OGH 9ObA188/00p

OGH9ObA188/00p20.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Werner Hartmann und Rat DI Werner Conrad als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Thomas R*****, Arbeiter, *****, vertreten durch Puttinger, Vogl & Partner, Rechtsanwälte in Ried, gegen die beklagte Partei D*****GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 110.378,88 brutto sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. Mai 2000, GZ 13 Ra 11/00s-20, mit dem über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. Jänner 2000, GZ 42 Cga 99/99a-15, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger war vom 6. 4. 1998 bis 5. 10. 1998 bei der Beklagten als "Chef de Bar" auf dem Kreuzfahrtschiff M***** beschäftigt. Das Schiff steht im Eigentum der D*****GmbH, einer 100%igen Tochter der Beklagten. Geschäftsführer beider Gesellschaften, die auch gewinn- und verlustmäßig verbunden sind, ist Dr. Wolfgang L*****; weitere Geschäftsführerin der Beklagten ist seine Gattin. Die Beklagte betreibt je ein Reisebüro in Innsbruck und Wien. Sie verfügt über die Berechtigung für das Reisebürogewerbe; die D***** GmbH hat eine Gastgewerbeberechtigung. Die Beklagte beschäftigt sich vorrangig mit der Veranstaltung von Kreuzfahrten auf eigenen bzw. gecharterten Schiffen; es werden Kreuzfahrtprodukte erstellt und weltweit verkauft. Die Kreuzfahrten mit der M***** führten normalerweise von Amsterdam bis zum Schwarzen Meer; seit mehreren Jahren aber nur mehr bis Budapest. Sie dauern 7 bis 14 Tage und werden inklusive Unterbringung und Vollpension angeboten. Das nautische Personal für die M***** wurde von der D*****GmbH beschäftigt, das gastronomische Personal von der Beklagten, wobei Teile des gastronomischen Personals sowie auch des Reinigungspersonals von der Beklagten geleast wurden.

Im Februar oder März 1998 wurde zwischen dem Kläger und den Geschäftsführern der Beklagten besprochen, dass der Kläger ab 6. 4. 1998 als Kellner an der Bar auf der M***** beschäftigt werden sollte. Daneben sollte er auch das Getränkeservice während der Mahlzeiten übernehmen. Es wurde vereinbart, dass der Kläger alle sieben Tage der Woche arbeiten und eine Nettoentlohnung von S 14.000,- pro Monat erhalten solle. Dass über Überstunden und deren Abgeltung, über die Abgeltung des Ruhetags sowie über Zahlungen für Feiertage gesprochen wurde, ist ebensowenig feststellbar wie eine Zusage des Geschäftsführers der Beklagten, den siebenten Tag der Woche am Ende der Saison aufzuzahlen. Über die konkrete Arbeitszeit an Bord wurde nicht gesprochen. Der Kläger erhielt einen schriftlichen Arbeitsvertrag, in dem überdies der Passus enthalten ist, dass "in dieser Entlohnung ... die erfahrungsgemäß im Rahmen einer Tätigkeit auf einem Passagierschiff anfallenden Überstunden, Zeitausgleich etc. vollständig abgegolten" sind. Ferner ist festgehalten, dass im Gehalt auch die freie Unterkunft an Bord sowie die Verpflegung enthalten sind. Der Vertrag enthält keine Befristung; auf einen bestimmten Kollektivvertrag wird nicht verwiesen.

In der Zeit vom 6. 4. bis 12. 4. 1998 war der Kläger damit beschäftigt, den Barbereich des Schiffs zu reinigen und herzurichten; zudem wurde er eingeschult. In dieser Zeit arbeitete er durchschnittlich von 9.00 bis 17.00 Uhr mit einer Stunde Mittagspause. Während der Kreuzfahrt arbeitete er durchschnittlich 10 Stunden täglich, und zwar von 9.00 Uhr bis ca. 22.00 Uhr, wobei er zwischen 11.30 und 12.00 Uhr sowie zwischen 17.30 bis 18.00 Uhr Mahlzeiten einnahm und von 13.30 bis 15.30 Uhr eine Zimmerstunde hatte (zu seiner Tätigkeit siehe im Detail die Feststellungen S 8 - 10 des Ersturteils). An zwei Tagen wurden nur Positionsfahrten durchgeführt. An diesen Tagen fielen nur ca zwei Stunden Arbeit an.

Der Geschäftsführer der Beklagten erschien jede Woche zumindest einmal an Bord. Der Kläger beschwerte sich nie, dass er zu viele Stunden arbeite. Darüber wurde nicht gesprochen. Der Kläger gab immer an, es gefalle ihm ausgezeichnet. Er stellte während des aufrechten Arbeitsverhältnisses nie Forderungen nach höherer Entlohnung oder nach Abgeltung irgendwelcher Arbeitsleistungen.

Während der gesamten Dauer des vom Kläger durch Kündigung mit 5. 10. 1998 beendeten Arbeitsverhältnisses konsumierte der Kläger keinen Tag Urlaub. Er arbeitete an jedem Tag, auch an den Feiertagen.

Mit Schreiben vom 8. 10. 1998 verlangte er erstmals die Abrechnung und Abgeltung der während des Arbeitsverhältnisses geleisteten Überstunden (auch für die Berechnung von Sonderzahlungen und Urlaubsentschädigung) sowie das Entgelt für nicht gewährte freie Tage und für nicht gewährte Wochenendruhe.

Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger S 110.378,88 brutto sA. Auf das Arbeitsverhältnis sei der Kollektivvertrag für Arbeiter im Gastgewerbe in Tirol anzuwenden. Demgemäß habe der kollektivvertragliche Mindestlohn brutto 16.000,- betragen. Im Arbeitsvertrag sei eine "All-in-Vereinbarung" getroffen worden, wobei ein Bruttomonatslohn von S 19.861,- zur Abrechnung gelangt sei. Durch die überkollektivvertragliche Entlohnung seien wöchentlich 6,12 Überstunden abgedeckt worden. Tatsächlich habe er aber ca 30 Überstunden pro Woche geleistet, wobei er hievon vorsichtshalber nur 20 geltend mache (insgesamt somit 520 Überstunden). Weiters gebührten ihm für die Arbeit an fünf Feiertagen S 4.513,68 brutto und für die nicht konsumierten Ruhezeiten S 23.638,- brutto.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Sie gehöre ausschließlich dem Fachverband für Reisebüroangestellte an, sodass der Kollektivvertrag für das Gastgewerbe nicht anwendbar sei. Der Kläger habe nur Arbeitertätigkeit verrichtet, weshalb er sich auch nicht auf den Kollektivvertrag für Reisebüroangestellte, sondern nur auf die gesetzlichen Bestimmungen berufen könne. Überstunden, die nicht durch den vereinbarten Bruttolohn abgegolten seien, habe der Kläger nicht geleistet. Überdies sei das begehrte Überstundenentgelt bei Anwendung des Kollektivvertrages für das Gastgewerbe verfallen. Der Kläger sei auch nicht Barchef, sondern Kellner gewesen. Schließlich brachte die Beklagte vor, dass auf das Arbeitsverhältnis der Kollektivvertrag für die Dienstnehmer der Donau-Schifffahrt Anwendung finde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die Beklagte nur über die Gewerbeberechtigung für das Gewerbe der Reisebüros gemäß § 166 GewO verfüge. Die Verköstigung mit Speisen und Getränken sei durch diese Gewerbeberechtigung nicht gedeckt, sondern stelle eine Tätigkeit im Sinne des § 142 GewO dar, für die eine Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe erforderlich sei. Zur Durchführung der Reiseveranstaltung samt gastronomischer Leistungen bediene sich die Beklagte der Gastgewerbekonzession der D*****GmbH. Ungeachtet der fehlenden Gastgewerbekonzession der Beklagten fingiere § 2 Abs 13 GewO die Geltung des für dieses Gewerbe geltenden Kollektivvertrags. Da weder vom Vorhandensein mehrerer Betriebe noch von einer organisatorischen Trennung ausgegangen werden könne, finde gemäß § 9 Abs 3 ArbVG jener Kollektivvertrag Anwendung, der für den fachlichen Wirtschaftsbereich gelte, der für den Betrieb die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung habe. Dies sei hier die Veranstaltung und die Vermittlung von Reisen. Damit komme der Kollektivvertrag für Reisbüroangestellte zur alleinigen Anwendung. Da aber der Kläger eine reine Arbeitertätigkeit ausgeübt habe und für Arbeiter in Reisebüros kein Kollektivvertrag bestehe, könne sich der Kläger mit seinen Ansprüchen nur auf das Gesetz berufen. Nach dem Arbeitsvertrag seien mit dem vereinbarten Entgelt sämtliche vom Kläger geltend gemachten Leistungen abgegolten.

Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Berufungsgericht dieses Urteil auf und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Das Berufungsgericht verwies auf den Umstand, dass der mit dem Arbeitsvertrag als "Chef de Bar" betraute Kläger neben der Tätigkeit an der Bar auch das Getränkeservice während der Mahlzeiten im Speisesaal übernommen habe. Die Gewerbeberechtigung für das Reisebürogewerbe umfasse nicht die Berechtigung für den Ausschank von alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken und den Verkauf dieser Getränke in unverschlossenen Gefäßen; hiefür bedürfe es einer Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe, welche die Beklagte nicht besitze. Wohl aber verfüge die D***** GmbH über diese Berechtigung. Nach den Feststellungen könne nicht beurteilt werden, ob die Verpflegung der Reiseteilnehmer an Bord der M***** in die Betriebstätigkeit der D*****GmbH oder der Beklagten falle. Dass das gastronomische Personal entweder direkt von der beklagten Partei beschäftigt oder von ihr geleast wird, reiche für die Schlussfolgerung, die Beklagte übe eine gastgewerbliche Tätigkeit aus, nicht aus. Schließlich sei es denkbar, dass die Beherbergung der Gäste und die Verabreichung der Speisen und Getränke von der D***** GmbH im Rahmen ihrer Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe besorgt werde, während ihr das gastronomische Personal von der beklagten Partei überlassen werde. Ob im Fall des Klägers eine Überlassung von Arbeitskräften iS des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG) vorliege, in welchem Fall gemäß § 10 Abs 1 AÜG bei der Beurteilung des angemessenen ortsüblichen Entgelts für die Dauer der Überlassung auf das im Beschäftigerbetrieb vergleichbaren Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlende kollektivvertragliche Entgelt Bedacht zu nehmen wäre, könne daher nicht abschließend beurteilt werden.

Sollte die Beklagte den Barbetrieb im Rahmen ihrer Unternehmenstätigkeit ausüben, handle es sich um die unbefugte Ausübung des Gastgewerbes. Betreibe ein Arbeitgeber neben einem Gewerbe, für das eine aufrechte Gewerbeberechtigung bestehe, unbefugt ein anderes Gewerbe, fingiere § 2 Abs 13 GewO die Geltung des für dieses Gewerbe geltenden Kollektivvertrags. § 2 Abs 13 GewO normiere einen besonderen Fall der Kollektivvertragsangehörigkeit. Welcher Kollektivvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung zu finden habe, sei nach den Regeln des § 9 ArbVG zu ermitteln. Lasse sich die unternehmerische Tätigkeit nicht nur fachlich, sondern auch organisatorisch abgrenzen, komme gemäß § 9 Abs 1 und 2 ArbVG der Grundsatz der Tarifvielfalt zum Tragen, sei eine solche organisatorische Abgrenzung nicht möglich, gelte gemäß § 9 Abs 3 und 4 ArbVG der Grundsatz der Tarifeinheit.

Für die Beurteilung, ob es sich beim Barbetrieb auf der M***** um eine organisatorisch und fachlich abgegrenzte Betriebsabteilung der Beklagten iS des § 9 Abs 2 ArbVG handle, fehle ein entsprechendes Tatsachensubstrat. Hiezu bedürfe es der Klarstellung, ob die gastgewerbliche Tätigkeit im Rahmen des Barbetriebes von der Beklagten oder der D*****GmbH entfaltet werde. Sollte der Barbetrieb von der Beklagten geführt werden, sei zu prüfen, ob es sich dabei um eine organisatorisch abgegrenzte Betriebsabteilung handle (zu den dazu vom Berufungsgericht für maßgebend erachteten Kriterien S 15 u. 16 des Berufungsurteils). Sei dies zu bejahen, habe auf den Kläger gemäß §§ 2 Abs 13 GewO und § 9 Abs 1 ArbVG der Kollektivvertrag für das Gastgewerbe Anwendung zu finden.

Da den erörterten Rechtsfragen erhebliche Bedeutung iS des § 46 Abs 1 ASGG zukomme, sei der Rekurs an den Obersten Gerichtshof gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO zuzulassen.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass der Berufung des Klägers nicht Folge gegeben werden.

Der Kläger beantragt, den Rekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, weil nach § 45 Abs 3 ASGG der Ausspruch des Berufungsgerichts über die Zulässigkeit des Rekurses nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG nicht abhängt.

Der Rekurs ist aber nicht berechtigt.

Das Rekursvorbringen erschöpft sich im Einwand, dass nach § 3 Abs 1 Z 15 GewO der Betrieb von Schifffahrtsunternehmen nicht der GewO unterliegt und dass daher die Bewirtschaftung von Schiffsrestaurants oder Schiffsbuffets nur dann unter die Gewerbeordnung falle, wenn das Schiffsrestaurant oder Schiffsbuffet von einem eigenen Unternehmen gesondert bewirtschaftet werde. Die Anwendung der GewO scheide daher für die D***** (Anmerkung: diese verfügt - im Gegensatz zur Beklagten - nach den Feststellungen ohnedies über die erforderliche Gewerbeberechtigung) aus.

Richtigerweise nimmt § 2 Abs 1 Z 15 GewO zwar den Betrieb von Schifffahrtsunternehmen mit Wasserfahrzeugen ohne Einschränkung von der Anwendung der GewO aus, die Bewirtschaftung von Schiffsrestaurants und -buffets aber nur - Gegenseitigkeit vorausgesetzt - sofern die Restaurants oder Buffets auf Wasserfahrzeugen ausländischer Schifffahrtsunternehmen durch ausländische Unternehmen bei Fahrten vom Ausland aus durch Österreich oder vom Ausland aus nach Österreich oder umgekehrt betrieben werden. Ansonsten unterliegt der Betrieb von Gastgewerben auf Wasserfahrzeugen der GewO ( §§ 124 Z 8, § 142 GewO; Kinscher/Sedlak, GewO, Anm 102 zu § 2).

Der einzige Einwand der Rekurswerberin ist daher unzutreffend.

Aus Anlass des zulässigen Rechtsmittels ist jedoch aufzugreifen, dass es der vom Berufungsgericht aufgetragenen Verfahrensergänzung darüber, ob der Gastgewerbe- bzw. Barbetrieb von der D*****GmbH oder von der Beklagten betrieben wird bzw. - falls von letzterer - ob es sich dabei um eine organisatorisch und fachlich abgegrenzte Betriebsabteilung der Beklagten handelt, nicht bedarf.

Wird die gastgewerbliche Tätigkeit von der (dazu berechtigten) D*****GmbH betrieben, so ist - wie schon das Berufungsgericht richtig und unwidersprochen ausgeführt hat - im Hinblick darauf, dass das gastronomische Personal von der Beklagten aufgenommen und für die gastgewerbliche Tätigkeit zur Verfügung gestellt wird, von einer Überlassung von Arbeitskräften im Sinn des AÜG auszugehen. Damit käme § 10 AÜG zum Tragen.

Nach Satz 1 dieser Bestimmung hat die Arbeitskraft Anspruch auf ein angemessenes, ortsübliches Entgelt, das mindestens einmal monatlich auszuzahlen ist. Gemäß Satz 2 bleiben Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, denen der Überlasser unterworfen ist, unberührt. Schließlich ist gemäß Satz 3 bei der Beurteilung der Angemessenheit für die Dauer der Überlassung auf das im Beschäftigerbetrieb vergleichbaren Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlende kollektivvertragliche Entgelt Bedacht zu nehmen. Mit Satz 1 und 2 dieser Bestimmung wird der gemäß § 11 Abs 1 Z 1 AÜG schon vor Überlassung zwischen Überlasser und Arbeitskraft unabhängig von der einzelnen Überlassung zu vereinbarende Entgeltgrundanspruch inhaltlich geregelt, während Satz 3 eine ergänzende Regelung für die Zeit der Überlassung trifft (SZ 64/161).

Für die Dauer der Überlassung ist nach dieser Regelung bei der Beurteilung der Angemessenheit auf das im Beschäftigerbetrieb vergleichbaren Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlende kollektivvertragliche Entgelt "Bedacht zu nehmen", wobei der Ausdruck "Bedachtnahme" iS eines Anspruchs der überlassenen Arbeitskraft auf die Mindestentgelte nach dem Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebs (nicht aber auf die überkollektivvertraglichen Istlöhne) zu verstehen ist (SZ 64/161; Arb 10.979; DRdA 1993/46; DRdA 1994/1 ua). Dieser Anspruch steht der Arbeitskraft unabhängig davon zu, ob im Überlasserbetrieb ein Kollektivvertrag existiert (DRdA 1994/1). Ein höherer Grundentgeltanspruch bleibt unberührt (SZ 64/161).

Das bedeutet hier, dass der Kläger, falls er von der Beklagten der D*****GmbH überlassen wurde, iS § 10 Abs 1 Satz 3 AÜG jedenfalls Anspruch auf das durch den Kollektivvertrag für das Gastgewerbe bestimmte Entgelt hat.

Aber auch dann, wenn der Barbetrieb von der Beklagten selbst betrieben wurde, hat der Kläger in jedem Falle Anspruch auf dieses Entgelt, weil dann - ohne Rücksicht darauf, ob eine organisatorisch und fachliche Betriebsabteilung vorliegt - der genannte Kollektivvertrag aus folgenden Überlegungen unmittelbar anwendbar ist.

Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, hätte die Beklagte im zuletzt genannten Fall das Gastgewerbe unbefugt ausgeübt. Damit käme § 2 Abs 13 GewO zur Anwendung, der normiert, dass Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, die für Arbeitsverhältnisse zu Arbeitgebern gelten, welche ihre Tätigkeiten auf Grund von Gewerbeberechtigungen ausüben, auch für Arbeitsverhältnisse zu jenen Arbeitgebern Geltung haben, welche diese Tätigkeiten ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung ausüben. Es wird also die Geltung des für das ausgeübte Gewerbe geltenden Kollektivvertrages fingiert, was von der Rechtsprechung als besonderer Fall der Kollektivvertragsangehörigkeit gewertet wird (DRdA 1998/9; RIS-Justiz RS0108232). Ebenso zutreffend hat schon das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass in einem solchen Fall die Frage, welcher von mehreren konkurrierenden Kollektivverträgen auf das konkrete Arbeitsverhältnis anzuwenden ist, nach den Regeln des § 9 ArbVG zu ermitteln ist (DRdA 1998/9).

Hätte die Beklagte den Barbetrieb als eigenen Betrieb oder als fachlich und organisatorisch abgegrenzte Abteilung geführt, käme nach § 9 Abs 1 und 2 ArbVG der für diesen Betrieb bzw. die Betriebsabteilung geltende Kollektivvertrag - hier also der Kollektivvertrag für die Arbeiter im Gastgewerbe - zur Anwendung. Wäre jedoch der Barbetrieb von der Beklagten ohne organisatorische Trennung im oben beschriebenen Sinn geführt worden, wäre iS § 9 Abs 3 und 4 ArbVG bei der Ermittlung des anzuwendenden Kollektivvertrags ArbVG darauf abzustellen, welcher Wirtschaftsbereich die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung hat, bzw. - hilfsweise - welcher Wirtschaftsbereich die größere Anzahl von Arbeitnehmern erfasst. Dies könnte allerdings - abhängig vom hier nicht festgestellten Sachverhalt - unter Umständen dazu führen, dass auf das Arbeitsverhältnis des Klägers, der eine reine Arbeitertätigkeit ausgeübt hat, überhaupt kein Kollektivvertrag anwendbar wäre, weil der hier zu beurteilende Sachverhalt von der Besonderheit gekennzeichnet ist, dass es für das Reisebürogewerbe nur einen Angestellten-Kollektivvertrag, aber keinen Kollektivvertrag für Arbeiter gibt.

Mit dieser Besonderheit - nämlich mit der Konstellation, dass es für eine der in einem Mischbetrieb ausgeübten Tätigkeiten einen Arbeiter-Kollektivvertrag, für die andere hingegen nur einen Angestellten-Kollektivvertrag gibt, hat sich der Oberste Gerichtshof bereit in der Entscheidung DRdA 1991/39 auseinandergesetzt. Er vertrat in dieser Entscheidung die Auffassung, dass in einem solchen Fall die unmittelbare Anwendung des § 9 Abs 3 ArbVG ausscheide, weil diese Bestimmung iVm § 8 ArbVG voraussetze, dass zumindest zwei konkret anwendbare Kollektivverträge vorliegen. Im Falle einer analogen Anwendung des § 9 Abs 3 ArbVG hätte sich auch im der Vorentscheidung zugrunde liegenden Fall die dortige Klägerin auf keinen Kollektivvertrag berufen können. Eine solche Wertung - so der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung - widerspreche den tragenden Grundsätzen des kollektiven Arbeitsrechts. Auch im in der Vorentscheidung zitierten Fall unterlag die Klägerin - wie hier der Kläger - lediglich jenem Kollektivvertrag, der auf sie im Fall einer organisatorischen Abgrenzung der Betriebsabteilungen ohnedies anzuwenden wäre. Bei dieser Konstellation könne aber der für die Arbeitnehmerin gar nicht anwendbare Kollektivvertrag den für sie anwendbaren und ihrer Tätigkeit entsprechenden nicht verdrängen (vgl im Übrigen die ausführliche Begründung in DRdA 1991/39).

An dieser Rechtsauffassung, der Resch mit eingehender Begründung zugestimmt hat (vgl. die Glosse zu DRdA 1991/39), ist auch im hier zu beurteilenden Fall festzuhalten. Das bedeutet, dass im Falle der Führung des Barbetriebs durch die Beklagte der Kläger in jedem Fall - so wie auch im Falle der Führung des Barbetriebs durch die D*****GmbH - Anspruch auf das im Kollektivvertrag für das Gastgewerbe normierte Entgelt hat.

Auch im Hinblick auf den von der Beklagten erhobenen Einwand, nach der Verfallsbestimmung des Kollektivvertrages sei ein Teil des begehrten Überstundenentgeltes bereits verfallen, besteht zwischen der Bedachtnahme auf die Entgeltbestimmungen des zitierten Kollektivvertrag im Wege des § 10 AÜG und der unmittelbaren Anwendung des Kollektivvertrages kein Unterschied. Da die Entgeltbestimmungen des Kollektivvertrages von den für den Entgeltanspruch geltenden Verfallsbestimmungen nicht zu trennen sind, sind auch die zuletzt genannten Bestimmungen im Wege des § 10 AÜG auf den Kläger anzuwenden (SZ 66/47; RIS-Justiz RS0050706).

Allerdings ist zu beachten, dass nach der geltend gemachten Verfallsbestimmung Entgeltansprüche für Überstunden dann verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 4 Monaten nach Durchführung der Lohnabrechnung über deren Leistungen ... beim Arbeitgeber oder dessen Stellvertreter schriftlich geltend gemacht werden. Die Beklagte hat aber gar nicht behauptet, je eine solche Lohnabrechnung durchgeführt und dem Kläger mitgeteilt zu haben. Eine solche Behauptung wäre aber gerade im hier zu beurteilenden Fall erforderlich gewesen, weil der Kläger, dem jeweils der der Nettolohnvereinbarung entsprechende Betrag ausgezahlt wurde, vorgebracht hat, eine solche Abrechnung nie erhalten zu haben. Auf dieser Grundlage ist aber der Verfall der geltend gemachten Überstundenentgelte zu verneinen.

Da allerdings das Verfahren hinsichtlich der noch nicht restlos geklärten Höhe der Klageforderung ergänzungsbedürftig ist, hat es bei der Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung zu verbleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

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