OGH 5Ob345/98s

OGH5Ob345/98s26.1.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Walter S*****, vertreten durch Dr. Karl Zingher und Dr. Madeleine Zingher, Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegner 1. Heinrich H*****, 2. Elisabeth H*****, beide vertreten durch Dr. Werner Heissig, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 9 (§ 17) MRG, infolge Rekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 10. November 1998, GZ 40 R 490/98z-35, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 29. Juni 1998, GZ 5 Msch 137/96y-31, teilweise als nichtig aufgehoben und der Sachantrag diesbezüglich zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Antragsteller ist Mieter des Bestandobjektes top Nr 1-5 im Haus T*****gasse 8 in ***** W*****. Die Antragsgegner sind die Eigentümer dieses Hauses.

In seinem am 21. 11. 1995 beim magistratischen Bezirksamt für den 18. Bezirk erhobenen "Mietzinsüberprüfungsantrag" begehrt der Antragsteller die "Berichtigung" des Betriebskostenschlüssels. Er bringt vor, das von ihm gemietete Objekt sei 275,83 m**2 groß, Betriebskosten würden ihm jedoch ausgehend von einer Nutzfläche von 283,51 m**2 vorgeschrieben. Es sei daher erforderlich, die Betriebskostenvorschreibungen der letzten drei Jahre in diesem Umfang zu berichtigen.

Die Antragsgegner wendeten dagegen ein, die Nutzflächen des Hauses seien im April 1993 durch einen Architekten vermessen worden, die auf das Objekt des Antragstellers entfallende Nutzfläche betrage 283,51 m**2.

In der mündlichen Verhandlung vor der Schlichtungsstelle vom 2. 10. 1996 erweiterte der Antragsteller sein Begehren dahin, daß nunmehr auch Rückzahlung der zuviel bezahlten Betriebskosten seit der Abrechnung 1992 begehrt werde.

Die Antragsgegner brachten dagegen vor, daß ein Mietzinsrückstand des Antragstellers von S 140.925,14 bestehe, weshalb kein Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs 4 MRG gegeben sei.

Mit Entscheidung vom 4. 6. 1996 stellte die Schlichtungsstelle den Betriebskostenschlüssel fest, darunter den Anteil des Antragstellers mit 22,09 %.

Dagegen rief der Antragsteller gemäß § 40 MRG das Gericht an. Er bestritt die Richtigkeit der Nutzflächenermittlung durch die MA 40, da nicht sämtliche Objekte vermessen hätten werden können, und beantragte, eine Ergänzung des Gutachtens der MA 40 vorzunehmen.

Einem gerichtlich bestellten Sachverständigen war die Ermittlung der Naturmaße sämtlicher Wohnungen des Hauses nicht möglich, weil er zu mehreren Wohnungen keinen Zutritt erhielt.

Mit Schriftsatz vom 12. 8. 1997 beantragte daraufhin der Antragsteller bei Gericht, festzustellen, daß sämtliche Betriebskostenvorschreibungen ihm gegenüber im verfahrensgegenständlichen Zeitraum unzulässig gewesen seien. Er forderte daher die von ihm bezahlten Betriebskostenbeträge zur Gänze zurück.

Die Antragsgegner beantragten, diesen Antrag abzuweisen.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Neufestsetzung des Betriebskostenschlüssels für das Bestandobjekt des Antragstellers ab und stellte die Unzulässigkeit sämtlicher ihm gegenüber getätigter Betriebskostenvorschreibungen für dieses Bestandobjekt im Zeitraum November 1992 bis Oktober 1996 fest.

Dabei ging das Erstgericht im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:

Für das Objekt des Antragstellers, der Mieter des Objekts top Nr 1-5 im Haus T*****gasse 8 in ***** W***** war, ergab eine vom Architekten DI Peter Zauchenberger im April 1983 errechnete Flächenaufstellung des Hauses eine Nutzfläche von 283,51 m**2.

In der Folge kam es zu mehreren baulichen Veränderungen im Hause, im Zuge deren Umgestaltungen von Wohnungen, Zusammenlegungen, Einbeziehung eines Gangteils sowie weitere Bestandveränderungen vorgenommen wurden.

Eine neuerliche Nutzflächenermittlung erfolgte nicht.

Im Zuge des vom Antragsteller angestrengten Verfahrens auf Überprüfung bzw Berichtigung des auf ihn entfallenden Anteils wurden im Schlichtungsstellenverfahren durch ein Gutachten der MA 40 und im gerichtlichen Verfahren durch ein Gutachten des DI Fuld Vermessungen in mehreren Wohnungen vorgenommen, um die Naturmaße zu ermitteln. Bis zuletzt war der Zutritt zu den Wohnungen top Nr 6, 10, 15, 19, 20, 23 und 24 nicht möglich.

Ein Nutzflächenschlüssel konnte demnach nicht ermittelt werden, auch nicht jener Anteil, der auf das Bestandobjekt des Antragstellers entfiel.

Das Erstgericht stellte fest, daß die Antragsgegner ihre Mitwirkungspflicht an der Ermittlung der Nutzflächen des Hauses dahin verletzt hätten, daß sie auf Mieter des Hauses, etwa auf ihre eigene Tochter, nicht dahingehend eingewirkt hätten, daß diese dem Sachverständigen Zutritt zur Vermessung der Wohnungen gewährt hätten.

In rechtlicher Hinsicht wertete das Erstgericht den Verstoß der Antragsgegner gegen ihre prozessuale Mitwirkungspflicht als Verzicht darauf, vom Antragsteller den Ersatz des auf ihn entfallenden Anteils der Hausbewirtschaftungskosten zu verlangen. Sei er aber nicht mehr verpflichtet, Betriebskosten an die Antragsteller zu entrichten, mangle es ihm auch am Rechtsschutzinteresse an der von ihm begehrten Feststellung des auf ihn entfallenden Betriebskostenanteils.

Das Erstgericht wertete dabei den im gerichtlichen Verfahren vom Antragsteller gestellten Antrag, festzustellen, daß sämtliche Betriebskostenvorschreibungen im verfahrensgegenständlichen Zeitraum ihm gegenüber als unzulässig anzusehen seien, als zulässig und qualifizierte diesen als "Zwischenfeststellungsantrag gemäß § 236

ZPO".

Ein Rückforderungsanspruch habe sich infolge behaupteter Mietzinsrückstände jedoch nicht erwiesen.

Aus Anlaß des Rekurses nur der Antragsgegner hob das Rekursgericht die Feststellung der Unzulässigkeit sämtlicher gegenüber dem Antragsteller im Zeitraum November 1992 bis Oktober 1996 für sein Bestandobjekt getätigter Betriebskostenvorschreibungen als nichtig auf und wies den diesbezüglichen Sachantrag des Antragstellers zurück.

Im übrigen gab es dem Rekurs der Antragsgegner gegen die Abweisung des Antrags auf "Berichtigung" des Betriebskostenschlüssels nicht Folge, welcher Teil der Entscheidung sich allerdings inhaltlich als Zurückweisung des Rechtsmittels mangels Beschwer darstellt. Damit wurde auch die erstinstanzliche Kostenentscheidung bestätigt.

Die Aufhebung und Zurückweisung des Sachantrags des Antragstellers hinsichtlich der gänzlichen Unzulässigkeit von Betriebskostenvorschreibungen im verfahrensgegenständlichen Zeitraum gründete das Erstgericht auf § 39 MRG. Ein bei der Schlichtungsstelle gestellter Antrag könne bei Gericht nicht mehr geändert oder erweitert werden. Umsoweniger könne vor Gericht ein neuer Sachantrag gestellt werden. Dem erst vor Gericht erhobenen Begehren, festzustellen, daß sämtliche Betriebskostenvorschreibungen für das Bestandobjekt des Antragstellers im Zeitraum November 1992 bis Oktober 1996 unzulässig seien, sprach das Rekursgericht auch die Eignung als Zwischenfeststellungsantrag ab, weil die damit aufgeworfene Frage für die Festsetzung des Nutzflächenschlüssels nicht präjudiziell sei. Auch habe der Antragsteller dieses Begehren nicht als Zwischenfeststellungsantrag bezeichnet.

Hinsichtlich des bestätigenden Teiles seiner Entscheidung sprach das Rekursgericht aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der als "außerordentlicher Revisionsrekurs" bezeichnete Rekurs des Antragstellers, mit dem beantragt wird, die Entscheidung des Rechtsmittelgerichtes dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Gemäß § 39 Abs 1 MRG kann ein Verfahren nach § 37 Abs 1 MRG bei Gericht nur dann eingeleitet werden, wenn die Sache (bei Vorhandensein einer Schlichtungsstelle) vorher bei der Gemeinde anhängig gemacht worden ist. Die Anrufung der Schlichtungsstelle ist damit eine zwingende Prozeßvoraussetzung für das gerichtliche Verfahren, weshalb der bei der Schlichtungsstelle gestellte Antrag, der dort noch beliebig verändert und erweitert werden kann, bei Gericht nicht mehr geändert oder erweitert, ausgedehnt oder präzisiert werden kann (vgl WoBl 1993/123 = MietSlg 45.511; immolex 1997/108 ua; Würth-Zingher Miet- und Wohnrecht20 Rz 3 zu § 39 MRG mwN). Ein Verstoß gegen die Beachtung dieser Grundsätze bewirkt Nichtigkeit der Entscheidung und hat deren ersatzlose Beseitigung zur Folge (vgl 5 Ob 25/91). Eine dennoch vorgenommene Erweiterung oder Präzisierung eines Antrags hat demgemäß zur Zurückweisung des Sachantrags zu führen (WoBl 1992/108).

Entscheidend kommt es stets darauf an, ob vor Gericht derselbe Anspruch wie vor der Schlichtungsstelle geltend gemacht wird, in welchem Fall vor Gericht auch eine Änderung des Tatsachenvorbringens gegenüber dem Vorbringen vor der Schlichtungsstelle für zulässig angesehen wurde (vgl 5 Ob 59/95).

Der verfahrenseinleitende Antrag an die Schlichtungsstelle richtete sich darauf, den Anteil des Bestandobjektes des Antragstellers an den Gesamtkosten neu festzusetzen (zu "berichtigen"), welcher Antrag in der mündlichen Verhandlung vom 2. 10. 1996 dahin erweitert wurde, die Antragsgegner zur Rückzahlung der zuviel bezahlten Betriebskosten seit der Abrechnung 1992 bis Oktober 1996 zu verpflichten.

Demgegenüber stellt das Begehren, infolge der Unmöglichkeit der Feststellung eines Nutzflächenschlüssels die mangelnde Fälligkeit der Betriebskostenvorschreibungen im gesamten streitigen Zeitraum festzustellen und die Antragsgegner zu deren Rückzahlung zu verpflichten, ein aliud dar. Während der Antragsteller im ersten Teil seines (erweiterten) Antrags von der Zulässigkeit der Betriebskostenvorschreibungen ihm gegenüber ausging und nur deren ziffernmäßige Korrektur auf Basis eines neuen Nutzflächenschlüssels anstrebte, wird mit dem neuen Antrag die Berechtigung der Antragsgegner insgesamt, vom Antragsteller Betriebskosten zu begehren, verneint und darauf ein Rückforderungsanspruch hinsichtlich sämtlicher bezahlter Betriebskosten gestellt. Eine solche Änderung des Umfangs und des Rechtsgrundes des Begehrens scheitert an der Bestimmung des § 39 MRG, wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat.

In Einklang mit der in MietSlg 41.296/11 veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (= WoBl 1989/62) haben die Vorinstanzen erkannt, daß die Verletzung der Mitwirkungspflicht des Vermieters bei der Ermittlung der Nutzflächen des Hauses einem Verzicht auf das ihm an sich zustehende Recht gleichzuhalten ist, vom Mieter den Ersatz des auf dessen Mietgegenstand entfallenden Anteils an Betriebskosten zu verlangen, was zur Folge haben kann, daß mangels Verpflichtung zur Entrichtung dieser anteiligen Kosten der Mieter kein Rechtsschutzinteresse an einer abstrakten Nutzflächenfeststellung hat, sodaß sein darauf gerichteter Antrag zurückzuweisen ist. Das hat aber entgegen der Ansicht des Rekurswerbers nicht zur Folge, daß hiedurch eine Durchbrechung der in § 39 MRG normierten Prozeßvoraussetzung der Anrufung der Schlichtungsstelle für ein Begehren auf Rückzahlung zu Unrecht bezahlter Betriebskosten einträte. Zu einer Feststellung der Unzulässigkeit von Betriebskostenvorschreibungen kann es nur dann kommen, wenn diesbezüglich ein wirksamer Antrag vor der Schlichtungsstelle gestellt wurde. Eine Rückzahlungsverpflichtung kommt überhaupt nur dann in Betracht, wenn sich eine solche im Verfahren "ergeben" hat, was im vorliegenden Fall infolge der Behauptung von Mietzinsrückständen durch die Antragsgegner nicht zu bejahen ist (§ 37 Abs 4 MRG).

Der Vollständigkeit halber sei noch anzumerken, daß das als "außerordentlicher Revisionsrekurs" bezeichnete Rechtsmittel sich zwar formell auch gegen Punkt II der rekursgerichtlichen Entscheidung, nämlich die Bestätigung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses im Umfang der Abweisung des Antrags, den Betriebskostenschlüssel für das Objekt des Antragstellers "zu berichtigen" richtet, eine Befassung damit sich aber infolge Fehlens jeglicher Rechtsmittelausführungen dazu sowie eines auf Bestätigung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses abzielenden Rechtsmittelantrags erübrigte.

Dem Rekurs des Antragstellers war daher der Erfolg zu versagen.

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