OGH 6Ob213/00t

OGH6Ob213/00t5.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Baumann, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Maximilian H*****, gegen die beklagte Partei Heinrich D*****, vertreten durch Dr. Stephan Messner, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, wegen 99.690,60 S über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 15. März 2000, GZ 22 R 104/00a-12, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Schwanenstadt vom 17. Jänner 2000, GZ 4 C 106/99s-8, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Beklagte wird auf Zahlung von zuletzt 99.690,60 S für rechtsanwaltliche Leistungen in Anspruch genommen. Er erhob Einspruch gegen den antragsgemäß erlassenen Zahlungsbefehl, worauf das Erstgericht eine Tagsatzung für den 31. 8. 1999 anberaumte und den Beklagten unter Anschluss einer Rechtsbelehrung lud. Diese enthielt den Hinweis auf die erforderliche anwaltliche Vertretung. Die Beklagte blieb dieser Tagsatzung fern; das bei dieser Tagsatzung ergangene Versäumungsurteil wurde dem Beklagten am 8. 9. 1999 mit einer Rechtsmittelbelehrung über die Möglichkeiten, Berufung oder Widerspruch zu erheben oder Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen, zugestellt.

Am 12. 11. 1999 beantragt der Beklagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur rechtzeitigen Vornahme eines Wiedereinsetzungsantrages gegen die Versäumung der Tagsatzung vom 31. 8. 1999 und/oder gegen die Versäumung der Widerspruchsfrist gegen das Versäumungsurteil vom 31. 8. 1999. Er sei durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, nämlich missverständliche Äußerungen bei Gericht, gehindert worden, gegen das Versäumungsurteil einen Wiedereinsetzungsantrag bzw Widerspruch zu erheben, sodass ihn an der Versäumung der Fristen kein Verschulden treffe. Er habe die Rechtsbelehrung auf der Ladung zur Tagsatzung vom 31. 8. 1999, worin auf die erforderliche Vertretung durch einen Rechtsanwalt hingewiesen wurde, nicht richtig verstanden und sei der Meinung gewesen, er könne sich im Verfahren selbst vertreten. Er habe sich überdies für die Verhandlung rechtzeitig per Telefax entschuldigt, habe noch innerhalb der Rechtsmittelfrist den Erstrichter aufgesucht und diesen auf die seiner Meinung nach missverständliche Rechtsbelehrung hingewiesen und ihn gebeten, das Versäumungsurteil aufzuheben, mit dem Kläger Rücksprache zu halten und einen neuen Termin festzusetzen. Der Erstrichter habe ihm darauf keine anderslautende Rechtsbelehrung gegeben und ihn insbesondere nicht über die Möglichkeit eines Widerspruches aufgeklärt, sodass er der Meinung gewesen sei, die Angelegenheit sei erledigt und er müsse nichts mehr unternehmen, weil der Erstrichter dies in die Hand nehmen werde. Erst durch die Zustellung des Exekutionsbewilligungsbeschlusses am 5. 11. 1999 sei er auf die Rechtskraft des Versäumungsurteiles aufmerksam geworden, die Frist zur Erhebung des Wiedereinsetzungsantrages habe erst zu diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen.

Das Erstgericht wies die Wiedereinsetzungsanträge als verspätet zurück. Der Beklagte habe im Zuge seines Ehescheidungsverfahrens und den daran anschließenden Folgeprozessen über Jahre eingehende Erfahrungen mit den Vorgängen bei Gericht gemacht und Kenntnis über die Bedeutung der den Ladungen beigefügten Rechtsbelehrungen erlangt. Anlässlich seiner häufigen Vorsprachen beim Amtstag des Gerichtes sei er auch nachdrücklich auf die Notwendigkeit anwaltlicher Vertretung hingewiesen worden, habe jedoch wiederholt erklärt, sich einen Anwalt "ersparen" zu wollen. Es habe ihm daher klar sein müssen, dass er Mitteilungen und Belehrungen genau lesen müsse. Obgleich er anlässlich der Ladung auf das Erfordernis anwaltlicher Vertretung sowie darauf hingewiesen worden sei, dass schriftliche Eingaben nicht berücksichtigt werden können, habe er es unterlassen, sich um die erforderliche Rechtsvertretung zu kümmern. Ein Hindernis, das ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darstellen könnte, habe der Beklagte nicht bescheinigt. Der Fristenlauf zur Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages beginne daher schon mit dem Tag der Tagsatzung vom 31. 8. 1999, sodass die Wiedereinsetzungsanträge jedenfalls verspätet seien.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten insoweit teilweise Folge, als es die Wiedereinsetzungsanträge abwies.

Entscheidungswesentlich sei, ob der Beklagte mit seinem Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Tagsatzung vom 31. 8. 1999 und mit der Erhebung des Widerspruchs gegen das ihm am 8. 9. 1999 zugestellte Versäumungsurteil bis zur Zustellung des Exekutionsbewilligungsbeschlusses am 5. 11. 1999 habe zuwarten dürfen oder ob dieses Zuwarten auf einer auffallenden Sorglosigkeit beruhe. Schon unter Zugrundelegung der Antragsbehauptungen sei davon auszugehen, dass die Fristversäumnis keinesfalls mehr als minderer Grad des Versehens gewertet werden könne; es erübrige sich daher die Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens zum diesbezüglichen Antragsvorbringen. Dem Beklagten habe nach der dem Versäumungsurteil angeschlossenen schriftlichen Rechtsmittelbelehrung klar sein müssen, dass er zur Bekämpfung des Versäumungsurteiles zumindest einen der in Betracht kommenden Rechtsbehelfe ergreifen müsse und für diese Prozesshandlungen absolute Anwaltspflicht bestehe. Er habe daher niemals davon ausgehen können, dass der Erstrichter in völlig gesetzwidriger Weise das erlassene Versäumungsurteil von Amts wegen aufheben werde; er behaupte auch nicht, dass der Erstrichter ihm nur andeutungsweise eine derartige Vorgangsweise in Aussicht gestellt habe. Der Beklagte habe es vielmehr in dieser Situation unterlassen, innerhalb von 14 Tagen ab Zustellung des Versäumungsurteiles einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung zu beauftragen und fristgerecht Widerspruch zu erheben oder einen Wiedereinsetzungsantrag einzubringen; darin sei eine grobe Außerachtlassung der beim Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderlichen und dem Beklagten nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbaren Sorgfalt zu erblicken. Das Verhalten des Beklagten lasse nur den Schluss zu, dass er nicht gewillt sei, die Belehrungen des Gerichtes über die hier bestehende absolute Anwaltspflicht zur Kenntnis zu nehmen. Die Versäumung sei daher voraussehbar gewesen und hätte durch ein ihm zumutbares Verhalten abgewendet werden können. Er habe daher selbst dann, wenn man seine Behauptungen im Wiedereinsetzungsantrag als richtig unterstellte, die Versäumung der Tagsatzung und des Widerspruches gegen das Versäumungsurteil durch auffallende Sorglosigkeit verschuldet. Ein weiteres Bescheinigungsverfahren erübrige sich.

Das Rekursgericht sprach - nach entsprechender Antragstellung des Beklagten (§ 528 Abs 2a ZPO) - aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch zulässig sei, weil Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehle und nicht ausgeschlossen erscheine, dass gegenüber dem anwaltlich nicht vertretenen Beklagten ein zu hoher Sorgfaltsmaßstab angelegt worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Beklagten unterliegt zwar nicht dem Rechtsmittelausschluss nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO, weil er keine bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes anficht. Er ist jedoch entgegen dem, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Wiedereinsetzung zu verweigern, wenn die Versäumung voraussehbar war und durch ein der Partei zumutbares Verhalten hätte abgewendet werden können (EvBl 1991/18 ua; RIS-Justiz RS0036778). Der nach dem Aktenstand prozesserfahrene Beklagte hat ungeachtet der ihm anlässlich der Zustellung des Versäumungsurteiles übermittelten schriftlichen Rechtsbelehrung weder einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung beauftragt noch Verfahrenshilfe zur Erhebung eines Widerspruches oder eines Wiedereinsetzungsantrages wegen Versäumung der Tagsatzung beantragt. Er bringt in seinem Wiedereinsetzungsantrag zwar vor, er habe den Gerichtsvorsteher des Erstgerichts gebeten, das Versäumungsurteil aufzuheben, mit dem Kläger Rücksprache zu halten und einen neuen Termin festzusetzen, räumt aber gleichzeitig ein, der Gerichtsvorsteher habe ihm darauf keine anderslautende Rechtsbelehrung gegeben.

Die Frage, ob ein allfälliger, durch das Fehlen einer nochmaligen Rechtsbelehrung hervorgerufener Irrtum des Beklagten über die Möglichkeiten, das Versäumungsurteil aufzuheben, auf einer auffallenden Sorglosigkeit oder einem "minderen Grad des Versehens" (§ 146 Abs 1 zweiter Satz ZPO idF Art IV Z 24 der ZVN 1983) beruht, richtet sich nach den konkreten Umständen des zu beurteilenden Einzelfalles; es kommt ihnen somit keine über diesen Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Die Auffassung des Rekursgerichtes, auch unter Zugrundelegung des Beklagtenvorbringens sei von einer auffallenden Sorglosigkeit des Beklagten auszugehen, stellt angesichts der dem Beklagten zugekommenen eindeutigen schriftlichen - und auch richtigen - Rechtsbelehrung (vgl EvBl 1987/94) keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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