OGH 6Ob133/01d

OGH6Ob133/01d21.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Jörg H*****, vertreten durch Mag. Huberta Gheneff-Fürst, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. Viktor K*****, vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Widerrufs und Veröffentlichung des Widerrufs ehrverletzender Äußerungen, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 14. Februar 2001, GZ 5 R 218/00s-9, womit über die Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 31. Juli 2000, GZ 37 Cg 27/00z-5, zur Verfahrensergänzung aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Nach den Nationalratswahlen 1999 fanden zwischen den Obmännern der politischen Parteien Gespräche zur Bildung einer Koalitionsregierung statt. Der Kläger äußerte sich am 6. 2. 2000 in einer Fernsehsendung zum Inhalt eines solchen Gesprächs mit dem Beklagten. Dieser habe verschiedene Vorschläge zur Bildung und Unterstützung einer vom Beklagten geführten Minderheitsregierung gemacht und dem Kläger angeboten, dessen Partei in Europa "salonfähig" zu machen. Über die Äußerung des Klägers wurde in verschiedenen Medien berichtet. Der Beklagte nahm zu den Behauptungen des Klägers Stellung. Auf die Frage eines Journalisten, ob der Kläger lüge, erklärte der Beklagte: "Ja, weil Unwahrheit ist es wohl, nicht, ja, okay".

Der Kläger begehrt die Unterlassung und den Widerruf der Äußerung des Beklagten, der Kläger lüge mit seiner Behauptung, dass der Beklagte dem Kläger ein Angebot gemacht hätte, wonach die FPÖ eine von der SPÖ geführte Minderheitsregierung im Parlament derart unterstützen solle, dass die FPÖ für ein Jahr lang auf ein Misstrauensvotum verzichten solle, wofür die SPÖ im Gegenzug "zwei bis vier" von der FPÖ namhaft gemachte Experten in die Regierung aufnehmen würde und wofür die SPÖ die FPÖ in Europa "salonfähig" machen würde, wozu die ÖVP nicht in der Lage sei. Der Kläger habe den Inhalt seines Gesprächs mit dem Beklagten wahrheitsgemäß wiedergegeben. Der Beklagte habe diesen Inhalt wahrheitswidrig dementiert und dem Kläger vorgeworfen, er lüge. Der Lügenvorwurf sei ehrenbeleidigend und rufschädigend.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe den Inhalt des Gesprächs zum Teil richtig wiedergegeben. In diesem Umfang habe der Beklagte nichts dementiert. Er habe dem Kläger aber nie angeboten, die Partei des Klägers "salonfähig" zu machen. Aber auch dazu habe der Beklagte den Kläger nicht der Lüge bezichtigt. Die Frage der Lüge sei von einer Journalistin in einer Zwischenfrage angesprochen worden, nachdem sich der Beklagte ausdrücklich gegen den Vorwurf des Klägers verwehrt habe, der Beklagte hätte dem Kläger gedroht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen und der rechtlichen Beurteilung habe sich der "implizit" erhobene Lügenvorwurf des Beklagten nur auf einen Vorwurf des Klägers bezogen, der Beklagte habe ihm gedroht. Dieser Vorwurf sei aber vom Klagebegehren nicht erfasst. Die strittige Frage, ob der Beklagte angeboten habe, die Partei des Klägers in Europa salonfähig zu machen, sei nur dementiert, nicht aber mit dem Vorwurf der Lüge verbunden worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und hob das erstinstanzliche Urteil zur Verfahrensergänzung auf. Es erachtete die Feststellungen des Erstgerichtes, die sich auf eine Zusammenstellung diverser Zeitungsberichte und Berichte des ORF gründeten, für noch nicht ausreichend, um den genauen Zusammenhang erkennen zu können, in dem der Beklagte den Vorwurf der Unwahrheit der Aussagen des Klägers erhoben habe. Das ergänzende Parteivorbringen des Klägers, der Beklagte habe andere Personen angeleitet, den Kläger der Lüge zu bezichtigen, sei entgegen der Auffassung des Erstgerichtes nicht unbestimmt gewesen. Darüber hätte ein Beweisverfahren abgeführt werden können. Im fortzusetzenden Verfahren werde das Erstgericht jedenfalls die beantragte Parteienvernehmung durchzuführen und Feststellungen darüber zu treffen haben, in welchem Zusammenhang die Äußerung des Beklagten, der Kläger lüge, gefallen sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die Zulässigkeit von Äußerungen in der politischen Diskussion sei grundsätzlich eine erhebliche Rechtsfrage.

Mit seinem Rekurs beantragt der Beklagte die Abänderung dahin, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig.

Die vom Berufungsgericht dargestellte Rechtsfrage ist nicht erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO. Auch im politischen Meinungskampf unter Berufspolitikern können Werturteile auf der Basis falscher Tatsachenbehauptungen niemals gerechtfertigt sein (RS0032201).

Wenn das Berufungsgericht den Sachverhalt für noch nicht genügend geklärt erachtet und dem Erstgericht eine Verfahrensergänzung durch Aufnahme der beantragten Beweise aufträgt, kann dem der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten, weil der Ergänzungsauftrag nicht auf einer falschen Rechtsansicht beruht. Zum Beweisthema gehören sowohl der Inhalt des Vieraugengesprächs der Parteien als auch die Gegenäußerung des Beklagten in ihrem Gesamtzusammenhang. Dass dieser und das Verständnis der Adressaten der Äußerung für die Beurteilung einer ehrverletzenden Behauptung maßgeblich sind, entspricht der ständigen oberstgerichtlichen Judikatur (RS0031883).

Ob das Berufungsgericht auch zu dem weiteren (ergänzenden) Parteivorbringen des Klägers, der Beklagte habe andere Personen beauftragt, den Kläger im Zusammenhang mit den Koalitionsgesprächen der Lüge zu bezichtigen, einen Auftrag zur Verfahrensergänzung erteilt hat, geht aus der Berufungsentscheidung nicht eindeutig hervor. Ein Ergänzungsauftrag in diese Richtung wäre aber entgegen der Auffassung des Rekurswerbers aus rechtlichen Erwägungen nicht zu beanstanden. Die Anleitung anderer zu einem Lügenvorwurf ist zwar nicht Gegenstand des Urteilsbegehrens, wegen des thematischen und zeitlichen Zusammenhangs aber allenfalls eine für die Beweiswürdigung des Gerichtes relevante Hilfstatsache. Ob die Tatsacheninstanzen dieses Thema aufgreifen oder nicht, fällt in ihre alleinige Kompetenz und stellt keine Rechtsfrage dar, die an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden könnte.

Der Ausspruch über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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