich gebilligte Auffassung, daß ihm die Lenkerberechtigung zu Unrecht entzogen worden sei, ändert nichts an einem freien, nicht herausgeforderten Entschluß des Klägers.

Dieser leitet seine Ersatzansprüche aber auch aus der auf unvertretbarer Rechtsansicht beruhenden Erlassung von Strafverfügungen in einer Zeit ab, in der der Bezirksverwaltungsbehörde der Berufungsbescheid bereits bekannt war. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwSlg 10.452 A und 9968 A ua) ist der in der Unterinstanz ergangene Bescheid für die Zukunft, soweit sich aber behördliche Maßnahmen auf den Zeitraum des Berufungsverfahrens beziehen, auch für diesen schon in der Vergangenheit liegenden Zeitraum beseitigt, wenn die Rechtsmittelbehörde der Berufung Folge gibt und den bekämpften Bescheid behebt. Dieser gehört unter Einschluß akzessorischer Vorkehrungen, etwa des Ausspruchs nach § 64 Abs 2 AVG 1950, wohl aber auch des Berichtigungsbescheids, mit dem Wirksamwerden des Berufungsbescheids nicht mehr der Rechtsordnung an. Lediglich jene Maßnahmen, die aufgrund des in der Hauptsache in unterer Instanz ergangenen Bescheids in Verbindung mit dem nach § 64 Abs 2 AVG 1950 getroffenen Ausspruchs während der Dauer des Berufungsverfahren rechtskräftig (etwa wie die rechtskräftige Bestrafung in einem darauf fußenden Verwaltungsstrafverfahren) oder abschließend (wie etwa Maßnahmen der Zwangsvollstreckung) getroffen wurden, bleiben davon unberührt, soweit nicht die Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 69 f AVG 1950) in Betracht kommt. Ist dagegen der Bescheid, nach dessen Inhalt das in Frage stehende Verhalten eine Verwaltungsübertretung bildete, behoben worden, so ist er im Rahmen bereits anhängiger oder erst anhängig gemachter Verfahren, selbst wenn das zu beurteilende Verhalten noch vor der Entscheidung der höheren Instanz gesetzt wurde, als nie erlassen zu betrachten; dennoch ergangene Strafverfügungen (bzw Straferkenntnisse oder sonstige Vorkehrungen), die danach noch auf den unterinstanzlichen Bescheid gegründet werden, entbehren somit jeder Rechtsgrundlage. Gleichermaßen entschied der Verwaltungsgerichtshof auch in Fällen, in welchen er selbst eine kassatorische Entscheidung traf (etwa die Entscheidungen vom 11.12.1984, Zl 84/04/0171-5, und vom 23.11.1988, Zl.88/01/0164-11). Diese Rechtsfolgen sind schon bei kassatorischer Entscheidung der übergeordneten Behörde bzw des Verwaltungsgerichtshofs zu beachten, umso mehr aber dann, wenn der bekämpfte Bescheid durch reformatorische Entscheidung ersatzlos beseitigt wurde.

Bei Bedachtnahme auf diese Rechtsprechung hätte die Bezirksverwaltungsbehörde die Strafverfügungen in der Zeit, in der diese ergangen sind, nicht mehr erlassen dürfen; Erwägungen, weshalb sich die Behörde trotz dieser Rechtsprechung zu diesen Schritten entschloß, können den Strafverfügungen nicht entnommen werden. Diese Verfügungen hält der Oberste Gerichtshof demgemäß für rechtswidrig, sie können aber mit Rücksicht auf die einhellige Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (vgl etwa die Nachweise bei Ringhofer, Verwaltungsverfahren I § 66 AVG 1950 E.171 und 172) auch nicht mehr als vertretbar angesehen werden (Schragel aaO Rz 145 mwN). Rechtmäßiges Alternativverhalten kommt mit Rücksicht auf die weiter oben angestellten Erwägungen überhaupt nicht in Betracht.

Ist aber die Entscheidung eines Amtshaftungsstreits davon abhängig, ob die Entscheidung der Verwaltungsbehörde rechtswidrig ist, so hat das Gericht, sofern über diese Frage noch kein Erkenntnis eines der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ergangen ist, das Gericht den Bescheid für rechtswidrig hält und das Klagebegehren nicht - wie hier - gemäß § 2 Abs 2 AHG abzuweisen ist, diese Frage nicht selbst zu beurteilen, sondern nach § 11 Abs 1 AHG vorzugehen; es hat sein Verfahren zu unterbrechen und beim Verwaltungsgerichtshof die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids zu begehren.

Das bedeutet zwar noch nicht, das Gericht habe immer dann, wenn der Kläger seinen Ersatzanspruch aus einem Bescheid ableitet, das Verfahren sofort zu unterbrechen; es hat vielmehr zunächst zu prüfen, ob ein Schaden eingetreten, der gebotene Kausalzusammenhang gegeben ist bzw dem Organ ein Verschulden zur Last fallen kann; es hat auch selbständig zu prüfen, ob Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen, weil es den Verwaltungsgerichtshof nur anzurufen hat, wenn es den Bescheid für rechtswidrig „hält“, also die Auffassung des Klägers teilt (SZ 60/177 mwN).

Alle diese Voraussetzungen treffen hier zu, weil die Kosten der Beeinspruchung der Strafverfügungen durch deren Erlassung ausgelöst wurden und nicht entstanden wären, hätte die Bezirksverwaltungsbehörde angesichts des Berufungsbescheids im Entziehungsverfahren davon Abstand genommen. Daß die Strafverfügungen für rechtswidrig zu halten sind und der Behörde dabei Verschulden zur Last fallen kann, ist schon weiter oben dargelegt worden.

Die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofs ist aber Sache des Gerichts erster Instanz, das allein das Verfahren in einer Weise unterbrechen kann, daß nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs die danach notwendigen Erörterungen des entstandenen Sachverhalts stattfinden können (SZ 60/177). Festzuhalten ist auch, daß das Erstgericht, sollte der Verwaltungsgerichtshof eine meritorische Entscheidung ablehnen, von sich aus die Rechtswidrigkeit der beanstandeten Strafverfügungen zu prüfen haben wird.

Der Revision ist deshalb Folge zu geben. Da aber das Berufungsgericht die Beweisrüge des Klägers, mit der dieser die erstinstanzlichen Feststellungen über seinen Verdienstentgang infolge der Ablieferung des Führerscheins bekämpfte, nicht erledigte, ist es zur Vermeidung eines überflüssigen Instanzenzugs zunächst zweckmäßig, nur dessen Urteil aufzuheben, soweit nicht schon aufgrund unbekämpfter Feststellungen ein Teilurteil erlassen werden kann. Nach Erledigung der Beweisrüge wird das Gericht zweiter Instanz im Umfang der aus den Strafverfügungen abgeleiteten Ersatzansprüche im Sinne des voranstehenden Absatzes zu verfahren haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 und 2 ZPO (iVm § 392 Abs 2 ZPO).

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