OGH 6Ob108/00a

OGH6Ob108/00a17.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anton P***** GmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr. Theo Feitzinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, wegen, 1,084.476,85 S, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 19. Jänner 2000, GZ 17 R 201/99z-48, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 26. Mai 1999, GZ 21 Cg 245/96w-38, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 19.140 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei wurde mit Straßenbauarbeiten samt Rutschungssanierungen an der Zellerain Bundesstraße betraut. Die Auftragssumme betrug zunächst 6,248.687,76 S. Es war vorgesehen, dass talseitig Steinsätze mit Aushubarbeiten bis 5 m errichtet werden sollten. Im Zuge der Bauarbeiten stellte sich die Unzulänglichkeit der in der Ausschreibung vorgesehenen Stützmauer und die Notwendigkeit, diese auf 11 m zu erhöhen, heraus. Die klagende Partei und der örtliche Bauleiter der beklagten Partei kamen überein, dass die Gesamtkubatur der größeren Stützmauer aus Steinsatz herzustellen und dieser mit Beton anstatt mit Mutterboden zu verfugen sei. Es wurde mündlich vereinbart, dass die klagende Partei zu den im Leistungsverzeichnis enthaltenen Preisen sowohl die gesamte Steinsatzkubatur (545 S/m3) als auch die gesamte Betonkubatur verrechnen könne. Von einem schriftlichen Nachtragsangebot wurde wegen der Dringlichkeit der Arbeiten abgesehen.

Am 9. 9. 1992 fand an Ort und Stelle die Abnahme des errichteten Bauwerkes statt. Am 1. 12. 1992 legte die klagende Partei Schlussrechnung, in der unter anderem 2480,87 m3 Fundamentbeton a 580

S (= 1,438.904,60 S) und 3599,45 m3 Steinsatz a 545 S (= 1,961.700,25

S) verrechnet wurden. Hiebei wurde von der gesamten Steinsatzkubatur

von 5615,94 m3 irrtümlich 2016,49 m3 Betonkubatur abgezogen. Die beklagte Partei, die bereits mehrere Teilzahlungen geleistet hatte, zahlte im Jänner 1993 aufgrund der Schlussrechnung, die auf einen offenen Saldo von 403.485,47 S lautete, nach geringfügigen Streichungen 401.257,36 S.

Bei der am 28. 2. 1995 erfolgten Kollaudierung ermittelte der Kollaudator eine Überzahlung von 1,050.498,74 S. Im Kollaudierungsschlussbericht vom 23. 5. 1995 wurde die gesamte Rückzahlungsforderung mit 1,266.766,29 S festgesetzt. Anlässlich der Bemängelung der Schlussrechnung im Zuge der Kollaudierung fiel der klagenden Partei auf, dass sie von der Steinsatzkubatur irrtümlich 2016,49 m3 Betonvolumen abgezogen hatte und konfrontierte die klagende Partei mit Nachforderungen.

Da die klagende Partei der Rückzahlungsaufforderung nicht nachkam, rief die beklagte Partei einen zu ihren Gunsten seitens der Sparkasse der Stadt W***** zur Sicherung allfälliger Gewährleistungsansprüche ausgestellte Bankgarantie ("Haftbrief") über 219.000 S ab.

Der Auftragserteilung an die klagende Partei lagen die "Rechtlichen und technischen Vertragsbestimmungen der nö Straßenverwaltung (RTV) für Baumaßnahmen auf Bundesstraßen S und B sowie Landeshaupt- und Landesstraßen", Ausgabe 31. März 1989, zugrunde, die ihrerseits auf die "Rechtlichen Vertragsbedingungen für die Ausführungen von Bauleistungen an Bundesstraßen und Bundesstraßenbrücken" (RVS 10.111), die ÖNorm A 2050 und die ÖNorm B 2117 verwiesen.

Punkt 2.29.2 der ÖNorm B 2117 lautet: "Annahme der Zahlung, Vorbehalt. Die Annahme der Schlusszahlung aufgrund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung schließt nachträgliche Forderungen für die vertragsgemäß erbrachten Leistungen aus, wenn nicht ein Vorbehalt in der Rechnung enthalten ist oder binnen sechs Wochen nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben wird. Der Vorbehalt ist schriftlich zu begründen."

Punkt 5.23 der Rechtlichen Vertragsbedingungen 10.111 lautet: "Die Annahme der Schlusszahlung (5.22) gilt als Anerkennung der vom Auftraggeber allenfalls vorgenommenen Berichtigung der Schlussrechnung und schließt Nachforderungen aus, sofern nicht binnen sechs Wochen nach Erhalt der Zahlung ein schriftlich begründeter Einspruch bzw Vorbehalt zu diesen Berichtigungen erfolgt.

Ausgenommen von dieser Bestimmung sind Korrekturen der vorläufig festgestellten Summe, die sich aufgrund der Kollaudierung ergeben."

Am 27. 9. 1996 klagte die hier beklagte Partei beim Handelsgericht Wien zu 20 Cg 431/96b den Betrag von 420.636,86 S ein, wobei sie von einer Überzahlung von 541.457,05 S und aufgelaufenen Zinsen von 98.179,81 S ausging und den abberufenen Garantiebetrag von 219.000 S abzog. Die hier klagende Partei gestand im genannten Verfahren als richtig zu, dass sich aus ihrer eigenen Abrechnung Rechenfehler zu ihren Gunsten in Höhe von 375.387 S netto ergeben hätten. Im Übrigen bestritt sie dort das Klagebegehren und wendete eine Gegenforderung von 1,084.476,85 S ein. Dieses Verfahren ist unterbrochen.

Eben diesen Betrag begehrte sie mit vorliegender, am 30. 9. 1996 beim Erstgericht eingelangten Klage. Sie brachte vor, dass von der Gesamtkubatur des Stützkörpers von 5638,60 m3 (nach späterem Vorbringen: 5615,94 m3) in der Schlussrechnung irrtümlich nur 3599,45 m3, nämlich der Wurfsteinsatz ohne Betonanteil, in Rechnung gestellt worden sei, sodass um 1,111.336,70 S (2039,15 m3 x 545 S) zuwenig verrechnet worden sei. Die Sondervereinbarung über die Abgeltung der Mehrleistungen sei rechtswirksam zustande gekommen, sodass die beklagte Partei zur Zahlung dieses Betrages verpflichtet sei. Hilfsweise werde das Klagebegehren auf jeglichen erdenklichen Rechtsgrund, insbesondere auf den Titel der Irreführung und des Schadenersatzes gestützt. In der Schlussrechnung seien aber auch Rechenfehler der klagenden Partei enthalten, die von ihr mit 375.387 S anerkannt würden. Dieser Betrag sowie ein vereinbarter Nachlass von 2 % seien abzuziehen, der verbleibende Betrag von 721.230,71 S um 20 % Umsatzsteuer (144.246,14 S) zu erhöhen. Darüber hinaus begehre die klagende Partei den von der beklagten Partei zu Unrecht abberufenen Garantiebetrag von 219.000 S. Die Abberufung sei vereinbarungswidrig erfolgt, weil das Werk keine Mängel aufgewiesen habe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sämtliche Leistungen der klagenden Parteien seien abgegolten worden. Im Übrigen habe sie die Schlusszahlung vorbehaltlos angenommen, sodass gemäß Punkt 2.29.2 der ÖNorm B 2117 Nachforderungen ausgeschlossen seien. Außerdem seien zusätzlichen Leistungen gemäß Punkt 2.42 der Rechtlichen Vertragsbedingungen 10.111 verwirkt, weil sie nicht binnen 12 Monaten nach Beginn der Leistungen schriftlich geltend gemacht worden seien. Die Garantieerklärung sei zur Sicherung aller Rechtsansprüche der Beklagten ausgestellt und daher zu Recht zur teilweisen Abdeckung der Überzahlung in Anspruch genommen worden. Die noch verbleibende Überzahlung von 420.636,86 S werde aufrechnungsweise eingewendet.

Die Parteien stellten einen (weiteren) Rückforderungsanspruch der klagenden Partei von 44.600 S außer Streit.

Das Erstgericht erkannte den Klagebetrag mit 865.476,85 S als nicht zu Recht bestehend und mit 219.000 S als zu Recht bestehend, die eingewendete Gegenforderung mit 44.600 S als zu Recht bestehend und verpflichtete daher die beklagte Partei, der klagenden Partei 174.400 S samt Zinsen zu zahlen. Das Mehrbegehren von 910.076,85 S samt Zinsen wies es ab. Da die klagende Partei die Schlusszahlung angenommen und bis zur Nachtragsrechnung vom 27. 3. 1995 keinen Vorbehalt erklärt habe, sei ihr Anspruch auf Abgeltung zusätzlicher Leistungen gemäß Punkt 2.29.2 der ÖNorm B 2117 verfallen. Die Bankgarantie habe nach dem Parteiwillen nur allfällige Gewährleistungsansprüche und nicht auch Rückforderungsansprüche wegen Überzahlungen besichern sollen, sodass sie von der beklagten Partei zu Unrecht abberufen worden sei. Insoweit bestehe das Klagebegehren daher zu Recht. Die Gegenforderung sei im Umfang der Außerstreitstellung berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht und der Berufung der beklagten Partei dahin Folge, dass es die eingeklagte Forderung mit 219.000 S und die Gegenforderung der beklagten Partei bis zur Höhe dieses Betrages als zu Recht bestehend erkannte und daher das gesamte Klagebegehren abwies. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht billigte die Ansicht des Erstgerichtes, dass der Anspruch der klagenden Partei auf Nachzahlung durch die vorbehaltlose Annahme der Schlussrechnung verwirkt sei, weil die sechswöchige Vorbehaltsfrist ungenützt verstrichen sei. Auch ein Fehler in der Schlussrechnung, der sich aufgrund der Kollaudierung ergebe, könne nicht korrigiert werden. Da die klagende Partei nicht nur den Rückforderungsbetrag von 44.600 S außer Streit gestellt, sondern auch den Betrag von 375.387 S als Abzugspost zugestanden habe, sei dieser als Gegenforderung zu berücksichtigen und auch das Klagebegehren, soweit es die Rückzahlung des durch Bankgarantie besicherten Betrages von 219.000 S betroffen habe, im Ergebnis abzuweisen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur hier beachtlichen Verwirkungsabrede betreffend Nachzahlungen einerseits und Überzahlungen andererseits, insbesondere bei Rechnungslegung vor Kollaudierung, vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Auslegung der Bestimmung des Punktes 5.23 der Rechtlichen Vertragsbedingungen

10.111 im Verhältnis zu Punkt 2.29.2 der ÖNorm B 2117 fehlt. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Punkt 2.29.2 ("Annahme der Zahlung, Vorbehalt") und weiters auch Punkt 2.29.3 ("Geltendmachung von Nachforderungen und Überzahlungen lauten: Wurde ein Vorbehalt gemäß Abschnitt 2.29.2 erhoben oder sind Überzahlungen erfolgt, können die entsprechenden Forderungen noch innerhalb von drei Jahren ab Übergabe der Leistung bzw ab Überzahlung geltend gemacht werden") sind annähernd wortgleich mit den Punkten

2.13.2 und 2.13.3 der ÖNorm A 2060 idF vom 1. 1. 1983. Wie der Oberste Gerichtshof zu diesen Bestimmungen erkannt hat, bezieht sich der Begriff "nachträgliche Forderungen" bzw "Nachforderungen" unmissverständlich auf die vom Auftragnehmer angenommene Schlusszahlung des Auftraggebers. Alles, was über diese Summe hinausgeht und noch "nachgefordert" werden soll, muss rechtzeitig "vorbehalten" werden, ohne dass es darauf ankommt, ob die entsprechende Forderung bereits verrechnet wurde oder nicht. Zweck dieser Bestimmung ist es, die Rechtslage bei Bauprojekten mit zumeist hohen Auftragssummen möglichst innerhalb kurzer Frist zu klären und zu diesem Zweck die gesetzliche Verjährungsfrist abzukürzen. Der Auftraggeber soll zu einem möglichst frühen Zeitpunkt das gesamte Ausmaß seiner Verpflichtungen überschauen und erfahren können (6 Ob 566/95 = ecolex 1995, 891).

Fristgemäß ist nach dieser Bestimmung ein Vorbehalt, der in der Schlussrechnung oder binnen sechs Wochen nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben worden ist. Ob diese Bestimmung dahin zu verstehen ist, dass auch in der Schlussrechnung nicht enthaltene Leistungen innerhalb der sechswöchigen Frist nachgefordert werden können oder ob sich diese Frist nur auf Vorbehalte hinsichtlich nicht geleisteter Differenzbeträge bezieht und der Vorbehalt bezüglich sonstiger Nachverrechnungen schon in die Schlussrechnung aufgenommen

werden muss (in diesem Sinne 7 Ob 68/98w = RdW 1998, 456 unter

Ablehnung von 5 Ob 516/95 = ecolex 1995, 890), kann hier

dahingestellt bleiben. Denn im vorliegenden Fall wurden weder in der Schlussrechnung noch innerhalb der sechswöchigen Frist ab Zahlung Vorbehalte betreffend Nachforderungen erklärt. Der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang noch darauf hinzuweisen, dass Punkt

4.5. 5. Absatz der Rechtlichen Vertragsbedingungen 10.111 eine Klarstellung im Sinne des Ergebnisses der Entscheidung 7 Ob 68/98w enthält. Diese Bestimmung lautet nämlich: "Durch die Vorlage der Schlussrechnung erklärt der Auftragnehmer verbindlich, dass er mit der Schlussrechnung sämtliche Forderungen aus dem Bauvertrag (sowohl Entgelt als auch Schadenersatzforderungen) geltend gemacht hat. In die Schlussrechnung nicht aufgenommene Forderungen sind verwirkt, soweit der Auftragnehmer nicht in der Schlussrechnung hinsichtlich einzelner bestimmt bezeichneter Forderungen deren spätere Verrechnung ausdrücklich vorbehält".

Am Ausschluss einer Nachforderung wegen einer - sei es absichtlich oder unabsichtlich - zu niedrig gelegten Schlussrechnung kann daher hier kein Zweifel sein.

Dem steht auch die Bestimmung des Punktes 5.23 der Rechtlichen Vertragsbestimmungen 10.111 nicht entgegen. Dieser bezieht sich sowohl nach seinem Wortlaut als auch seinem Zusammenhang mit den sonstigen Bestimmungen des Kapitels 5.2. ("Rechnungsberichtigung, Annahme der Zahlung, Vorbehalte") nur auf den Fall der Minderzahlung durch den Auftraggeber gegenüber den in der Schlussrechnung verzeichneten Positionen, nicht aber auch auf den hier vorliegenden Fall einer Nachforderung für in der Schlussrechnung nicht verzeichnete Positionen. Abs 1 der genannten Bestimmung sieht für den Fall, dass der Auftraggeber Kürzungen bei der Schlussrechnung vorgenommen hat, zunächst eine dem Punkt 2.29.2. der ÖNorm B 2117 entsprechende Regelung vor. Abs 2 hebt diese Regelung nun für den Fall der Kollaudierung ausnahmsweise auf. Der in Punkt 2.29.2. der ÖNorm B 2117 ebenfalls geregelte Fall der Nachforderung nicht verzeichneter Leistungen wird in Punkt 5.23 der Rechtlichen Vertragsbedingungen 10.111 überhaupt nicht behandelt und kann daher auch nicht als von Abs 2 des Punktes 5.23 der rechtlichen Vertragsbedingungen 10.111 umfasst angesehen werden. Unter "Korrekturen" im Sinn des Abs 2 sind nach dessen Zusammenhang mit Abs 1 und den übrigen in diesem Kapitel enthaltenen Bestimmungen jene Berichtigungen zu verstehen, die vom Auftraggeber an der Schlussrechnung vorgenommen wurden und die zu entsprechenden Kürzen führten. Das von der klagenden Partei gewünschte Auslegungsergebnis, nämlich dass im Fall einer Kollaudierung auch der Auftragnehmer bisher nicht in Rechnung gestellte Leistungen nachträglich verrechnen dürfe, falls er im Zuge der Kollaudierung erkennt, dass er die Schlussrechnung zu niedrig erstellt habe, widerspricht nicht nur dem Sinnzusammenhang des Abs 1 des Punkt 5.23 der Rechtlichen Vertragsbedingungen 10.111, sondern steht auch im Gegensatz zu den in Punkt 2.29.2 der ÖNorm B 2117 angestrebten raschen Abklärung der Zahlungsverpflichtung des Auftraggebers. Sie entspricht auch nicht dem Sinn und Zweck des Kollaudierungsverfahren selbst, dessen Durchführung allein vom Willen des Auftraggebers abhängt (Punkt 12.12 der Rechtlichen Vertragsbedingungen 10.111), in dessen interner Verwaltungsstruktur begründet ist und nichts an der bereits erfolgten Abwicklung des Bauvertrages gegenüber dem Auftragnehmer ändert. Die von der klagenden Partei angestrebte Auslegung steht insbesondere auch in unüberbrückbarem Widerspruch zum oben zitierten Punkt 4.5, 5. Absatz der Rechtlichen Vertragsbedingungen 10.111, der den Auftragnehmer ausnahmslos zum Vorbehalt der späteren Verrechnung von Forderungen, in der Schlussrechnung, soweit sie nicht schon in dieser geltend gemacht wurden, mit der Rechtsfolge der sonstigen Verwirkung verpflichtet.

Der vom Unternehmer ausgestellten Rechnung kommt in der Regel nur die

deklarative Bedeutung einer Beweisurkunde zu (3 Ob 537/90 = SZ 63/115

= JBl 1991, 192 = ecolex 1990, 676 mwN), die nicht den Irrtumsregeln

unterliegt. Der Verkäufer oder Werkunternehmer ist daher trotz der fehlerhaften Rechnung nicht gehindert, den vereinbarten Kaufpreis oder Werklohn zu begehren. Im vorliegenden Fall wurden aber die dargestellten abändernden Regelungen der ÖNorm B 2117 und der Rechtlichen Vertragsbedingungen 10.111 vereinbart. Sieht man dementsprechend in der vorbehaltlosen Rechnungslegung eine Willenserklärung der klagenden Partei im Sinne eines Verzichtes auf einen ihr zustehenden Werklohnanspruch (vgl 3 Ob 537/90), könnte ihr die Möglichkeit der Irrtumsanfechtung eingeräumt werden (8 Ob 522/78; Kropig, Schlusszahlung, Österreichische Bauzeitung 1995, Nr 29, 2 [3]).

Ein der klagenden Partei aus diesem Titel zuzubilligender Nachforderungsanspruch kommt hier aber schon deshalb nicht in Betracht, weil sie sich zwar auf "Irreführung" durch die beklagte Partei berufen hat, im Übrigen aber keinerlei Vorbringen zu den Voraussetzungen der Irrtumsanfechtung im Sinn des § 871 ABGB erstattet hat. Soweit die Behauptung der "Irreführung" als Behauptung der vorsätzlichen Irreführung im Sinn des § 870 ABGB oder auch nur als Veranlassung des Irrtums durch die Beklagte im Sinn des § 871 ABGB aufzufassen ist (vgl 4 Ob 524/85 = RdW 1986, 40), lassen die Aktengrundlagen für die Annahme eines solchen irrtumsbegründenden Verhaltens der beklagten Partei keinen Raum. Die klagende Partei hat nicht behaupten können, durch welche Erklärungen oder Handlungen sie von der beklagten Partei dazu veranlasst worden sein sollte, weniger als angeblich vereinbart in Rechnung zu stellen. Es erübrigt sich daher auch ein näheres Eingehen auf die Frage, ob Punkt 2.29.2 allenfalls dahin auszulegen ist, dass die Frist für die Irrtumsanfechtung auf sechs Wochen ab Erhalt der Zahlung verkürzt wird (in diesem Sinne 5 Ob 516/95).

Auf den weiteren Einwand der beklagten Partei, dass die klagende Partei zusätzliche Leistungen binnen 12 Monaten geltend zu machen gehabt hätte und dass allfällige Ansprüche auch deshalb gemäß Punkt

2.42 der Rechtlichen Vertragsbedingungen 10.111 verwirkt seien, ist nicht weiter einzugehen, weil ein restlicher Werklohnanspruch schon aus den dargelegten Gründen nicht besteht. Ob die dem strittigen Werklohn zugrunde liegenden Leistungen als "zusätzliche Leistungen" im Sinne der Definition des Punktes 2.41 der Rechtlichen Vertragsbedingungen 10.111 anzusehen sind und Abs 2 des Punktes 2.42 überhaupt zum Tragen kommt, wenn ohnehin bei Vereinbarung der Leistung ein bestimmter Preis oder Werklohn vereinbart wurde, ist daher nicht weiter zu prüfen.

Da die beklagte Partei keinen Verjährungseinwand, und zwar weder gemäß § 1486 Z 1 ABGB noch gemäß § 1487 ABGB, erhoben hat, konnte die Frage der Verjährung (Klageeinbringung mehr als drei Jahre nach Legung der Schlussrechnung) nicht aufgegriffen werden (§ 1501 ABGB).

Die klagende Partei hat bereits in ihrer Klage unmissverständlich eine Forderung der beklagten Partei aus ungerechtfertigter Überzahlung in Höhe von 375.387 S anerkannt. Der im Zuge des Verfahrens ebenfalls aus dem Titel der Überzahlung außer Streit gestellte Rückforderungsanspruch der beklagten Partei von 44.600 S ist nach den eigenen Revisionsausführungen der klagenden Partei nicht als (teilweiser) Widerruf der diesbezüglichen Klagebehauptungen zu verstehen, sondern geht (wie sich im Übrigen auch aus einem Vergleich der in der Außerstreitstellung angeführten Positionen mit jenen in der Verhandlungsschrift über die Kollaudierung Beilage 14 einerseits und mit jenen im Schreiben der klagenden Partei vom 28. 3. 1996 Beilage 8 andererseits ergibt) zumindest großteils darüber hinaus.

Die klagende Partei hat in der Klage zwar eine Aufrechnung des Betrages von 375.387 S mit ihren behaupteten Nachforderungsansprüchen betreffend den zu niedrig verrechneten Werklohn vorgenommen, doch war diese Aufrechnungserklärung unwirksam, weil insoweit der behauptete Anspruch der klagenden Partei, mit dem sie aufrechnen wollte, bereits im Zeitpunkt des Entstehens des Rückforderungsanspruches der beklagten Partei mangels Vorbehaltes in der Schlussrechnung verwirkt war. Die in der Klage vorgenommene Aufrechnungserklärung brachte die aus dem Titel des Rückforderunganspruches erhobene Gegenforderung der beklagten Partei nicht zum Erlöschen. Die beklagte Partei konnte diese Forderung wirksam dem (weiteren) Klageanspruch betreffend den Rückersatz des abberufenen Bankgarantiebetrages als Gegenforderung entgegenhalten.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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