OGH 3Ob120/00v

OGH3Ob120/00v20.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ferdinand D*****, vertreten durch Dr. Michael Zsizsik, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei Maria S*****, vertreten durch Dr. Gerhard Folk und Dr. Gert Folk, Rechtsanwälte in Kapfenberg, wegen Unterlassung und Feststellung, über die Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 16. Februar 2000, GZ 2 R 128/99g-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 3. Mai 1999, GZ 6 Cg 19/98k-26, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die Kosten der Revisionsbeantwortungen werden gegenseitig aufgehoben.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Vorauszuschicken ist, dass der Bewertungsausspruch des Berufungsgerichtes, wie sich aus dessen Begründung ergibt, eindeutig so zu verstehen ist, dass die Entscheidung sowohl über das Feststellungs-, als auch über das Unterlassungsbegehren jeweils S 52.000,-- übersteigt. Es erübrigen sich somit Überlegungen, ob die Entscheidungsgegenstände beider Klagebegehren im Sinn des § 500 Abs 3 ZPO iVm § 55 JN zusammenzurechnen wären. Die Revisionen sind demnach nicht jedenfalls unzulässig nach § 502 Abs 2 ZPO.

Die Parteien machen jedoch in ihren Revisionsbeantwortungen (jedenfalls im Ergebnis) zu Recht geltend, dass in Wahrheit die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revisionen nach § 502 Abs 1 ZPO nicht vorliegen.

Nach den für die vorliegende Entscheidung wesentlichen Feststellungen ist der Kläger Alleineigentümer einer Liegenschaft mit einem bäuerlichen Anwesen, zu welcher auch der streitgegenständliche Weg (Grundstück Nr 260/1) gehört. Dagegen ist die Beklagte Alleineigentümerin eines weiteren bäuerlichen Anwesens, dessen Grundstücke an zwei Landwirte verpachtet sind. Das letztgenannte Anwesen ist vom Ortskern über zwei verschiedene etwa gleich lange Anfahrtswege zu erreichen, von denen der über das Grundstück des Klägers führende zur Gänze asphaltiert ist. Diesen Weg benützten die früheren Pächter des Anwesens der Beklagten teilweise für notwendige Fahrten in die Ortschaft und täglich für die Milchlieferung zur Sammelstelle im Zentrum des Ortes. Dies geschah zunächst lange Zeit mit einem Pferdefuhrwerk, ab Beginn der 70er Jahre dann mit dem damals angeschafften Traktor. Der Grund hiefür lag auch darin, dass es sich um einen Privatweg handelte und der frühere Pächter keinen Führerschein hatte und deswegen nur über einen Privatweg zügiger fahren durfte.

Der Kläger hatte mit seiner Klage die Feststellung begehrt, dass zugunsten der im Eigentum der Beklagten stehenden Liegenschaft keine Dienstbarkeit des Fahrens an seiner Liegenschaft bestehe. Weiters begehrte er die Unterlassung des Befahrens und Befahrenlassen seiner Liegenschaft durch die Beklagte.

Mit dem angefochtenen Urteil änderte das Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichts derart ab, dass es die behauptete Dienstbarkeit des Fahrens nur in jenem Umfang feststellte, als es zum Zwecke der Milchlieferung vom Anwesen der Beklagten aus nach O***** und zur Ab- und Zufahrt der an diesem Anwesen wohnenden Personen nötig sei; eine darüber hinaus gehende Dienstbarkeit bestehe nicht. Demgemäß erkannte es die Beklagte schuldig, das Befahren und Befahrenlassen der Liegenschaft des Klägers in einem Umfang zu unterlassen, der über die angeführte Dienstbarkeit hinausgeht. Das Mehrbegehren wies es ab.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, und begründete dies damit, dass die Behandlung der Frage, ob eine Änderung der Bewirtschaftungsart landwirtschaftlicher Grundstücke durch eine Verlegung der Hofstelle, wodurch Wirtschaftsfuhren nunmehr "von außen" über einen Servitutsweg durchgeführt werden, der zuvor nur dem Verkehr von der Hofstelle mit "außen", nicht aber den schweren Wirtschaftsfuhren gedient habe, eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit darstelle, in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung nicht ersichtlich sei, aber für ähnliche Fälle relevant wäre.

Wie die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung richtig darlegt, kann sich diese Rechtsfrage aber nach dem Inhalt des Berufungsurteils lediglich auf seinen klagsstattgebenden Teil beziehen. Ungeachtet der Formulierung hat dieses nämlich damit der negativen Feststellungsklage des Klägers über den in Punkt 1. dargelegten Umfang der von der Beklagten behaupteten Dienstbarkeit des Fahrens hinaus stattgegeben, folglich auch dem Unterlassungsbegehren im selben Umfang.

Die Revision des Klägers könnte daher nur dann für zulässig erachtet werden, wenn diese eine andere Rechtsfrage der im § 502 Abs 1 ZPO umschriebenen Qualität geltend machen könnte. Der Kläger setzt sich jedoch mit diesem Problem in seiner Revision nicht weiter auseinander, sondern strebt nach wie vor die Qualifikation der nach den Urteilen der Vorinstanzen von der Beklagten ersessenen Dienstbarkeit des Fahrens als Personaldienstbarkeit statt als Feldservitut an. Darüber hinaus vertritt er weiter den Standpunkt, die Servitutsausübung (lediglich zum Zwecke der Milchlieferung) sei zwecklos geworden, zumal die Milchwirtschaft zur Zeit keinesfalls betrieben werde.

Beim Fahrtrecht handelt es sich seiner Natur nach um eine Feldservitut (§ 477 Z 1 ABGB). Demgemäß oblag es dem dies bestreitenden Kläger, das Vorliegen einer bloßen Personalservitut für die seinerzeitigen Pächter des Anwesens der Beklagten zu beweisen (§ 479 Satz 2 ABGB). Der Belastete muss demnach beweisen, dass die Einräumung oder Ersitzung einer dem Normaltyp der Grunddienstbarkeit entsprechenden Servitut bloß eine bestimmte Person begünstigt und persönliche Vorteile bezweckt wurden (SZ 31/112; SZ 50/53; 7 Ob 569/76; RZ 1992/82 uam; aus der L Hofmann in Rummel3 Rz 2 zu § 479 ABGB). Ob dem Belasteten dieser Beweis gelingt, ist stets eine Frage der Umstände des Einzelfalls. Im vorliegenden hat das Berufungsgericht den Beweis nicht als erbracht angesehen. Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung ist dabei nicht erkennbar. Auch zur Frage der Ersitzung selbst wird in der Revision des Klägers keine erhebliche Rechtsfrage dargestellt. Nichts anderes gilt auch für die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit des Wegerechtes der Beklagten. Daran ist nach der Rechtsprechung (Nachweise bei Hofmann in Rummel3 Rz 2 zu § 473) kein strenger Maßstab anzulegen; die Erhöhung der Bequemlichkeit der Benützung des herstellenden Guts oder dessen vorteilhaftere Benutzung genügt. Nur bei völliger Zwecklosigkeit ist der Fortbestand der Dienstbarkeit zu verneinen (SZ 66/53 = EvBl 1993/175). Auch ob ein Weg durch einen anderen vollwertig ersetzt wird und deshalb die Zwecklosigkeit zu bejahen ist, stellt immer eine Frage des Einzelfalles und regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 2 ZPO dar (4 Ob 78/00z). Abgesehen davon vernachlässigt der Kläger die Feststellungen über den unterschiedlichen Zustand der beiden vorhandenen Wege.

Aber auch, was die Revision der Beklagten betrifft, sind erhebliche Rechtsfragen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beantworten. Schon der sehr spezifisch festgestellte Sachverhalt und die nicht weniger detailliert auf den Einzelfall bezogene Fragestellung des Berufungsgerichtes schließt das Vorliegen einer solchen Frage, deren Bedeutung ja über den Einzelfall hinausgehen müsste (vgl Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 3 zu § 502), aus. Dass gegenüber dem Befahren mit Traktoren (nach den Feststellungen war von Anhängern nicht die Rede) das Fahren mit schweren Wirtschaftsfuhren (also offenbar Traktoren mit Anhänger) eine Erweiterung der Servitut im Sinn des § 484 ABGB bedeutet, welche nach dieser Gesetzesstelle verboten ist, stellt keine aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. Der Inhalt der ersessenen Dienstbarkeit bestimmt sich nach dem Zweck, zu dem das belastete Grundstück am Beginn der Ersitzungszeit verwendet wurde, sofern der Verwendungszweck nicht im Verlauf der Ersitzungszeit eingeschränkt wurde (1 Ob 551/93; SZ 69/135 = NZ 1997, 326; 1 Ob 295/98h = MietSlg 51.031). Nach den Feststellungen erfolgten (während der gesamten Ersitzungszeit) Gülle- und Heufuhren seitens der seinerzeitigen Pächter des Anwesens der Beklagten stets ohne Benützung des strittigen Wegstückes. Sonstige Transportfahrten über dieses, sieht man von den täglichen Fahrten zwecks Milchlieferung zur Sammelstelle ab, wurden nicht festgestellt. Demnach entspricht die Entscheidung des Berufungsgerichtes durchaus der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

Auch in der Revision der Beklagten werden keine erheblichen Rechtsfragen aufgezeigt. Insbesondere vermag diese einer Abweichung des Berufungsgericht von höchstgerichtlicher (ständiger) Judikatur nicht aufzuzeigen. Zwar entscheidet nach der in der Revision angeführten Entscheidung 5 Ob 754, 755/78 = MietSlg 31.044 bei einer ungemessenen Wegedienstbarkeit das jeweilige Bedürfnis des herrschenden Gutes über das Ausmaß der Dienstbarkeit, dies allerdings nur in den Grenzen des ursprünglichen Bestandes und der ursprünglichen Bewirtschaftungsart des herrschenden Gutes. Demnach wurde in dieser Entscheidung ausgesprochen, dass in der Ersetzung von Pferdefuhrwerken durch Kraftfahrzeuge keine ausschlaggebende, unzumutbare Mehrbelastung des dienenden Gutes eintrete. Nach den Feststellungen liegt hier aber keine ungemessene Dienstbarkeit im Hinblick auf Wirtschaftsfuhren vor, steht doch insofern ausschließlich die Verwendung des Weges zur Milchlieferung fest. Überdies ist die nunmehrige Verwendung des Servitutsweges zur Durchführung von Gülle- und Heufuhren nicht durch die technische Entwicklung bedingt, sondern durch einen Wechsel in der Person des Pächters verbunden mit der Aufgabe der ursprünglichen Hofstelle. Auch die weitere Entscheidung 7 Ob 707/89 = JBl 1990, 584 betrifft einen völlig anders gelagerten Fall, nämlich den einer offenkundigen Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes zum Zweck der Führung eines Kindergartens und einer Werkskantine sowie der Abhaltung von Gottesdiensten auf dem herrschenden Grundstück. Auch in dieser Entscheidung wird klargestellt, dass (bei gleich gebliebener Kulturgattung) die besonderen Umstände darüber entscheiden, ob eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit im Sinn des § 484 ABGB vorliegt. In dieser Entscheidung wird zum Ausdruck gebracht, dass die Eigentümer des dienenden Grundstücks die Vermehrung von Zufahrten von Besuchern mit Personenkraftwagen dulden müssen, weil dies dem allgemeinen Trend der Motorisierung entspreche. Die daraus resultierende Mehrbelastung im Einzelfall wurde nicht als unzulässige Ausweitung einer "ungemessenen" Dienstbarkeit angesehen. Im Gegensatz dazu ist im vorliegenden Fall der Inhalt der ersessenen Dienstbarkeit, was Wirtschaftsfuhren angeht, eindeutig bestimmt, weshalb insofern keine "ungemessene" Dienstbarkeit vorliegt. Eine derartige Qualifikation wäre nur teilweise angebracht, was die allgemeine Benützung zur Zufahrt und Abfahrt dem Anwesen der Beklagten betrifft. Insoweit wurde aber sowohl die negative Feststellungsklage als auch die Unterlassungsklage ohnehin abgewiesen.

Feststellungen, dass über dem Servitutsweg auch Fahrten zur Beschaffung von Betriebsmitteln etc durchgeführt worden wären, wurden von den Tatsacheninstanzen nicht getroffen.

Somit waren beide Revisionen mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 43 Abs 1 ZPO.

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