Spruch:
1.) Der Revisionsrekurs des Magistrates der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie - Rechtsfürsorge Bezirk 10, wird zurückgewiesen.
2.) Dem Revisionsrekurs der mj. Anna D***** wird teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird in Ansehung der Revisionsrekurswerberin dahin abgeändert, dass die Entscheidung zur Gänze wie folgt zu lauten hat:
"Die mj. Anna D***** ist schuldig, an den Jugendwohlfahrtsträger Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie - Rechtsfürsorge Bezirk 10, an Kosten ihrer vollen Erziehung für die Monate April 1999 und Mai 1999 S 11.750,-- binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Das auf Zuspruch künftig (ab Juni 1999) fällig werdender Leistungen gerichtete Ersatzbegehren wird abgewiesen."
Text
Begründung
Die Mutter der drei Minderjährigen Elfriede M***** ist am 10. Juli 1995 verstorben. Gemäß § 138 Abs 1 ABGB ist davon auszugehen, dass die mj. Anna D***** der Ehe der Mutter mit Magdy Mohamed M***** entstammt, der seit Jahren unbekannten Aufenthaltes ist. Der Vater ist seiner ihm mit Beschluss des Jugendgerichtshofes Wien vom 18. 7.1996 auferlegten Verpflichtung, für das Kind ab 11. 1. 1990 monatlich S 2.000,-- und ab 1. 12. 1993 monatlich S 2.200,-- an Unterhalt zu zahlen, nie nachgekommen. Der Vater der beiden mj Bernhard Anton und Martina Barbara R***** ist unbekannt. Die drei Minderjährigen befinden sich im Rahmen der vollen Erziehung bei Pflegeeltern. Die monatlichen Kosten der vollen Erziehung beliefen sich im Jahr 1999 auf S 5.875,-- pro Kind.
Mit der Behauptung, die drei Minderjährigen hätten von ihrer verstorbenen Mutter ein Vermögen von insgesamt ca S 1,5 Mio geerbt, stellte der Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie - Rechtsfürsorge Bezirk 10 (im folgenden auch kurz Jugendwohlfahrtsträger genannt) am 24. 3. 1999 (ua) den Antrag, die Minderjährigen beginnend mit 1. 4. 1999 zu einer monatlichen Kostenersatzleistung von je S 5.875,-- zu verpflichten.
Das Erstgericht wies den Antrag mit der Begründung ab, die Minderjährigen verfügten über keinerlei Einkommen und Vermögen, zumal das Verlassenschaftsverfahren nach ihrer Mutter noch nicht abgeschlossen sei.
Das vom Jugendwohlfahrtsträger angerufene Rekursgericht änderte die erstinstanzliche Entscheidung dahin ab, dass es die drei Minderjährigen verpflichtete, je S 15.278,-- als Kostenersatzleistung zu bezahlen. Das auf den Zuspruch künftig fällig werdender Leistungen gerichtete Kostenersatzbegehren wurde abgewiesen. Das Rekursgericht stellte auf Grund des betreffenden Verlassenschaftsaktes 2 A 328/95h des Bezirksgerichtes Favoriten fest, dass den Minderjährigen der Nachlass ihrer Mutter, der ohne Anrechnung einer vom Amt für Jugend und Familie 10. Bezirk angemeldeten Unterhaltsforderung einen Aktivsaldo von S 1,502.859,05 aufweise, mit Beschluss vom 25. 8. 1997 zu je einem Drittel rechtskräftig eingeantwortet worden sei, womit die Minderjährigen Eigentum daran erworben hätten. Alle drei Minderjährigen verfügten sohin über Vermögen. Gemäß § 33 JWG (§ 39 Wr JWG) hätten der Minderjährige und seine Unterhaltspflichtigen die Kosten der vollen Erziehung nach bürgerlichem Recht zu tragen, gegebenenfalls auch rückwirkend für drei Jahre zu ersetzen, soweit sie nach ihren Lebensverhältnissen dazu imstande seien. Die Kosten seien somit in erster Linie aus eigenen Einkünften des Kindes zu decken, in zweiter Linie durch Unterhaltsleistungen der Eltern. Kindesvermögen sei im Rahmen des § 140 ABGB grundsätzlich nicht zur Unterhaltsdeckung heranzuziehen, es sei denn, dass weder die eigenen Einkünfte des Kindes noch die Unterhaltsleistungen der Eltern zur Deckung der Unterhaltskosten ausreichten. Der Jugendwohlfahrtsträger habe hier seinen Kostenersatzanspruch nicht mit einem bestimmten Endzeitpunkt beschränkt, sondern den Zuspruch der monatlich auflaufenden Kosten der vollen Erziehung für die gesamte Zeit ab 1. 4. 1999, somit auch künftig fällig werdende Leistungen begehrt. Dass der Minderjährige auch zur Tragung künftiger Kosten der vollen Erziehung verpflichtet werden könne, sei aber § 33 JWG nicht zu entnehmen. Wenngleich sich der Ersatzanspruch des Jugendwohlfahrtsträgers auch nach unterhaltsrechtlichen Kriterien bemesse, so handle es sich doch bei der Forderung gegenüber dem Minderjährigen nicht um einen Unterhaltsanspruch, weshalb § 406 Satz 2 ZPO nicht angewendet werden könne. Dem Antragsteller habe daher nur der Ersatz der zum Zeitpunkt der Beschlussfassung in erster Instanz fällig gewordenen Beträge zugesprochen werden können.
Seinen zunächst getätigten Ausspruch, dass der "Rekurs an den Obersten Gerichtshof" nicht zulässig sei, änderte das Rekursgericht über Antrag sowohl des Jugendwohlfahrtsträgers, als auch der mj Anna D***** dahin ab, dass es den ordentlichen Revisionsrekurs gemäß § 14 Abs 1 AußStrG doch für zulässig erklärte. Zu den erheblichen Rechtsfragen der Streitwertberechnung bei Kostenersatzleistungen sowie der Fälligkeit von Kostenersatzbeträgen gemäß § 33 JWG, insbesondere dazu, welche Kriterien im Zusammenhalt mit den in der zitierten Gesetzesstelle genannten "Lebensverhältnissen" zu beachten seien, um die Verpflichtung des Minderjährigen zum Kostenersatz zu begründen, sei keine oberstgerichtliche Judikatur vorhanden.
Der Revisionsrekurs des Magistrats der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie Bezirk 10, ist unzulässig. Der Revisionsrekurs der mj Anna D***** (deren Vertreter mit Beschluss des JGW vom 9. 4. 1999 die Obsorge im Bereich der gesetzlichen Vertretung und Vermögensverwaltung für die Genannte als Kurator übertragen wurde) ist hingegen zulässig und teilweise auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Zum Revisionsrekurs des Jugendwohlfahrtsträgers:
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 16 Abs 3 AußStrG) - (geänderten) Ausspruch des Rekursgerichtes ist der Revisionsrekurs des Jugendwohlfahrtsträgers, der sich gegen die Abweisung des auf den Zuspruch künftig fällig werdender Leistungen gerichteten Kostenersatzbegehrens wendet, nicht zulässig, weil sich keine iSd § 14 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage stellt.
Zutreffend hat bereits das Rekursgericht darauf hingewiesen, dass die am 1. 7. 1999 in Kraft getretene Jugendwohlfahrtsgesetznovelle 1998 im Hinblick darauf, dass die erstgerichtliche Entscheidung am 18. 6. 1999 gefällt wurde, auf den vorliegenden Rechtsfall (noch) nicht anzuwenden ist. Ausgehend demnach von § 40 JWG aF ist die Ansicht des Rekursgerichtes, die Minderjährigen könnten nicht zum Ersatz künftiger Kosten ihrer vollen Erziehung verpflichtet werden, durch eingehend begründete, gesicherte oberstgerichtliche Judikatur gedeckt (4 Ob 505/92 = ÖA 1992, 163; 5 Ob 525/93 = ÖA 1994, 31; 7 Ob 586/95; 7 Ob 2337/96v).
Der Revisionsrekurswerber macht noch geltend, ihm wäre zumindest S 17.625,-- je Kind für die Zeit vom 1. 4. 1999 bis 30. 6. 1999 zuzusprechen gewesen (und nicht nur S 15.278,-- erkennbar für den Zeitraum 1. 4. 1999 bis 18. 6. 1999), "da Kostenersatz ebenso wie Unterhalt, monatlich im Voraus fällig werde". Dabei wird übersehen, dass - wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (ÖA 1992, 163; 7 Ob 2337/96v) - der Ersatzanspruch des Jugendwohlfahrtsträgers gemäß § 33 JWG sich zwar nach unterhaltsrechtlichen Kriterien bemisst, aber kein Unterhaltsanspruch ist, weshalb § 1418 Satz 2 ABGB darauf nicht angewendet werden kann. Auch betreffend diesen Einwand liegt demnach oberstgerichtliche Judikatur vor, die die vom Revisionsrekurswerber bekämpfte Abweisung seines Kostenersatzbegehrens stützt.
Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG war der Revisionsrekurs des Jugendwohlfahrtsträgers daher gemäß § 16 Abs 3 AußStrG iVm § 508a Abs 2 ZPO zurückzuweisen.
Zum Revisionsrekurs der mj Anna D*****:
Gemäß § 33 JWG (und § 39 Wr JWG) haben der Minderjährige und seine Eltern im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht die Kosten der vollen Erziehung des Minderjährigen nach bürgerlichem Recht zu tragen, gegebenenfalls rückwirkend für drei Jahre zu ersetzen, soweit sie nach ihren Lebensverhältnissen dazu imstande sind. Nach § 39 Abs 1 letzter Satz Wr JWG ist der Minderjährige jedoch nicht zum Ersatz heranzuziehen, wenn die Belastung mit den Kosten für ihn eine Härte bedeuten würde.
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass weder die minderjährige Revisionsrekurswerberin Einkünfte hat, noch ihre Eltern zur Kostentragung herangezogen werden können, sodass ein Kostenersatz lediglich aus dem ererbten Vermögen der Minderjährigen in Betracht kommt. Die Revisionsrekurswerberin räumt selbst ein, dass grundsätzlich auch der Vermögensstamm des Minderjährigen für den Kostenersatz an den zu zahlenden Vertreter herangezogen werden kann, meint aber, dass die ihr zugefallene Erbschaft ihr zur Gänze zu verbleiben habe. Bei normaler Lebensplanung könne nämlich mit solchen Vermögenswerten gerechnet werden, wenn auch nicht so früh. § 33 JWG sehe die Ersatzpflicht nicht bis zur Grenze des Existenzminimums vor, weil sonst die Rücksichtnahme auf die "Lebensverhältnisse" überflüssig wäre. Es stelle eine erhebliche Rechtsfrage dar, ob eine pflegebefohlene Person mit einer nicht mehr als durchschnittlichen Erbschaft damit (zur Gänze) zur Ersatzleistung an den Jugendwohlfahrtsträger herangezogen werden könne.
Die Frage, in welchem Umfang das ererbte Vermögen der Revisionsrekurswerberin zum Kostenersatz heranzuziehen ist, kann allerdings hier dahingestellt bleiben. Wie bereits zum Revisionsrekurs des Jugendwohlfahrtsträgers erörtert, kommt nach der hier maßgeblichen Rechtslage vor der Jugendwohlfahrtsgesetznovelle 1998 der Ersatz künftig fällig werdender Kostenbeiträge nämlich nicht in Betracht, weshalb nur zu untersuchen ist, ob der erfolgte Zuspruch der Kosten ihrer vollen Erziehung für die Monate April und Mai 1999 sowie teilweise Juni 1999 gerechtfertigt ist.
Auf die Nichtanwendbarkeit des § 1418 Satz 2 ABGB auf den Ersatzanspruch für die Kosten der vollen Erziehung gemäß § 33 JWG wurde bereits im Rahmen der Behandlung des Revisionsrekurses des Jugendwohlfahrtsträgers hingewiesen. Daraus folgt, dass der auf den Monat der Beschlussfassung des Erstgerichts (Juni 1999) fallende Ersatzbetrag im Zeitpunkt der Beschlussfassung noch nicht fällig war (vgl 7 Ob 2337/96v). Damit erweist sich die angefochtene Entscheidung des Rekursgerichtes jedenfalls insoferne als unrichtig, als Kostenersatz nicht nur für die Monate April und Mai 1999 in Höhe von insgesamt S 11.750,--, zugesprochen, sondern auch für den Monat Juni 1999 ein (aliquoter) Teilbetrag von S 3.528,-- zuerkannt wurde.
Die hier zu relevierende Rechtsfrage ist daher dahin einzugrenzen, ob der Revisionsrekurswerberin auf Grund ihres ererbten Vermögens der Ersatz von S 11.750,-- nach ihren Lebensverhältnissen und insbesondere unter Bedachtnahme auf die erwähnte Härteklausel des § 39 Wr JWG zumutbar ist. Diese Frage kann nach Ansicht des erkennenden Senates ausgehend von einem der Revisionsrekurswerberin zukommenden Erbteil von ca S 500.000,-- (die Berücksichtigung der Entscheidung des Abhandlungsgerichtes zu 2 A 328/95h vom 14. 11. 2000 ist, da sie nach der angefochtenen Entscheidung erging nicht möglich, darüberhinaus erscheint die Durchsetzbarkeit der Unterhaltsforderung des Jugendwohlfahrtsträgers für die Zukunft im Verlassenschaftsverfahren nach dieser Entscheidung fraglich) bejaht werden, auch wenn nähere Feststellungen zu den einzelnen Lebensumständen der Minderjährigen fehlen. Auch auf den Umstand, dass der Jugendwohlfahrtsträger im Verlassenschaftsverfahren unter Hinweis auf monatliche Unterhaltsleistungen der Mutter von S 2.100,-- eine Forderung von S 1,152.900,-- "an zukünftigem Unterhaltsanspruch" zur Verlassenschaft angemeldet hat, wovon auf die mj Anna S 338.100,-- entfielen, muss angesichts der Relation des der Minderjährigen jedenfalls verbleibenden Erbes zur Ersatzzahlung von S 11.750,-- nicht weiter eingegangen werden, weil auch unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung von Härten diese Zahlung der Minderjährigen doch zumutbar erscheint.
In teilweiser Stattgebung des Rechtsmittels der mj Anna D***** war daher die Entscheidung des Rekursgerichtes in Ansehung der Genannten (nur) dahin abzuändern, dass deren Kostenersatzleistung mit S 11.750,-- zu bestimmen war. Dass auch die Minderjährigen Bernhard Anton und Martina Barbara R***** jeweils zu Unrecht verpflichtet wurden, für Juni 1999 eine Kostenersatzzahlung von S 3.528,-- zu erbringen, kann vom Obersten Gerichtshof nicht aufgegriffen werden, weil die Genannten den Beschluss des Rekursgerichtes nicht angefochten haben und die Revisionsrekurswerber dadurch nicht beschwert sind.
Der Vollständigkeit halber sei aber noch, da die Entscheidung über einen allfälligen weiteren Antrag des Jugendwohlfahrtsträgers auf Ersatz der Kosten der vollen Erziehung auf § 40 JWG nF Bedacht zu nehmen und daher allenfalls auch künftig fällig werdende Leistungen zu berücksichtigen haben wird, bereits jetzt darauf hingewiesen, dass dabei auch die "Härteklausel" des § 39 Abs 1 letzter Satz Wr JWG zu beachten sein müsste. Streinesberger/Hacker führen in Lehner, Kinder- und Jugendrecht2, 166 aus, dass die Ersatzpflicht im Hinblick auf diese Härteklausel nicht zu streng bemessen werden solle. Insbesondere sollte es den unter einer Erziehungsmaßnahme stehenden Minderjährigen, die ohnehin schon von vornherein sozial benachteiligt seien, tunlichst ermöglicht werden, zumindest geringfügige Ersparnisse zu bilden (pädagogischer Effekt), um nach der Entlassung aus der vollen Erziehung eine Starthilfe zu haben (zB für Wohnungseinrichtung). Der Härteklausel komme vor allem dann Bedeutung zu, wenn dem Minderjährigen ein Vermögen zufalle (Erbschaft, Schenkung) und dann zu klären sei, wieviel er sich davon behalten dürfe, um sich nach der Entlassung aus der vollen Erziehung eine Existenz aufbauen zu können. Der erkennende Senat erachtet diese Ausführungen für zutreffend und meint, dass eine allfällige künftig zu treffende Entscheidung über Kostenersatzleistungen in der vorliegenden Pflegschaftssache neben den - im Einzelnen dann noch festzustellenden - Lebensverhältnissen der Minderjährigen insbesondere auch diese Aspekte zu berücksichtigen haben wird.
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