OGH 8Ob103/01g

OGH8Ob103/01g10.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sigrid B*****, vertreten durch Dr. Walter Sarg, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Dr.Carlo A*****, vertreten durch Dr. Günter Zeindl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 516.942,40 sA und Feststellung (Streitwert S 200.000), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 2. März 2001, GZ 1 R 21/01z-66, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Verpflichtung des Arztes aus dem Behandlungsvertrag umfasst auch die Pflicht, den Patienten über die Art und Schwere sowie die möglichen Gefahren und schädlichen Folgen einer Behandlung zu unterrichten (vgl RIS-Justiz RS0038176 mzwN, insb SZ 67/9, 1 Ob 254/99f; RdM 1995/15). Für die nachteiligen Folgen einer ohne Einwilligung oder ausreichende Aufklärung vorgenommenen Behandlung des Patienten haftet der Arzt, selbst dann, wenn dem Arzt bei der Behandlung kein Kunstfehler unterlaufen ist, es sei denn der Arzt beweist, dass der Patient auch bei ausreichender Aufklärung in die Behandlung eingewilligt hätte (vgl RIS-Justiz RS0026783, insb SZ 62/18, EvBl 1990/87, 405, SZ 67/9, SZ 69/199; zur Beweislast RIS-Justiz RS0038485, insb SZ 57/207, SZ 63/152 uva). Der Patient kann nur dann wirksam seine Einwilligung abgeben, wenn er über die Bedeutung des vorgesehenen Eingriffes und seine möglichen Folgen hinreichend aufgeklärt wurde (vgl RIS-Justiz RS0026499, insb SZ 55/114 = JBl 1983, 373, SZ 57/207, SZ 59/18 = EvBl 1987/31, SZ 62/18, SZ 63/152, RdM 1994/2; SZ 69/199 ua). Die ärztliche Aufklärung soll den einwilligenden Patienten instandsetzen, die Tragweite seiner Einwilligung zu überschauen (vgl RIS-Justiz RS0026413 mzN etwa zuletzt SZ 69/199).

Der Umfang der im konkreten Fall vorzunehmenden Aufklärung ist eine Rechtsfrage (vgl RIS-Justiz RS0026763 mzwN, etwa SZ 55/114, SZ 67/9, SZ 69/199 ua), die nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen ist. Der Arzt hat grundsätzlich nicht auf alle nur denkbaren Folgen einer Behandlung hinzuweisen (vgl RIS-Justiz RS0026529 mwN etwa RZ 1973/167, 170, SZ 59/18 SZ 62/18, SZ 62/154, SZ 63/152 RdM 1994/1, SZ 69/199, RdM 1998/21). Die ärztliche Aufklärungspflicht ist aber beim Vorliegen sogenannter typischer Gefahren verschärft. Die Typizität ergibt sich nicht aus der Komplikationshäufigkeit, sondern daraus, dass das Risiko speziell dem geplanten Eingriff anhaftet und auch bei Anwendung aller größter Sorgfalt und fehlerfreier Durchführung nicht sicher zu vermeiden ist und den nichtinformierten Patienten überrascht, weil er nicht damit rechnet (vgl RIS-Justiz RS0026340 mwN etwa SZ 62/154, SZ 67/9, SZ 69/199 uva; JBl 1999, 531). Allerdings ist auch hier zu fordern, dass es sich bei diesen typischen Risken, um erhebliche Risken handelt, die geeignet sind, die Entscheidung des Patienten zu beeinflussen, ohne dass dabei nur auf die Häufigkeit der Verwirklichung dieses Risikos abzustellen wäre (vgl SZ 67/9, JBl 1999, 531; EFSlg 90.127; RIS-Justiz RS0026230; RS0026581). Auch reicht die ärztliche Aufklärungspflicht jedenfalls umso weiter, je weniger dringlich der Eingriff aus der Sicht eines vernünftigen Patienten geboten ist. Dann ist die ärztliche Aufklärungspflicht selbst dann zu bejahen, wenn erheblich nachteilige Folgen wenig wahrscheinlich sind; dann ist auch auf seltene - aber gravierende - Zwischenfälle hinzuweisen (vgl RIS-Justiz RS0026313, insb SZ 62/18, SZ 69/199 uvwN, RIS-Justiz RS0026772; RIS-Justiz RS0026375; zuletzt 8 Ob 33/01p; 7 Ob 233/00s).

Ein konkreter Anlass für die vom Beklagten vorgenommene Operation bestand nicht. Sie war auch nicht zwingend medizinisch indiziert. Der Beklagte hat es nun unterlassen, die Klägerin über das mit der wegen des "Thoratic outlet Syndroms" vorgenommenen Resektion der ersten Rippe verbundene 3 %ige Risiko bleibender Lähmungserscheinungen, des Auftretens des Morbus Sudeck und der Möglichkeit alternativer Behandlungsmethoden aufzuklären. Ausgehend davon haben die Vorinstanzen unter Anwendung der oben dargestellten Grundsätze ohne Rechtsirrtum eine Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht angenommen. Entgegen der Rechtsansicht des Revisionswerbers hat der Oberste Gerichtshof unter den oben wiedergegebenen Voraussetzungen bereits wiederholt eine Aufklärungspflicht auch bei Risken unter 3 % bejaht, insbesondere wenn es sich um keine dringenden Eingriffe gehandelt hat (vgl zuletzt OGH 8 Ob 33/01p; 7 Ob 233/00s mwN). Hier wurde auch festgestellt, dass die Klägerin bei einer umfassenden Aufklärung den Eingriff nicht hätte durchführen lassen (vgl zur Beweislast RIS-Justiz RS0038685 mwN etwa SZ 57/207, SZ 63/152 ua).

Insgesamt vermag es der Beklagte jedenfalls nicht, eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.

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