OGH 8Ob28/00a

OGH8Ob28/00a30.3.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Adamovic und Dr. Spenling als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Dr. Tobias Reinisch, Rechtsanwalt, Wien 1, Jasomirgottstraße 6, als Masseverwalter 1.) im Konkurs über das Vermögen der P***** GmbH, *****, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Anfechtung (S 396.050,-- sA), und 2.) der klagenden Partei Dr. Tobias Reinisch als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der protokollierten Firma P***** (KG) ebendort, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, wegen Anfechtung (S 261.999,-- sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 22. Oktober 1999, GZ 3 R 107/99y-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 10. März 1999, GZ 30 Cg 17, 18/98x-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, dass das Urteil erster Instanz wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 33.306,90 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 5.551,15 USt) und die mit S 31.441,25 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.653,75 USt und S 13.250,-- Barauslagen) jeweils binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 29. 2. 1996, GZ 6 Sa 253/96i, wurde über das Vermögen der protokollierten Firma P***** Vertriebsgesellschaft mbH das Ausgleichsverfahren und am 1. 4. 1997, 6 S 371/97v, das Anschlusskonkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Zu eben diesen Zeitpunkten wurde über das Vermögen der protokollierten Firma P***** Erben KG zunächst das Ausgleichsverfahren (6 Sa 252/96t), im weiteren das Anschlusskonkursverfahren (6 S 370/97x) eröffnet und ebenfalls der Kläger zum Masseverwalter bestellt.

Unstrittig ist, dass an die Beklagte durch die Gemeinschuldnerin P***** Vertriebs GmbH zu nachstehenden Zeitpunkten nachstehende Zahlungen geleistet wurden:

25. 03. 1994 S 20.200,--

28. 04. 1994 S 10.100,--

04. 05. 1994 S 1.100,--

01. 07. 1994 S 20.200,--

03. 08. 1994 S 20.200,--

12. 08. 1994 S 20.200,--

09. 09. 1994 S 20.200,--

23. 09. 1994 S 20.200,--

30. 09. 1994 S 15.150,--

28. 10. 1994 S 10.100,--

11. 11. 1994 S 10.100,--

20. 12. 1994 S 3.100,--

20. 02. 1995 S 10.200,--

02. 03. 1995 S 50.000,--

13. 03. 1995 S 25.000,--

20. 03. 1995 S 20.000,--

06. 04. 1995 S 10.000,--

13. 04. 1995 S 10.000,--

27. 04. 1995 S 20.000,--

21. 07. 1995 S 50.000,--

31. 07. 1995 S 30.000,--

insgesamt S 396.050,--

Unstrittig ist weiters, dass die P***** Erben (KG) an die Beklagte (Finanzamt Wien-Umgebung) zu nachstehenden Zeitpunkten nachstehende Zahlungen geleistet hat.

02. 03. 1994 S 19.532,--

08. 03. 1994 S 20.200,--

06. 04. 1994 S 20.200,--

22. 04. 1994 S 10.100,--

17. 06. 1994 S 1.100,--

24. 06. 1994 S 10.100,--

08. 07. 1994 S 20.200,--

22. 07. 1994 S 20.200,--

05. 08. 1994 S 20.200,--

19. 08. 1994 S 20.200,--

02. 09. 1994 S 15.150,--

20. 09. 1994 S 10.100,--

21. 10. 1994 S 15.150,--

04. 11. 1994 S 15.150,--

07. 11. 1994 S 3.378,--

02. 12. 1993 S 15.150,--

16. 12. 1994 S 15.470,--

20. 01. 1995 S 10.100,--

27. 01. 1995 S 319,--

insgesamt S 261.999,--

Der klagende Masseverwalter begehrte in den verbundenen Verfahren gestützt auf die Anfechtungsgründe des § 28 Z 2 KO und des § 30 Abs 1 Z 3 KO die obbezeichneten Zahlungen der Gemeinschuldnerin gegenüber den Konkursgläubigern für unwirksam zu erklären und die Beklagte zu deren Rückzahlung zu verpflichten.

Zur Anspruchsbegründung wurde ausgeführt, die Gemeinschuldnerinnen wären bereits im Jahre 1989 objektiv überschuldet und zahlungsunfähig gewesen - dies wurde zuletzt nicht mehr bestritten -, was der Beklagten auf Grund der abgegebenen Bilanzen bekannt gewesen sein musste. Die Gemeinschuldnerinnen hätten trotz Vorliegens der materiellen Insolvenz und trotz der drohenden Konkurseröffnung an die Beklagte Zahlungen geleistet, wobei sie damit rechnen mussten bzw in Kauf genommen hätten, dadurch andere Gläubiger zu benachteiligen bzw zu begünstigen. Der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerinnen habe die Zahlungen in dem Bewusstsein getätigt, dadurch andere Gläubiger zu benachteiligen; dies habe der Beklagten bekannt sein müssen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, es hätten sich aus den Bilanzen Verluste ergeben, die erfolgten Exekutionseinstellungen und Rückziehungen der Konkurseröffnungsanträge nach Zahlungen hätten jedoch bloß das Vorliegen von Zahlungsschwierigkeiten, nicht jedoch von Zahlungsunfähigkeit, gezeigt. Der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerinnen habe auf Grund der positiven Prognose mit Recht annehmen können, es würde gelingen, die Zahlungsschwierigkeiten sowie die Überschuldung zu beseitigen. Es liege weder Begünstigungs- noch Benachteiligungsabsicht vor, zumal im Zeitpunkt der Zahlungen an die Beklagte noch regelmäßig Zahlungen an alle Gläubiger geleistet worden seien.

Das Erstgericht gab den Klagebegehren vollinhaltlich statt. Dabei ging es von folgenden Feststellungen aus:

Beide Gesellschaften erzielten seit dem Jahre 1989, mit Ausnahme der Jahre 1993 und 1994, laufend Verluste. Die Gewinne aus den Jahren 1993/94 resultierten aus der Rückgabe eines Pachtgrundstückes. Hinsichtlich beider Gemeinschuldnerinnen bestanden in den Jahren 1994 und 1995 zahlreiche offene Verbindlichkeiten, insbesondere gegenüber dem Finanzamt, Lieferantenverbindlichkeiten, hinsichtlich der GmbH offene Verpflichtungen aus dem Titel Getränkesteuer und hinsichtlich der KG offene Bankverbindlichkeiten. Der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin wusste bereits 1989/90 von der Zahlungsunfähigkeit bzw Überschuldung beider Gesellschaften, er versuchte einen Partner zu finden, dem er "von beiden Gesellschaften 50 % verkaufen konnte," um die Schulden zurückzuzahlen. Es gab laufend Exekutionen, auch ein Versteigerungsverfahren, die der Geschäftsführer abwehrte, indem er Geld "zusammenkratzte" und zahlte. Von der Gebietskrankenkasse wurden jährlich zwei oder drei Konkursanträge gestellt. Jedesmal wenn der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerinnen zur Abwehr von Versteigerungen und Konkursanträgen Geld "zusammenkratzte" verblieb "hinten nach" kein Geld "für irgendein Amt". Es wurde nach der "Loch-auf-Loch-zu-Methode" gewirtschaftet. Im Zeitpunkt der klagsgegenständlichen Zahlungen bestanden andere offene Verbindlichkeiten, wobei der Geschäftsführer wusste, dass er im Falle von Zahlungen die anderen Gläubiger nicht befriedigen können werde. Er befriedigte vielmehr immer den am meisten andrängenden Gläubiger, so auch das Finanzamt. Als sich 1993/94 eine weitere Partnersuche zerschlug, wurde ein Teil des Pachtgrundstückes zurückgegeben und "dabei Geld lukriert", was zu einem Gewinn in den Bilanzen führte. Der Geschäftsführer erzählte sowohl dem Einbringungsstellenleiter als auch den Außendienstmitarbeitern der Beklagten öfters von seinen hohen Schulden gegenüber Krankenkasse und Verpächter, den Exekutionen und den Bankverbindlichkeiten. Er erzählte auch, dass er auf der Suche nach einem Partner sei, ebenso von Konkursanträgen der Krankenkasse. Er erklärte gegenüber dem Einbringungsstellenleiter:

"Sie melken mich jetzt aus und dann kann ich die anderen nicht zahlen, aber es wird schon irgendwie reinkommen."

Dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerinnen war dabei klar, dass er der Krankenkasse und dem Stift K***** (Verpächter) nichts bezahlen könne, wenn er Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt tilgte. Dem Einbringungsstellenleiter B***** und den Außendienstmitarbeitern der Beklagten L***** und F***** war "diese Benachteiligungsabsicht" des Geschäftsführers bekannt, nämlich dass er wusste, seine anderen Gläubigern nicht rechtzeitig befriedigen zu können und trotzdem Zahlungen an das Finanzamt leistete.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass sämtliche geleisteten Zahlungen innerhalb der Zweijahresfrist des § 28 KO lägen, die letzten acht Zahlungen der GmbH auch innerhalb der Einjahresfrist des § 30 KO. Die Zahlungen seien Rechtshandlungen, durch die die anderen Gläubiger benachteiligt worden seien. Die Gläubiger hätten keine rechtzeitige Befriedigung erhalten. Obwohl der Geschäftsführer dies wusste, habe er an das Finanzamt gezahlt, woraus sich die Benachteiligungsabsicht ergebe. Er habe dies auch den Bediensteten der Gebietskrankenkasse (richtig wohl: des Finanzamtes) mitgeteilt, diese hätten damit Kenntnis von seiner Benachteiligungsabsicht gehabt. Die Benachteiligungsabsicht schließe die Begünstigungsabsicht ein.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge; es änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, dass es nur die im letzten Jahr vor der Insolvenz geleisteten Zahlungen der Gemeinschuldnerin P***** Vertriebs GmbH (Erstklägerin) an die beklagte Partei zwischen 2. 3. 1995 und 31. 7. 1995 im Gesamtbetrag von S 215.000,-- den Konkursgläubigern gegenüber für unwirksam erklärte und demzufolge die beklagte Partei zur Zahlung von S 215.000,-- samt 5 % Zinsen seit 31. 3. 1998 (und anteiliger Kosten) verpflichtete. Das Mehrbegehren für die Zahlungen zwischen 25. 3. 1994 und 20. 2. 1995 von zusammen S 181.050,-- samt 5 % Zinsen seit 31. 3. 1998 wies es ab. Weiters wies es das Klagebegehren, die von der Gemeinschuldnerin P***** KG an die beklagte Partei geleisteten Zahlungen zwischen 2. 3. 1994 und 27. 1. 1995 im Gesamtbetrag von S 261.999,-- gegenüber den Konkursgläubigern für unwirksam zu erklären und die beklagte Partei zur Zahlung von S 261.999,-- samt 5 % Zinsen seit 31. 3. 1998 zu verpflichten, ab.

Weiters erklärte das Berufungsgericht die ordentliche Revision für zulässig.

Das Berufungsgericht übernahm die erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus:

Auch wenn die Frage, ob Benachteiligungsabsicht vorliege, zum Tatsachenbereich gehöre (SZ 64/37, ÖBA 1990, 948 ua) und die diesbezügliche Beweisrüge der Berufungswerberin nicht überzeugend sei, so sei die Frage, ob die festgestellte Absicht als Benachteiligungsabsicht im Sinne des § 28 KO zu beurteilen sei, eine Rechtsfrage (SZ 64/37). Welche Voraussetzungen für die Bejahung der vom § 28 Z 1 KO geforderten und eine Anfechtung von Rechtshandlungen bis zu 10 Jahren vor Konkurseröffnung ermöglichenden Benachteiligungsabsicht (die dem Antragsgegner bekannt sein müsse) vorliegen müssten, sei in Lehre und Rechtsprechung heftig umstritten. Während Burgstaller (ÖJZ 1979, 148 [150]) und Wegan (Insolvenzrecht 66 f) für die Benachteiligungsabsicht des Gemeinschuldners dolus directus verlangten, begnügten sich Petschek-Reimer-Schiemer (Das österreichische Insolvenzrecht 361), Bartsch-Pollak (Konkurs-, Ausgleichs-, Anfechtungsordnung und Geschäftsaufsichtsgesetz I, 177) und die herrschende Rechtsprechung (ÖBA 1997/666 mwN) mit dolus eventualis (zustimmend auch Koziol, Grundlagen und Streitfragen der Gläubigeranfechtung 84). Dieser dolus eventualis solle schon dann ausreichend sein, wenn es der Gemeinschuldner zum Zeitpunkt der anfechtbaren Rechtshandlung ernstlich für möglich halte, dass dadurch die Befriedigung anderer Gläubiger erschwert oder verzögert wird (ÖBA 1991, 826).

Hätten ältere Lehrmeinungen (Steinbach-Ehrenzweig, Komm zur AnfO 103 ff; Jäger, Komm zur dKO, § 31 Rz 11, 12; Petschek-Reimer-Schiemer aaO

361) vor allem bei kongruenten Deckungen eine unlautere Vorgangsweise des Gemeinschuldners über die objektive Benachteiligung hinaus verlangt, was lange Zeit auch der Judikatur als Abgrenzungskriterium gedient habe (SZ 9/96: Identität der für Gläubiger und Schuldner handelnden Person; SZ 18/21 zu § 2 AnfO: "Umtriebe"; WBl 1989, 68 zu § 2 AnfO: "Besondere konkrete Umstände"; aber auch noch 4 Ob 1549/95 zu § 28 KO: "Umtriebe, Ränke"), so zeige die jüngere Rechtsprechung eine gegenläufige Tendenz:

Vor allem im Zusammenhang mit Sozialversicherungsträgern, die ihre Zahlungsaufforderungen mit Konkursandrohungen verknüpft oder Zahlungen nach Einbringung von Konkurseröffnungsanträgen angenommen hätten, habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass auch kongruente Deckungen - ohne besondere Umstände (Ränke, Umtriebe) - der Absichtsanfechtung unterlägen, wenn der Gemeinschuldner sich bei der Zahlung bewusst gewesen sei, dass er dadurch die Befriedigung älterer oder gleichartiger Forderungen anderer Gläubiger verzögere oder erschwere und dem Anfechtungsgegner dies bekannt gewesen sei oder gewesen sein müsse (ÖBA 1991, 826; ÖBA 1994, 637; ÖBA 1995, 230 = ZIK 1995, 37). Auf die heftige Kritik in der Lehre (Koziol, Grundlagen und Streitfragen der Gläubigeranfechtung, 81 ff; ders, Anm zu ÖBA 1991, 826; ders Anm zu ZIK 1995, 37; Fink, Anm zu ÖBA 1995, 230; Doralt, Anm zu ÖBA 1994, 637, ders ÖBA 1995, 346 ff; Bachmann, ZIK 1996, 3 ff und König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung Rz 133), die vor allem auf die Sinnlosigkeit des § 30 Abs 1 Z 2 und 3 KO bei derart weiter Auslegung des § 28 KO hingewiesen habe, habe der Oberste Gerichtshof lediglich mit einem unzureichenden Abgrenzungsversuch reagiert:

Demnach schließe zwar eine Leistung an einen Gläubiger in Benachteiligungsabsicht wohl logisch zwingend die Begünstigungsabsicht in sich, während letztere aber auch ohne Benachteiligungsabsicht - so etwa dann, wenn der Schuldner den andrängenden Gläubiger befriedigt, um ihn zu beruhigen, dabei jedoch hofft, den drohenden Vermögensverfall doch noch rechtzeitig abwenden und sodann alle übrigen Gläubiger voll und fristgerecht befriedigen zu können - erfolgen könne (ÖBA 1991, 826; ÖBA 1997/666).

Dass diese Abgrenzung nicht sehr überzeugend sei, weil derjenige Schuldner, der hoffe, später doch noch alle seine Gläubiger befriedigen zu können, nicht einmal in Begünstigungsabsicht handle, hätten die Vertreter der obigen Lehrmeinungen (Doralt auch in einer Anmerkung zu ÖBA 1997/666) zutreffend aufgezeigt. Auch dass es nur von der - möglicherweise irrealen - subjektiven Einschätzung des Gemeinschuldners in Bezug auf allfällige Sanierungschancen abhängen solle, wie lange der Antragsgegner mit einer Anfechtung rechnen müsse, sei wenig befriedigend. Auffällig sei auch, dass die vom Obersten Gerichtshof vermutlich aus den Straftatbeständen der §§ 158, 159 Abs 1 Z 2 StGB gewonnenen Abgrenzungsargumente auf die Tatbestände der §§ 28 und 30 KO gerade im umgekehrten Sinn angewendet würden (Doralt, Anm zu ÖBA 1994, 698).

Zu beachten sei, dass auch Doralt (ÖBA 1995, 346 ff) die unter rechtsmissbräuchlichen Konkursandrohungen erlangten Zahlungen missbillige. Ob er über die seiner Ansicht nach zu bejahende Begünstigungsanfechtung (§ 30 KO) auch eine Anfechtung wegen Benachteiligungsabsicht befürworte, lasse er aber offen. Koziol (Grundlagen 82 ff) wiederum betone, dass die Anfechtbarkeit kongruenter Deckungen, die vor der materiellen Insolvenz erfolgten, die Existenz des § 30 Abs 1 Z 3 KO unerklärbar mache. Wenn die kongruente Deckung allerdings nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit erfolge, so bejahe auch er einen Verstoß gegen die Gleichbehandlungspflicht (Grundlagen 84). Da seiner (überzeugenden) Ansicht nach aber jede absichtliche Gläubigerbegünstigung den Eventualvorsatz, die anderen Gläubiger zu benachteiligen, impliziere, stehe man erneut vor der Konsequenz, dass mit der Anfechtungsmöglichkeit des § 28 KO (mit wesentlich längeren Fristen) alle Tatbestände mitumfasst wären, für die § 30 Abs 1 Z 3 KO zur Verfügung stehe. Halte man daher die vom Obersten Gerichtshof neuerdings verwendete Abgrenzung für nicht überzeugend, so wäre der Anfechtungstatbestand des § 30 Abs 1 Z 3 KO überflüssig; ein Ergebnis, das herkömmlichen Auslegungsgrundsätzen widerspreche (Koziol, Grundlagen 84).

Das Berufungsgericht schließe sich daher der herrschenden Lehre an, wonach es bei kongruenten Deckungen für eine Anfechtung nach § 28 KO zusätzlicher spezifischer Indizien (Umtriebe, Ränke) bedürfe, um eine Benachteiligungabsicht anzunehmen. Derartige Umtriebe oder Ränke seien im Verfahren erster Instanz aber nicht einmal behauptet worden.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Frage, welche tatsächlichen Voraussetzungen für eine Anfechtung nach § 28 KO gegeben sein müssen, eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung darstelle, die höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu nicht ganz einheitlich sei (vgl 4 Ob 1549/95) und das Berufungsgericht die Argumente der herrschenden Lehre entgegen der überwiegenden Rechtsprechung für überzeugend halte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die ordentliche Revision des Klägers aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und das Urteil erster Instanz wiederherzustellen.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision des Klägers ist zulässig und auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wie das Berufungsgericht selbst erkannte, steht seine Rechtsansicht zur aktuellen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes im Widerspruch. Inzwischen ist bereits über die erhebliche Rechtsfrage (in dem vom Berufungsgericht als seine Vorentscheidung zitierten Verfahren) durch den Obersten Gerichtshof entschieden worden (11. 11. 1999, 6 Ob 52/99m); da jedoch diese Entscheidung dem Berufungsgericht zur Zeit seiner Entscheidung (22. 10. 1999) noch nicht bekannt sein konnte und auch zur Zeit der Erhebung des Rechtsmittels noch nicht veröffentlicht war, ist die Revision zulässig.

Der Oberste Gerichtshof hält nun mehr trotz der vom Berufungsgericht

ausführlich dargelegten Kritik der Lehre in seiner neueren

Rechtsprechung daran fest, dass auch kongruente Deckungen der

Absichtsanfechtung nach § 28 KO unterliegen. Absicht zur

Benachteiligung bedeutet nichts anderes als Vorsatz. Es genügt dolus

eventualis. Benachteiligungsabsicht ist anzunehmen, wenn zur

Begünstigung noch das Wissen hinzukommt, dass das zahlungsunfähige

und überschuldete Unternehmen nicht mehr saniert werden kann und eine

volle Befriedigung aller Gläubiger auch in Zukunft nicht möglich ist

(6 Ob 641/93 = ÖBA 1994/445, 637; 4 Ob 99/97f = ÖBA 1997/666, 1020 je

mit weiteren Judikaturhinweisen). Es reicht aus, dass der Schuldner

andere Ziele, etwa die Begünstigung des Partners oder auch die

Befreiung von einer drohenden Exekution, verfolgt hat und dabei die

Benachteiligung anderer Gläubiger als sicher eintretend erkannte oder

sich damit bewusst und positiv abfand (in diesem Sinne jüngst auch 7

Ob 354/98d in ÖBA 1999/823).

Der Oberste Gerichtshof hat sich in seinen letzten Entscheidungen,

insbesondere in 4 Ob 99/97f mit den gegenteiligen Lehrmeinungen und

den im Berufungsurteil ebenfalls dargelegten kritischen

Stellungnahmen der Lehre zu den jeweils diese Grundsätze zum Ausdruck

bringenden Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes

auseinandergesetzt und dargelegt, warum er nach wie vor keinen Anlass

findet, von seiner Rechtsprechung abzugehen.

Die Entscheidung 4 Ob 99/97f wurde abermals von Doralt (in ÖBA 1997,

1023 ff) insoweit ablehnend kommentiert, als sie die Judikatur des

Obersten Gerichtshofes bekräftigt, wonach auch jede gebührende, also

insbesondere fällige Zahlung in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit

sogar den Anfechtungstatbestand des § 28 KO erfüllt, wenn sich der

zahlungsunfähige Schuldner bei Leistung der Zahlung nicht der

Hoffnung auf eine Sanierung hingibt. Ein im wesentliches neues,

bisher noch nicht bedachtes Argument vermag er aber in dieser

Stellungnahme nicht aufzuzeigen.

Die wesentlichen Argumente und Gegenargumente wurden bereits in der

zuletzt zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes

berücksichtigt, sodass auf deren Begründung verwiesen werden kann.

Ein nochmaliges Eingehen auf die jeweils dargelegten Argumente könnte

nur zu einer Wiederholung der bereits bekannten unterschiedlichen Auffassungen führen.

Doralts Zitat aus dem Motivenbericht zur deutschen KO (in der

Entscheidungsbesprechung in ÖBA 1997, 1024; ebenso König, Anfechtung

nach der Konkursordnung Rz 133), dass man einem Gläubiger nicht

zumuten könne, auf die Ausübung seines wohl begründeten Rechts zu

verzichten und sich großmütig einem Verlust zu unterwerfen, damit

nicht andere einen größeren Verlust erleiden mögen, versagt gegenüber

jenem Gläubiger, der sich missbräuchlicher Methoden zur

Hereinbringung seiner Forderung auf Kosten anderer Gläubiger bedient.

Den Entscheidungen WBl 1989, 68 (zu § 2 AnfO) und 4 Ob 1549/95, in

denen "besondere Umstände" bzw "Umtriebe, Ränke" für das Vorliegen

der Benachteiligungsabsicht gefordert wurden, lagen nicht

vergleichbare Sachverhalte zugrunde. Sie wurden, soweit daraus

überhaupt eine allgemeine Aussage zur Benachteiligungsabsicht im Sinn

des § 28 KO abzuleiten ist, in Folgeentscheidungen nicht fortgesetzt.

Mit der Entscheidung 4 Ob 1549/95 wurde im übrigen eine

außerordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage

zurückgewiesen, wobei in der Kurzbegründung primär betont wurde, dass

die Vorinstanzen eine Benachteiligungs- und Begünstigungsabsicht

verneint hätten, worin eine irrevisible Tatsachenfeststellung liege.

Die beklagte Partei gehörte zu den "am meisten andrängenden

Gläubigern", sodass es nur einen graduellen Unterschied ausmachte, ob

dabei eine Konkursandrohung ausgesprochen wurde oder auch

unausgesprochen blieb. Auf die Frage von missbräuchlich gestellten

Konkurseröffnungsanträgen braucht daher nicht mehr eingegangen zu werden (wie in 6 Ob 52/99m).

Der Kläger hat schon in seiner Klage sich sowohl auf den

Anfechtungstatbestand nach § 28 Z 2 KO (Benachteiligungsabsicht) als

auch auf den des § 30 Abs 1 Z 3 KO (Begünstigungsabsicht) gestützt.

Auch ohne rechtsmissbräuchlich gestellte Konkursanträge musste die

Benachteiligungsabsicht des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerinnen

der beklagten Partei nach den getroffenen Feststellungen bekannt sein (§ 28 Z 2 KO).

Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichtes ist daher im Sinn

einer Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und

Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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