OGH 5Ob101/01s

OGH5Ob101/01s15.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Flossmann, Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Grundbuchssache des Antragstellers Paul K*****, betreffend Streitanmerkungen in den Einlagen EZ ***** und EZ ***** des Grundbuchs *****, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 8. März 2001, AZ 22 R 12/01w, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Neumarkt bei Salzburg vom 1. Dezember 2000, TZ 2482/00, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionskurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird in der Weise abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.

Hievon werden verständigt:

1.) Gemeinde K*****;

2.) DDr. Edith Oberlaber, Rechtsanwältin, 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1a;

3.) Paul K*****;

4.) Staatsanwaltschaft Salzburg.

Die durch diesen Beschluss notwendigen Grundbuchseintragungen und Verständigungen obliegen dem Erstgericht.

Text

Begründung

Der Antragsteller ist Eigentümer der Liegenschaft *****, zu deren Gutsbestand (ua) das Grundstück 1944 gehört, seine Wohnsitzgemeinde ***** ist Eigentümerin der Liegenschaft ***** (ua) mit dem Grundstück 4751.

Unter Vorlage einer mit dem Bestätigungsvermerk der Strafverfolgungsbehörde versehenen Kopie der am 29. 11. 2000 bei der Staatsanwaltschaft Salzburg gegen Franz S*****, den Bürgermeister der Gemeinde *****, erstatteten Strafanzeige begehrte der Antragsteller am 1. 12. 2000 gemäß § 66 GBG die Anmerkung des Streites hinsichtlich jener Eintragungen, mit denen in Vollziehung eines Anmeldungsbogens unter A2-LNR 1 lit a der ***** eine Teilfläche des Grundstücks 1944 ab- und unter A2-LNR 81 lit a der ***** in das Grundstück 4751 einbezogen wurde. Der gegen den Bürgermeister der begünstigten Gemeinde erhobene Vorwurf einer strafgesetzlich verbotenen Handlung geht im Wesentlichen dahin, dem Vermessungsamt Salzburg, von dem der Anmeldungsbogen stammt, in amtsmissbräuchlicher Weise die unrichtige Mitteilung gemacht zu haben, das "die (Weg-)Anlage in der Natur vollzogen ist und keine Hinderungsgründe für eine Verbücherung bekannt sind", obwohl gar keine Straßenanlage vorhanden sei und der Antragsteller gegen die Gemeinde ***** wegen der eigenmächtigen Abtragung einer Rampe in einem Besitzstörungsverfahren einen rechtskräftigen Wiederherstellungsauftrag erwirkt habe.

Das Erstgericht bewilligte die beantragten Eintragungen; das Rekursgericht wies jedoch in Stattgebung eines von der Gemeinde ***** erhobenen Rekurses das Streitanmerkungsgesuch aus folgenden Erwägungen ab:

Wer behauptet, dass eine Einverleibung infolge einer strafgesetzlich verbotenen Handlung erwirkt worden sei, könne mit den Rechtsfolgen der Streitanmerkung einer Löschungsklage gemäß § 61 GBG beim Grundbuchsgericht unter Beibringung der Bestätigung der zuständigen Behörde, dass bei ihr Strafanzeige erstattet wurde, um die Anmerkung ansuchen, dass Einverleibung streitig sei (§ 66 Abs 1 GBG). Hiezu genüge es, dass im entsprechenden Gesuch eine derartige Behauptung aufgestellt wird, wobei es aber nicht des Nachweises eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der strafbaren Handlung und der Einverleibung bedürfe. Dieser Nachweis müsse erst im auf Grund der Anzeige eingeleiteten Strafverfahren oder gemäß § 67 GBG im Fall der Verweisung auf den Zivilrechtsweg im innerhalb von 60 Tagen nach Eintritt des schuldig sprechenden Strafurteils einzuleitenden Zivilverfahren erbracht werden. Im Fall eines Freispruchs des Angeklagten sei auf Antrag des Antragsgegners die Löschung der Streitanmerkung zu bewilligen.

Entgegen der Rechtsauffassung der Gemeinde ***** sei aus dem Vorbringen in der Strafanzeige sehr wohl ein Zusammenhang zwischen der behaupteten strafbaren Handlung und der Übertragung des Teilstücks aus der Liegenschaft des Antragstellers an sie zu erblicken. Das Vermessungsamt sei im konkreten Fall auf Grund einer Mitteilung der Gemeinde tätig geworden und habe diese auch als Anlage zum Anmeldungsbogen dem Grundbuchsgericht vorgelegt. Derartige gemeindeamtliche Bestätigungen würden auch im Regelfall der Anlass für das Einschreiten des Vermessungsamtes sein (Twaroch, Die Herstellung der Kataster- und Grundbuchsordnung, NZ 1991, 121; Kienast, Die Aufgaben der Vermessungsämter bei den Sonderverfahren ..., NZ 1996, 1). Im vorliegenden Fall sei daher der Zusammenhang zwischen der in der Strafanzeige behaupteten Tathandlung und den vom Antragsteller bekämpften Grundbuchseintragungen ausreichend konkretisiert; einer Wiederholung der Vorwürfe auch im Grundbuchsgesuch bedürfe es nicht (5 Ob 32/94 = RPflSlgG 1703).

Dennoch habe das Erstgericht die Streitanmerkung zu Unrecht bewilligt. Der Sinn der Anmerkung nach § 66 GBG könne nur in der Rückgängigmachung der bekämpften Grundbuchshandlung liegen, somit im konkreten Fall in der Löschung der bekämpften Eigentumsübertragung. Es sei jedoch die Besonderheit des bücherlichen Bagatellverfahrens gemäß §§ 15 ff LiegTeilG, dass in derartigen Fällen der durch eine rechtswidrige Übertragung von Grundstücksteilen geschädigten ehemalige Eigentümer des Trennstücks auf die Ersatzansprüche nach § 20 LiegTeilG verwiesen ist. Der Geschädigte könne nach dieser Gesetzesstelle nur Geldersatz begehren. Sowohl das Begehren auf Naturalersatz durch Rückgabe des abgetretenen Grundstücksteils als auch eine Löschungsklage wäre jedenfalls unzulässig (3 Ob 2406/96m = SZ 70/265). Auch das Strafgericht dürfte daher bei einer allfälligen Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche des Anzeigers keine Löschung der bekämpften Eigentumsübertragung anordnen. Die Anmerkung der Anzeigeerstattung habe daher im Fall eines Verfahrens nach §§ 15 ff LiegTeilG keinen Anwendungsbereich. Wegen der rechtlichen Unmöglichkeit der Rückübertragung des Eigentumsrechtes am strittigen Grundstücksteil durch Richterspruch sei damit der Antrag auf Streitanmerkung gemäß § 66 GBG abzuweisen.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes zwar S 260.000,-- nicht übersteigt, jedoch der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Letzteres wurde damit begründet, dass keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage vorliege, ob gegen Eigentumsübertragungen im Zuge eines Verfahrens nach §§ 15 ff LiegTeilG eine Streitanmerkung nach § 66 GBG erwirkt werden kann.

Mit seinem gegen den zweitinstanzlichen Beschluss erhobenen Revisionsrekurs strebt der Antragsteller primär die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung an; hilfsweise hat er angeregt der Oberste Gerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung des § 20 LiegTeilG beantragen, weil sich die Verweisung eines im Verfahren nach §§ 15 ff LiegTeilG "Enteigneten" auf bloße Schadensersatzansprüche nicht mit der Eigentumsgarantie vereinbaren lasse.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er erweist sich im Sinn des gestellten Abänderungsantrags auch als berechtigt.

Zutreffend hat das Rekursgericht erkannt, dass sich Bedenken gegen die Bewilligung der vom Antragsteller begehrten Streitanmerkung nur aus den Besonderheiten der §§ 15 ff LiegTeilG über die Verbücherung von Straßen-, Weg-, Eisenbahn- und Wasserbauanlagen ergeben können. Für eine im normalen Grundbuchsverfahren erwirkte Zu- und Abschreibung (die gemäß § 74 Abs 1 GBG wie eine Einverleibung zu behandeln ist) wären die Voraussetzungen einer Streitanmerkung nach § 66 Abs 1 GBG erfüllt, weil ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der angezeigten Straftat und der bekämpften Grundbuchseintragung schlüssig behauptet wurde. Es kann insofern auf die Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes und die von ihm verwertete Vorjudikatur (SZ 37/65; RpflSlgG 1703) verwiesen werden.

Nicht zu folgen ist jedoch der Argumentation, die begehrte Streitanmerkung komme nicht in Betracht, weil eine im besonderen Verfahren nach §§ 15 ff LiegTeilG auf Grund eines Anmeldungsbogens der Vermessungsbehörde bewilligte Zu- und Abschreibung nie - auch nicht in einem Fall wie dem gegenständlichen - einen Löschungsanspruch nach § 61 GBG begründen könnte.

Richtig ist, dass die im LiegTeilG enthaltenen Sonderbestimmungen für die Verbücherung von Straßen-, Weg-, Eisenbahn- und Wasserbauanlagen in § 20 nur Geldersatzansprüche für den Verlust des Eigentums vorsehen, also eine Löschungsklage nach § 61 GBG oder die Wiedererlangung des bücherlichen Eigentums im Wege des Naturalersatzes ausschließen (SZ 70/265 mwN). Bedenken gegen die Verfassungskonformität dieser Regelung dem Gesichtspunkt der Eigentumsgarantie werden von der Judikatur mit dem Argument zerstreut, dass das Verfahren nach §§ 15 ff LiegTeilG ohnehin nur Bagatellfälle erfasst, in denen der Geldersatzanspruch adäquaten Rechtsschutz bietet, zumal die vereinfachte Verbücherung idR ohnehin nur bereits eingetretene, faktisch kaum rückführbare Rechtsänderungen nachvollzieht (vgl RIS-Justiz RS0066253). Das setzt allerdings voraus, dass die vom Gesetzgeber sehr eng gesteckten Grenzen für das besondere Verfahren nach §§ 15 ff LiegTeilG eingehalten werden. Eine verfassungskonforme, dem Eigentumsschutz (Art 5 StGG; 1. Zusatzprotokoll zur EMRK) gebührend Rechnung tragende Interpretation des § 20 LiegTeilG verlangt, darin nur dann eine abschließende Regelung der Ansprüche des um seine bücherlichen Rechte gebrachten Eigentümers zu sehen, wenn das vereinfachte Verfahren rechtens zur Anwendung gelangte; fehlten die gesetzlichen Grundlagen, bleiben ihm jene Ansprüche gewahrt, die ihm bei einer Verletzung bücherlicher Rechte durch eine im ordentlichen Grundbuchsverfahren erwirkte ungültige Einverleibung zustünden.

Eine wesentliche Voraussetzung für die Anwendung des vereinfachten Verbücherungsverfahrens nach §§ 15 ff LiegTeilG besteht darin, dass die Besitzänderungen durch eine bereits vollendete, in der Natur vorhandene Straßen-, Weg-, Eisenbahn- oder Wasserbauanlage herbeigeführt wurden (vgl SZ 49/152 mit dem Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). Ohne Zusammenhang mit der Herstellung einer solchen Anlage ist daher die Durchführung des besonderen "Bagatellverfahrens" unzulässig (NZ 1996, 157/358 mit Anm von Hoyer; 5 Ob 102/99g ua). Auf eine derartige Unzulässigkeit des strittigen Verbücherungsvorgangs beruft sich der Antragsteller, weshalb ihm ein möglicher Löschungsanspruch nicht von vornherein abgesprochen werden kann. Er hat dazu schlüssig behauptet und durch die Erstattung einer Strafanzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft auch in einer dem § 66 Abs 1 GBG genügenden Form belegt, dass es zur Durchführung des vereinfachten Verbücherungsverfahrens durch eine strafgesetzlich verbotene Handlung, nämlich durch eine den Tatsachen widersprechende Mitteilung des Bürgermeisters der begünstigten Gemeinde an das Vermessungsamt, es gehe um Besitzänderungen im Zusammenhang mit einer bereits hergestellten Weganlage, gekommen sei. Ob dies zutrifft, wird erst zu klären sein. Eine Erhebung des Sachverhalts steht dem Grundbuchsgericht, das allein auf Grund der ihm vorgelegten Urkunden und des Grundbuchsstandes zu entscheiden hat, nicht zu. Auf Basis der mit dem Bestätigungsvermerk der Staatsanwaltschaft Salzburg versehenen Kopie der Strafanzeige hat daher das Erstgericht die begehrte Streitanmerkung zu Recht bewilligt.

Aus diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

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