OGH 2Ob138/00h

OGH2Ob138/00h17.5.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Torsten H*****, vertreten durch Dr. Christian Riesemann, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1. Gertrude K*****, 2. Dietmar K*****, beide*****, 3. Evelyn G***** und 4.***** Versicherung AG, ***** alle vertreten durch Kaan, Cronenberg & Partner, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 251.135,40 sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 17. Jänner 2000, GZ 3 R 181/99h-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 26. Juni 1999, GZ 11 Cg 187/97m-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 9.734,40 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 1.622,40, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagten haften dem Kläger für alle Schäden aufgrund des Unfalls vom 14. 8. 1990 zu 2/3.

Der Kläger begehrt die Zahlung von S 251.135,40 mit der Begründung, die auf den Unfall zurückzuführenden Folgen hätten zu einem verzögerten Studienabschluss im Ausmaß von zwei Jahren geführt. Bei normalem Lauf der Dinge hätte er während dieses Zeitraumes ein Nettoeinkommen von S 20.000 monatlich erzielt. Sein Verdienstentgang errechne sich wie folgt:

28 Gehälter a S 20.000 S 560.000

abzüglich Mitverschulden 1/3 S 186.667

S 373.333

abzüglich Rentenleistung S 78.125,60

S 295.207,40

hierauf von der beklagten Partei

bezahlt S 44.072

S 251.135,40.

Die beklagten Parteien wendeten ein, es sei wegen des Unfalls höchstens zu einer Verlängerung der tatsächlichen Studiendauer von einem halben Jahr gekommen.

Das Erstgericht verurteilte die beklagten Parteien zur Zahlung von S 139.135,72 sA und wies das Mehrbegehren auf Zahlung von S 111.999,68 ab.

Dabei wurden im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Der Kläger wurde bei dem Unfall vom 14. 8. 1990 schwer verletzt. Zum Unfallszeitpunkt hatte er gerade die Mittelschule absolviert und beabsichtigte mit dem Studium der Wirtschaftswissenschaften zu beginnen. Aufgrund der auf den Unfall zurückzuführenden Verletzungen verlor er bei seinem Studium vier Semester. Er beendete sein Studium im 12. Semester. Während des Studiums wurde sein Unterhalt zur Gänze von seinen Eltern getragen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Kläger sei aufgrund des Unfalls zwei Jahre später in das Erwerbsleben eingetreten. Gemäß § 273 ZPO sei von einem Verdienstentgang von S 20.000 monatlich (14 x pro Jahr) auszugehen. Daraus errechne sich ein Verdienstentgang in der Höhe von insgesamt S 560.000. Ohne den Unfall hätte der Kläger zwar für den gleichen Zeitraum, in dem sein Unterhalt aus dem vorhandenen Vermögen bestritten worden sei, einen bestimmten Verdienst erzielt, daraus aber seinen Unterhalt decken müssen. Eine effektive Vermögensverminderung sei daher nur in der Höhe der Differenz zwischen dem Verdienstentgang und dem Unterhaltsaufwand eingetreten (EFSlg 46.096). Dem Kläger sei somit von seinem Verdienstentgang der Unterhaltsaufwand in der außer Streit gestellten Höhe von S 7.000 monatlich in Abzug zu bringen.

Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, dass dem Klagebegehren zur Gänze Folge gegeben wurde; es sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.

Zur Rechtsfrage führte das Berufungsgericht aus, dass der Umstand, dass die Eltern des Klägers ihm Unterhalt gewährten, nicht dazu führe, dass sein Ersatzanspruch gemindert oder aufgehoben werde. Bereits aufgrund der Bestimmung des § 14 Abs 4 EKHG, welche zur Deutung der Mindestansprüche nach dem ABGB heranzuziehen sei, erweise sich der vom Erstgericht vorgenommene Abzug als unbegründet. Im Übrigen entspreche es ständiger Rechtsprechung, dass sich der Geschädigte durch das schädigende Ereignis ausgelöste Leistungen Dritter nur dann als Vorteil anrechnen lassen müsse, wenn dies dem Zweck des Schadenersatzes entspreche und nicht zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers führe. Bei Drittzuwendungen sei immer zu fragen, ob sie den Schädiger begünstigen wollten. Unterhaltsansprüche des Geschädigten könnten den Schädiger nicht entlasten. Dieses Ergebnis stehe auch mit der Entscheidung 7 Ob 613/84 (= EFSlg 46.096) nicht im Widerspruch, weil der dortige Kläger den Ersatz seines Studienaufwandes und eines Verdienstentganges für den gleichen Zeitraum begehrt habe und schließlich den um die Mitverschuldensquote, nicht jedoch um den Studienaufwand verkürzten Verdienstentgang zugesprochen erhalten habe.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil zur Frage der Anrechnung gesetzlicher Unterhaltsansprüche des Geschädigten auf seine Verdienstentgangsansprüche eine gefestigte Rechtsprechung fehle.

Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Parteien mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der beklagten Parteien zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Die Revisoin ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die beklagten Parteien machen in ihrem Rechtsmittel geltend, es sei nicht einzusehen, warum beispielsweise dem Geschädigten von dritter Seite zugekommene Unterhaltsleistungen keine Berücksichtigung finden sollten, weil es hiebei wohl nicht zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers komme. Anzurechnen sei jede Leistung, zu der ein Dritter infolge des Unfalls durch Gesetz oder Vertrag verpflichtet sei. Es könne keinem Zweifel unterliegen, dass die Eltern dem Kläger gegenüber während des Studiums nach dem Gesetz zum Unterhalt verpflichtet seien. Insbesondere treffe hier nicht der Grundsatz zu, wonach freiwillige Zuwendungen Dritter jedenfalls nicht anzurechnen seien.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Student Schadenersatzansprüche erheben, wenn die Verletzung eine Verzögerung des Studiums (zB Verlust eines oder mehrerer Semester) verursacht hat (Harrer in Schwimann**2, ABGB Rz 35 zu § 1325 mwN; RIS-Justiz RS0030970). Es entspricht auch der Lehre (Reischauer in Rummel**2, Rz 4 zu § 1312 und Rz 15 zu § 1327; Harrer, aaO, Rz 10 Anh nach §§ 1323 f; Koziol, Haftpflichtrecht**2 II 159) und Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0031301;

ZVR 1970/150), dass der ersatzpflichtige Schädiger sich nicht auf die

Unterhaltspflicht eines Dritten berufen kann. Richtig ist allerdings,

dass in der Entscheidung 7 Ob 613/84 (= EFSlg 46.096) ausgeführt

wurde, dass einem verletzten Studenten durch den Unfall ein

vermögensmindernder Aufwand für das verlängerte Studium entstehen

könne und er ohne den Unfall überdies in der Lage gewesen wäre, einen

seinen Vermögensstand mehrenden Verdienst zu erzielen. Daraus folge

aber nicht eine Zusammenrechnung beider Vermögenswerte für die

Ermittlung der Vermögensminderung. Das Einkommen aus einer

Erwerbstätigkeit diene regelmäßig primär der Bestreitung des

Unterhaltes. Ohne den Unfall hätte der Verletzte für den gleichen

Zeitraum, in dem sein Unterhalt aus dem vorhandenen Vermögen

bestritten werden musste, einen bestimmten Verdienst erzielt, daraus

aber seinen Unterhalt decken müssen. Eine effektive

Vermögensminderung sei daher nur in der Höhe der Differenz zwischen

dem Verdienstentgang und dem Unterhaltsaufwand eingetreten. Diese

Ansicht kann aber nicht aufrecht erhalten werden. Richtig ist zwar,

dass ein verletzter Student für die Dauer der unfallsbedingten

Verlängerung des Studiums nicht den Ersatz des gesamten Verdienstausfalls, der durch den verzögerten Eintritt ins Berufsleben entsteht, und daneben auch den aus eigenem Vermögen getätigten und somit vermögensmindernden Unterhaltsaufwand, der ihm durch das verlängerte Studium entsteht, verlangen kann, weil das Einkommen aus der fiktiven Erwerbstätigkeit regelmäßig der Bestreitung des Unterhalts dient. Daraus folgt aber nicht, dass der Verletzte nur die Differenz zwischen dem Verdienstentgang und dem Unterhaltsaufwand verlangen könnte. Tatsächlich entsteht ihm durch den verzögerten Eintritt ins Berufsleben ein Schaden in der Höhe des gesamten Verdienstausfalles, was er aber mit seinem Verdienst gemacht hätte ist für die Berechnung seines Schadenersatzanspruches irrelevant. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass im Fall der Entscheidung 7 Ob 613/84 offenbar auch nicht die Differenz zwischen dem fiktiven Verdienstausfall und dem Unterhaltsaufwand zugesprochen wurde, sondern - im Ergebnis - der Verdienstausfall zur Gänze der Schadensberechnung zugrundegelegt wurde.

Der Revision der beklagten Parteien war sohin keine Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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