OGH 9ObA2/01m

OGH9ObA2/01m28.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Weinke und ADir. Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1) Peter M*****, Angestellter, 2) Adolf N*****, Pensionist, 3) Erica B*****, Pensionistin, 4) Dr. Hans M*****, Angestellter, 5) Dr. Edith K*****, Angestellte, 6) Ing. Peter B*****, Angestellter, 7) Dr. Harald M*****, Angestellter, 8) Heinz S*****, Angestellter, 9) Franz T*****, Angestellter, erst-, viert- bis siebent- und achtklagende Parteien je per Adresse Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Landesstelle Wien, 1203 Wien, Webergasse 4, zweitklagende Partei *****, drittklagende Partei ***** und neuntklagende Partei *****, alle Kläger vertreten durch Dr. Gottfried Zandl und Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Zahlung (insgesamt S 269.404,- brutto) und Feststellung (S 405.009), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. September 2000, GZ 7 Ra 257/00s-70, womit über Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 7. März 2000, GZ 25 Cga 1044/93v-65, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Kläger sind (bzw. waren) Angestellte der Beklagten und als Abteilungsleiter bzw. Abteilungsleiter-Stellvertreter bei der Landesstelle Wien beschäftigt.

Gemäß § 44 Abs 1 Z 1 und 4 der DO.A gebührt den in die Gehaltsgruppe F einzureihenden Leitern von Organisationseinheiten (ua) der Beklagten und deren Landesstellen sowie den Stellvertretern dieser Leiter eine Funktionszulage von 10 % bis 30 % der jeweiligen ständigen Bezüge gemäß § 35 Abs 2 Z 1 lit a und Z 6 DO.A.

Die Erläuterungen (einvernehmliche Auslegung der Vertragspartner) zu § 44 DO.A führen zur Funktionszulage ua. aus wie folgt:

"§ 37 Abs 1 sieht die Einreihung der Leiter von Organisationseinheiten (Referaten beim Hauptverband) je nach der Wertigkeit ihres Aufgabenbereichs in eine der drei Dienstklassen der Gehaltsgruppe F und ihrer Stellvertreter in die entsprechende Dienstklasse der Gehaltsgruppe E vor. Mit dieser Einreihung kann aber die notwendige Differenzierung nach der Größe der Versicherungsträger (Landesstellen, Landeskassen, Landesgeschäftsstellen) nicht entsprechend berücksichtigt werden. Diese Differenzierung soll vielmehr durch eine gestaffelte, als ständiger Bezug geltende Funktionszulage vorgenommen werden. Mit dieser Zulage sollen nicht nur die qualitativen Leistungsunterschiede, sondern auch die quantitativen Mehrleistungen (Überstunden) der Leiter von Organisationseinheiten und ihrer Stellvertreter abgegolten werden. Dadurch kann eine gerechtere Differenzierung nach der Funktion und eine möglichst einheitliche Vorgangsweise bei den Versicherungsträgern gewährleistet werden. Der Anspruch auf Bezahlung von Einzelüberstunden und auf Maschinenzulage neben der Funktionszulage wird ausgeschlossen.

.....

Für das Ausmaß der Funktionszulage sind in der Regel lediglich Rahmensätze vorgesehen, innerhalb derer der Versicherungsträger die Zulage im Einzelfall unter Berücksichtigung der Dienstleistung in qualitativer und quantitativer Hinsicht und sonstiger Kriterien festsetzen kann. Wenn zB in einer Organisationseinheit wegen deren Größe mehrere Stellvertreter des Leiters bestellt sind, könnte das Ausmaß der Funktionszulage unterschiedlich festgesetzt werden."

Den Abteilungsleitern und deren Stellvertretern in der Hauptstelle (insgesamt 35 Personen) gewährt die Beklagte auf Grund der Bestimmung des § 44 Abs 1 Z 1 und 4 DO.A Funktionszulagen in Höhe von 30 % der dort genannten Bezüge. Die Abteilungsleiter und deren Stellvertreter in den Landesstellen (insgesamt 33 Personen) - darunter auch die Kläger - beziehen Funktionszulagen von 25 % der genannten Bezüge.

Die Kläger machen geltend, dass auch ihnen eine Funktionszulage in Höhe von 30 % zustehe und dass die Differenzierung zwischen den Abteilungsleitern und deren Stellvertretern der Hauptstelle und jenen der Landesstelle Wien willkürlich und sachlich nicht gerechtfertigt sei.

Die Beklagte bestreitet dies und macht im Wesentlichen geltend, dass die Differenzierung zwischen der Hauptstelle und den (insofern gleich zu behandelnden) Landesstellen gerechtfertigt sei, zumal der Hauptstelle die gesamte Verwaltung für das ganze Bundesgebiet obliege, während den Landesstellen ein sachlich und örtlich begrenzter Aufgabenbereich zukomme.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren der Kläger ab und verneinte eine willkürliche bzw. unsachliche Ungleichbehandlung.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung uns sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es wies darauf hin, dass Hauptstelle und Landesstelle schon deshalb nicht vergleichbar seien, weil eine Reihe von Abteilungen der Hauptstelle in den Landesstellen nicht in vergleichbarer Weise vorhanden seien. Zudem ergebe sich eine verschiedene Wertigkeit der Aufgabenbereiche daraus, dass sich der Aufgabenbereich der Abteilungen der Hauptstelle auf das ganze Bundesgebiet, jener der korrespondierenden Abteilungen der Landesstelle Wien aber nur auf einen Regionalbereich beziehe. Gegenüber den regional beschränkten Aufgaben der Landesstelle Wien komme einer Reihe von Aufgaben der Hauptstelle, der eine koordinierende Tätigkeit für das gesamte Bundesgebiet beziehe und die internationale Kontakte mit ausländischen Sozialversicherungsträgern zu pflegen, EU-Richtlinien umzusetzen sowie den Gesamthaushaltsplan zu erstellen habe, eine höhere Wertigkeit zu. Im Übrigen sei es ganz allgemein so, dass Arbeitgeber die von der Zentrale zu betreuenden Aufgabenbereiche höher bewerten, als jene nachgeordneter Organisationseinheiten. Dies sei etwa auch im Allgemeinen Verwaltungsdienst der Fall, wo für Beamte in der Zentralstelle eine höhere Funktionsabgeltung vorgesehen sei als für jene der nachgeordneten Dienststellen. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch willkürliche oder aus sachfremden Gründen erfolgende unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen sei daher zu verneinen.

Die Revision sei zuzulassen, weil der zu lösenden Rechtsfrage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme und Rechtsprechung dazu nicht vorhanden sei.

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Kläger ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 508 Abs 1 ZPO iVm § 1 ASGG an den Ausspruch des Berufungsgerichts über die Zulässigkeit der Revision nicht gebunden.

Da keiner der Fälle des § 46 Abs 3 ASGG vorliegt, ist die Zulässigkeit der Revision vom Vorliegen einer iS des § 46 Abs 1 ASGG qualifizierten Rechtsfrage abhängig. Eine solche wird aber von den Revisionswerbern nicht geltend gemacht.

Zwischen den Parteien ist nicht strittig, dass die Beklagte bei der Bemessung der in Rede stehenden Funktionszulage an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden ist. Nach diesem Grundsatz ist der Arbeitgeber verpflichtet, einzelne Arbeitnehmer nicht willkürlich, also ohne sachliche Rechtfertigung, schlechter zu behandeln, als die übrigen (Arb 10.241; SZ 58/40; SZ 63/229; RIS-Justiz RS0060204). Sachliche Differenzierungen sind hingegen erlaubt.

Diese Rechtslage wurde von den Vorinstanzen zutreffend erkannt und ist im Revisionsverfahren auch gar nicht strittig. Auch über die für die Bewertung der in Betracht kommenden Arbeitsplätze maßgebenden Kriterien herrschen keine Auffassungsunterschiede. Gegenstand des Verfahrens ist nur mehr die Frage, ob die von der Beklagten hier vorgenommene Differenzierung zwischen den in Betracht kommenden Bediensteten willkürlich und sachfremd ist. Dies kann aber nur im jeweiligen Einzelfall unter Beachtung der bei den betroffenen Arbeitnehmern oder Arbeitnehmergruppen gegebenen konkreten Umstände entschieden werden.

Im Gegensatz zur vom Berufungsgericht im Zulassungsausspruch vertretenen Meinung geht diese hier zu treffende Einzelfallentscheidung in ihrer Bedeutung nicht über den vorliegenden Rechtsstreit hinaus. Da nicht die Rechtslage als solche sondern die auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Beurteilung der Wertigkeit der betroffenen Arbeitsplätze strittig ist, ist die hier zu treffenden Entscheidung nicht geeignet, in einer für andere Einzelfälle richtungsweisenden Art klarstellend zu wirken. Wie schon vom Berufungsgericht ausgeführt, sind andere von § 44 Abs 1 DO.A betroffene Arbeitnehmergruppen (z.B. die Leiter von Rehabilitationszentren und Unfallkrankenhäusern) auf Grund ihrer völlig anders gelagerten Tätigkeit mit den hier in Rede stehenden Gruppen nicht zu vergleichen. Und gerade die Kläger selbst - Angestellte der Landesstelle Wien - reklamieren für sich, mit den Angestellten anderer Landesstellen nicht vergleichbar zu sein.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist daher die in ihrer Bedeutung über den Anlassfall nicht hinausgehende Anwendung einer nicht strittigen Rechtslage auf den konkreten Einzelfall. Solche Einzelfallentscheidungen sind aber - von Fällen krasser Fehlbeurteilung der zweiten Instanz abgesehen - mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG nicht revisibel.

Eine krasse Fehlbeurteilung ist dem Berufungsgericht hier aber keinesfalls unterlaufen:

Das Berufungsgericht hat die Differenzierung zwischen den in Betracht kommenden Angestellten der Hauptstelle und den Angestellten der Landesstelle Wien in erster Linie deshalb als nicht unsachlich beurteilt, weil die Hauptstelle - im Gegensatz zu einer Landesstelle - nicht regional begrenzt sondern auf das ganze Bundesgebiet bezogen agiere und überdies Koordinationsaufgaben wahrzunehmen habe, mit denen die Landesstellen nicht befasst seien.

Dagegen bringen die Revisionswerber in ihrem Rechtsmittel vor, dass es die Eigenart der Tätigkeit eines Selbstverwaltungskörpers mit sich bringe, dass die Tätigkeit der einzelnen Abteilungen lediglich in Vorbereitungshandlungen für die in den Selbstverwaltungskörpern getroffenen Entscheidungen bestehe. Dies ändert aber nichts daran, dass die Hauptstelle -wie auch die Revisionswerber einräumen - eine Koordinationsverantwortung wahrzunehmen hat, die natürlich - wenn auch der Eigenart eines Selbstverwaltungskörpers entsprechend - die Tätigkeit der in der Hauptverwaltung tätigen Bediensteten nicht unwesentlich prägt. Dass die Revisionswerber zwei (!) Abteilungen der Hauptstelle nennen, die keine Koordinationsaufgaben wahrnehmen und eine (!) Abteilung der Landesstelle Wien, die zentrale, bundesweite und koordinierende Tätigkeiten entfaltet, ist nicht geeignet, den im Vergleich zu einer Landesstelle grundsätzlich anders gelagerten, durch jedenfalls weit überwiegend überregionale und koordinierende Tätigkeit gekennzeichneten Charakter der Hauptstelle in Frage zu stellen. Der Hinweis des Berufungsgerichtes auf die der Hauptstelle obliegende Erstellung des Gesamthaushaltsplans und auf die auslandsorientierten Aspekte der Aufgaben der Hauptstelle bleiben überhaupt unwidersprochen. Hinweise der Revisionswerber auf die von der Tätigkeit her in keiner Weise vergleichbaren Verwaltungsleiter der Unfallkrankenhäuser und auf die Praxis der Beklagten im Zusammenhang mit - anderen Rechtsgrundlagen folgenden - Zulagen des Leiters der AUVA und der Leiter der Landesstellen ändern daher nichts daran, dass die Rechtsauffassung der zweiten Instanz, die hier in Rede stehende Differenzierung zwischen der Hauptstelle und der Landesstelle Wien sei nicht willkürlich und sachfremd, zumindest vertretbar ist, sodass im Sinne der wiedergegebenen Rechtslage die Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG nicht verwirklicht sind.

Die Revision ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Kosten der Revisionsbeantwortung waren nicht zuzusprechen, weil die Revisionsgegnerin auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat (RIS-Justiz RS0035962; zuletzt 9 ObA 87/00x; 9ObA 268/00b). Dass sie in der Revisionsbeantwortung ohne jede Begründung beantragte, der Revision, "soweit diese nicht zurückzuweisen ist", nicht Folge zu geben, stellt keinen derartigen Hinweis dar.

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