OGH 2Ob254/00t

OGH2Ob254/00t25.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alois D*****, vertreten durch Dr. Gottfried Lindner und Mag. Thomas Fragner, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagten Parteien 1.) Konrad E*****, und 2.) O*****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Dartmann und Dr. Heimo Modelhart, Rechtsanwälte in Linz, wegen (restlich) S 73.000,-- sA und Feststellung (Streitinteresse S 50.000,--), infolge der Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 6. April 2000, GZ 12 R 93/00h-19, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 20. Dezember 1999, GZ 32 Cg 110/99s-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Parteien wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das im Übrigen (ebenso wie die Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes) unberührt bleibende Urteil des Erstgerichtes in seinem Punkt 2. zu lauten hat:

Es wird festgestellt, dass die beklagten Parteien der klagenden Partei für alle zukünftigen Ansprüche aus dem Unfall vom 29. 10. 1997 zu einem Drittel haften und ersatzpflichtig sind, dies beschränkt mit den auf die im Unfallszeitpunkt 29. 10. 1997 geltenden Haftungshöchst- beträgen gemäß § 15 EKHG.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit S 10.890,-- (hierin enthalten S 1.815,-- USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 29. 10. 1997 gegen 19.45 Uhr kam es im Gemeindegebiet von Hörsching auf der Flughafenstraße (einer Freilandstraße) mit der Aistentalerstraße zu einem Verkehrsunfall zwischen einem vom Erstbeklagten gelenkten und gehaltenen und bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW sowie dem (in Fahrtrichtung des PKWs die Kreuzung von links nach rechts überquerenden) Kläger als Fußgänger. Dieser wurde hiebei schwer verletzt. Er hatte sich weder vor Betreten der Fahrbahn noch während des Überquerens, insbesondere auch nicht nach Erreichen der Fahrbahnmitte, vergewissert, ob Fahrzeuge herannahen und dadurch den PKW des Erstbeklagten auch nicht gesehen. Der Erstbeklagte seinerseits hatte sich der Unfallsstelle mit ca 60 km/h und eingeschaltetem Abblendlicht genähert. Die Unfallsstelle war durch eine Parkplatzbeleuchtung nur indirekt und schlecht beleuchtet. Als der Erstbeklagte den Fußgänger erstmalig sah, befand sich dieser bereits ca 3 m innerhalb der Flughafenstraße. Der Erstbeklagte hupte und leitete in unmittelbarer Folge eine Vollbremsung ein, löste - als der Kläger zusammenzuckte, jedoch weiterging - kurz die Bremse und versuchte durch Linkslenken dem Kläger auszuweichen, was aber misslang. Die Anstoßgeschwindigkeit betrug ca 40 km/h. Hätte der Erstbeklagte durchgehend und ohne Unterbrechung voll gebremst (was auch die richtige Reaktion gewesen wäre), so hätte er die Kollisionsgeschwindigkeit auf 23 km/h reduzieren können, was eine um 2/3 geringere Anstoßenergie und damit auch geringere Unfallfolgen zur Folge gehabt hätte. Der Erstbeklagte hätte die Kollision aber auch gänzlich vermeiden können, wenn er auf den Kläger zumindest 3 m früher aufmerksam geworden wäre und reagieren hätte können. Zu diesem Zwecke hätte er entweder konzentriert auf den linken Fahrstreifen blicken oder zum Zeitpunkt seines Annähern mit Fernlicht fahren müssen. In beiden Fällen wäre eine frühere Reaktion möglich gewesen, wobei im Fernlicht sogar schon das Betreten der Flughafenstraße durch den Kläger für den Erstbeklagten bereits erkennbar gewesen wäre. Ein Annähern mit Fernlicht wäre in einem Bereich von 40 bis 50 m vor der späteren Unfallsstelle möglich gewesen, weil sich der Gegenverkehr noch in einer Entfernung von zumindest 200 m befunden hatte. Zumindest in Annäherung an diese Position hätte der Erstbeklagte das Fernlicht noch verwenden können.

Mit der am 18. 8. 1998 eingebrachten Klage begehrte der Kläger - ausgehend von einer angemessenen Schmerzengeldforderung von S 300.000,-- sowie unter Einräumung eines Mitverschuldens von 50 % - die Verurteilung der beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 150.000,-- samt 4 % Zinsen seit 12. 12. 1997 sowie die Feststellung, dass diese ihm - insoweit freilich ohne die Haftung zur ungeteilten Hand - für alle zukünftigen Ansprüche aus dem Unfall vom 29. 10. 1997 zur Hälfte haften und ersatzpflichtig sind, die zweitbeklagte Partei jedoch nur im Rahmen des Versicherungsvertrages mit der erstbeklagten Partei.

Das Erstgericht verurteilte die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 73.000,-- samt 4 % Zinsen seit 12. 12. 1997 und stellte fest, dass diese dem Kläger (insoweit nicht zur ungeteilten Hand) auch für alle zukünftigen Ansprüche aus dem Unfall zu einem Drittel haften und ersatzpflichtig sind, die zweitbeklagte Partei jedoch nur im Rahmen des Versicherungsvertrages mit der erstbeklagten Partei. Das Zahlungs- und Feststellungsmehrbegehren wurde - vom Kläger unangefochten und damit rechtskräftig - abgewiesen. Das Erstgericht ging dabei rechtlich davon aus, dass den beklagten Parteien zwar kein Verschulden anzulasten sei, der Haftungsfreibeweis nach § 9 Abs 2 EKHG nicht gelungen sei. Da der Kläger aber außergewöhnlich sorglos gehandelt habe, sei gemäß § 7 EKHG eine "Verschuldensteilung" 2 : 1 zu seinen Lasten gerechtfertigt. Da Spätfolgen aus dem Unfall nicht auszuschließen seien, komme auch dem Feststellungsbegehren in dieser Quote Berechtigung zu.

Das Berufungsgericht gab der lediglich von den beklagten Parteien wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung nicht Folge. Es sprach weiters aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt S 52.000,--, aber nicht S 260.000,-- übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht ging auch das Berufungsgericht davon aus, dass der Entlastungsbeweis nicht gelungen sei, weil ein besonders umsichtiger und sachkundiger Kraftfahrer bei Dunkelheit auf einer Freilandstraße, solange es der Gegenverkehr (wie hier vor dem Unfall) zugelassen habe, mit Fernlicht gefahren wäre, wodurch die vor ihm liegende Strecke (insbesondere an den Fahrbahnrändern) deutlich besser ausgeleuchtet und damit der Fußgänger entsprechend früher erkannt worden wäre. Eine Mithaftung zu einem Drittel sei aber auch unter diesen geänderten rechtlichen Bedingungen angemessen.

Die beklagten Parteien stellten einen Abänderungsantrag nach § 508 ZPO; in der damit verbundenen ordentlichen Revision machen sie den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend. Sie hätten den Entlastungsbeweis nach § 9 Abs 2 EKHG erbracht. Überdies hätte das Berufungsgericht die Beschränkung der Haftung auf die Höchstbeträge des EKHG von Amts wegen zu beachten gehabt.

Das Berufungsgericht änderte daraufhin seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision dahin ab, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei. Die Frage des Entlastungsbeweises berühre hier zwar keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Bei der Beurteilung der Haftungsbeschränkung liege aber eine Abweichung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und auch teilweise berechtigt.

Soweit zunächst die Haftung der beklagten Parteien zur Gänze - wie auch schon in den unteren Instanzen - deshalb abgelehnt wird, weil diesen der Entlastungsbeweis nach § 9 Abs 2 EKHG gelungen wäre, kann dem nicht beigepflichtet werden. Selbst wenn der Erstbeklagte nämlich - worauf in der Revision der Schwerpunkt der Argumentation gelegt wird - zufolge Annäherung eines Gegenfahrzeuges in rund 200 m gemäß § 99 Abs 4 lit c KFG (zur Vermeidung einer Blendung desselben) nicht gehalten gewesen wäre, auf der von ihm benützten Freilandstraße das Fernlicht einzuschalten, wäre es nach den weiteren Feststellungen des Erstgerichtes jedenfalls die richtige(re) Reaktion gewesen, anstatt vor der Kollision die Bremse nochmals loszulassen und auszulenken, die bereits begonnene Vollbremsung ohne Unterbrechung fortzusetzen, wodurch sich letztlich die Kollisionsgeschwindigkeit von 40 auf 23 km/h reduziert und damit die Unfallfolgen (zufolge der geringeren Anstoßenergie) um rund 2/3 vermindert hätten (S 7 des Ersturteils). Jedenfalls dieser Umstand kann - bei der nach dem EKHG gebotenen strengsten Sicht (ZVR 1971/179, 1987/11) - daher als Verstoß gegen die nach § 9 Abs 2 EKHG gebotene äußerste Sorgfaltspflicht nicht unberücksichtigt bleiben. Im Übrigen wird insoweit auf die zutreffenden rechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen (§ 510 Abs 3 ZPO). Dies gilt auch für die getroffene Schadensteilung (ZVR 1990/24 uam).

Die Haftungsbeschränkung nach den Haftungshöchstgrenzen der §§ 15 bzw 16 EKHG ist nach der der ständigen und einhelligen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bei einem Feststellungsbegehren - als zur rechtlichen Beurteilung gehörig - von Amts wegen zu beachten (2 Ob 195/97h; zuletzt 2 Ob 296/99i; ebenso auch OLG Innsbruck ZVR 1985/69; Danzl EKHG6 E 10 zu § 15). Im Antrag des Halters und des Haftpflichtversicherers auf Abweisung des Klagebegehrens ist - wie der erkennende Senat zuletzt in seiner Entscheidung vom 8. 9. 2000, 2 Ob 296/99i, ausgeführt hat - jedenfalls auch ein Antrag auf Einschränkung ihrer Haftung auf die Höchstbeträge gemäß EKHG zu sehen (ZVR 1992/70). Die Entscheidung des Berufungsgerichtes war daher im Sinne des darauf gerichteten Revisionsantrages abzuändern. Die Haftungsbegrenzung war dabei ausdrücklich nur auf § 15 EKHG zu beschränken, weil der Kläger in seiner Klage nur Personen-(Schmerzengeld) und nicht auch Sachschäden geltend gemacht hat. Da nur das Leistungsbegehren, nicht auch das Feststellungsbegehren die Solidarhaftung der beklagten Parteien geltend macht, hat es auch hiebei zu verbleiben (§ 405 ZPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 43 Abs 2 und 50 ZPO. Die beklagten Parteien sind nur mit einem geringfügigen Teil ihres Revisionsbegehrens durchgedrungen und haben daher dem Kläger die gesamten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen (2 Ob 296/99i). Im Hinblick darauf waren auch die Kostenentscheidungen der Vorinstanzen unverändert zu belassen.

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