OGH 6Ob254/00x

OGH6Ob254/00x23.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 13. August 1999 verstorbenen Johannes T*****, wegen Bestimmung eines Anerben, über die Revisionsrekurse der Antragsteller 1. Johann T***** Kfz-Mechaniker, ***** vertreten durch Dr. Helmut Trattnig, Rechtsanwalt in Ferlach, 2. Oswald T***** Beamter, ***** vertreten durch Dr. Edmund Thurn, Rechtsanwalt in Murau, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 21. August 2000, GZ 3 R 37/00y-41, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Murau vom 17. Jänner 2000, GZ 3 A 127/99y-28, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Den Revisionsrekursen wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Der Zweitrevisionsrekurswerber hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Verstorbene hinterließ neben seiner Gattin fünf Kinder, nämlich Johann T*****, geboren 1948, Anna T*****, geboren 1949, Oswald T*****, geboren 1950, Elisabeth V*****, geboren 1951 und Manfred T*****, geboren 1954. Sie alle gaben unbedingte Erbserklärungen ab. Der Erblasser war Alleineigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes in K*****, bestehend aus den Betriebsteilen A***** und W*****. Die Erbhofeigenschaft wird von keinem der am Verlassenschaftsverfahren Beteiligten in Frage gestellt. Im Jahr 1979 hatte der Erblasser ein von seiner Gattin verfasstes Testament unterfertigt, in dem er seine Tochter Anna als Erbin einsetzte. Mangels Beiziehung von drei Testamentszeugen erlangte die fremdhändig geschriebene Verfügung keine Rechtswirksamkeit.

Im Hinblick auf die Erbhofeigenschaft des in den Nachlass fallenden landwirtschaftlichen Betriebes stellten zunächst sowohl die erblasserische Tochter Anna als auch der erblasserische Sohn Johann den Antrag, zum Anerben bestellt zu werden.

Das Erstgericht bestellte die 1949 geborene Tochter zur Anerbin. Es stellte noch fest, die Mutter des Erblassers sei 1952 vom Hof in ein im Besitzteil W***** gelegenes Wohnobjekt übersiedelt, welches der Erblasser seinem Bruder übergeben habe. Grund für die Übersiedlung seien die beengten Wohnverhältnisse am Hof des Erblassers gewesen. Aus diesem Grund hätten sich die Eltern der Antragsteller auch entschlossen, den 1948 geborenen ältesten Sohn Johann mit der Großmutter mitgehen zu lassen. Johann sei in der Folge bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres in Pflege und Obhut der Großmutter verblieben. Er habe sie bei Besuchen auf dem Hof der Eltern begleitet und sei bei saisonbedingt erhöhtem Arbeitsbedarf so wie die anderen Kinder zur Mithilfe am Hof herangezogen worden. In die täglich anfallenden landwirtschaftlichen Tätigkeiten sei Johann nicht integriert gewesen. Die Eltern hätten ihn nicht zur Landwirtschaft erzogen. Er habe die Sommerferien wiederholt auf einer Alm verbracht, wo die Großmutter als Sennerin tätig gewesen sei. Im Alter von 14 Jahren sei er auf den elterlichen Hof zurückgekehrt und habe in den darauffolgenden beiden Jahren die landwirtschaftliche Fachschule besucht und in dieser Zeit - wie auch die anderen Kinder - gelegentlich zu Hause mitgeholfen. Mit 16 Jahren habe er eine Lehre als Landmaschinenmechaniker begonnen und sei während der Lehrzeit zumeist am Wochenende nach Hause gekommen. Wenn er zu Hause gewesen sei, sei er in der Erntezeit zur Mitarbeit herangezogen worden. Nach Lehrabschluss und Ableistung des Präsenzdienstes sei Johann in Deutschland als Mechaniker tätig gewesen. Er habe 1974 gegenüber dem Elternhaus ein Zweifamilienhaus errichtet, wo er mit seiner Familie lebe. Seit 1987 arbeite er als Werkstellenleiter einer Firma in Neumarkt am Wallersee und sei an den Wochenenden zu Hause. Die erblasserische Tochter Anna sei als älteste der am Hof verbliebenen Kinder dort aufgewachsen und von den Eltern von Kind auf gezielt zur Landwirtschaft erzogen worden, sie sei als Nachfolgerin vorgesehen gewesen. Sie sei in der Viehhaltung, der Arbeit am Feld und Acker sowie im Grünlandbereich und allen Forstteilen praktisch unterwiesen worden. Der Vater habe sie auch beim Besuch des Tierarztes am Hof und bei der Anschaffung von Traktoren beigezogen. 1964 und 1965 habe sie die bäuerliche Berufsschule besucht und sei auch danach am elterlichen Hof aufgewachsen. Gemeinsam mit den Eltern habe sie hauptsächlich die tägliche Arbeit am Hof verrichtet, wobei auch die jüngere Schwester Elisabeth geholfen habe. Der Erblasser habe sich gegenüber seinen Kindern in der Frage der Nachfolge bedeckt gehalten. Lediglich gegenüber seiner Tochter Anna und außenstehender Personen habe er mehrfach zu erkennen gegeben, dass er Anna als Nachfolgerin vorsehe, weil sie alles könne und ständig mithelfe. Er habe seine drei Söhne einen Beruf erlernen lassen, damit sie daraus ihr Fortkommen hätten. Auch für die Nachbarschaft sei während der gesamten Jugendzeit der Kinder Johann und Anna in erster Linie Anna durch ihre Mitarbeit am Hof in Erscheinung getreten.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, die Tochter Anna erfülle beide Voraussetzungen des § 3 Abs 1 Z 1 AnerbenG, sie sei zur Landwirtschaft erzogen worden und auf dem Erbhof aufgewachsen. Dies treffe auf den Sohn Johann nicht zu.

Nach der erstgerichtlichen Beschlussfassung beantragte auch der 1950 geborene Sohn Oswald, ihn zum Anerben zu bestellen. Er hätte neben einer beruflichen Ausbildung eine landwirtschaftliche Fachschule besucht.

Das Rekursgericht gab den Rekursen der Söhne Johann und Oswald nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und führte in rechtlicher Hinsicht aus, unter der im Gesetz verlangten Erziehung zur Land- und Forstwirtschaft verstehe die bisherige Lehre und Rechtsprechung jede Ausbildung, die die für die Führung eines solchen Betriebes erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittle, wobei es unerheblich sei, ob die Ausbildung auf dem Hof oder zB in einer Fachschule erfolge. Wollte man nur das Kriterium der Ausbildung (zB in einer Fachschule) abstellen, wären sowohl Anna als auch Johann schon deshalb zur Land- oder Forstwirtschaft erzogen worden, weil sie eine derartige Schule besucht hätten. Nach Auffassung des Rekursgerichtes könne unter Erziehung zu etwas Bestimmtem auch durchaus mehr verstanden werden, so könnten beispielsweise die (subjektiven) Vorstellungen bzw Ziele, die der Erziehungsberechtigte mit seiner Erziehung verbinde, Berücksichtigung finden. Im vorliegenden Fall stehe fest, dass die Tochter Anna deshalb von Kind auf gezielt zur Landwirtschaft erzogen worden sei, weil der Erblasser sie als Nachfolgerin vorgesehen habe. Komme es aber bei Beurteilung der Frage, welcher Nachkomme zur Land- und Forstwirtschaft erzogen worden sei, nicht allein auf die Ausbildung selbst, sondern auch auf die mit der Erziehung verbundenen Vorstellungen des Erziehungsberechtigten an, treffe diese Voraussetzung nur auf die Tochter Anna zu. Dauer und Häufigkeit der Aufenthalte von Johann auf dem elterlichen Anwesen im Hinblick darauf, ob er als auf dem Hof aufgewachsen anzusehen sei, seien somit nicht mehr relevant.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 3 Abs 1 Z 1 AnerbenG der vorliegende Fall auch eine andere rechtliche Beurteilung erfahren könnte.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse der Söhne Johann und Oswald sind zulässig und berechtigt.

Nach den Auswahlkriterien des § 3 Abs 1 Z 1 und 2 AnerbenG sind zunächst jene Nachkommen des Erblassers zu Anerben berufen, die zur Land- und Forstwirtschaft erzogen werden oder wurden. Trifft diese Voraussetzung für mehrere Nachkommen zu, wird derjenige bevorzugt, der auf dem Erbhof aufwächst oder aufgewachsen ist. Miterben, auf die diese Voraussetzungen zutreffen, scheiden jedoch dann als Anerben aus, wenn sie anderweitig versorgt sind und in derselben Linie Nachkommen vorhanden sind, für die das nicht zutrifft (§ 3 Abs 1 Z 3 leg cit). Bleiben nach der in § 3 Abs 1 AnerbenG vorgenommenen Auslese noch mehrere gleichnahe Miterben übrig, die als Anerben in Betracht kommen, gilt (mangels eines anderslautenden örtlichen Brauches) Ältestenrecht (§ 3 Abs 2 Z 2 leg cit).

Unter Erziehung zur Land- und Forstwirtschaft ist jene Ausbildung zu verstehen, die die für die Führung eines derartigen Betriebes erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt, und zwar unabhängig davon, ob sie in einer Fachschule, Hochschule oder auf dem Hof selbst erfolgt (Kathrein, Anerbenrecht Anm 3 zu § 3 AnerbenG; Eccher in Schwimann ABGB2 III Rz 5 zu § 3 AnerbenG; 6 Ob 34/92; 6 Ob 36/95; 6 Ob 2403/96t; RIS-Justiz RS0063189).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat Johann neben seiner Ausbildung als Landmaschinenmechaniker auch eine land- und forstwirtschaftliche Fachschule absolviert, während Anna von den Eltern am Hof gezielt in den Tätigkeitsbereichen der Land- und Forstwirtschaft unterwiesen wurde. Sie hat überdies eine bäuerliche Berufsschule besucht. Der (jüngere) Bruder Oswald hat neben seiner Berufsausbildung eine landwirtschaftliche Fachschule besucht. Das Rekursgericht ließ nun bei Beurteilung der Frage, welcher der Nachkommen zur Land- und Forstwirtschaft im Sinn des Gesetzes erzogen ist, subjektive Ziele und Erwartungen des ausbildenden Erblassers einfließen und vertrat die Auffassung, der festgestellte Wille des Erblassers, die zweitgeborene Tochter als Hoferbin auszubilden, gebe den Ausschlag. In diesem Sinn erfülle nur Anna die Voraussetzungen der land- und forstwirtschaftlichen Erziehung.

Die Ansicht des Rekursgerichtes wird nicht geteilt.

Das Anerbenrecht nimmt keine Änderung des materiellen Erbrechts vor, es schafft Sondererbteilungsvorschriften im Verhältnis zwischen dem Anerben und den weichenden Miterben und ist weitestgehend dispositiv gestaltet. Es schränkte die Verfügungsfreiheit des Hofeigentümers weder unter Lebenden noch von Todes wegen ein (Kathrein aaO 15; SZ 47/132; RIS-Justiz 0050281). Dem Hofeigentümer steht es daher frei, den gewünschten Anerben testamentarisch zu bestimmen, wie dies der Erblasser im vorliegenden Fall - wenngleich formungültig - beabsichtigte. Die Auswahlkriterien des § 3 AnerbenG kommen daher nur dann zum Tragen, wenn der Erblasser nicht (oder nicht gültig) über seinen Nachlass verfügt und die gesetzliche Erbfolge eintritt. Die Berücksichtigung des erblasserischen Willens (seiner subjektiven Ziele und Erwartungen) bei Beurteilung der Auswahlkriterien nach § 3 AnerbenG widerspräche den Zielsetzungen dieser (nur bei Fehlen von Verfügungen des Erblassers heranzuziehenden) anerbenrechtlichen Regelungen über die gesetzliche Erbfolge.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen haben alle drei die Anerbenstellung beanspruchenden Nachkommen eine land- und forstwirtschaftliche Erziehung genossen, sodass nach dieser Voraussetzung keinem von ihnen der Vorrang zukommt.

Auch das Auswahlkriterium des Aufwachsens auf dem Hof trifft für alle drei Bewerber zu. Jeder von ihnen hat seine Kindheit und Jugend auf einem zum Erbhof gehörigen Betriebsteil verbracht. Dass Johann im Alter von drei Jahren wegen der damals beengten Wohnverhältnisse in A***** mit seiner Großmutter in den Betriebsteil W***** übersiedelte und (erst) im Alter von 14 Jahren wieder auf den von den Eltern im Betriebsteil A***** genutzten Hof zurückkehrte, schließt ihn schon deshalb nicht als Anerbe aus, weil auch das Haus in W***** zum Erbhof gehört. Gleich den anderen Kindern wurde auch Johann von den Eltern regelmäßig bei saisonbedingtem erhöhten Arbeitsbedarf zur Mithilfe herangezogen.

Ausgehend von der - nicht gebilligten - Auffassung, Johann komme schon nach § 3 Abs 1 Z 1 AnerbenG als Anerbe nicht in Betracht, haben die Vorinstanzen eine Prüfung der weiteren Auswahlregeln unterlassen. Nach den Feststellungen wurde Johann auch als Landmaschinenmechaniker ausgebildet und ist als Werkstättenleiter tätig, er übt somit einen Beruf aus, der ihm eine anderweitige Versorgung im Sinn des § 3 Abs 1 Z 3 AnerbenG sichert. Als der Ältere (§ 3 Abs 2 Z 2 AnerbenG) wäre er daher seiner Schwester als Anerbe dann vorzuziehen, wenn diese gleichfalls anderweitig versorgt und auf die Übernahme des Hofes nicht mehr angewiesen ist.

Was unter "anderweitiger Versorgung" zu verstehen ist, wird in Lehre und Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt:

Nach Auffassung Edelbachers (Die Bestimmung des Anerben, ÖJZ 1980, 631 f) ist jede Person "anderweitig versorgt", die nicht erst durch Übernahme des zum Nachlass gehörenden Erbhofes versorgt wird. Danach scheiden Miterben aus, die durch ihre Ehe oder aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit materiell abgesichert sind.

Demgegenüber vertritt Kralik (Erbrecht3, 384) die Auffassung, derjenige sei "anderweitig versorgt", der zwar für die Landwirtschaft erzogen sei, aber eine anderweitige (nicht landwirtschaftliche), auf Dauer berechnete Lebensstellung ergriffen habe. Derjenige, der als landwirtschaftlicher Arbeiter oder Verwalter eines landwirtschaftlichen Gutes tätig sei, sei aber ebensowenig ausgeschlossen, wie eine verheiratete Frau, wenn ihre Stellung als Ehegattin eine Bewirtschaftung des Erbhofes ermögliche. Auch derjenige, der schon einen Erbhof habe oder Mitbesitzer eines Ehegattenerbhofes sei, scheide nach Ansicht Kraliks nicht aus.

Nach Kathrein (Anerbenrecht, Anm 3 zu § 3 AnerbenG) setzt eine "anderweitige Versorgung" voraus, dass der Miterbe unabhängig von seiner landwirtschaftlichen Ausbildung auf die Übernahme des Erbhofes nicht mehr angewiesen ist. Er scheide dann aus, wenn er durch Ehe oder berufliche Tätigkeit materiell abgesichert sei. So könne auch ein ortsübliches Ausgedinge die geforderte anderweitige Versorgung begründen.

Auch Eccher (aaO Rz 6 zu § 3 AnerbenG) stellt auf eine auf Dauer berechnete Lebensstellung ab. Eine ausreichende Versorgung liege weder im Bestehen einer Ehe oder Lebensgemeinschaft noch im Bestand eines allfälligen gesetzlichen Unterhaltsanspruches.

Der Oberste Gerichtshof hat die Auffassung der damals befassten Vorinstanzen gebilligt, wonach ein ausreichendes ortsübliches Ausgedinge (anders als die Stellung als Lebensgefährtin ohne Rechtsanspruch auf Unterhalt) eine anderweitige Versorgung begründen könne, nicht jedoch ein allfälliger Anspruch gegen die Nachkommen auf Zahlung des anständigen Unterhalts im Falle der Bedürftigkeit (JBl 1960, 447).

In seiner Entscheidung 6 Ob 2403/96t sah der Oberste Gerichtshof eine anderweitige Versorgung der Miterbin dadurch verwirklicht, dass sie durch eine Ehe mit dem Landwirt des Nachbarhofes materiell abgesichert war.

Der erkennende Senat hat erwogen:

Anderweitig versorgt ist ein Miterbe dann, wenn er unabhängig von einer land- und forstwirtschaftlichen Ausbildung auf die Übernahme des Hofes nicht angewiesen ist, weil sein Lebensunterhalt (unter Berücksichtigung seiner Sorgepflichten) durch andere auf Dauer erzielbare Einkünfte materiell ausreichend abgesichert ist. Dass ein Einkommen des Miterben aus einer auf Dauer angelegten, nicht landwirtschaftlichen beruflichen Tätigkeit diese Voraussetzung erfüllt, unterliegt keinem Zweifel. Der Sohn Johann ist daher jedenfalls als anderweitig versorgt anzusehen. Die Frage, ob der Bestand einer Ehe und der daraus resultierende Unterhaltsanspruch eines Miterben (einer Miterbin) eine anderweitige Versorgung gewährt, kann entgegen den oben dargestellteen Auffassungen der Lehre nicht ganz allgemein bejaht oder verneint werden. Es kommt dabei auf die besonderen Umstände des Einzelfalles an. Genauso wie in der vertraglichen Zusicherung eines angemessenen ortsüblichen Ausgedinges eine anderweitige Versorgung im Sinn des Anerbengesetzes liegen kann (Eccher aaO Rz 6; JBl 1960, 447), wird der Unterhaltsanspruch einer verheirateten, über kein weiteres Einkommen verfügenden Miterbin gegen ihren Ehegatten sie nur dann materiell absichern können, wenn sie damit einen zumindest angemessenen Versorgungsgrad erreicht. Dabei können der unpfändbare Freibetrag des § 291a EO oder der Richtsatz für die Ausgleichszulage nach den Sozialversicherungsgesetzen als Orientierungshilfe dienen. Ergibt die Berechnung des fiktiven Unterhaltsanspruches der Miterbin einen nahe diesen Kriterien liegenden Versorgungsgrad, reicht dieser Unterhaltsanspruch jedenfalls nicht aus, um ihr eine anderweitige angemessene Versorgung zu gewährleisten.

Die bisherigen Verfahrensergebnisse reichen nicht zur Beurteilung aus, ob auch die Tochter Anna im Sinn des § 3 Abs 1 Z 3 AnerbenG anderweitig versorgt ist. Unbestritten ist lediglich, dass sie Hausfrau ist, außer der land- und forstwirtschaftlichen Ausbildung keinen Beruf erlernte und im Alter von 19 Jahren heiratete. Die Frage, ob auch sie durch ihre Ehe materiell versorgt oder aber auf den Erbhof angewiesen ist, bedarf daher einer Verfahrensergänzung.

Sollte auch die Tochter Anna im Sinn der obigen Ausführungen als anderweitig versorgt anzusehen sein, wäre der älteste Sohn Johann nach Ältestemrecht (§ 3 Abs 2 Z 2 AnerbenG) zum Anerben zu bestimmen, andernfalls die Tochter Anna. Der 1950 geborene Sohn Oswald käme in keinem Fall zum Zug. Er ist einerseits gleich seinem Bruder Johann durch eine berufliche Tätigkeit materiell abgesichert, somit im Sinn des Gesetzes anderweitig versorgt und überdies jünger als Anna. Andererseits käme er als jüngster der die Anerbenstellung beanspruchenden Geschwister auch dann nicht zum Zug, wenn Anna gleichfalls materiell abgesichert wäre.

Dem Revisionsrekurs wird somit Folge gegeben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Außer in besonderen - hier nicht vorliegenden - Fällen findet ein Kostenersatz im außerstreitigen Verfahren nicht statt.

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