OGH 7Ob64/01i

OGH7Ob64/01i23.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei MR Dr. Franz J*****, vertreten durch Dr. Friedrich Spitzauer & Dr. Georg Backhausen, Rechtsanwälte in Wien, der Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei 1. Ing. Hubert B*****, 2. Ing. Peter T*****, beide ***** vertreten durch Dr. Heinz Wille ua Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Dipl. Ing. Thomas K*****, vertreten durch Dr. Thomas Wanek und Dr. Helmut Hoberger, Rechtsanwälte in Perchtoldsdorf, wegen S 120.654,89 samt Anhang, infolge Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse: S 37.966,--) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 16. November 2000, GZ 11 R 64/00p-66, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 20. Jänner 2000, GZ 19 Cg 29/99w-56, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden abgeändert, sodass sie - soweit sie nicht hinsichtlich des Zuspruchs von S 22.188,89 samt 4 % Zinsen aus S 99.221,72 vom 1. 7. 1993 bis 6. 7. 1993, aus S 84.973,85 vom 7. 7. 1993 bis 5. 8. 1993, aus S 82.598,89 vom 6. 8. 1993 bis 19. 10. 1993 und aus S 22.188,89 seit 20. 10. 1993 und hinsichtlich der Abweisung von S 60.410,-- samt 4 % Zinsen seit 20. 10. 1993 unbekämpft in Rechtskraft erwachsen sind - dahin abgeändert, dass sie im klagsabweisenden Teil insgesamt zu lauten haben:

"Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger weitere S 98.376,-- samt 4 % Zinsen seit 20. 10. 1993 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die anteilig mit S 66.690,32 (darin enthalten S 8.055,91 an USt und S 18.354,86 Barauslagen) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die anteilig mit S 1.447,20 bestimmten Barauslagen binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die anteilig mit S 10.292,30 (darin enthalten S 1.715,38 an USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 7.977,71 (darin enthalten S 777,95 an USt und S 3.310,-- an Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revisionsbeantwortung wird als verspätet zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger gewährte dem Beklagten mit Vereinbarung vom 15. 6. 1991 ein Darlehen im Betrag von S 184.681,52, welches beginnend mit 15. 6.1991 - sodann jeweils am 15. der Folgemonate - in Monatsraten zu je S 2.374,69 bei Terminsverlust bis spätestens 15. 5. 2001 rückzahlbar war. Sollte der Darlehensbetrag bis zum 30. 12. 1991 vollständig bezahlt werden, ist nur dieser zu bezahlen (./A). Die Klagsforderung haftet nach Zahlung - zum Teil während des Verfahrens - mit S 120.564,69 samt Anhang aus.

Der Beklagte war Hauptmieter der Wohnung top Nr 8 im Haus 1130 Wien, Trauttmannsdorfgasse 50. Der Kläger ist Miteigentümer des Hauses. Anlässlich der Scheidung des Beklagten trat er seine Hauptmietrechte an Dipl. Ing. Antoinette K***** mit Juli 1991 ab.

Im Jahr 1989 beauftragte der Kläger die Nebenintervenienten mit der Durchführung eines Dachbodenausbaus. Im Zuge des Ausbaus (1989/90) entstanden in der Wohnung des Beklagten durch eindringendes Regenwasser Schäden. Der Decken- und Wandverputz verfärbte sich und löste sich vom Mauerwerk ab, Teppichböden wurden verunreinigt und Karniesen beschädigt. Zur Behebung der Schäden mussten Sanierungskosten in der Höhe von S 98.376,-- aufgewendet werden. Im November 1989 war bereits ein Schadenbehebungsaufwand von S 37.966.-- notwendig. Der Beklagte und Dipl. Ing. Antoinette K***** wandten sich mehrfach an den Kläger. Dieser sicherte zu, dass er, wenn es Schäden gebe, diese selbstverständlich wieder in Ordnung bringen würde. Er verwies den Beklagten und dessen Gattin an die Baumeister bzw die Versicherung.

Nachdem Dipl. Ing. Antoinette K***** für die durch die Bauführung entstandenen Schäden in der Wohnung top Nr 8 keine Entschädigung erhielt, trat sie ihre Schadenersatzansprüche im Frühjahr 1993 an den Beklagten ab, da sie wusste, dass dieser noch Darlehensschulden gegenüber dem Kläger hatte. Dies schien ihr die einzige Möglichkeit zu sein, noch eine Entschädigung zu erhalten. Bereits vor der Forderungsabtretung im Frühjahr 1993 sprach der Beklagte den Kläger darauf an, die Forderung von Dipl. Ing. Antoinette K***** gegen die Forderung des Klägers gegen den Beklagten zu kompensieren, dies wurde vom Kläger aber abgelehnt.

Der Kläger begehrt nun die Bezahlung des aushaftenden Darlehensrestes.

Der Beklagte beantragt Klagsabweisung mit der Begründung, er habe schon in der Vergangenheit hinsichtlich der von Dipl. Ing. Antoinette K***** abgetretenen Schadenersatzforderung dem Kläger gegenüber bis zur Höhe des Klagsbetrages eine materiellrechtliche Aufrechnungserklärung abgegeben, welche vorsichtshalber nochmals im Schriftsatz ON 8 wiederholt werde. Der Schriftsatz wurde dem Klagevertreter am 23. 2. 1994 zugestellt.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten unter Abweisung des Mehrbegehrens zur Zahlung von S 60.154,89 samt Anhang. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Rechtsansicht, dass die Gegenseitigkeit der Forderungen erst mit der rechtswirksamen Abtretung der Schadenersatzforderung der Dipl. Ing. Antoinette K***** an den Beklagten im Frühjahr 1993 eingetreten sei. Der Beklagte habe seine materiellrechtliche Aufrechnungserklärung erst im Schriftsatz ON 8 erklärt, die dem Kläger auch zugekommen sei. Die Aufrechnung wirke auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Forderungen erstmals einander aufrechenbar gegenübergestanden seien. Die ziffernmäßige Bekanntgabe der Schadenersatzforderung habe erst mit Schriftsatz vom 14. 9. 1993 (Klagebeantwortung), an den Kläger zugestellt am 18. 10. 1993, stattgefunden, weshalb erst zu diesem Zeitpunkt die Aufrechnungslage eingetreten sei. Die Forderung des Beklagten, die vor dem Oktober 1990 entstanden sei (S 37.966.--), sei daher verjährt.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Parteien nicht Folge. Es vertrat - soweit dies noch für das Revisionsverfahren von Bedeutung ist - die Ansicht, dass der Kläger kein Anerkenntnis, das die Verjährungsfrist unterbreche, abgegeben habe. Die Aufrechnungserklärung, die auch erst während des Verfahrens abgegeben werden könne, wirke auf jenen Zeitpunkt zurück, in dem die zu kompensierenden Forderungen einander erstmals aufrechenbar gegenübergestanden seien. Das bewirke nach herrschender Ansicht, dass die Kompensation selbst dann noch zulässig sei, wenn die Forderung des Aufrechnenden im Zeitpunkt seiner Aufrechnungserklärung bereits verjährt gewesen sei, sofern dies im Aufrechnugszeitpunkt nicht der Fall gewesen sei. Bei einer vorzeitig zahlbaren Schuld des Aufrechnenden wirke die spätere Aufrechnungserklärung auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Forderung des Aufrechnenden fällig und die Forderung des Aufrechnungsgegners vorzeitig erfüllbar gewesen sei. Eine Behauptung, die Darlehensforderung des Klägers sei vorzeitig rückzahlbar gewesen, sei vom Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren nicht aufgestellt worden. Die Fälligkeit der Forderung des Klägers habe sich erst durch Terminsverlust nach Zahlung der letzten Rate durch den Beklagten am 12. 1. 1993 ergeben. Zu diesem Zeitpunkt sei aber die Gegenforderung des Beklagten, soweit sie im Jahr 1989 entstanden sei, bereits verjährt gewesen. Zum selben Ergebnis gelange man, wenn man die Berechtigung des Beklagten zur Aufrechnung nur auf die Abtretung der Forderung durch Dipl. Ing. Antoinette K***** stütze. Die Zession einer Forderung zum Inkasso sei rechtswirksam. Voraussetzung bei der Aufrechnung für den Eintritt der Tilgung sei neben den im Gesetz umschriebenen Voraussetzungen auch die Verfügungsbefugnis des Aufrechnenden über die in das Kompensationsverhältnis einbezogene Forderung im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung. Diese habe der Beklagte nach den Feststellungen des Erstgerichtes erst im Jahr 1993 erhalten, sodass die Ansprüche aus dem Jahre 1989 verjährt seien.

Das Berufungsgericht änderte seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision gemäß § 508 ZPO ab, weil der Beklagte erwägenswert dargelegt habe, dass das Darlehen bereits bis zum 31. 12. 1991 zurückzuerstatten gewesen wäre.

Gegen den klagsstattgebenden Teil des Berufungsurteils, soweit er S 37.966.-- s.A. betrifft, richtet sich die Revision des Beklagten mit einem Abänderungsantrag.

Die Revisionsbeantwortung des Klägers ist verspätet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsbeantwortung ist im Fall des § 508 Abs 5 ZPO beim Berufungsgericht einzubringen (§ 507a Abs 3 ZPO). Es genügt nur dann, das Rechtsmittel am letzten Tag der Frist zur Post zu geben (§ 89 Abs 1 GOG), wenn dieses an das zuständige Gericht adressiert wird. Der Kläger richtete die Revisionsbeantwortung nicht an das Berufungsgericht, sondern an das Erstgericht, sodass die Berufung verspätet beim zuständigen Gericht einlangte (Kodek in Rechberger2 , zu Vor § 461 ZPO, Rz 7).

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes dazu, dass der Kläger kein konstitutives Anerkenntnis abgegeben hat, ist zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Feststellungen über eine Zession der Schadenersatzforderung an die Gattin des Beklagten fehlen, obwohl der Beklagte offensichtlich davon ausgeht. Sollte es sich bei der Schadenersatzforderung - so wie das Berufungsgericht bei Behandlung der Berufung des Klägers meint - um eine nach wie vor dem Beklagten zustehende Forderung gehandelt haben, so ändert dies am Ergebnis nichts, weil in diesem Fall der Beklagte eine ihm zustehende Forderung erkennbar irrig, als eine seiner Frau zustehende Forderung schon vor Einleitung des gegenständlichen Verfahrens dem Kläger gegenüber einredeweise geltend gemacht hat, und damit aber den gleichen Zweck verfolgte, nämlich seine Schuld beim Kläger damit tilgen zu wollen. Es war daher nur die Wirksamkeit der behaupteten Kompensation ist zu prüfen.

Der Kläger bestritt im Berufungsverfahren die Rechtswirksamkeit der Zession der Forderung von Dipl. Ing. K***** an den Beklagten damit, dass keine materiell-rechtliche Beziehung bestehe. Auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes zum Inkassomandat wird verwiesen (§ 510 Abs 3 ZPO). Auf seinen Einwand der Sittenwidrigkeit der Zession (diese wird nur bejaht, wenn die Zession den ausschließlichen Zweck verfolgt, dem Kläger Schaden zuzufügen), insbesondere bei Überwälzung des Prozeßkostenrisikos auf den Schuldner durch Zession an eine vermögenslose Person ((SZ 55/137 mwN; 1 Ob 195/64)) kommt der Kläger im Rechtsmittelverfahren nicht mehr zurück, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.

Das Berufungsgericht hat weiters zutreffend erkannt, dass die Aufrechnungserklärung, die auch erst während des Verfahrens abgegeben werden kann (SZ 69/57, Rummel in Rummel II 2, § 1438 ABGB, Rz 12), auf jenen Zeitpunkt zurückwirkt, in dem die kompensierten Forderungen einander erstmals aufrechenbar gegenüberstanden (4 Ob 303/98g; RIS Justiz RS0033973, RS0033904, Rummel aaO, Rz 14). Das bewirkt, dass die Kompensation auch dann zulässig ist, wenn die Forderung des Aufrechnenden im Zeitpunkt seiner Aufrechnungserklärung bereits verjährt war, wenn dies nur nicht im Zeitpunkt der Aufrechnungslage der Fall war (4 Ob 303/98g; SZ 69/57; JBl 1994, 181; RIS Justiz RS0034016, Rummel aaO, Rz 15). Neben den im Gesetz umschriebenen Voraussetzungen einer materiellrechtlichen Kompensation ist für das Eintretung der Tilgungswirkung die Verfügungsbefugnis des Aufrechnenden über die in das Kompensationsverhältnis einbezogene Forderung im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung erforderlich (SZ 69/57, 4 Ob 303/98g, Rummel aaO Rz 9). Nach den Feststellungen des Erstgerichtes erfolgte die Zession der Schadenersatzforderung an den Beklagten im Frühjahr 1993, wodurch er die Verfügungsbefugnis über die Forderung erlangte, soferne nicht, wie schon zuvor erwähnt, eine eigene Schadenersatzforderung des Beklagten von vornherein vorlag. Wird aber eine Aufrechnungserklärung wirksam abgegeben, so ist der Bestand der Forderungen im Zeitpunkt der Aufrechnungslage, also in jenem, in dem sich die Forderungen erstmals aufrechenbar gegenübergestanden sind, zu beurteilen.

Das vom Kläger gewährte Darlehen war nach der unstrittigen Vereinbarung zwischen den Parteien jederzeit rückzahlbar, bei Zahlung vor dem 30. 12. 1991 sollten, keine Zinsen geleistet werden. Ist eine Schuld vorzeitig zahlbar, wirkt eine spätere Aufrechnungserklärung auf diesen Zeitpunkt zurück, in dem die Forderung des Aufrechnenden aufrechenbar und die Forderung des Aufrechnungsgegners vorzeitig erfüllbar war und sich so gegenüberstanden (SZ 58/50).

Das Berufungsgericht hat - von den Parteien nicht bestritten - zutreffend erkannt, dass der Mieter Anspruch auf Zahlung des für die Schadensbehebung erforderlichen Kapitals für solche Schäden hat, zu deren Behebung der Vermieter grundsätzlich nicht verpflichtet ist, wie zB bei Rissen im Mauerwerk oder Sanierung von Maler- und Bodenverlegungsarbeiten. Der Anspruch besteht schon vor der Sanierung (6 Ob 88/98d mwN). Die Schadenersatzforderung ist im Zeitpunkt des Eintritts der Schädigung entstanden (vgl 2 Ob 57/98s mwN; 2 Ob 275/97y).

Die gegenständliche im Jahr 1989 entstandene Gegenforderung stand daher der Klagsforderung bereits im Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlbarkeit (spätestens 30. 12. 1991) aufrechenbar gegenüber. Ein durch die Zessionsvorgänge jeweils bewirkte Gläubigerwechsel ändert nichts an der kontinuierlich bestandenen Aufrechnungslage (SZ 69/57). Die Klagsforderung ist daher durch außergerichtliche Kompensation mit der damals noch nicht verjährten Schadenersatzforderung erloschen.

Die Kostenentscheidung gründet sich im erstinstanzlichen Verfahren auf § 43 Abs 1 ZPO. Die Rückzahlung an Sachverständigenkostenvorschuss lt. ON 55 war zu berücksichtigen. Die Tagsatzung vom 9.12.1999 dauerte lt. Protokoll nur 2/2. Der Kläger obsiegte im ersten Verfahrensabschnitt mit rund 14 %, im zweiten nach Einschränkungen infolge Zahlung durchgehend mit rund 18% seines Anspruchs.

Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren basiert auf §§ 50, 43 Abs. 1 ZPO. Der Beklagte ist mit rund 63% seines Anspruches durchgedrungen, der Kläger ist unterlegen. Die Pauschalgebühr für das zweitinstanzliche Verfahren ist nur einmal zu entrichten (§ 32 TP 2 Anm 4 GGG).

Die Kostenentscheidung im Revisionsverfahren gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Der Beklagte obsiegte zur Gänze. Die Pauschalgebür beträgt S 3.310,--.

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