OGH 6Ob283/99g

OGH6Ob283/99g30.8.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *****Rechtsanwälte-Kommanditpartnerschaft, ***** gegen die beklagte Partei Universitätsklinik *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19, wegen 69.214,80 S, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 1. Juni 1999, GZ 37 R 187/99w-12, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 17. Dezember 1998, GZ 18 C 1384/98m-8, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die klagende Rechtsanwälte-Kommanditpartnerschaft begehrte von der beklagten Universitätsklinik 69.214,80 S, weil sie diese in zwei Passivprozessen vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien vertreten habe. Hiezu berief sie sich unter anderem auf ihre Honorarnote vom 17.3.1998 und auf die Akten 6 Cga 89/97v und 12 Cga 243/97h des genannten Gerichtes. Sie sei vom damaligen Institutsvorstand ordnungsgemäß mit der Vertretung der beklagten Partei, die zwei Arbeitsrechtsklagen ausgesetzt gewesen sei, beauftragt worden. Die Vertretungsbefugnis der Finanzprokuratur sei in den genannten Verfahren - Rechtsstreitigkeiten mit einer Angestellten der beklagten Partei und nicht der Gemeinde Wien als Rechtsträger des AKH Wien - ausgeschlossen gewesen.

Die beklagte Partei wendete ein, in den beiden Arbeitsgerichtsprozessen hätte ihre Vertretung gemäß § 2 Abs 1 Z 2 und Abs 2 ProkG zwingend durch die Finanzprokuratur erfolgen müssen, insbesondere weil die Verwaltung des Vermögens im Rahmen der Teilrechtsfähigkeit unmittelbar durch ein staatliches Organ erfolge. Zudem habe der Institutsvorstand, der die klagende Partei mit der Vertretung in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren beauftragt habe, keinen Beschluss der Institutskonferenz eingeholt, der zur wirksamen Bevollmächtigung notwendig gewesen wäre. Der Mangel der gültigen Vertretung bewirke die Nichtigkeit der Vertretungshandlungen. Die klagende Partei habe diese Rechtslage kennen müssen. Es sei ihr auf Grund des ProkG verwehrt gewesen, für die beklagte Partei entgeltliche Vertretungshandlungen zu setzen. Ihr stehe daher kein Honoraranspruch zu. Sollte das im Rahmen der Arbeitsgerichtsprozesse strittige Dienstverhältnis der Gemeinde Wien als Rechtsträgerin des AKH zuzuordnen sein, wäre die beklagte Partei nicht passiv legitimiert.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Universitätsinstitut werde zwar im Rahmen seiner Teilrechtsfähigkeit durch den Institutsvorstand vertreten. Diese im UOG enthaltene Vertretungsregelung werde jedoch durch die im § 2 ProkG vorgesehene zwingende Vertretung bei Gericht durch die Finanzprokuratur relativiert. Die dennoch der klagenden Partei durch den Institutsvorstand erteilte Vollmacht sei rechtsunwirksam. Dies habe der klagenden Partei auf Grund ihrer Rechtskenntnisse bekannt sein müssen. Der Vertretungsmangel stelle den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 5 ZPO dar, der auch noch nach Rechtskraft der Entscheidung mit Nichtigkeitsklage gemäß § 529 Abs 1 Z 2 ZPO geltend gemacht werden könne. Der klagenden Partei stehe daher kein Entgeltanspruch zu.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts. Bei Universitätsinstituten handle es sich auch im Bereich ihrer Teilrechtsfähigkeit um Vermögensmassen, die im Sinn des § 2 Abs 1 Z 2 ProkG unmittelbar von staatlichen Organen verwaltet würden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist nicht zulässig.

Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; andernfalls sind sie getrennt zu behandeln. Diese Regelung ist gemäß § 55 Abs 5 JN auch für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln maßgebend. Demnach sind für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision mehrere in einer Klage von einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei erhobenen Ansprüche - wie hier der Honoraranspruch für das Verfahren 6 Cga 89/97w einerseits und für das Verfahren 12 Cga 243/97k andererseits - nur dann zusammenzurechnen, wenn sie im Sinn des § 55 Abs 1 Z 1 JN in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen. Mehrere Ansprüche stehen dann in einem tatsächlichen Zusammenhang, wenn sie allesamt aus demselben Klagesachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass also noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre. Dies ist hier nicht der Fall, sind doch verschiedene Anwaltsleistungen zu beurteilen, die unterschiedliche Honoraransprüche nach sich ziehen können und unterschiedliche Prozessergebnisse nicht ausschließen. Ein rechtlicher Zusammenhang liegt dagegen vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Ein solcher Zusammenhang besteht jedoch dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann. In einem solchen Fall ist jeder Anspruch gesondert zu beurteilen, ohne dass eine Zusammenrechnung stattfände (1 Ob 202/97s jeweils mit weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung und Lehre).

Der tatsächliche oder rechtliche Zusammenhang wird nicht allein durch den Umstand hergestellt, dass es sich um gleichartige Leistungen des Anspruchsberechtigten handelt oder dass mehrere Ansprüche einer Person gegen ein und denselben Gegner bestehen. Honoraransprüche eines Rechtsanwaltes stehen dann in einem Zusammenhang, wenn die Leistungen auf Grund eines einheitlichen Auftrages erfolgten oder eine Gesamtzahlungsverpflichtung vorliegt. Die gegenteilige ältere Auffassung (ZBl 1929/110; Rsp 1929/121), wonach ein "andauerndes Bevollmächtigungsverhältnis" oder das "fortdauernde Auftragsverhältnis" einen rechtlichen Zusammenhang schaffe, ist überholt. Es kommt vielmehr darauf an, ob dem beauftragten Rechtsanwalt ein oder mehrere Aufträge erteilt wurden und nicht darauf, ob diesen Aufträgen oder oder mehrere Vollmachten zu Grunde liegen oder eine Gesamtzahlungsverpflichtung vorliegt (2 Ob 255/98h = MietSlg 50.680 mwN).

In beiden Fällen des § 55 Abs 1 JN hat die Beurteilung der Frage, ob der dort beschriebene Zusammenhang mehrerer Ansprüche besteht, ausschließlich (arg. "geltend gemachte Ansprüche" in § 55 Abs 1 JN) auf Grund des Vorbringens des Klägers zu erfolgen. Ob dies durch die Feststellungen des Erstgerichtes gedeckt ist oder nicht, ist für die Beurteilung dieser Frage unerheblich (EvBl 1997/111; 1 Ob 202/97f; 1 Ob 125/98h).

Im vorliegenden Fall hat die klagende Partei nicht behauptet, der ehemalige Institutsvorstand der beklagten Partei habe ihr generell Vollmacht und Auftrag zur Besorgung aller rechtlichen Angelegenheiten der beklagten Partei im Namen der Privatwirtschaftsverwaltung oder zur Führung aller ihrer Prozesse oder auch nur zur Vertretung in all jene Angestellte (als Klägerin) betreffenden Arbeitsgerichtsprozessen erteilt. Solches ist auch weder im Verfahren hervorgekommen noch lassen die vom erkennenden Senat eingesehenen Akten 6 Cga 89/97v und 12 Cga 243/97k des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien Schlussfolgerungen auf eine derartige generelle Bevollmächtigung der klagenden Partei zu. Vielmehr wurde in beiden Verfahren die auch hier beklagte Universitätsklinik jeweils von derselben Klägerin in Anspruch genommen. Deren erste Klage langte am 6.5.1997 beim Arbeits- und Sozialgericht Wien ein und war auf Unwirksamerklärung der Entlassung der dortigen Klägerin, die sich als Angestellte der beklagten Partei und "Assistenzsekretärin des Klinikhauptvorstandes" bezeichnete, gerichtet (6 Cga 89/97v). Mit der zweiten Klage, die am 27.10.1997 zu 12 Cgs 243/97h des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien einlangte, begehrte die Klägerin, ihr mit insgesamt 387.494,88 S brutto bezifferten Ansprüche aus der behaupteten ungerechtfertigten Entlassung zuzuerkennen und ihr ein näher bezeichnetes Dienstzeugnis auszustellen. Die Verfahren wurden nicht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Sie endeten beide infolge einer von beiden Parteien gefertigten Ruhensanzeige. Die hier klagende Partei hat sich dort jeweils auf eine erteilte Vollmacht berufen. Eine schriftliche Vollmacht wurde nicht vorgelegt.

Anders als bei Aktivprozessen, bei denen unter Umständen auf eine generelle Beauftragung eines Rechtsanwaltes durch seinen Klienten zur Durchsetzung bestimmter eng zusammenhängender, wenn auch in getrennten Verfahren geltend gemachter Ansprüche geschlossen werden kann, bietet die bloße Tatsache, dass ein und dieselbe Partei im zeitlichen Abstand von mehreren Monaten mit getrennten Klagen vom selben Kläger - sei es auch auf Grund desselben Sachverhaltes - wegen verschiedener Ansprüche geklagt wurde, keinen hinreichenden Anlass, auf eine schon anlässlich der ersten Inanspruchnahme erteilten generellen Bevollmächtigung zur Abwehr auch allfälliger künftiger Ansprüche desselben Klägers durch die beklagte Partei zu schließen. Es kann mangels konkreter Anhaltspunkte nicht unterstellt werden, dass ein Beklagter von vorne herein damit rechnet, noch mit weiteren Klagen konfrontiert zu werden. Es fehlen nicht nur jegliche Behauptungen der klagenden Partei, sondern es gibt auch keinen Grund zur Annahme, dass die klagende Partei schon vor Beginn der beiden arbeitsgerichtlichen Verfahren in die Auseinandersetzungen der beklagten Partei mit der dortigen Klägerin eingebunden gewesen und ihr bereits im vorprozessualen Bereich eine generelle Vollmacht erteilt worden wäre. Gegen eine derartige Vermutung spricht vielmehr, dass der damalige Institutsvorstand zur ersten Streitverhandlung im Verfahren 6 Cga 89/97v noch persönlich als Vertreter der beklagten Partei erschienen war und die klagende Partei in diesen Verfahren erstmals mit ihrem vorbereitenden Schriftsatz vom 5.8.1997 als Vertreterin der beklagten Partei einschritt.

Da somit das Vorliegen eines einheitlichen Auftrages für beide arbeitsgerichtliche Verfahren oder eine Gesamtzahlungsverpflichtung weder behauptet wurde noch aktenkundig ist, fehlt es an dem für die Zusammenrechnung geforderten Zusammenhang (vgl 1 Ob 125/98h). Die beiden zwei verschiedene Verfahren betreffenden Honoraransprüche der klagenden Partei sind daher nicht zusammenzurechnen.

Wie sich aus der den Klagebehauptungen zu Grunde liegenden Honorarnote der klagenden Partei ergibt, entfallen vom Klagebetrag von insgesamt 69.214,80 S 41.927,40 S auf das Verfahren 6 Cga 89/97v und 27.287,40 S auf das Verfahren 12 Cga 243/97k. Keiner dieser Ansprüche übersteigt den für die Revisionszulässigkeit maßgebenden Betrag von 52.000 S. Die Revision ist daher gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

Schon aus diesem Grund ist die Anregung der Revision, beim Verfassungsgerichtshof ein Gesetzesprüfungsverfahren betreffend §§ 1 und 2 ProkG einzuleiten oder eine Vorabentscheidung des EuGH zur Frage der Vereinbarkeit des Vertretungsmonopols der Finanzprokuratur mit Art 82 und Art 86 Abs 1 EG einzuholen, nicht weiter aufzugreifen, weil derartige Fragen für die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes hier nicht präjudiziell sind.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision der klagenden Partei aus dem Grunde des § 502 Abs 2 ZPO nicht hingewiesen, sodass ihre Revisionsbeantwortung zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendig und daher auch nicht zu honorieren war.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte