OGH 4Ob65/01i

OGH4Ob65/01i3.4.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Brigitte S*****, als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen der B***** GmbH (Handelsgericht Wien *****), gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Preslmayr & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen 222.000 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 5. Jänner 2001, GZ 3 R 150/00a-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 9. August 2000, 29 Cg 58/00z-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung nunmehr zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 222.000 S samt 4 % Zinsen seit 10. Juni 1999 zu zahlen und die mit 36.141,70 S (darin 4.867,95 S USt und 6.934 S Barauslagen) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 51.153 S (darin 4.550,50 S USt und 23.850 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 3. 3. 1999 wurde über das Vermögen der B***** GmbH (in der Folge: Gemeinschuldnerin) das Konkursverfahren eröffnet und die Klägerin zur Masseverwalterin bestellt. Die Konkurseröffnung wurde am Donnerstag, dem 4. 3. 1999 um 17.00 Uhr vom Kreditschutzverband (KSV) in seiner online-Datenbank veröffentlicht. Am 5. 3. 1999 um 11.58 Uhr erfolgte eine Barbehebung von 222.000 S von einem bei der Beklagten geführten Konto der Gemeinschuldnerin.

Die Klägerin begehrt Zahlung von 222.000 S sA. Die Beklagte genieße nicht den Schutz nach § 3 Abs 2 KO, weil ihr bei Einhaltung der gehörigen Sorgfalt die Konkurseröffnung im Auszahlungszeitpunkt hätte bekannt sein müssen. Die Insolvenzmeldung sei bereits am Abend des 4. 3. 1999 vom KSV in die Datenbank gestellt worden, auf gezielte Anfrage wäre sogar eine Auskunft ab 3. 3. 1999, 14.00 Uhr möglich gewesen.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe eine Organisation geschaffen, die die tägliche Überprüfung der elektronisch veröffentlichten Neueröffnungen von Konkursen sicherstelle. In der Zentrale der Beklagten seien am Morgen des 5. 3. 1999 die in der Insolvenzliste des KSV enthaltenen neuen Konkurse abgefragt worden. Dabei sei festgestellt worden, dass sechs Konkurseröffnungen Unternehmen betrafen, die bei der Beklagten ein Konto unterhielten. Die Unternehmensbezeichnungen müssten mit verschiedenen Schreibweisen in den Computer eingegeben werden, um zu überprüfen, ob der in der Insolvenzliste veröffentlichte Firmenwortlaut mit den internen Daten übereinstimme. Nach Feststellung der Identität oder Ähnlichkeit des Firmenwortlautes mit der internen Kundenliste würde die Nachricht von der Konkurseröffnung an die kontoführende Zweigstelle weitergeleitet, die an Hand der dort erliegenden Kontounterlagen neuerlich eine Identitätsprüfung vornehme. Bei Übereinstimmung der übermittelten Daten mit den Kundendaten werde eine sofortige Sperrung der Konten veranlasst. Gemäß dieser internen Vorgangsweise habe die Zentrale der kontoführenden Zweigstelle am 5. 3. 1999 um 10.30 Uhr per internem E-mail die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Gemeinschuldnerin gemeldet. Die in dieser Filiale zuständige Mitarbeiterin rufe drei Mal täglich interne E-mails ab, nämlich morgens, zu Mittag und abends. Infolge eines erhöhten Arbeitsanfalls an diesem Tag habe sie zudem Schalterdienst versehen müssen. Die strittige Abhebung sei unbedenklich erschienen, weil an diesem Tag am Konto ein Betrag von 375.000 S eingegangen sei. Eine Veranlassung, vor der Auszahlung bei der zuständigen Kontobetreuerin nachzufragen, habe nicht bestanden, weil der Kontostand positiv gewesen sei. Die Kontosperre sei im gegenständlichen Fall unverzüglich nach Abruf des die Konkurseröffnung mitteilenden internen E-mail am 5. 3. 1999 zu Mittag erfolgt. Zum damaligen Zeitpunkt habe bei der Beklagten keine technische Möglichkeit bestanden, das E-mail-Programm ständig geöffnet zu halten. Ein Organisationsverschulden der Beklagten liege nicht vor.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:

Die für die Abfrage der Insolvenzliste zuständige Abteilung "Informationsservice" ist eine Unterabteilung der in der Zentrale der Beklagten in Wien 1 etablierten Abteilung "Betriebsberatung und Kreditrating". Zum Aufgabengebiet der zuständigen Sachbearbeiterin gehört unter anderem die Überprüfung, ob über Kunden Insolvenzverfahren eröffnet worden sind. Sie fragt einmal täglich, nämlich in der Früh, die Insolvenzen ab. Am Freitag, den 5. 3. 1999 druckte sie um 7.22 Uhr die Insolvenzliste des KSV aus, die 33 Insolvenzen (davon 17 erstmals veröffentlichte Konkurse, unter ihnen jenen der Gemeinschuldnerin) enthielt. Nach Ausdruck der Insolvenzliste überprüft die Sachbearbeiterin durch Abfrage am Computer persönlich, ob es bei den bei der Beklagten geführten Wertpapierkonten eine Verbindung zu einer Insolvenz gibt; mit der Suche bei den sonstigen Konten ist eine andere Mitarbeiterin betraut. Es gibt hausintern vorgegebene Suchkriterien, nach welchen die Mitarbeiter der Beklagten überprüfen müssen, ob ein bei ihr geführtes Konto eine Verbindung zu einer Insolvenz aufweist. Bei der Gemeinschuldnerin musste deren Firma in drei verschiedenen Schreibweisen abgefragt werden. Auch wenn bei der ersten Eingabe schon ein Kunde im Rahmen einer Kontoverbindung identifiziert wird, ist die Eingabe der anderen Schreibvarianten noch notwendig, weil es möglich ist, dass es noch Konten mit anderer Schreibweise der Firma gibt. Beim Konkurs einer natürlichen Person wird regelmäßig beim KSV telefonisch das Geburtsdatum in Erfahrung gebracht, falls es bei der Beklagten mehrere Kunden mit demselben Namen gibt. Die Suche bei natürlichen Personen ist im übrigen noch aufwendiger als bei juristischen Personen. Aufgrund einer internen Anweisung sind bei natürlichen Personen nämlich sechs verschiedene Suchanfragen durchzuführen.

Am 5. 3. 1999 dauerte es etwa drei Stunden, bis die neue Insolvenzliste des KSV überprüft war. Deren Auswertung ergab, dass sechs neue Insolvenzen Kunden der Beklagten (darunter die Gemeinschuldnerin) betrafen. Die betroffenen Konten wurden in sechs verschiedenen Filialen der Beklagten geführt. Sämtliche Kontounterlagen liegen nicht in der Zentrale der Beklagten, sondern in der jeweils kontoführenden Filiale auf. In der Zentrale kann nur erkannt werden, dass es eine bestimmte Kontoverbindung gibt. Im Falle der Insolvenz eines Kunden wird das betreffende Konto deshalb nicht von der Zentrale gesperrt. Es besteht vielmehr eine interne Anweisung, dass nach Auswertung der Insolvenzliste ein internes E-mail an die betreffende kontoführende Filiale zu schicken ist. Dort werden die Kontounterlagen durchgesehen, damit nicht das Konto eines falschen Kunden gesperrt wird, und im Fall der Identität die Kontosperre veranlasst. Nach Auswertung der Insolvenzliste schickte die Sachbearbeiterin daher am 5. 3. 1999 um etwa 10.30 Uhr an die Zweigstelle Wien 6, die das Konto der Gemeinschuldnerin führte, ein E-mail mit folgendem Inhalt:

"Wir machen Sie darauf aufmerksam, daß über das Vermögen der Firma B***** (GS 15) am 03. 03. 1999 ein Involvenzverfahren (Konkurs) eröffnet wurde. Weitere Veranlassungen (z.B. Sperren; Überprüfung der Vollständigkeit im Giro-, Kredit-, Spar- und Wertpapier-Bereich; detaillierte Suche verknüpfter und nicht verknüpfter Konten - auch bei anderen GS - sowie Mitverpflichtungen) liegen ausschließlich in Ihrer Verantwortung. Diese Mitteilung geht ausschließlich an Sie, andere beteiligte Geschäftsstellen sind durch Sie zu verständigen."

Die für Kontoführungen, Anlageberatungen und den Kreditbereich zuständige Mitarbeiterin in der Zweigstelle Wien 6 der Beklagten war zugleich deren Vorstandsstellvertreterin. Sie hatte in der Zweigstelle keinen eigenen Arbeitsraum, sondern saß im Schalterraum. Wenn es der Kundenandrang erforderte, versah sie auch Schalterdienst. Bei ihrer Tätigkeit arbeitete sie regelmäßig auch am Computer. Bei dem von der Beklagten damals verwendeten Computersystem war es nicht möglich, gleichzeitig das E-mailing-System ständig geöffnet zu haben und daneben andere Arbeiten am Computer zu verrichten. Wenn man ein E-mail abfragen wollte, musste man vielmehr komplett aus dem System aussteigen und danach zum Abfragen der E-mail neu einsteigen. Für die Mitarbeiterin war es daher faktisch nicht machbar, im Laufe des Vormittags öfter E-mails abzufragen, weil sie dazu jedesmal während ihrer sonstigen Tätigkeit komplett aus dem Computer hätte aussteigen müssen und dadurch im Fortgang ihrer sonstigen Arbeit, insbesondere der Betreuung von Kunden, stark behindert gewesen wäre. Aus diesem Grund rief sie interne E-mails nur drei Mal täglich ab, nämlich einmal in der Früh zu Arbeitsbeginn, das zweite Mal um die Mittagszeit, sobald es der Kundenverkehr oder ihre sonstigen Arbeitserfordernisse zuließen (die Zweigstelle war von 12.30 Uhr bis 13.30 Uhr geschlossen) und ein weiteres Mal gegen Arbeitsschluss vor dem Nachhausegehen. Sie befolgte damit eine Arbeitsanweisung ihres Dienstgebers. Erst im Sommer 1999 wurde das E-mail-System in der Zweigstelle dahin umgestellt, dass nunmehr jederzeit während der sonstigen Arbeit am Computer durch einfachen Programmbefehl festgestellt werden kann, ob ein E-mail angekommen ist. Wenn ein E-mail mit der Nachricht dabei ist, dass über einen Kunden ein Konkursverfahren eröffnet worden ist, wird in der Zweigstelle zunächst anhand der Kontounterlagen überprüft, ob es sich wirklich um einen Kunden handelt; wenn das der Fall ist, wird sofort die Sperre des Kontos veranlasst. In der Zweigstelle Wien 6 der Beklagten sind pro Jahr im Schnitt ein oder zwei Kunden von einer Insolvenz betroffen. Freitag ist hinsichtlich der Kundenfrequenz der stärkste Tag; ab etwa 10.30 Uhr bis 12.30 Uhr herrscht an diesen Tagen regelmäßig eine sehr starke Kundenfrequenz. In der Woche um den Monatsersten herrscht noch zusätzlich starker Kundenandrang. Die Barabhebung vom Konto der Gemeinschuldnerin erfolgte am Freitag, den 5. 3. 1999 um 11.58 Uhr. Das Konto wurde auf reiner Habenbasis geführt; ein Überziehungsrahmen bestand nicht, eine Überziehung erfolgte auch nie. Das um 10.30 Uhr von der Zentrale abgeschickte e-mail mit der Information betreffend die Konkurseröffnung der Gemeinschuldnerin las die zuständige Mitarbeiterin in der Zweigstelle erst um die Mittagszeit, nachdem die Barabhebung bereits erfolgt war; sie veranlasste daraufhin sofort die Sperre des Kontos.

In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht eine Sorgfaltsverletzung der Beklagten. Die Beklagte habe eine Organisation geschaffen, der zufolge einmal täglich in der Früh die Insolvenzliste des KSV abgerufen und auf neue Konkurse überprüft werde. Nach Auswertung und Überprüfung sowie Verständigung der kontoführenden Zweigstelle sei noch am selben Tag um die Mittagszeit die Kontosperre erfolgt. Dass das Konto nicht schon von der Zentrale aus am Vormittag gesperrt worden sei, begründe kein Organisationsverschulden, zumal eine nochmalige Überprüfung anhand der Kontounterlagen nur der kontoführenden Zweigstelle möglich sei. Eine zweimalige Überprüfung sei der Bank zuzubilligen, um die Identität eines in der Insolvenzliste genannten Gemeinschuldners mit einem Kunden sicherzustellen. Ein Organisationsverschulden liege auch nicht darin, dass die Mitarbeiterin der Zweigstelle erst um die Mittagszeit die internen E-mails abgefragt habe. Aufgabe von Banken sei es nicht, durch Installierung eines kriminalistisch ausgeklügelten Systems innerhalb weniger Stunden von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens Kenntnis zu erlangen und auf den begründeten Verdacht hin sofort Kontensperren zu veranlassen. Aus § 3 Abs 2 KO lasse sich lediglich die Verpflichtung ableiten, innerhalb angemessener Zeit unter Zuhilfenahme moderner technisch verfügbarer Hilfsmittel von der Eröffnung eines Konkurses über das Vermögen eines Kunden Kenntnis zu erlangen und das entsprechende Konto zum Schutze der Gläubiger zu sperren. Diesem Sorgfaltsmaßstab, der nicht überspannt werden dürfe, seien die Beklagte und ihre Mitarbeiter nachgekommen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, welcher Zeitraum bei der Verwertung von Insolvenzmeldungen durch Großbanken noch nicht als Sorgfaltsverstoß im Sinne des § 3 Abs 2 KO anzusehen sei, nicht vorliege. Es vertrat im Anschluss an Lehrmeinungen die Ansicht, auch Großunternehmungen wie Großbanken müsse eine angemessene Frist zur Verarbeitung von Insolvenzdaten zuerkannt werden; eine solche sei hier nicht überschritten worden. Die Forderung, Großbanken hätten Einrichtungen zu schaffen, die ihnen ermöglichten, bereits vor Arbeitsbeginn Insolvenzmitteilung an alle Zweigstellen zu übermitteln, würde deren Sorgfaltspflichten überspannen. Auch eine Bank müsse keine eigenen Initiativen ergreifen, um frühest möglich die Information über eine allfällige Konkurseröffnung zu erwirken. Selbst unter Berücksichtigung elektronischer Datenübermittlung könne nicht verlangt werden, dass Banken ihren Organisationsablauf (Bürodienstzeiten) nur zur Überprüfung allfällig eingetretener Insolvenz von Kunden änderten. Auch Großbanken müsse ein angemessener Zeitraum eingeräumt werden, um eine verlässliche Überprüfung dahin durchzuführen, ob und welche eindeutig identifizierten Kunden von Insolvenzen betroffen seien. Es stehe nach der Lebenserfahrung außer Zweifel, dass die festgestellten Überprüfungsmodalitäten der Beklagten nicht bloß in wenigen Sekunden oder Minuten durchzuführen seien. Eine Sperre von Kundenkonten "auf Verdacht" müsse nicht durchgeführt werden. Gerade bei geläufigen Namen könnten eine Vielzahl von Konten betroffen sein, wobei naturgemäß die Überprüfung im Einzelfall einen längeren Zeitraum beanspruche. Unabhängig davon, dass damit eine rasche Disposition eines von der Insolvenz nicht betroffenen Kunden über sein Geld nicht möglich wäre, könnten durch langwierigere Überprüfungen der Kundenkonten auch bei Geschäftspartnern - etwa bei Bonitätsrückfragen oder Scheckeinlösungen - Zweifel an der Bonität von Kunden oder Vertragspartnern entstehen. Zwar bestünden moderne Computerprogramme, die den jederzeitigen raschen Zugriff auf E-mails ermöglichten, doch sei die Beklagte im fraglichen Zeitraum mit solchen noch nicht ausgestattet gewesen. Bekanntermaßen bedürften derartige Soft- und Hardwareumstellungen eines gewissen Investitionsaufwands, der bei Großbetrieben mit einer Vielzahl von Rechnern nicht vernachlässigt werden könne. Die technischen Möglichkeiten der raschen Datenübertragung und des raschen Datenzugriffes seien erst in den letzten Jahren entscheidend verbessert worden, weswegen der Beklagten jedenfalls kein Vorwurf gemacht werden könne, am 5. 3. 1999 noch nicht über das optimale System verfügt zu haben. Die Beklagte habe unter Berücksichtigung ihrer Büroorganisation (insbesondere ihrer Bürostunden) innerhalb eines angemessenen Zeitraums zum frühestmöglichen Zeitpunkt die online-Datenbank abgefragt, ausgewertet und die Insolvenzmitteilungen an ihre Zweigstellen weitergeleitet. Auch innerhalb der Zweigstelle seien - unter Zugrundelegung des damals nicht permanent offenzuhaltenden E-mail-Programms - die eingehenden Daten periodisch (dreimal täglich) abgefragt worden, weswegen der Beklagten kein Sorgfaltsverstoß anzulasten sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts nicht besteht; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, es sei sowohl Banken als auch deren Kunden zumutbar, wenn bloß möglicherweise von Insolvenz betroffene Kundenkonten "auf Verdacht" sofort vorläufig gesperrt würden und erst danach eine eingehende Überprüfung der Berechtigung der Kontosperren stattfände. Auch sei von einer Bank zu verlangen, dass sie ein schnelles, funktionstüchtiges und dem neuesten Stand der Technik entsprechendes System einrichte, das die Auszahlung von Guthaben vom Konto eines Gemeinschuldners verhindere. Der Beklagten sei ein Sorgfaltsverstoß vorzuwerfen, wenn sie eine Barabhebung vom Konto der Gemeinschuldnerin zwei Tage nach Konkurseröffnung nicht verhindert habe. Dazu ist zu erwägen:

Gemäß § 3 Abs 2 KO wird der Verpflichtete durch Zahlung einer Schuld an den Gemeinschuldner nach der Konkurseröffnung nicht befreit, es sei denn, dass das Geleistete der Konkursmasse zugewendet worden ist oder dass dem Verpflichteten zur Zeit der Leistung die Konkurseröffnung nicht bekannt war und dass die Unkenntnis nicht auf einer Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt beruht.

Zur Einhaltung der gebotenen Sorgfaltspflicht genügte es nach der

älteren Rechtsprechung (SZ 55/3; SZ 56/170; SZ 58/210), wenn der

Verpflichtete die Veröffentlichungen im Amtsblatt verfolgte. In der

grundlegenden Entscheidung ÖBA 1997, 300 (Schumacher) = ZIK 1996, 169

(Rechberger, ZIK 1996, 145) = ecolex 1996, 911 (Wilhelm) = ARD

4806/43/97 trug der Oberste Gerichtshof der technischen Entwicklung und den damit verbundenen Erleichterungen bei der Informationsbeschaffung Rechnung und sprach aus, die einem großen Bankinstitut obliegende Sorgfaltspflicht gebiete es, sich über den letzten Stand der Insolvenzen auch im Wege von online-Datennetzen oder Teletext Kenntnis zu verschaffen; in dieser Entscheidung wurde die Rückzahlungsverpflichtung einer Bank bejaht, weil sie noch zehn Tage nach Konkurseröffnung Auszahlungen vom Konto des Gemeinschuldners durchgeführt hatte, obwohl die belangte Bank spätestens am zweiten Tag nach der Konkurseröffnung Kenntnis von der Insolvenz ihres Kunden hätte haben können. In der Entscheidung SZ 70/80 = ÖBA 1997, 829 (Koziol) = ecolex 1997, 751 (Wilhelm, 834) verwies der Oberste Gerichtshof erneut auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Informationsdienstes über Teletext, verneinte jedoch eine Haftung der Bank, weil im fraglichen Zeitraum (März 1993) diese Informationsquelle noch nicht zur Verfügung gestanden war; auch wurde ausgesprochen, dass die von einer Bank zu fordernde Sorgfalt nicht überspannt werden dürfe.

Diese Rechtsprechung, von der abzugehen keine Veranlassung besteht, ist in der Lehre grundsätzlich auf Zustimmung gestoßen (Iro, RdW 1996, 458; Rechberger, ZIK 1996, 145; Wilhelm, ecolex 1996, 911). Schumacher (ÖBA 1997, 300) fordert allerdings, dass bei größeren Wirtschaftskörpern, wie bei Banken, ein Verschulden iSd § 3 Abs 2 KO nicht ohne Berücksichtigung des für die erforderliche Auswertung und Bearbeitung der Insolvenzdaten erforderlichen Zeitraums bejaht werden könne. Es sei zu fragen, wann aus der durch die elektronischen Informationsdienste ermöglichten raschen Kenntnisnahme von der Konkurseröffnung die Pflicht zum insolvenzrechtlich gebotenen und zumutbaren Handeln resultiere. Ein Sorgfaltsverstoß der Bank sollte im Fall einer Auszahlung an insolvente Bankkunden an dem der Konkurseröffnung folgenden Tag noch nicht, am zweiten Tag nach der Konkurseröffnung nicht schon grundsätzlich angenommen werden. Man müsse Banken nämlich einen gewissen Zeitraum einräumen, die übermittelten Daten auszuwerten und den eigenen Bankkunden zuzuordnen. Schwierigkeiten könnten sich dabei insbesondere auf Grund möglicher Namensähnlichkeiten oder konkursgerichtlicher Verwechslungen des Namens ergeben, weshalb stets eine verlässliche Überprüfung vor Sperre der Konten erforderlich sei.

Buchegger (in Bartsch/Pollak/Buchegger, KO4 § 3 Rz 72) schließt sich dieser Meinung uneingeschränkt an, während Schubert (in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze, § 3 KO Rz 69) Schumacher nur für die geschilderten Einzelfälle beipflichtet, sonst aber meint, dass die Kreditinstitute im übrigen die erforderlichen personellen und technischen Voraussetzungen zu schaffen haben würden, um eine unverzügliche Bearbeitung der Insolvenzdaten zu gewährleisten.

Mohr (Wann ist die Einsicht in die Insolvenzdatei geboten, ZIK 2000, 3ff, 4) meint, die Ausführungen von Schumacher hätten aufgrund der ab 1. 1. 2000 zur Verfügung stehenden Insolvenzdatei ihre Bedeutung verloren. Aufgrund der im Internet abrufbaren Datei sei - anders als bei Angaben über Teletext - ein technischer Abgleich der Daten möglich. Dies ermögliche auch eine schnellere Reaktion, und zwar vor Arbeitsbeginn in der Früh, weil die Daten in der Insolvenzdatei bereits vor Mitternacht abrufbar seien.

Der vorliegende Sachverhalt hat sich noch vor Einführung der allgemein zugänglichen Insolvenzdatei ereignet. Auf die Meinung von Mohr muss daher nicht eingegangen werden. Im März 1999 stand aber bereits die online-Datenbank des KSV zur Verfügung und wurde von der Beklagten täglich zu Arbeitsbeginn auf neue Konkurseröffnungen von Kunden hin überprüft. Dass diese Überprüfung in der Zentrale und unter mehreren Abfragegesichtspunkten erfolgte, um allfällige Namensgleichheiten oder -ähnlichkeiten auszuschalten, ist - wenn auch mit einem gewissen Zeitaufwand verbunden - durchaus als zweckdienlich zu beurteilen, müssen doch von der Beklagten neben den Interessen der Konkursgläubiger vor allem auch die Interessen ihrer Kunden berücksichtigt werden, die ihre Geschäfte rasch und ungehindert abwickeln wollen. Zu einer vorläufigen Kontosperre "auf Verdacht" noch vor einer sorgfältigen Identitätsprüfung zwischen Gemeinschuldner und Kunde war die Beklagte daher nicht gezwungen, um den Vorwurf fahrlässigen Handelns iSd § 3 Abs 2 KO zu vermeiden.

Handlungspflichten einer Bank erschöpfen sich im gegebenen Zusammenhang aber nicht darin, sich bestimmte Kenntnisse zu verschaffen; mit Schumacher (ÖBA 1997, 300) ist vor allem danach zu fragen, ob die Pflicht zum insolvenzrechtlich gebotenen und zumutbaren Handeln rechtzeitig erfüllt worden ist. Hat sich nämlich eine Bank eine - wie hier: zweckmäßige - Organisation geschaffen, die es ihr ermöglicht, sich unter Wahrung der Interessen ihrer Kunden Informationen darüber zu verschaffen, ob über einen ihrer Kunden ein Konkursverfahren eröffnet worden ist, muss sie in weiterer Folge noch dafür Sorge tragen, dass auch unverzüglich sämtliche auf Grund dieser Kenntnis erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, die eine Verfügung des Gemeinschuldners oder unberechtigter Dritter über jene Teile des konkursunterworfenen Vermögens hindern, das von der Beklagten verwaltet wird. Bedarf es dazu einer Anordnung der kontoführenden Zweigstelle, ist zwischen Zentrale und Zweigstelle zur Weitergabe der erforderlichen Informationen wegen der gebotenen Dringlichkeit ein Kommunikationsweg zu wählen, der eine vorrangige Durchführung der erforderlichen Maßnahmen sicherstellt. Zu verlangen ist, dass die Information zuverlässig und ohne Verzögerung beim Empfänger einlangt und von diesem unmittelbar nach Eintreffen auch zur Kenntnis genommen wird. Die Übermittlung solcher Informationen im Wege eines internen E-mails ist daher dann nicht zweckmäßig, wenn nicht gleichzeitig gewährleistet ist, dass der Empfänger dessen Inhalt umgehend nach Einlangen zur Kenntnis nimmt, sofern andere übliche Kommunikationswege (zB Telefon) zur Verfügung stehen, bei denen diese Bedingung erfüllt ist.

Bei der Beklagten bestand am Tag der zu beurteilenden Barabhebung ein internes Kommunikationssystem per E-mail, bei dem eine Abfrage erst dann möglich war, wenn die gerade sonst am Computer erledigte Arbeit vollständig unterbrochen wurde; offenbar aus diesem Grund bestand eine interne Arbeitsanweisung der Beklagten, einlangende E-mails drei Mal täglich abzufragen. Unter diesen Voraussetzungen war demnach nicht gewährleistet, dass im Wege eines E-mails weitergeleitete wichtige Informationen sofort zur Kenntnis des Empfängers gelangten und von diesem unverzüglich weiter bearbeitet werden konnten; der Absender musste vielmehr in Kauf nehmen, dass Post im "elektronischen Briefkasten" über einen längeren Zeitraum ungelesen liegen blieb, weshalb unter Umständen durch die Nachricht gebotene notwendige Handlungen vom Empfänger erst mit einiger zeitlicher Verzögerung veranlasst werden konnten. Eine derartige Kommunikationsstruktur zwischen verschiedenen Arbeitsstätten der Beklagten genügt aber den strengen Anforderungen, die § 3 Abs 2 KO im Interesse des Gläubigerschutzes an die Sorgfaltspflicht von Banken stellt, nicht. Dass eine Informationsweitergabe von der Zentrale an die Zweigstelle mittels Telefon nicht möglich oder untunlich gewesen wäre, wurde nicht behauptet und ist auch nicht zu erkennen. Auch liegt auf der Hand, dass im Fall einer telefonischen Informationsweitergabe (oder auch nur der zusätzlichen telefonischen Aufforderung des Empfängers, das abgesendete E-mail sofort zu öffnen) eine Kontosperre durch die Zweigstelle mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch vor der hier zu beurteilenden Barabhebung veranlasst worden wäre.

Es beruht demnach auf einer von der Beklagten zu vertretenden Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt bei der Wahl des Kommunikationsmittels zwischen Zentrale und Zweigstelle, dass sie auf die Konkurseröffnung nicht binnen angemessener Frist mit einer Kontosperre reagiert hat und noch nach Konkurseröffnung eine Barabhebung vom Konto des Gemeinschuldners durchgeführt hat; diese Zahlung wirkt daher für die Beklagte nicht schuldbefreiend.

Bei dieser Sachlage bedurfte es keiner näheren Auseinandersetzung mit der jüngst von Iro (Banken und Wissenzurechnung, ÖBA 2001, 3 ff [19 f] und [122]) aufgestellten - auch für juristische Personen Geltung beanspruchenden - These, wonach das Wissen des Geschäftsherrn im Rahmen von Wissenstatbeständen auch dann zu berücksichtigen ist, wenn der handelnde Gehilfe dieses Wissen nicht hat, der Geschäftsherr aber bei gehöriger Sorgfalt damit rechnen musste, dass es für die konkrete Tätigkeit des Gehilfen von Bedeutung sein könnte; sei nämlich ein Wissen als bedeutungsvoll erkannt, so solle das Risiko, dass es sich nicht bei der handelnden Person befinde, denjenigen treffen, der diese Wissensaufspaltung hervorgerufen habe. Auch unter Zugrundelegung dieser Lehrmeinung muss sich die Beklagte das am 5. 3. 1999 um 10.30 Uhr erlangte Wissen ihrer in der Zentrale eingesetzten Sachbearbeiterin über die Konkurseröffnung mit der Wirkung zurechnen lassen, dass allen danach erfolgten Verfügungen über das Konto der Gemeinschuldnerin keine schuldbefreiende Wirkung mehr zukommt.

Die Vorentscheidungen sind daher in Stattgebung der Revision dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren Folge gegeben wird.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 Abs 1 ZPO, im Rechtsmittelverfahren iVm § 50 Abs 1 ZPO.

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