OGH 6Ob293/00g

OGH6Ob293/00g14.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Otto Kern und Dr. Wulf Kern, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Wasilios S*****, Hauseigentümer, ***** vertreten durch Dr. Robert Fluck, Rechtsanwalt in Wien, wegen Vertragszuhaltung (Unterbindung von Störungen durch Dritte), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 18. August 1998, GZ 39 R 291/98b-14, womit über die Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 19. März 1998, GZ 10 C 1220/97t-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 7.103,04 S (darin 1.183,84 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 11.491 S (darin 6.620 S Barauslagen und 811,80 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Mieterin eines in einem dreistöckigen Haus befindlichen Gassenlokals, in dem sie ein Cafe-Restaurant betreibt. Mitgemietet ist ein vor dem Lokal befindlicher Schanigarten, der mit einer Markise überdacht ist. An der Markise wurden durch brennende Zigarettenstummel Brandlöcher verursacht.

Die Klägerin begehrt vom beklagten Vermieter, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die Markise durch von darüberliegenden Wohnungen herabgeworfene brennende Zigarettenstummel nicht beschädigt wird und solcherart der ordnungsgemäße Gebrauch des Mietobjektes gewährleistet ist. Die Brandlöcher an der Markise seien durch das Herabwerfen von brennenden Zigarettenstummeln aus den darüberliegenden Wohnungen verursacht worden. Die beschädigte Markise erwecke einen verwahrlosten, geschäftsstörenden Eindruck. Der Vermieter sei verpflichtet, die Mieterin gegen Störungen durch Dritte, insbesondere durch die im selben Haus wohnenden Mieter zu schützen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, dass der Schaden weder von ihm noch von den Mietern des Hauses verursacht worden sei. Das Urteilsbegehren sei auch nicht exequierbar.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, dass die die Brandlöcher verursachenden Zigarettenstummel von über der Markise liegenden Wohnungsfenstern herabgeworfen worden seien. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass der Vermieter nach § 1096 ABGB den brauchbaren Zustand des Bestandgegenstandes zu erhalten und dafür zu sorgen habe, dass der bedungene Gebrauch nicht durch Dritte beeinträchtigt werde. Der Vermieter habe entsprechende Maßnahmen zu ergreifen und nötigenfalls den störenden Mieter zu kündigen. Das Klagebegehren sei ausreichend bestimmt. Es müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger allein um dem Vermieter die Auswahl seiner Maßnahmen zur Abstellung der Eingriffe zu ermöglichen sinnvollerweise das Begehren nicht allzu konkret fassen könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Nach ständiger Rechtsprechung ergebe sich aus § 1096 Abs 1 ABGB die Pflicht des Bestandgebers, seinen Vertragspartner gegen Störungen durch Dritte zu schützen. Die Schutzpflicht bestehe nur bei solchen Störungen, die den Mieter im bedungenen Gebrauch des Bestandgegenstandes wesentlich beeinträchtigten. Wenn ein Mieter den Vermieter auffordere, ihm den bedungenen Gebrauch zu verschaffen, so müsse er die behauptete Störungshandlung so weit konkretisieren, dass es dem Vermieter möglich werde, eine wirksame Abhilfe zu verschaffen. Wer im vorliegenden Fall die Störungshandlung konkret gesetzt habe, sei vom klagenden Mieter nicht behauptet worden. Der Vermieter könne nicht gegen einen bestimmten Mieter konkret vorgehen. Eine Kündigung aller in Betracht kommender Mieter dreier Stockwerke käme nicht in Frage. Die Verpflichtung des Vermieters würde überdehnt werden, wenn man von ihm eine Überwachung des Hauses zur Feststellung des Störers verlange. Mangels ausreichender Konkretisierung der Störung und mangels einer wesentlichen Beeinträchtigung der Mieterin sei das Klagebegehren abzuweisen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungegegenstandes 52.000 S, nicht aber 260.000 S übersteige und dass die Revision nicht zulässig sei. Über Antrag der klagenden Partei änderte es diesen Zulässigkeitsausspruch dahin ab, dass die ordentliche Revision für zulässig erklärt wurde.

Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin die Abänderung dahin, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde.

Der Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig. Den Rechtsfragen, ob ein in seinem Gebrauch des Mietobjektes durch Dritte gestörter Mieter den Vermieter schon vor der Identifizierung des Störers gemäß § 1096 ABGB auf Verschaffung der ordnungsgemäßen Gebrauchsmöglichkeit klagen kann und wie das Klagebegehren zu lauten hat, kommt erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu. Die Revision ist auch berechtigt.

Aus der im § 1096 Abs 1 ABGB normierten Verpflichtung des Vermieters, das Mietobjekt in brauchbarem Zustand zu erhalten, ergibt sich seine Schutzpflicht, den Mieter gegen Störungen Dritter zu schützen (SZ 63/220 uva; Würth in Rummel ABGB2 Rz 9 zu § 1096; Binder in Schwimann ABGB2 Rz 47 zu § 1096; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 Rz 9 zu § 1096 ABGB), insbesondere auch gegen Störungshandlungen von Mitmietern

(3 Ob 2413/96s mwN = MietSlg 48.121 = immolex 1997/57 = RdW 1997, 525

= RdU 1997, 90 [Wagner]). Der Schutzanspruch besteht nur bei einer

wesentlichen Beeinträchtigung des Gebrauchs des Mietobjekts (MietSlg 35.170; SZ 63/220). Eine solche Beeinträchtigung liegt bei den behaupteten Sachschäden an der Markise aber im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichtes vor.

Die Wahl der Mittel, um dem Mieter den ordnungsgemäßen Gebrauch des Bestandobjektes zu erhalten, muss grundsätzlich dem Vermieter überlassen bleiben (MietSlg 48.121, 36.134, 35.170 uva; Binder aaO Rz 48; Würth aaO). Seit der Entscheidung des verstärkten Senates SZ 62/204 kann der Mieter zwar direkt gegen den Störer vorgehen. Deswegen verliert er aber noch nicht seinen Anspruch gegen den Vermieter. Dieser kann den Mieter nicht darauf verweisen, dass ihm die Klage gegen den Störer offensteht (MietSlg 48.121). Schon aus der Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 1096 ABGB ist abzuleiten, dass es Sache des Vermieters ist, einen noch unbekannten Störer zu identifizieren, weil die Ausforschung der erste Schritt ist, um Störungen - mit welchen Mitteln immer - zu unterbinden. Wie der Vermieter die Ausforschung vornimmt, fällt genauso in seine Sphäre, wie seine grundsätzliche Verpflichtung, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den ordnungsgemäßen Gebrauch des Mietobjektes sicherzustellen. Die Grenzen der Schutzpflicht können sich nur aus Erwägungen zur Zumutbarkeit ergeben (vgl MietSlg 35.171). Es steht keineswegs fest, dass der Vermieter mit unverhältnismäßig hohen Kosten den noch unbekannten Störer auszuforschen hätte. Es ist eine Fülle von weniger kostenintensiven aber dennoch zielführenden Schritten denkbar. Die Verschaffungs- und Bewahrungspflicht des Vermieters verlangt Abhilfemaßnahmen schon dann, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Beseitigung der Mietrechtsbeeinträchtigung erzielbar erscheint (JBl 1991, 46). Dies kann auch dann der Fall sein, wenn ein konkreter Störer nicht bekannt ist. Wenn die Schäden an der Markise durch Mitmieter des Hauses verursacht wurden, sind zielführende Maßnahmen denkbar, wie beispielsweise eine persönliche Befragung und Belehrung aller nach der Örtlichkeit für das Herabwerfen brennender Zigarettenstummel in Frage kommender Mieter, eine Aufforderung zur Unterlassung schadensstiftender Handlungen, eine Information aller Mieter über den schon eingetretenen Schaden und die Androhung von Überwachungsmaßnahmen und schließlich auch die Durchführung von Ausforschungsmaßnahmen. Das Ergreifen derartiger Schritte ist dem Vermieter jedenfalls zumutbar. Seine Schutzpflicht wird schon durch die Störung des Mieters ausgelöst und setzt - entgegen der nicht zu teilenden Rechtsansicht des Berufungsgerichtes - nicht voraus, dass der Mieter selbst die Ausforschung des Störers betreibt und einen solchen ermittelt. Die Erhaltungspflicht des Vermieters im dargelegten Sinn bedeutet keine Erfolgshaftung für Delikte Dritter. Sie findet ihre Grenze in der Zumutbarkeit der Abhilfemaßnahmen. Eine geradezu unmögliche Abwehr von Vandalismusschäden könnte einem Vermieter nicht zur Last fallen.

Davon kann aber bei der Schaffung des von der Klägerin angestrebten Titels noch keine Rede sein. Dieser entspricht dem Bestimmtheitsgebot des § 226 ZPO. Wenn dem Vermieter nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung die Wahl der Mittel überlassen bleibt, wie er seine Schutzpflichten erfüllt, ist das auf die Ergreifung geeigneter Maßnahmen gerichtete Klagebegehren jedenfalls dann ausreichend bestimmt, wenn der Erfolg der vom Beklagten zu setzenden Maßnahmen ausreichend genau beschrieben wird. Die Revisionswerberin verweist zu diesem Thema zutreffend auf die Begründung der schon zitierten und mehrfach veröffentlichten Entscheidung 3 Ob 2413/96s. Dort verlangte ein Mieter geeignete Maßnahmen gegen eine Lärmbelästigung. Der 3. Senat erachtete das Begehren als genügend bestimmt, weil der angestrebte Erfolg der Maßnahmen mit der Angabe einer Maximallautstärke fixiert worden war. Dieser Ansicht ist zu folgen, weil anders dem Grundsatz nicht entsprochen werden könnte, dass dem Vermieter die Wahl der Abhilfemittel frei zu bleiben hat.

Die grundsätzlich zu bejahende Schutzpflicht des Vermieters setzt voraus, dass ein Eingriff in das Bestandrecht des Mieters droht. Bei einer Unterlassungsklage gegen den Störer hätte die Klägerin die Wiederholungsgefahr zu beweisen, bei einem Schadenersatzbegehren die kausale Schadenszufügung. Die Klägerin begehrt hier Abhilfe gegen die Beeinträchtigung durch Mitmieter (oder durch in deren Sphäre fallende Mitbenützer), sucht sie doch Schutz gegen das Herabwerfen brennender Zigarettenstummel auf die Markise. Die Mieterin hat die Beeinträchtigung ihres Bestandrechtes zu beweisen. Aus einem schon erfolgten Eingriff in das Mietrecht kann auf künftige Beeinträchtigungen geschlossen werden. Nach den zum sogenannten prima facie-Beweis entwickelten Grundsätzen ist dieser Beweis der Klägerin auch gelungen, weil die unbestritten vorhandenen Brandlöcher an der Markise durch eine Einwirkung von oben herbeigeführt wurden. Der Beklagte hat zwar bestritten, dass der Schaden von ihm oder von Mietern des Hauses verursacht worden sei und die für ihn nachteilige Feststellung des Erstgerichtes in seiner Berufung bekämpft. Mit der Beweisrüge strebte er aber nur eine Negativfeststellung an und führte erst im Berufungsverfahren ins Treffen, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass die Zigarettenstummel von Gästen der Klägerin stammten. Der Beklagte hat allerdings im Verfahren erster Instanz die Behauptung der Klägerin, dass die Löcher der Markise von "herabgefallenen Zigarettenstummeln" verursacht wurden, dadurch außer Streit gestellt, dass er zur Vermeidung des von der Klägerin beantragten Sachverständigenbeweises ausdrücklich erklärte, nicht zu bestreiten, "dass Brandlöcher auf der Markise vorhanden" und von Zigarettenstummeln verursacht worden waren, und dass er "lediglich die Haftbarkeit der beklagten Partei" bestreite. Damit wurde aber der von der Klägerin behauptete entscheidungswesentliche Sachverhalt des Herabwerfens von Zigarettenstummel auf die Markise als richtig zugestanden (§ 267 Abs 1 ZPO), sodass die Nichterledigung der Beweisrüge durch das Berufungsgericht an der schon eingetretenen Spruchreife der Sache nichts zu ändern vermochte. Dieses Ergebnis hat seine weitere Begründung auch darin, dass der Beklagte dem geradezu als typisch anzusehenden Geschehensablauf (Verursachung des Schadens durch herabfallende Zigarettenstummel) keine ernsthafte Möglichkeit eines anderen, atypischen Geschehensablaufs entgegensetzte (zur Widerlegung des Anscheinsbeweises Rechberger in Rechberger ZPO2 Rz 22 vor § 266 mwN). Dies hat er im Verfahren erster Instanz überhaupt nicht und im Berufungsverfahren nur mit unzulässiger Neuerung über Vandalenakte der Gäste der Klägerin getan.

Auf der Basis des festgestellten und zugestandenen Sachverhalts ist dem Klagebegehren aus den dargelegten rechtlichen Erwägungen stattzugeben.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten erster Instanz beruht auf § 41 ZPO, über die Kosten beider Rechtsmittelverfahren auch auf § 50 ZPO.

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