OGH 7Ob52/00y

OGH7Ob52/00y22.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** Handesgesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Arnolf Hummer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei N*****AG, *****, vertreten durch Dr. Werner Walch, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 2,304.434,-- sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 17. Jänner 2000, GZ 4 R 235/99d-55, als Berufungsgericht mit dem dieses der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 21. Juli 1999, GZ 12 Cg 182/95z-50 nicht Folge gab, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 26.246,99 (darin enthalten S 4.374,-- an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin kaufte in ständiger Geschäftsbeziehung seit Oktober 1993 von der Firma G***** Austria Fernsehgeräte und Videorecorder, die sie im Rahmen eines Bartageschäftes in Russland an die Kohlemine R***** weiter veräußerte. Nach den vereinbarten Lieferbedingungen hatte die Firma G***** den Transport zum Bestimmungsort auf Kosten der Klägerin zu veranlassen und schloss zu ihren Gunsten Transportversicherungen mit der beklagten Versicherungsgesellschaft ab. Entsprechend einer Generalpolizze der Firma G***** bei der Beklagten wurden dann sobald die Bestellungen einlangten und feststand, wieviele LKW-Ladungen gesandt werden sollten, die Versicherungsformulare ausgefüllt und mit dem Tag der Abfahrt an die Beklagte übermittelt, die dann regelmäßig ein entsprechendes Versicherungszertifikat für den konkreten Transport ausstellte und die Prämien vorschrieb. Dieser Vorgang wurde von der Beklagten nie bemängelt und auch nie differenziert, dass es sich bei dem hier maßgeblichen Lieferungsort um einen Vorort von Moskau handelt, obwohl in der Meldung an die Beklagte als Lieferstrecke nur Wien-Moskau angegeben war.

Die Übernahme der Ware in Moskau sollte von einer Firma V***** erfolgen, die die Ware dann in der Mine zu verteilen hatte. Der Bestimmungsort der Ware war das Lager T***** in Shelkovo, einem Vorort von Moskau. Die LKW-Fahrer hatten sich dabei jeweils bei der russischen Firma telefonisch zu melden, die dann die weiteren Dispositionen zum Zolllager durchführte. Nachdem insgesamt 25 Transporte auf diese Weise abgewickelt wurde, erfolgte am 16. 6. 1994 bis 23. 6. 1994 ein weiterer Transport. Die Firma G***** beauftragte zur Durchführung des Transportes einen Spediteur, der wiederum einen Frachtführer, und zwar zuletzt einen in der Slowakei etablierten Frächter zum Einsatz brachte. Der LKW-Transport ging am 16. 6. 1994 von Österreich ab, LKW-Lenker war Josef T*****. Als der LKW-Fahrer dieses Frächters am 23. 6. 1994 im Großraum Moskau eintraf und versuchte die Firma T***** anzufahren, scheiterte er zuerst, da er nicht erkannte, dass es sich um eine Anschrift in Shelkovo und nicht in Moskau selbst handelte. Er übernachtete auf einem Parkplatz und versuchte am darauffolgenden Tag in den frühen Morgenstunden telefonisch Kontakt mit der russischen Firma aufzunehmen. Dort wurde ihm dann mitgeteilt, dass er auf dem Parkplatz bleiben möge, man werde ihn abholen und zum Abladeort führen.

In der Folge erschienen dann drei Männer, die ihn zu einem Lagerplatz führten, wo die LKW-Ladung abgeladen und die Frachtpapiere abgestempelt wurden. Es handelte sich dabei jedoch nicht um einen Lagerplatz des russischen Partners der Klägerin. Auch die Zollstempel waren gefälscht.

Bei den eingelangten LKW-Ladungen hatte jeweils ein bestimmter Mitarbeiter dieses russischen Partners dem LKW-Fahrer mitgeteilt, dass er zu dem Zolllager T***** fahren möge und dort auch die Ankunft telefonisch angekündigt. Hier wurde diesem Mitarbeiter jedoch dann vom Lager T***** mitgeteilt, dass kein LKW und kein Ladung eingelangt sei. Daraufhin informierte dieser Mitarbeiter der russischen Firma die Klägerin, die wieder bei der Firma G***** nachfragte. Diese war der Ansicht, dass die Ware ordnungsgemäß abgeladen wurde. Die Klägerin beharrte aber darauf, dass keine Ablieferung erfolgte und es wurde dann nach Übermittlung des Frachtbriefes per 8. 7. 1994 festgestellt, dass der Zollstempel am Frachtbrief gefälscht war.

Eine von der Beklagten mit der Aufklärung beauftragte Ermittlungsfirma kam ebenfalls zu diesem Ergebnis, konnte jedoch sonst, ebenso wie ein weiterer beauftragter Sachverständiger nichts zur Aufklärung beitragen, außer dass die für das Lager T***** angegebene Anschrift ein Bürohaus betrifft, bei dem eine Abladung nicht möglich ist. Später stellte sich dann heraus, dass unter dem Namen T***** ein weitere Anschrift im Nachbarort Shelkovo bekannt gegeben wurde, bei der die Einlagerung erfolgte. Insgesamt verfügte die Firma T***** über drei Lagerplätze an verschiedenen Punkten einer davon nur 500 m von den Büroräumlichkeiten entfernt. Eine Strafanzeige wurde weder von der Klägerin noch von ihrer russischen Partnerin erstattet. Ob dies durch die Firma T***** erfolgte, konnte nicht festgestellt werden. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, dass bei dem vorliegenden Sachverhalt auch polizeiliche Ermittlungen kaum irgendeinen Erfolg gebracht hätten.

Die Klägerin begehrte den Ersatz des ihr aus dem Verlust der Waren entstandenen Schadens in Höhe von insgesamt S 2,304.434,-- sA und stützte dies zusammengefasst darauf, dass sie entsprechend § 75 VersVG zur Geltendmachung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag berechtigt sei. Bei sämtlichen Transporten sei als Lieferadresse das Zolllager T***** in Shelkovo auf den Frachtpapieren vermerkt gewesen. Bei der hier gegenständlichen Lieferung sei der Fahrer jedoch das Opfer betrügerischer Machenschaften geworden. Es sei dann bei dem Rückweg auch von der russischen Polizei angehalten worden und es habe sich herausgestellt, dass die von ihm auf den Frachtdokumenten ausgewiesenen Zollstempel gefälscht gewesen seien. Die Klägerin habe der Beklagten sämtliche Auskünfte und Unterlagen übermittelt und keine Obliegenheiten verletzt.

Dass der jeweilige Fahrer die Anweisung gehabt habe, sich bei dem russischen Partner vorweg telefonisch zu melden, um nach dessen Anweisungen leichter das Lager zu finden, sei jedenfalls noch nicht als Ablieferung der Ware anzusehen. Wenn die Beklagte, obwohl ihr stets der Lieferort Shelkovo mitgeteilt worden sei, im Versicherungszertifikat nur vereinfachend "Moskau" aufgenommen habe, so könne sie dadurch nicht leistungsfrei sein. Jedenfalls sei noch keine Abladung im Sinne des § 10 Abs 1 der Allgemeinen österreichischen Transportversicherungsbedingungen in der Fassung 1992 (im Folgenden AÖTB 1988) dadurch erfolgt, dass ein LKW-Fahrer an irgendeinen Parkplatz eine Rast einhalte. Das Stadtgebiet von Moskau selbst sei auch für LKWs gesperrt. Über das Lagerunternehmen T***** seien in den letzten Jahren insgesamt 70 LKW-Ladungen abgefertigt worden. Der Ort Shelkovo selbst gehöre auch zum Großraum Moskau. Hinsichtlich der verspäteten Anmeldung der Transporte sei darauf zu verweisen, dass die Beklagte dies stets akzeptiert und die Zertifikate ausgestellt und die Prämien einkassiert habe, sodass die Geltendmachung einer allfälligen Verspätung nunmehr sittenwidrig sei (AS 77).

Hinsichtlich der Frage der Erstattung einer Strafanzeige verwies die Klägerin noch darauf, dass selbst bei Bestehen einer solchen Obliegenheit deren Verletzung nicht schuldhaft erfolgt sei. Auch gebe es keinerlei Kausalzusammenhang mit einer allfälligen Beeinträchtigung des Rechtes der Beklagten, auf Aufklärung des Sachverhaltes. Eine solche Anzeige sei von der Beklagten auch nicht verlangt worden.

Die Beklagte bestritt, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte zusammengefasst ein, dass entsprechend § 10 Abs 1 AÖTB 1988 der Versicherungsschutz mit dem Einlangen des LKW-Lenkers in Moskau am 23. 6. 1994 geendet habe, da dann die Ware über Weisung des zur Vertretung der Klägerin befugten russischen Kooperationspartners auf einen anderen als den ursprünglich zur Entladung vorgesehenen Ort außerhalb Moskaus umdirigiert wurde. Entgegen den Ausführungen der klagenden Partei sei in der Korrespondenz zwischen ihr und der Beklagten ausschließlich Moskau als Ablieferungsort angeführt worden. Weiters sei der Schaden zumindest grob fahrlässig verursacht worden. Das Lager T***** sei keinesfalls ein typisches Transportwarenlager. Auch werde der Einwand erhoben, dass Gründe zum Verdacht bestehen, der LKW-Fahrer habe allein oder im Zusammenwirken mit Mitarbeitern der russischen Kooperationsfirma die anvertraute Ware veruntreut. Die Klägerin habe es ferner unterlassen, Schriftstücke vorzulegen, aus denen hervorgehe, dass der Vorfall den russischen Polizei und Zollbehörden zur Anzeige gebracht wurde oder sonstige Vorerhebungen oder Voruntersuchungen der Behörden ersichtlich sind. Unter Hinweis auf § 18 Abs 3 lit a der AÖTB 1988 wandte die Beklagte ein, dass sie deshalb leistungsfrei sei, da die Klägerin die Obliegenheit der sofortigen strafrechtlichen Anzeige nicht eingehalten habe. Durch die Nichtvorlage einer polizeilichen Anzeige komme auch die Vermutung gemäß § 6 Abs 3 der Versicherungsbedingungen zu tragen, wonach der Schaden bis zum Nachweis des Gegenteils aus den Ursachen der in Abs 1 und 2 dieser Bestimmung genannten Sachverhalte entstanden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - ausgenommen das Begehren auf den Ersatz der Mehrwertsteuer aus den Zinsen - statt. Es beurteilte den einleitend dargestellten Sachverhalt dahin, dass die Beklagte auch in ihrem Ablehnungsschreiben auf die Strafanzeige nicht Bezug genommen habe und die nunmehrige Geltendmachung einer Obliegenheitsverletzung in diesem Zusammenhang sittenwidrig sei. Es lasse sich eine solche Obliegenheit aus § 18 Abs 3 lit a ÖATB 1988 nicht klar herauslesen. Die Anzeige wäre auch nur dann sinnvoll gewesen, wenn die Klägerin Kenntnis des konkreten Sachverhaltes gehabt hätte. Die Beklagte habe ohnehin ihr Recht auf Nachforschung bzw Ermittlung des Sachverhalts hinreichend ausgeschöpft. Eine allfällige Obliegenheitsverletzung durch die Klägerin sei keinesfalls grob fahrlässig erfolgt. Die Klägerin habe selbst nur durch Vertreter in Russland agieren können. Die Beklagte habe keinerlei Strafanzeigen urgiert. Ein grobes Verschulden sei der Klägerin auch sonst nicht anzulasten. Der Versicherungsschutz habe auch schon deshalb nicht nach § 10 AÖTB 1988 enden können, da die Ware niemals beim vorgesehenen Empfänger eingelangt sei.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Es folgerte rechtlich, dass selbst dann wenn man entgegen dem Verhandlungsprotokoll den Einwand der Beklagten auf § 18 Abs 4 lit g der AÖTB 1988 stütze, dieser nicht berechtigt sei, da die Beklagte die Klägerin nie zur Vorlage der Anzeigenbestätigung aufgefordert oder diese auch nur urgiert habe. Vielmehr habe sie selbst eine eigene Ermittlungsfirma mit der Schadensfeststellung beauftragt. Die Klägerin habe die Beklagte auch noch um Übermittlung der Aussage des LKW-Lenkers Erhebung allfälliger polizeilicher Anzeigen aus Russland ersucht. Diesem Ersuchen sei die Beklagte jedoch erst im Verlauf des Verfahrens nachgekommen. Die Beklagte habe die Ablehnung auch nicht auf die fehlende Anzeigenbestätigung gestützt.

Eine Ablieferung der Ware im Sinne des § 10 AÖTB 1988 sei nicht eingetreten.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht mangels Vorliegen einer Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO als nicht zulässig.

Die dagegen von der beklagten Partei erhobene Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Allgemeinen Österreichischen Transportversicherungsbedingungen (AÖTB 1988) idF 1992 lauten:

"§ 6

(1) Ausgeschlossen sind folgende Gefahren:

....

e) die Gefahren der Veruntreuung ...

§ 8 Verschulden

(1) Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Schaden vom Versicherungsnehmer, Absender oder Empfänger vorsätzlich oder grobfahrlässig verursacht wurde. ...

§ 10 Dauer der Versicherung

(1) Die Versicherung beginnt in dem Zeitpunt, in welchem die Güter ihren bisherigen Aufbewahrungsort im Haus oder Lager des Absenders in dem in der Versicherungsurkunde genannten Abgangsort zum Zweck der unverzüglichen Beförderung verlassen; sie dauert während des normalen Transportverlaufes und endet, je nachdem, welcher der nachstehenden Fälle zuerst eintritt:

a) in dem Zeitpunkt, in welchem die Güter im Haus oder Lager des Empfängers in dem in der Versicherungsurkunde genannten Bestimmungsort abgeliefert sind

b) bei Ablieferung in einem anderen vom Vrsicherungsnehmer vor oder in dem in der Versicherungsurkunde genannten Bestimmungsort gewählten Lager, das zwecks Disponierung oder Verteilung gewählt wurde, oder falls die Lagerung nicht mehr zum normalen Verlauf der Reise gehört;.....

unter Ablieferung ist die Ankunft des Gutes im Haus oder Lager nach erfolgter Abladung aus dem anbringenden Transportmittel zu verstehen;

....

§ 16 Gefahränderung, Gefahrerhöhung

(1) Der Versicherungsnehmer darf nach dem Abschluss des Vertrages ohne Einwilligung des Versicherers die Gefahr nicht ändern, insbesondere nicht erhöhen oder die Änderung durch einen Dritten gestatten.

(2) Als Gefahränderung gelten insbesondere ...

c) die Änderung des Bestimmungsortes bzw. -hafens, ...

§ 18 Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles

....

(4) Der Versicherer kann nach Eintritt des Versicherungsfalles verlangen, dass der Vresicherungsnehmer jede Auskunft erteilt, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfanges der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist.

Zum Schadennachweis und zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen sind dem Versicherer insbesondere die folgende Dokumente vorzulegen: ...

g) Bestätigung über erfolgte unverzügliche Anzeige bei der zuständigen Sicherheitsbehörde im Fall von Schäden durch Feuer, Diebstahl, Einbruchdiebstahl und Raub, soferne die Beförderung vom Versicherungsnehmer selbst durchgeführt wurde. ...

(7) Verletzt der Versicherungsnehmer eine der in den Absätzen (1) und

(3) bis (5) vorgeschriebenen Obliegenheiten, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn die Verletzung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht Bei grobfahrlässiger Verletzung bleibt der Versicherer insoweit zur Leistung verpflichtet, als die Verletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung Einfluss gehabt hat."

Die Transportversicherung ist eine Sachschadenversicherung zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers des transportierten Gutes während seiner Beförderung gegen dabei typisch auftretende Gefahren (vgl VersR 1993, 1303; BK/Dallmayr vor §§ 129 bis 148 RN 5). Es gilt bei ihr der Grundsatz der Allgefahrendeckung, sofern nicht bestimmte Schäden in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen werden. Der Grundsatz der Allgefahrendeckung wirkt sich bei der Darlegungs- und Beweislast zu Gunsten des Versicherungsnehmers aus. Dieser muss nur beweisen, dass der Schaden während des versicherten Zeitraumes eingetreten ist. Nach dem vorliegenden Feststellungsstand wurde das versicherte Gut betrügerisch von Unbekannten dem Fahrer herausgelockt. Den Gegenbeweis, dass eine Veruntreuung vorlag, hat der dafür beweispflichtige Versicherer nicht erbracht (vgl Dallmayr aaO § 129 RN 8, 9 und 14). Da der Fahrer den Bestimmungsort im Tatzeitpunkt noch nicht gefunden hatte, war die Ladung auch nicht dem bestimmungsgemäßen Empfänger geliefert worden. Der Versicherungsschutz war daher im Zeitpunkt des Versicherungsfalles aufrecht.

Die Revision erhebt allein den Vorwurf der Obliegenheitsverletzung durch die klagende Versicherte infolge unterlassener Polizeianzeige nach § 18 Abs 4 lit g der AÖTB. Im vorliegenden Fall hat die Firma G***** als hiezu von der Klägerin Beauftragter sowohl den Transport der von der Klägerin gekauften Waren durch einen slowakischen Frächter als auch deren Versicherung veranlasst. Da sohin weder die versicherte Klägerin noch die Firma G***** als Versicherungsnehmerin den Transport selbst durchgeführt hat, kommt der auf § 18 Abs 4 lit g AÖTB gestützte Vorwurf schon allein aus diesem Grund nicht zum Tragen.

Die Darlegungen der Beklagten, dass nur bei einer sofortigen Anzeige bei den russischen Sicherheitsbehörden diese unmittelbare Ermittlungen in die Wege hätte leiten können und zu der Art 18 AÖTB 1988 vergleichbaren Bestimmung des Art 5.2. EKHB 1993 der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen habe, dass eine sofortige strafrechtliche Anzeige zu erfolgen habe, verkennen den Unterschied zwischen diesen Versicherungsbedingungen. Es trifft zwar zu, dass der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 10. 1. 1996, 7 Ob 43/95 (= VR 1996, 141 = VersR 1997, 387 = ZVR 1997/92, 244) zu den EKHB 1993 auch unter Bezugnahme auf die Verpflichtung zur Anzeigenerstattung nach § 4 Abs 5 StVO ausgesprochen hat, dass den Versicherungsnehmer immer dann seine Aufklärungspflicht verletzt, wenn er einen von ihm verursachten Verkehrsunfall der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verspätet meldet, obwohl entsprechend den Bestimmungen der StVO zur Anzeigenerstattung verpflichtet ist (vgl dazu auch jüngst 7 Ob 170/99x). Jedoch enthält Art 5 der EKHB 1993 eine ausdrückliche Festlegung der Obliegenheit, dass ein entsprechender Schaden unverzüglich der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle anzuzeigen ist. Weiters waren dort die Regelungen des § 4 StVO über die Verpflichtung zur Anzeigenerstattung anzuwenden. Eine vergleichbare Bestimmung findet sich jedoch in Art 18 Abs 4 der AÖTB 1988 nicht.

Die Ausführungen der Beklagten, dass nicht Shelkovo, sondern Moskau der Ablieferungsort gewesen sei, überzeugen nicht, da hier konkret unter Moskau nicht nur das Gemeindegebiet, sondern der Großraum verstanden werden konnte. Jedenfalls ist nach § 10 Abs 1 der AÖTB unter Ablieferung nur die "Ankunft des Gutes im Haus oder Lager nach erfolgter Abladung" (vgl Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht3, 370, im Zusammenhang Enge, Transportversicherung, 153) zu verstehen, die hier noch nicht durchgeführt wurde.

Im Rahmen der allseitigen rechtlichen Überprüfung war noch zu untersuchen, ob der gegenständliche Schaden schuldhaft von der Versicherungsnehmerin bzw der Versicherten herbeigeführt worden ist, wobei dafür gemäß § 8 AÖTB in teilweiser Abänderung des § 131 VersVG grobe Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers bzw Versicherten für die Leistungsfreiheit des Versicherers erforderlich wäre. In der österreichischen Rechtsprechung wird die Repräsentantentheorie im Gegensatz zu Deutschland weiterhin abgelehnt (vgl Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht3, 269 mwN). Die eigenmächtige Änderung des Entladungsortes durch den Fahrzeuglenker T***** im Großraum Moskau kann daher nicht der klagenden Partei zur Last gelegt werden. Ebenso kann beim vorliegenden Feststellungsstand nicht davon ausgegangen werden, dass der Schaden von Leuten des Empfängers verschuldet worden ist, weil nicht feststeht, wer die Unbekannten waren, die T***** die Ladung betrügerisch herausgelockt haben. Die hiefür beweispflichtige beklagte Versicherung hat jedenfalls nicht unter Beweis stellen können, dass es sich um Leute der Empfängerin handelte (vgl Dallmayr aaO § 131 RN 5).

Insgesamt war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.

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