OGH 9ObA347/00w

OGH9ObA347/00w28.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Weinke und Anton Beneder als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1.) Kurt W*****, Pensionist, ***** (28 Cga 216/99k), 2.) Inge P*****, Pensionistin, ***** (28 Cga 217/99g), und 3.) Franz Z*****, Pensionist, ***** (28 Cga 218/99d), sämtliche vertreten durch Dr. Gerhard Huber und Dr. Michael Sych, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Österreichischer Gewerkschaftsbund, Hohenstaufengasse 10-12, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 8.395,-- sA (zu 1.), S 4.685,-- sA (zu 2.), und S 3.187,-- sA (zu 3.), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. September 2000, GZ 8 Ra 231/00z-14, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 30. März 2000, GZ 28 Cga 216/99k-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 4.204,03 (darin S 700,67 USt), und zwar anteilig dem Erstkläger S 2.156,65, der Zweitklägerin S 1.219,18 und dem Drittkläger S 828,19, jeweils binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Verfahrens ist die Auslegung des § 22 der Pensionszuschussordnung der beklagten Partei, welche - unstrittig - auf einer Betriebsvereinbarung im Sinne des § 97 Abs 1 Z 18 ArbVG in der ab 1. 4. 1993 geltenden Fassung beruht. § 22 der Pensionszuschussordnung (in der früheren Betriebsvereinbarung inhaltsgleich "§ 23") lautet:

"Die wiederkehrenden Geldleistungen aus dieser Pensionszuschussordnung werden jeweils am Letzten eines jeden Kalendermonates im Vorhinein für den folgenden Monat flüssig gemacht. Die Anspruchsberechtigten erhalten außerdem jährlich am 1. 6. und am 1. 12. zusätzlich eine gleichartige Leistung in der Höhe der für einen Monat gebührenden Leistung." Diese Regelung findet sich im Abschnitt VI "gemeinsame Bestimmungen" der Pensionszuschussordnung unter der Überschrift "Fälligkeit". Die am 1. 6. und 1. 12. zusätzlich fällig werdenden Leistungen werden an keiner anderen Stelle der Pensionszuschussordnung erwähnt.

Gemäß § 8 der Pensionszuschussordnung haben die Kläger Ansprüche auf monatliche Pensionszuschüsse wie folgt:

Der Erstkläger auf S 24.886,-- brutto seit 1. 9. 1996; die Zweitklägerin auf S 9.370,-- brutto seit 1. 10. 1996 und der Drittkläger auf S 9.561,-- brutto seit 1. 9. 1996. Die klagenden Parteien erhielten am 1. 12. 1996 anstelle einer vollen zusätzlichen Monatszahlung nur aliquotierte Beträge, und zwar der Erstkläger S 16.591,--, die Zweitklägerin S 9.370,-- und der Drittkläger S 6.374,-- brutto. Gegenstand ihrer Klagebegehren ist die jeweilige Differenz auf den vollen Monatsbetrag. Dazu bringen die beklagten Parteien im Wesentlichen vor, dass der Wortlaut des § 22 Pensionszuschussordnung eine Aliquotierung nicht vorsehe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klagebegehren und wendete ein, dass - einer im Übrigen seit Jahrzehnten gepflogenen Übung entsprechend - wie bei aktiven Dienstnehmern, welche während des Jahres ein- oder austreten, die Sonderzahlungen auch für ehemalige Dienstnehmer, welche den Anspruch auf Pensionszuschusszahlungen während eines laufenden Jahres erwerben, zu aliquotieren seien. In § 6 der für aktive Dienstnehmer geltenden Bezugsordnung finde sich eine ausdrückliche Aliquotierungsregelung, welche auch für die Pensionszuschusszahlungen sinngemäß anzuwenden sei.

Das Erstgericht wies sämtliche Klagebegehren ab. Es schloss sich der Rechtsauffassung der beklagten Partei an.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es den Klagebegehren stattgab.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Frage, ob Pensionisten, welche während eines laufenden Jahres Anspruch auf Pensionszuschusszahlungen erwerben, im ersten Pensionsjahr eine Aliquotierung der auf den Anspruchserwerb nächstfolgenden Sonderzahlung (1. 6. oder 1. 12.) in Kauf nehmen müssen, zutreffend verneint. Es reicht daher insofern aus, auf die zutreffende und eingehende Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers entgegenzuhalten:

Soweit dieser auch noch im Revisionsverfahren auf eine Übung ("Praxis") in dem Sinn hinweist, dass Neupensionisten unter gleichen Voraussetzungen wie die klagenden Parteien die ersten Sonder-Pensionszuschusszahlungen immer aliquot erhalten hätten, kommt diesem Umstand keine Erheblichkeit zu. Einer - schlüssigen - Individualvereinbarung stünde die günstigere Regelung der Betriebsvereinbarung entgegen. Für die Auslegung der Betriebsvereinbarung selbst ist wiederum aus einer solchen Übung nichts zu gewinnen. Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf verwiesen, dass der normative Teil einer Betriebsvereinbarung nicht nach den §§ 914, 915 ABGB, sondern nach den §§ 6, 7 ABGB auszulegen ist (RIS-Justiz RS0008807, RS0050963) und daher nur maßgeblich ist, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann (RIS-Justiz RS0010088). Der Revisionswerber wirft dem Berufungsgericht daher zu Unrecht vor, dass dieses an Buchstaben hafte. Dieses folgt vielmehr der völlig einhelligen Rechtsprechung, wonach der äußerst mögliche Wortsinn die Grenze jeglicher Auslegung absteckt (RIS-Justiz RS0008796, RS0008788, RS0031382, RS0016495, insbes. SZ 67/62 uva).

Dem Revisionswerber ist durchaus zuzustimmen, dass nach der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0030306) mangels abweichender Vereinbarung Sonderzahlungen nicht für Zeiten gebühren, für die keine Pflicht zur Entgeltzahlung besteht. Dabei übersieht er jedoch, dass dieses Prinzip für aktive Arbeitsverhältnisse entwickelt wurde, bei welchem die synallagmatische Beziehung zwischen Arbeitsleistung und Entgelt noch aufrecht ist (stellvertretend für viele: 9 ObA 2132/96m mwN). Dieses Aliquotierungsprinzip lässt sich jedoch nicht ohne weiteres auf Ruhegenusszahlungen übertragen: Dort hat nämlich der Arbeitnehmer seine Vorleistung bereits während seiner aktiven Dienstzeit erbracht. Nun liegt es nur mehr am Arbeitgeber, den einen Teil des Entgelts bildenden Pensionsanspruch seiner früheren Arbeitnehmer zu erfüllen. Auf Grund dieser sachlichen Differenzierung vermögen auch die Hinweise auf eine "Ungleichbehandlung" von aktiven und pensionierten Arbeitnehmern nicht zu überzeugen. Der unterschiedliche Regelungsgehalt der "Bezugsordnung" für aktive Arbeitnehmer einerseits und der "Pensionszuschussordnung" für Pensionisten andererseits verbietet auch die vom Erstgericht versuchte systematische Interpretation im Wege einer Zusammenführung dieser Betriebsvereinbarungen.

Das Berufungsgericht hat daher die Bestimmung des § 22 der Pensionszuschussordnung in Übereinstimmung mit den anerkannten Interpretationsregeln dahin ausgelegt, dass Pensionszuschussbezieher, welche diesen Anspruch - abhängig vom Zeitpunkt des Ausscheidens und der Anzahl der sich daran anschließenden Monate, auf welche die Abfertigung aufzuteilen ist (§ 8 Abs 1 Pensionszuschussordnung iVm § 16 Arbeitsordnung) - während des Jahres erwerben, auch Anspruch darauf haben, dass die nächstfolgende Sonderzahlung nicht aliquot, sondern in voller Höhe zur Auszahlung gelangt.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO begründet.

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