OGH 5Ob516/95

OGH5Ob516/957.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** Ges.mb.H, ***** vertreten durch Dr.Michael Lackner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1.) Peter P*****, Architekt, 2.) Dr.Peter S*****, Rechtsanwalt, und 3.) Ing.Gerd S*****, Bauingenieur, ***** sämtliche vertreten durch Dr.Peter Keul und Dr.Alexander Burkowski, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 255.499,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 15.Dezember 1994, GZ 1 R 258/94-32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 14.September 1994, GZ 2 Cg 238/92h-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden. aufgehoben. Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind gleich weiteren Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

Die klagende Partei begehrte den Zuspruch des Klagsbetrages mit dem Vorbringen, die Beklagten hafteten als Gesellschafter der A***** (im folgenden kurz: ARGE genannt) einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zur ungeteilten Hand für den der klagenden Partei erteilten Auftrag. Im Rahmen dieses Auftrages habe die klagende Partei Leistungen im Ausmaß von S 5,107.998,-- erbracht. Hievon hätten die Beklagten zu Unrecht ein Pönale im Ausmaß von 5 % in der Höhe der Klagsforderung abgezogen. Zwischen den Streitteilen sei die Geltung der Ö-Norm A 2060 vereinbart worden, wonach im Falle einer Vertragsstrafe diese unter Anwendung des Mäßigungsrechtes gemäß § 1336 ABGB zu bemessen sei.

Die beklagten Parteien bestritten das Klagsvorbringen, beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und brachten vor, im Rahmen der Erfüllung des Auftrages sei es zu erheblichen, von der klagenden Partei zu vertretenden Verzögerungen gekommen. Demzufolge habe nach Überprüfung der Schlußrechnung der klagenden Partei die ARGE vereinbarungsgemäß eine Konventionalstrafe in der Höhe des Klagsbetrages abgezogen. Die klagende Partei habe die nach Abzug des Pönales geleistete Schlußzahlung angenommen, ohne diese in der nach der Ö-Norm A 2060 vorgesehenen Frist zu beanstanden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dabei ging es von folgenden Feststellungen aus:

Im Jahr 1989 erteilten die beklagten Parteien der klagenden Partei einen Auftrag zur Lieferung und Montage von Beleuchtungskörpern, wobei diesem Auftrag unter anderem die Ö-Norm A 2060 zugrundeliegt.

Punkt 2.13.2. derselben lautet wie folgt:

"Annahme der Zahlung, Vorbehalt

Die Annahme der Schlußzahlung aufgrund einer Schluß- oder Teilschlußrechnung schließt nachträgliche Forderungen für die vertragsgemäß erbrachten Leistungen aus, wenn nicht ein Vorbehalt in der Rechnung enthalten ist oder binnen 6 Wochen nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben wird. Der Vorbehalt ist schriftlich zu begründen."

Über den Auftrag legte die klagende Partei zwei Schlußrechnungen vom 21.5.1990. Wegen behaupteter Terminüberschreitung bezahlten die beklagten Parteien nicht den vollständigen Betrag, sondern einen um den Klagsbetrag verminderten, wobei sie in einem Schreiben (vom 28.5.1990) darauf hinwiesen, daß von beiden Rechnungen ein 5 %iges Skonto in Höhe des Klagsbetrages als Pönale abgezogen worden sei. Erst rund 1 Jahr nach Rechnungslegung bzw Zahlung wurden die beklagten Parteien von der klagenden Partei aufgefordert, den fehlenden Betrag zu zahlen.

Feststellungen über einen allfälligen Verzug der klagenden Partei bei Erbringung ihrer Leistungen sowie zu den Mäßigungskriterien (im Sinne des § 1336 ABGB) erachtete das Erstgericht aus rechtlichen Gründen als entbehrlich.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, die klagende Partei hätte binnen 6 Wochen nach Erhalt der Schlußzahlung einen schriftlichen Vorbehalt gegen den Abzug eines Pönales erheben müssen. Dies habe sie unterlassen, sodaß sie nunmehr nicht berechtigt sei, nachträglich die dem Klagebegehren zugrundeliegende Forderung geltend zu machen.

Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der klagenden Partei aus den Gründen den unrichtigen rechtlichen Beurteilung und wegen Vorliegen von Feststellungs- und Beweiswürdigungsmängel gab das Berufungsgericht nicht Folge. Ausgehend vom im einzelnen wiedergegebenen Wortlaut der Punkte 2.13.2 und 2.13.3. der genannten Ö-Norm nahm das Berufungsgericht zu der in der Berufung erhobenen Rechtsrüge, wonach das Erstgericht den Charakter der Norm, die in Ö-Norm A 2060 Abschnitt 2.13.2 formuliert sei, falsch beurteilt habe; die Auslegung des Erstgerichtes würde nämlich eine tatsächliche Verkürzung der Verjährungsfrist für den in der Schlußrechnung abgerechneten Betrag von drei Jahren auf 6 Wochen bedeuten; Sinn dieser Ö-Norm-Regel sei, daß mit der 6-wöchigen Urgenzfrist nur beabsichtigt sein sollte, zusätzliche Rechnungen, die zusätzlich zur Schlußrechnung vom Auftragnehmer zu legen wären, auszuschließen, wenn nicht in der Schlußrechnung oder binnen 6 Wochen nach Legung der Schlußrechnung ein schriftlicher Vorbehalt in dieser Richtung erfolgt; wie folgt Stellung:

Aus Punkt 2.13.2 der Ö-Norm A 2060 ergäbe sich klar und eindeutig, daß ein Vertragspartner (hier der Auftragnehmer) von einer nachträglichen Geltendmachung von Forderungen für vertragsgemäß erbrachte Leistungen ausgeschlossen werde, wenn er sich nicht in der Schlußrechnung die nachträgliche Geltendmachung von Forderungen schriftlich begründet vorbehalte. Dies gelte auch, wenn er sich nicht binnen 6 Wochen nach Erhalt der die Schlußrechnung betreffenden Zahlung die nachträgliche Geltendmachung von Forderungen schriftlich begründet vorbehalte. Sinn dieser Regelung und der 6 Wochenfristen sei, eine möglichst rasche Klarstellung des Sachverhaltes sowie allfälliger Ansprüche zu bewirken. Durch diese Regelung werde tatsächlich eine Verkürzung der Verjährung bewirkt, falls kein Vorbehalt abgegeben werde. Verjährung bedeute den Verlust einen durchsetzbaren Rechtes, wenn der Berechtigte es durch eine bestimmte Zeit hindurch nicht ausübe. Daß eben diese Wirkung Sinn und Zweck dieser Regelung sei, ergebe sich auch aus Punkt 2.13.2, der festhalte, daß Forderungen noch innerhalb der jeweiligen Verjährungsfrist geltend gemacht werden könnten, falls ein Vorbehalt gemäß Punkt 2.13.2 erhoben worden sei. Im vorliegenden Fall bedeute dies, daß nach 6 Wochen nach Erhalt des die Schlußrechnung betreffenden Betrages mangels eines Vorbehaltes sämtliche Nachforderungen ausgeschlossen seien. Es sei daher nicht mehr zu prüfen, ob ein Abzug des Pönale zu Recht erfolgt sei und falls ja, ob die Höhe gerechtfertigt gewesen sei. Mangels Berechtigung der Rechtsrüge erübrige sich ein Eingehen auf die weiteren Berufungsausführungen. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vorliege.

Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die (außerordentliche) Revision der klagenden Partei aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung der Vorinstanzen iS der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Revision sei wegen Fehlens einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Auslegung des strittigen Punktes der Ö-Norm A 2060 (2.13.2.) zulässig, zumal diese Norm vereinbarungsgemäß zahlreichen Verträgen zugrundegelegt werde, sodaß deren Auslegung über die Prozeßparteien hinaus bedeutsam sei.

Die beklagten Parteien beantragen in der ihnen freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist aus dem von der Revisionswerberin geltend gemachten Grund zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin vertritt mit Recht die Ansicht, daß zufolge der Bestimmung des bereits wiederholt genannten Punktes der Ö-Norm A 2060 die vorbehaltslose Annahme einer Teilzahlung auf Grund einer Schluß - oder Teilschlußrechnung die nachträgliche Geltendmachung eines durch die Teilzahlung (noch) nicht erledigten Teiles der Rechnung nicht ausschließt, sondern nur das Recht zur Geltendmachung von Forderungen auf Grund einer nachträglichen Hinzurechnung von Rechnungsbeträgen zum Schlußrechnungsbetrag.

Nach der genannten Bestimmung schließt die vorbehaltslose Annahme der Schlußzahlung "nachträgliche" Forderungen für vertragsmäßig erbrachte Leistungen aus. Unter Bedachtnahme auf die vom Berufungsgericht ergänzend festgehaltene Bestimmung des Punktes 2.13.3. derselben Ö-Norm, die "Nachforderungen" (bzw hier nicht relevante "Überzahlungen") betrifft, muß gesagt werden, daß Punkt 2.13.2 der Ö-Norm A 2060 nur den Leistungsumfang betrifft, sodaß ein allfälliger Irrtum über die Vollständigkeit des in Rechnung gestellten Leistungsumfanges nur innerhalb der Frist von 6 Wochen "rechtzeitig" (im Sinne des § 871 ABGB) aufgeklärt werden kann; hingegen wird die nachträgliche Geltendmachung eines Restbetrages aus dem Grunde der unvollständigen Zahlung einer Schluß- oder Teilschlußrechnung hinsichtlich des Differenzbetrages, nämlich der Minderzahlung durch diese Bestimmung nicht ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um eine "nachträgliche" Forderung, die noch nicht in dem Rechnungsbetrag enthalten war. Die Vermeidung von Beweisschwierigkeiten durch eine rasche Klarstellung des Sachverhaltes ist nur hinsichtlich des Umfanges von vertragsgemäß erbrachten Leistungen sinnvoll; vergleichbare Beweisschwierigkeiten über das Ausmaß einer Minderzahlung, die innerhalb der Frist von 6 Wochen geklärt werden müßte, sind hingegen nicht zu befürchten, weil das Ausmaß der Minderzahlung sich ohne jede Beweisschwierigkeit durch eine einfache Rechnung (Subtraktion) ermitteln läßt.

Die Bestimmung des Punktes 2.13.2 der Ö-Norm A 2060 ist somit als eine Einschränkung der Frist zur allfälligen Geltendmachung eines Irrtums hinsichtlich der Vollständigkeit einer Schluß- oder Teilschlußrechnung zu verstehen, wodurch eine nachträgliche Rechnungslegung ausgeschlossen wird, nicht aber als Einschränkung der allgemeinen Verjährung für die Geltendmachung von in der Schluß- bzw Teilschlußrechnung enthaltenden jedoch noch nicht (gänzlich) abgedeckten Rechnungsposten.

Da somit an den unterbliebenen Vorbehalt der klagenden Partei, die Zahlung sei unvollständig erfolgt, nicht der Ausschluß der Forderung des Differenzbetrages zu knüpfen ist (und die am 1.10.1992 überreichte Klage noch innerhalb der 3-jährigen Verjährungsfrist bei Gericht angebracht wurde), bedarf es der vom Erstgericht unterlassenen Feststellungen, zur Beurteilung der Frage, ob die beklagten Parteien der klagenden Partei aus dem Grunde der verspäteten Leistungserbringung zu Recht ein Pönale vom Rechnungsbetrag abziehen durften. Insoweit erweist sich das Verfahren als ergänzungsbedürftig und die Revision im Sinne ihres Aufhebungsantrages berechtigt.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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