OGH 2Ob46/01f

OGH2Ob46/01f15.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ernst S*****, vertreten durch Lenz & Luger, Rechtsanwälte OEG in Dornbirn, wider die beklagte Partei Heribert B*****, vertreten durch Dr. Clement Achammer und andere, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen S 88.373 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 28. November 2000, GZ 3 R 343/00i-17, womit das Zwischenurteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 20. Juli 2000, GZ 4 C 229/99h-12, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte vom Beklagten S 88.373 sA als Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich zwischen dem bevorrangten PKW des Klägers und einem vom Beklagten gelenkten, benachrangten Pony-Gespann ereignet hat.

Das Erstgericht fällte ein dem Grunde nach stattgebendes Zwischenurteil.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es führte ua Folgendes aus:

Die Eigenschaft des Beklagten als Halter (§ 1320 ABGB) des unfallsbeteiligten Pony-Gespannes sei unbestritten. Der Oberste Gerichtshof habe wiederholt ausgesprochen, dass nach objektiven Kriterien zu beurteilen sei, ob der Tierhalter für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung gesorgt habe. Komme es aber nur auf die Einhaltung der objektiven Sorgfalt an, sei es unbeachtlich, aus welchen Gründen der Halter nicht in der Lage gewesen sei, den erforderlichen Sorgfaltsmaßstab einzuhalten. Damit sei klargestellt, dass - den Materialien folgend - den Tierhalter keine volle Gefährdungs- (ja sogar Erfolgs-)haftung treffe. Die in § 1320 ABGB normierte Beweislastumkehr beziehe sich somit ausschließlich auf die Frage der Rechtswidrigkeit. Misslinge dem Tierhalter dieser Beweis der ordnungsgemäßen Verwahrung und Beaufsichtigung, hafte er für rechtswidriges, wenn auch schuldloses Verhalten (ZVR 1997/21 mwN). Im Anwendungsbereich des § 1320 ABGB trete an die Stelle des Verschuldens die erhöhte Gefährlichkeit der Sphäre. Nur dann, wenn es um die Einstandspflicht für besonders gefährliche Sachen gehe, könne schon die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens für sich in Kombination mit der besonderen Gefahr die Haftung begründen (Koziol, Haftpflichtrecht I3, Rz 4/13). Bei der Teilnahme eines Pferde- oder Pony-Gespannes am öffentlichen Verkehr gehöre zur Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt nicht nur die (grundsätzliche) Eignung des Gefährtes, der Zugtiere und des Kutschers, sondern auch die tatsächliche Beherrschung des Gespannes (kein unkontrolliertes "Durchgehen" der Tiere). An der zuletzt genannten Voraussetzung fehle es im hier zu beurteilenden Fall, weshalb nach objektiven Kriterien eine Sorgfaltswidrigkeit anzunehmen sei. Da es unbeachtlich sei, aus welchen Gründen der Halter nicht in der Lage gewesen sei, den erforderlichen Sorgfaltsmaßstab einzuhalten, sei die vom Erstgericht festgestellte plötzlich eingetretene gesundheitliche Beeinträchtigung des Beklagten kein Umstand, der zur Entlassung aus der Haftung nach § 1320 ABGB führe.

Die ordentliche Revision sei zuzulassen gewesen, weil es zur entscheidungswesentlichen Frage, nämlich der Haftung eines Tierhalters nach § 1320 ABGB allein deshalb, weil er aus unverschuldeten Umständen (plötzliche, unvorhersehbare gesundheitliche Beeinträchtigung) die Beherrschung über ein grundsätzlich ordnungsgemäß verwahrtes und beaufsichtigtes Tier (im vorliegenden Fall ein zur Teilnahme am öffentlichen Verkehr geeignetes Pferdegespann) verliere, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung gebe.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Revision des Klägers, die unzulässig ist.

Das Berufungsgericht hat die jüngere Rechtsprechung des Obersten

Gerichtshofes zur Natur der Tierhalterhaftung gemäß § 1320 ABGB

richtig dargestellt (3 Ob 2229/96g = SZ 69/162 = ZVR 1997/21 =

RIS-Justiz RS0105089 mit Hinweisen auf die Entwicklung der Rsp insb

seit 5 Ob 510/81 = EvBl 1982/43 = JBl 1982, 150 [zust Koziol]). Auch

der erkennende Senat hat in 2 Ob 180/98d = ZVR 1999/107 - unter

Hinweis auf Reischauer in Rummel**2 § 1320 ABGB Rz 20 und Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 4/13, 5/40, II**2 406 f - ausgesprochen, dass der Gesetzgeber in § 1320 ABGB zwar keine (volle) Gefährdungshaftung normiert hat, die besondere Tiergefahr aber dadurch berücksichtigt wird, dass nicht auf das subjektive Verschulden des Halters, sondern auf die objektiv gebotene Sorgfalt abgestellt wird.

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist es im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht eine Haftung des Beklagten gemäß § 1320 ABGB bejaht hat, weil der gesundheitsbedingte Verlust der Herrschaft über das Gespann durch den Halter der objektiv gebotenen Sorgfalt nicht entspricht und es auf dessen fehlendes subjektives Verschulden nicht ankommt.

Der Umfang der gemäß § 9 Abs 2 EKHG gebotenen Sorgfalt hängt von den besonderen Umständen des konkreten Falles ab (RIS-Justiz RS0111708). Wie die vom Erstgericht unter Gebrauch einer doppelten Verneinung getroffene Feststellung über die Reaktion der PKW-Lenkerin zu verstehen ist, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Eine auffallende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts, die der Oberste Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit wahrnehmen müsste, liegt auch insoweit nicht vor.

Da es somit der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht bedurfte, war die Revision - ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts - als unzulässig zurückzuweisen, wobei die Ausführung der Zurückweisungsgründe genügt (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen.

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