Spruch:
Die Revision des Dritt- und des Viertklägers wird zurückgewiesen.
Der Dritt- und der Viertkläger sind schuldig, der beklagten Partei die mit S 23.512,50 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 3.918,75, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Am 14. 8. 1995 ereignete sich ein Verkehrsunfall, an dem der Erstkläger als Lenker und Halter eines PKW und ein bei der beklagten Partei haftpflichtversichertes Einsatzfahrzeug beteiligt waren. Dabei wurden alle Insassen des Fahrzeuges des Klägers, darunter auch seine im Fond sitzenden Kinder (Dritt- und Viertkläger) verletzt.
Mit der am 12. 8. 1998 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Drittkläger die Zahlung von S 81.400 sA, der Viertkläger einen Betrag von S 25.000 sA. Sie brachten dazu vor, das weit überwiegende Verschulden an dem Unfall treffe den Lenker des bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten Fahrzeuges. Der Drittkläger habe schwere Verletzungen erlitten, die ein Schmerzengeld von S 80.000, somit restliche S 79.000 rechtfertigten. Für Mitbringsel bei Besuchen im Krankenhaus und vermehrte Aufwendungen hätten S 2.400 bezahlt werden müssen. Auch der Viertkläger habe eine schwere Verletzung erlitten, was schon im Hinblick auf seine Minderjährigkeit und die erhebliche psychische Alteration ein Schmerzengeld von S 25.000 rechtfertige. Für Mitbringsel anläßlich der Besuche im Krankenhaus sowie vermehrte Aufwendungen hätten S 1.200 bezahlt werden müssen.
In der Verhandlung vom 28. 9. 1998 dehnte der Drittkläger sein Schmerzengeldbegehren um S 300.000, der Viertkläger seines um S 200.000 "im Hinblick auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. W*****" aus. Der Erst- und die Zweitklägerin hätten erst am 19. 5. 1999 (Aufsuchen des Kinderpsychologen) Kenntnis von der psychischen Alteration des Dritt- und des Viertklägers erhalten.
Die beklagte Partei erhob hinsichtlich des ausgedehnten Schmerzengeldbegehrens die Einrede der Verjährung, weil spätestens mit der Rückkehr der Eltern aus dem Krankenhaus und ihrem Entschluss, wegen Auffälligkeit der Kinder einen Kinderarzt aufzusuchen, für diese der Schaden (psychische Auffälligkeit) erkennbar gewesen sei. Spätestens ab September 1995 habe die Verjährungsfrist begonnen.
Das Erstgericht wies das Begehren des Drittklägers auf Zahlung von S 300.000 sowie jenes des Viertklägers auf Zahlung von S 200.000 jeweils sA wegen Verjährung ab.
Dabei wurden - soweit für das Revisionsverfahren noch relevant - folgende Feststellungen getroffen:
Während der Dritt- und der Viertkläger vor dem Unfall unauffällig waren, fiel bereits während des Krankenhausaufenthaltes der Eltern den die Kinder betreuenden Verwandten auf, dass diese nach ihrem Krankenhausaufenthalt schwere Schlafstörungen entwickelten. Diese Störungen erkannte der Erstkläger nach seiner Rückkehr aus dem Krankenhaus auch über lange Zeit aus persönlicher Wahrnehmung. Es fiel auch auf, dass der Viertkläger sowohl während des Krankenhausaufenthaltes als auch danach bedeutend weniger aß. Alle diese Umstände wurden dem Erstkläger unmittelbar mitgeteilt, der aber bei seiner Rückkehr nach Hause feststellen konnte, dass wohl eine deutliche Auffälligkeit der Kinder vorlag, diese aber nicht so schlimm wie geschildert war. Die Kinder waren nach der Rückkehr ihrer Eltern aus dem Krankenhaus diesen gegenüber nicht allzu negativ, untereinander aber über die Maßen aggressiv. Insbesondere angesichts der mit Schlafstörungen verbundenen Auffälligkeiten der Kinder begaben sich die Eltern noch 1995 zum Kinderarzt, der aber keine unmittelbaren Therapiemaßnahmen einleitete, sondern den Eltern riet, beruhigend auf die Kinder einzuwirken. Der Kinderarzt wurde insbesondere auch deshalb aufgesucht, weil der Drittkläger nach dem Unfall über einen äußerst langen Zeitraum, nämlich nahezu durchgehend bis zum Sommer 1999, noch im Schnitt zwei- bis dreimal pro Woche einnässte. Selbst in seiner Laienhaftigkeit konstatierte der Erstkläger, dass dieser Wandel im Verhalten der Kinder nur vom gegenständlichen Verkehrsunfall herrühren konnte.
Das von sämtlichen klagenden Parteien angerufene Berufungsgericht bestätigte die angefochtene Entscheidung insoweit und schloss sich der Ansicht des Erstgerichtes, die auf Zahlung von S 300.000 und S 200.000 gerichteten Klagebegehren des Dritt- und des Viertklägers seien verjährt, an. Gemäß § 1489 ABGB verjähre jede Entschädigungsklage in drei Jahren von der Zeit an, zu welcher der Schaden und die Person des Beschädigers dem Beschädigten bekannt geworden seien. Da der Dritt- und der Viertkläger minderjährig seien, sei die Kenntnis ihrer gesetzlichen Vertreter über diese Umstände maßgebend. Die dreijährige Verjährung beginne nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen, was uneingeschränkt aber nur für den Erstschaden gelte. Jedenfalls dann, wenn der Geschädigte zu einer Leistungsklage genötigt sei, habe er gleichzeitig auch alle vorhersehbaren künftigen Schäden mit Feststellungsklage geltend zu machen. Habe eine einzige in sich abgeschlossene Verletzungshandlung mehrere Schadensfolgen ausgelöst, werde die Verjährungsfrist nach dem Grundsatz der Schadenseinheit auch für nachträglich auftretende, zunächst nur drohende, aber nicht unvorhersehbare Folgen in Gang gesetzt, sobald irgendein (Teil-)Schaden schon entstanden sei (Dittrich/Tades, ABGB35, E 100, 108 f zu § 1489). Wesentlich sei hier, dass der Schaden durchaus vorhersehbar gewesen sei, weil die Eltern ja die Auffälligkeiten der Kinder nach ihrer Rückkehr aus dem Krankenhaus wahrgenommen und sie auch auf den Unfall und seine Folgen bezogen hätten. Für den Beginn der Verjährungsfrist sei die Kenntnis der Schadenshöhe (also etwa die Dauer und Stärke der Beeinträchtigung) nicht notwendig.
Keine Rede könne davon sein, dass deswegen, weil in jeder Leistungsklage implizit das Begehren auf Feststellung enthalten sei und ohnedies rechtzeitig eine Leistungsklage eingebracht worden sei, weitere Leistungsklagen bzw Ausdehnungen des Leistungsbegehrens nicht der kurzen Verjährungsfrist unterlägen.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil, was die Verjährungsfrist betreffe, keine wirklich einschlägige Judikatur des Obersten Gerichtshofes vorliege, wobei derartige Fälle immer wieder vorkommen könnten, weshalb bezüglich der Schmerzengeldansprüche des Dritt- und Viertklägers die ordentliche Revision zuzulassen sei.
Gegen die Abweisung des Begehrens auf Zahlung von S 300.000 und S 200.000 richtet sich die Revision des Dritt- und des Viertklägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem diesbezüglichen Begehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat in der Revisionsbeantwortung beantragt, das Rechtsmittel des Dritt- und des Viertklägers zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend - nicht zulässig.
Insoweit das Berufungsgericht meint, es liege eine erhebliche Rechtsfrage vor, weil zur Verjährungsfrage keine wirklich einschlägige Judikatur des Obersten Gerichtshofes vorliege, wobei derartige Fälle immer wieder vorkommen könnten, ergibt sich daraus nicht, worin eine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO liegen soll, hat doch das Berufungsgericht selbst die zutreffende Rechtsprechung zitiert.
Aber auch in der Revision des Dritt- und Viertklägers werden keine erheblichen Rechtsfragen dargetan. Der Dritt- und der Viertkläger machen in ihrem Rechtsmittel geltend, es seien durch manche Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes Aspekte des Verjährungsrechtes, teilweise auch durch verstärkten Senat, neu beurteilt worden, weshalb im vorliegenden Fall nicht von vornherein von der Anwendbarkeit älterer Rechtsprechung - wie von den Vorinstanzen herangezogen - ausgegangen werden könne. Eine Verbindung der beim Dritt- und beim Viertkläger aufgetretenen Verhaltensweisen zum erlittenen Verkehrsunfall hätten weder der Facharzt noch die Eltern hergestellt. Die ausgedehnt geltend gemachten Ansprüche seien schon deshalb nicht verjährt, weil sie dem Grunde nach längst in der seinerzeitigen Klage erhoben worden seien. Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folge, seien die Ansprüche nicht verjährt. Ausgangspunkt der rechtlichen Überlegungen sei die Frage nach der Kenntnis bzw Voraussehbarkeit künftiger Schäden durch die gesetzlichen Vertreter. Dabei sei von den Vorinstanzen ein unrealistisch hoher Maßstab an die Pflicht der Eltern angelegt worden. Es dürfe nicht übersehen werden, dass es sich bei den Geschädigten um Minderjährige handle, die nicht selbst in der Lage seien, entsprechende Schlüsse über Zusammenhänge zu ziehen. Der Wissensstand der Eltern sei jedoch zwingend bloß derivativ. Nicht einmal der Facharzt habe eine Verbindung zwischen den Verhaltensänderungen der Kinder und dem Unfall hergestellt. Verhaltensänderungen oder andere Auffälligkeiten bei Kindern könnten verschiedenste Ursachen haben. Der Schaden sei in seinem vollen Ausmaß, insbesondere der zugrundeliegende Kausalzusammenhang, im Klagszeitpunkt nicht erkennbar gewesen. Überdies habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 3 Ob 123/99f = JBl 2000, 169 ausgesprochen, dass selbst erhebliche Verdachtsmomente nicht der erforderlichen Kenntnis gleichgesetzt werden könnten. Es könne keine Rede davon sein, dass die Eltern des Dritt- und des Viertklägers vor dem Jahr 1999 Kenntnis vom Schaden erlangt hätten. Zu dieser Kenntnis zähle nämlich auch die Kenntnis über den bestehenden Ursachenzusammenhang.
Die Ansicht, es liege nur ältere Rechtsprechung vor, ist unrichtig. Erst jüngst hat sich der erkennende Senat mit der Verjährung von Folgeschäden in der Entscheidung 2 Ob 362/97t = RdW 2000, 147 = ZVR 2000/49 vom 24. 9. 1999 befasst und im Sinne der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht nach Abwägung der Argumente der Lehre ausgeführt, es bestehe kein Anlass, von der nunmehr ständigen Rechtsprechung abzugehen, dass die kurze Verjährungszeit zwar nicht vor dem tatsächlichen Eintritt der Rechtsgutverletzung (des "Primär- oder Erstschadens") zu laufen beginne, mit deren positiver Kenntnis aber schon dann in Gang gesetzt werde, wenn der Geschädigte die Höhe seines Schadens noch nicht beziffern könne, ihm noch nicht alle Schadensfolgen bekannt bzw diese auch noch nicht zur Gänze eingetreten seien. Nach ständiger Rechtsprechung ist dem Eintritt der Verjährung vorhersehbarer Folgeschäden bei eingetretenem Primärschaden mit einer Feststellungsklage zu begegnen (RIS-Justiz RS0097976).
Mit der Behauptung, eine Verbindung der aufgetretenen Verhaltensweisen zum Verkehrsunfall hätten weder der Facharzt noch die Eltern festgestellt, wird von den Feststellungen des Erstgerichtes abgewichen, wonach der Erstkläger selbst in seiner Laienhaftigkeit konstatierte, dass der Wandel im Verhalten der Kinder nur vom gegenständlichen Verkehrsunfall herrühren könne (S 26 der Ausfertigung des Ersturteiles). Im Übrigen ist der Schmerzengeldanspruch grundsätzlich als Gesamtentschädigung im Rahmen einer Globalbemessung auszumitteln und besteht bereits im Unfallszeitpunkt. Die Möglichkeit einer Ausdehnung des ursprünglichen Schmerzengeldbegehrens hinsichtlich später aufgetretener, vorhersehbarer Schmerzen erst nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist steht nur dann offen, wenn der geschädigte Kläger dem Einwand der Verjährung ein rechtzeitig erhobenes Feststellungsbegehren entgegenhalten kann (ZVR 1999/21 mwN), was hier aber nicht geschehen ist.
Die Beantwortung der Frage, wann eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (2 Ob 178/98k mwN), weshalb auch insoweit die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind. Der Sachverhalt der der Entscheidung 3 Ob 123/99f = JBl 2000, 169 zugrundeliegt, kann mit dem hier zu beurteilenden nicht verglichen werden, hat doch der Vater des Dritt- und Viertklägers konstatiert, dass der Wandel im Verhalten der Kinder nur vom Verkehrsunfall herrühren konnte.
Die Revision der Kläger war sohin zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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