OGH 10ObS216/00p

OGH10ObS216/00p5.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Lang (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ernst Boran (aus dem Kreis der Arbeitnehmer als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei mj. Michael W*****, geboren am 4. August 1994, vertreten durch die Mutter und gesetzliche Vertreterin Beate W*****, diese vertreten durch Dr. Walter Brandt, Rechtsanwalt in Schärding, gegen die beklagte Partei Land Oberösterreich als Pflegegeldträger, 4010 Linz, Altstadt 30, vertreten durch Dr. Heinz Oppitz und Dr. Heinrich Neumayr, Rechtsanwälte in Linz, wegen Pflegegeld, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. April 2000, GZ 12 Rs 111/00f-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgericht vom 7. Februar 2000, GZ 19 Cgs 156/99h-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, zurückgewiesen.

Im Übrigen wird der Revision Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die hinsichtlich des Zuspruches von Pflegegeld der Stufe 4 als unbekämpft unberührt bleiben, werden im Übrigen im Umfang des Differenzbetrages zwischen den Pflegegeldstufen 4 und 7 aufgehoben und die Sozialrechtssache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung

Der am 4. 8. 1994 geborene Kläger bezieht auf Grund des in Rechtskraft erwachsenen Urteiles des Erstgerichtes vom 9. 9. 1998, GZ 14 Cgs 54/98w-10, seit 1. 8. 1997 Pflegegeld der Stufe 3.

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 19. 5. 1999 wurde der Antrag des Klägers vom 11. 1. 1999 auf Erhöhung des Pflegegeldes abgelehnt.

Das Erstgericht gab der vom Kläger dagegen rechtzeitig erhobenen und in seinem Urteilsbegehren auf die Gewährung des Pflegegeldes der Stufe 5 im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 2. 1999 gerichteten Klage dahin statt, dass es die beklagte Partei schuldig erkannte, dem Kläger ab 1. 2. 1999 Pflegegeld der Stufe 7 in Höhe von monatlich S 21.074,-- zu gewähren. Es ging bei seiner Entscheidung davon aus, dass beim Kläger eine geistige Retardierung und eine spastische Cerebralparese mit hochgradiger Spastizität der Extremitäten besteht. Der Kläger ist als völlig bewegungsunfähig anzusehen; kontrollierte Bewegungen sind ihm weder mit den Armen noch mit den Beinen möglich. Aktive Bewegungen sind spärlich und ungerichtet; Passiven Bewegungen wird erheblicher Muskelwiderstand entgegengesetzt. Eine zielgerichtete willentliche Bewegung der vier Extremitäten mit funktioneller Umsetzung ist nicht möglich. Wird der Kläger auf ein Sofa gelegt, kommt es rasch zu einer zunehmenden Streckhaltung der Wirbelsäule. Bei maximaler Streckung beginnt der Kläger zu weinen, weil er selbst keinerlei Lagewechsel vornehmen kann. Er ist nach wie vor nicht in der Lage, ein Wort zu sprechen; er kann nicht sitzen, und auch die Kopfkontrolle hat sich nicht gebessert.

Der Kläger muss täglich mindestens 2 1/2 bis 3 Stunden getragen werden. Fehlt dieser Körperkontakt beginnt er nach kürzester Zeit zu weinen. Das Fehlen dieses Körperkontakts würde zwar nicht zu einer Erstickung führen, wohl aber sowohl aus psychischer als auch aus physischer Sicht zu einer seelischen Verkümmerung des Klägers. Dieser Körperkontakt stellt ein Grundbedürfnis dar. Wegen des Schreiens bei fehlendem Körperkontakt ist auch eine dauernde Beaufsichtigung des Klägers erforderlich. Dieser Zustand des Klägers besteht seit seiner Geburt. Eine wesentliche Änderung ist nicht eingetreten.

Der Kläger benötigt Betreuung bei der täglichen Körperpflege (ein gesundes gleichaltriges 5-jähriges Kind ist dazu weitgehend allein in der Lage) und für das Einnehmen der Mahlzeiten. Der Kläger erhält fünfmal täglich flüssig-breiige Kost, die ihm von seiner Mutter mit dem Löffel eingegeben werden muss. Dieser Vorgang dauert ca 25 Minuten pro Mahlzeit, somit pro Tag 125 Minuten. Zwischendurch muss dem Kläger immer wieder Flüssigkeit angeboten werden. Fremder Betreuung bedarf der Kläger auch beim Verrichten der Notdurft, wozu ein gleichaltriges gesundes Kind keine Hilfe mehr benötigt. Da eine Obstipation besteht, kommt es nur nach vorheriger Gabe eines abführenden Zäpfchens zum Stuhlgang. Der Kläger benötigt auch Betreuung für das An- und Auskleiden, wozu ein gesundes Kind im Alter des Klägers üblicherweise ebenfalls bereits alleine in der Lage ist. Betreuung benötigt der Kläger auch für die Reinigung bei Harninkontenenz; eine Stuhlinkontenenz liegt nicht vor, da es nur bei Abgabe eines Abführmittels zum Stuhlgang kommt. Betreuung benötigt der Kläger schließlich auch für die Verabreichung von Medikamenten.

In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, dass beim Kläger ein monatlicher Pflegebedarf von 220 bis 235 Stunden (25 Stunden für die tägliche Körperpflege, 65,5 Stunden an Mehraufwand für das Einnehmen der Mahlzeiten, 30 Stunden für die Verrichtung der Notdurft, 20 Stunden für die Hilfe beim An- und Auskleiden, 10 Stunden für die Reinigung bei Harninkontinenz, 3 Stunden für die Verabreichung der Medikamente und 75 bis 90 Stunden für den notwendigen "Körperkontakt") vorliege. Da dem Kläger auch keine zielgerichteten Bewegungen der vier Extremitäten mit funktioneller Umsetzung möglich seien, seien die Voraussetzungen für die Gewährung der Pflegegeldstufe 7 erfüllt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei keine Folge.

Es verwies in seiner Begründung zunächst darauf, dass der Kläger im Verfahren erster Instanz ausdrücklich nur die Gewährung des Pflegegeldes der Stufe 5 begehrt habe, sodass das Erstgericht durch den Zuspruch des Pflegegeldes der Stufe 7 gegen § 405 ZPO verstoßen habe. Dieser Verstoß sei jedoch mangels Geltendmachung durch die beklagte Partei nicht wahrzunehmen.

In der Sache selbst schloss sich das Berufungsgericht grundsätzlich der Rechtsansicht des Erstgerichtes an, dass es sich bei dem dem Kläger zu gewährenden "Körperkontakt" um eine den in § 1 Abs 2 OÖ EinstV genannten Verrichtungen gleichzuhaltende Betreuungsmaßnahme handle, welche bei der Ermittlung des Pflegebedarfes allerdings nur in jenem Ausmaß zu berücksichtigen sei, welches das bei gleichaltrigen nicht behinderten Kindern und Jugendlichen erforderliche Ausmaß übersteige. Bei einem "Körperkontaktaufwand" von 2 1/2 bis 3 Stunden täglich könne als notorisch angesehen werden, dass dieser Aufwand zumindest 1 1/2 Stunden täglich über den "Körperkontaktaufwand" für ein gleichaltriges Kind hinausgehe, sodass sich ein monatlicher Mehraufwand von zumindest 45 Stunden ergebe. Unter Berücksichtigung des weiteren Pflegebedarfes von 25 Stunden für die tägliche Körperpflege, 62,5 Stunden an Mehraufwand für das Einnehmen der Mahlzeiten, 20 Stunden für das An- und Auskleiden, 20 Stunden für Reinigung bei Stuhl- und Harninkontinenz, 15 Stunden für Mobilitätshilfe im engeren Sinn, 3 Stunden für die Verabreichung von Medikamenten und 10 Stunden für Mobilitätshilfe im weiteren Sinn ergebe sich ein monatlicher Pflegebedarf von mehr als 180 Stunden, sodass sich ein Eingehen auf die Frage, wie die Verrichtung der Notdurft und die Gabe eine abführenden Zäpfchens einzuordnen und zu bewerten seien, erübrige. Da dem Kläger nach den Feststellungen zielgerichtete willentliche Bewegungen der vier Extremitäten mit funktioneller Umsetzung nicht möglich seien, seien die Voraussetzungen für die Gewährung des Pflegegeldes der Stufe 7 erfüllt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen Nichtigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Kläger nur ein Pflegegeld der Stufe 4 zuerkannt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die geltend gemachte Nichtigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung - im Gegensatz zur herrschenden Lehre - bildet ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 405 ZPO eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die vom Rechtsmittelgericht nur in der nächsthöheren Instanz wahrgenommen werden kann (vgl Judikaturnachweise in Rechberger, ZPO2 Rz 6 zu § 405 uva; RIS-Justiz RS0041240; RS0041124). Diese Auffassung gilt auch für das Sozialrechtsverfahren (vgl SSV-NF 6/116 ua). Die Ausführungen in der Revision bieten keinen Anlass, von dieser ständigen Rechtsprechung abzugehen. Ein Verstoß gegen § 405 ZPO wurde von der beklagten Partei in ihrer Berufung weder ausdrücklich noch inhaltlich geltend gemacht und konnte daher vom Berufungsgericht nicht von Amts wegen wahrgenommen werden. Auf dieses Thema ist daher vom Obersten Gerichtshof nicht mehr weiter einzugehen, auch nicht unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung.

Im Übrigen ist die Revision im Sinne der beschlossenen Aufhebung berechtigt.

Die beklagte Partei wendet sich in ihren Revisionsausführungen mit Recht gegen die Berücksichtigung des beim Kläger festgestelltermaßen notwendigen "Körperkontaktaufwandes" als pflegegeldrelevante Leistung.

Das Pflegegeld soll pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe sichern. Was unter Pflegebedarf bzw Betreuung und Hilfe zu verstehen ist, wird zwar nicht in den Pflegegeldgesetzen, wohl aber in den Einstufungsverordnungen definiert. Es muss sich dabei um zumindest im weiteren Sinn lebenswichtige Verrichtungen nichtmedizinischer Art handeln (SSV-NF 11/7; 10/130 uva).

Gemäß § 1 Abs 1 der EinstV zum OÖ PGG (LGBl 1993/65) sind unter Betreuung alle in relativ kurzer Folge notwendigen Verrichtungen anderer Personen zu verstehen, die vornehmlich den persönlichen Lebensbereich betreffen und ohne die der pflegebedürftige Mensch der Verwahrlosung ausgesetzt wäre. Zu diesen Verrichtungen zählen insbesondere solche beim An- und Auskleiden, bei der Körperpflege, der Zubereitung und Einnahme von Mahlzeiten, der Verrichtung der Notdurft, der Einnahme von Medikamenten und der Mobilitätshilfe im engeren Sinn (Abs 2). Da es sich bei diesem in § 1 Abs 2 der OÖ EinstV genannten Katalog an den persönlichen Lebensbereich betreffenden und zur Sicherung der Existenz erforderlichen Verrichtungen nur um eine demonstrative Aufzählung handelt, können grundsätzlich auch andere gleichwertige Bedarfslagen im Rahmen des Pflegebedarfes Anerkennung finden (SSV-NF 11/5 mwN ua). Bei der Beurteilung des Pflegebedarfs von Kindern und Jugendlichen ist nur jenes Ausmaß an Pflege zu berücksichtigen, das über das erforderliche Ausmaß von gleichaltrigen nicht behinderten Kindern und Jugendlichen hinausgeht (vgl § 4 Abs 3 OÖ PGG idF LGBl 1999/8).

Gemäß § 144 ABGB sind die Eltern zur Pflege und Erziehung des mj. Kindes verpflichtet. Die Pflege umfasst nach § 146 Abs 1 ABGB insbesondere die Wahrung des körperlichen Wohles und der Gesundheit sowie die unmittelbare Aufsicht, die Erziehung, besonders die Entfaltung der körperlichen, geistigen, seelischen und sittlichen Kräfte, die Förderung der Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes sowie dessen Ausbildung in Schule und Beruf. Zutreffend verweist die beklagte Partei darauf, dass eine für die Gesundheit und damit auch für das psychische Wohl des Kindes notwendige - körperliche - Zuwendung zweifellos eine Verpflichtung der Eltern im Rahmen der Pflege ihres mj. Kindes darstellt und diese Zuwendung auch für eine normale geistige und psychische Entwicklung gesunder Kinder unbedingt erforderlich ist. Das Ausmaß dieser für die Entwicklung eines Kindes notwendigen - körperlichen, aber auch geistigen - Zuwendung durch die jeweilige Bezugsperson wird dabei nicht bloß allgemein nach jeweiliger Altersgruppe, sondern in erster Linie wohl personen- und situationsbezogen beurteilt werden müssen. So kann es zweifellos vorkommen, dass gesunde "schwierige" Kinder im Einzelfall ein höheres Ausmaß an Zuwendung erfordern, als ein gleichaltriges behindertes Kind.

Dieser auf einer möglichst umfassenden Fürsorgepflicht der Eltern beruhende familienrechtliche Pflegebegriff im Sinn des § 146 Abs 1 ABGB lässt sich nicht auf die Bestimmungen über das Pflegegeld übertragen. Einschränkungen sind dabei insoweit vorzunehmen, als im Rahmen der Pflegegeldgesetze die Pflege im Sinne dieser Pflegegeldgesetze durch die Einstufungsverordnungen mit den Begriffen

"Betreuung" (= persönlicher Lebensbereich) und "Hilfe" (= sachlicher

Lebensbereich) abschließend geregelt wird (SSV-NF 10/130 = ZAS

1998/11 mit insoweit zust Anm von Pfeffer). Der Umstand, dass es sich bei dem beim Kläger notwendigen "Körperkontakt" zweifellos um eine Pflegemaßnahme im Sinne des § 146 Abs 1 ABGB handelt, bedeutet somit noch nicht, dass es sich dabei auch um eine pflegegeldrelevante Leistung handelt. Bei dem für die psychische Befindlichkeit des Klägers notwendigen Körperkontakt handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Senates um eine einer therapeutischen Maßnahme durchaus vergleichbare Maßnahme, die ebenfalls auf die Erhaltung (oder die Verbesserung) des Gesundheitszustandes des Betroffenen abzielt. Der erkennende Senat hat schon wiederholt ausgesprochen, dass therapeutische Verfahren, die der Erhaltung oder Verbesserung des Gesundheitszustandes dienen, weder der Betreuung noch der Hilfe zuzurechnen sind (SSV-NF 11/7; SSV-NF 10/130 = ZAS 1998/11 mit insoweit ablehnender Stellungnahme von Pfeffer ua). An dieser Rechtsprechung hat der erkennende Senat auch in jüngster Zeit (vgl 10 ObS 158/99d) trotz der Einwände von Tomandl, Einige grundsätzliche Überlegungen zum Pflegegeldanspruch, ZAS 1999, 13 ff sowie SV-System,

11. Erg-Lfg 344 festgehalten und darauf verwiesen, dass sich eine Änderung dieser Rechtslage auch nicht durch die am 1. 1. 1999 in Kraft getretene Novelle zum OÖ PGG (LGBl 1999/8) und die neue OÖ EinstV (LGBl 1999/25) ergeben habe. Dies gelte in gleicher Weise auch für die am 1. 1. 1999 in Kraft getretene Novelle zum PGG (BGBl I 1998/111) und die mit 1. 2. 1999 in Kraft getretene neue EinstV (BGBl II 1999/37). In den Erläuternden Bemerkungen zur neuen EinstV zum BPGG (vgl Fürstl-Grasser/Pallinger, Die neue EinstV zum BPGG samt Erläuterungen, SozSi 1999, 282 ff) werde vielmehr zur Bestimmung des § 1 EinstV einleitend nur angemerkt, dass diese Bestimmung wie bisher die für die Beurteilung des Pflegebedarfes relevanten Betreuungsmaßnahmen enthalte, wobei die wichtigsten im Abs 2 demonstrativ angeführt seien. Der Zeitaufwand für therapeutische Heilbehandlungen (zB Bobath-Therapie) könne bei der Ermittlung des Pflegeaufwandes nicht berücksichtigt werden, wenn es sich dabei nicht um eine Betreuungs- oder Hilfsmaßnahme im Sinne der §§ 1 und 2 handle. Die beiden genannten Autoren verweisen in diesem Zusammenhang unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Ausführungen von Tomandl aaO auch darauf, dass bei der Einstufung von Kindern insbesondere kritisiert werde, dass therapeutische Maßnahmen bei der Beurteilung des Pflegebedarfes nicht berücksichtigt werden. Dieses Einstufungsproblem berühre in erster Linie den Zuständigkeitsbereich der Länder, die sich unter Einbeziehung des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Arbeitskreisen bereits mit dieser Frage befassen.

Auch nach Ansicht des erkennenden Senates kann ein Anspruch auf Berücksichtigung therapeutischer Maßnahmen bei der Beurteilung des Pflegebedarfes aus dem geltenden Recht nicht abgeleitet werden, sodass im vorliegenden Fall ein solcher Pflegeaufwand ("Körperkontaktaufwand") daher nicht die für eine bestimmte Pflegegeldstufe erforderliche Stundenzahl anzuheben vermag. Die Berechtigung des vom Berufungsgericht darüber hinaus angenommenen Pflegeaufwandes von 155,5 Stunden monatlich wird in der Revision ausdrücklich anerkannt. Die beklagte Partei geht darüber hinaus nunmehr selbst - offensichtlich unter Berücksichtigung eines weiteren Zeitaufwandes für die Gabe eines abführenden Zäpfchens - davon aus, dass der Pflegebedarf des Klägers zwar 160 Stunden, nicht jedoch 180 Stunden monatlich übersteige, sodass dem Kläger unbestritten Pflegegeld der Stufe 4 gebührt. Damit kommt aber dem Umstand, ob der Kläger fremde Hilfe auch bei der Verrichtung der Notdurft benötigt, entscheidende Bedeutung zu. Die vom Erstgericht dazu getroffene Feststellung, der Kläger bedürfe fremder Hilfe auch beim Verrichten der Notdurft, stellt eine vorweggenommene rechtliche Beurteilung dar, für die jedoch das erforderliche Sachverhaltssubstrat fehlt. Es trifft zwar zu, dass neben dem Richtwert für die Reinigung bei

inkontinenten Patienten von 4 x 10 Minuten täglich (= 20 Stunden

monatlich) auch der Mindestwert von 4 x 15 Minuten täglich (= 30

Stunden monatlich) für die Verrichtung der Notdurft berücksichtigt werden kann. Sollte der Kläger jedoch - was vom Erstgericht nicht festgestellt wurde, aber in dem im Akt einliegenden Sachverständigengutachten Dris. F***** angegeben wird - sowohl am Tag als auch während der Nacht ununterbrochen windelversorgt werden, könnten nur die Reinigung bei inkontinenten Patienten, nicht jedoch weitere Stunden als Zeitaufwand für die tatsächlich gar nicht mit einer Hilfsperson durchgeführte Verrichtung der Notdurft auf der Toilette angesetzt werden (vgl 10 ObS 410/98m). In diesem Fall würde der Pflegebedarf des Klägers die für eine Einstufung in eine höhere Pflegegeldstufe als der Stufe 4 notwendige Stundenanzahl von durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich nicht erreichen.

Da es zur Abklärung dieser Feststellungsmängel einer Verhandlung erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, waren die Urteile der Vorinstanzen in dem noch strittigen Umfang aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren ist noch auf die Bestimmung des § 154a ABGB hinzuweisen, wonach im zivilgerichtlichen Verfahren nur ein Elternteil allein zur Vertretung des Kindes berechtigt ist.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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