OGH 6Ob641/93

OGH6Ob641/933.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Walter Hofbauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der I***** GesmbH, wider die beklagte Partei B*****kasse, ***** vertreten durch Dr.Gustav Teicht und Dr.Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 128.672,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 3.September 1993, GZ 4 R 192/93-14, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 1.April 1993, GZ 14 Cg 1011/92 g-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.789,60 (darin S 1.131,60 Ust) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 17.6.1991 wurde zu S 75/91 über das Vermögen der I***** GesmbH, welche sich mit Sitz in S***** mit der Planung und Ausführung von Bauvorhaben befaßt hatte, der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Das Konkursverfahren ist noch anhängig.

Die beklagte Partei forderte die nunmehrige Gemeinschuldnerin mit Schreiben vom 9.2.1990 auf, rückständige Beiträge für den Zeitraum 28.8.1989 bis 31.12.1989 in Höhe von S 193.009,-- zu zahlen und bekräftigte ihre Aufforderung mit der Androhung: "Infolge Ihrer Zahlungssäumigkeit und der Tatsache, daß Sie trotz der von uns eingeleiteten Exekution keine Schritte zur Verminderung Ihres Rückstandes unternehmen, befürchten wir, daß Sie zahlungsunfähig sind. Um diesen Verdacht zu entkräften, fordern wir Sie auf, zwei Drittel der Schuld innerhalb einer Woche abzudecken. Sollten Sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, wären wir gezwungen, einen Konkurseröffnungsantrag einzubringen". Die Gemeinschuldnerin überwies der beklagten Partei am 14.2.1990 S 128.672,--.

Diese Zahlung machte der Masseverwalter zum Gegenstand der vorliegenden auf § 28 KO gestützten Anfechtungsklage. Er brachte vor, die zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlung bereits zahlungsunfähige und hoch überschuldete Gemeinschuldnerin habe die Zahlung in der Absicht geleistet, ihre zahlreichen übrigen Gläubiger zu benachteiligen. Diese Absicht sei der beklagten Partei bekannt gewesen oder hätte ihr jedenfalls bei gehöriger Aufmerksamkeit bekannt sein müssen. Bis zum Zeitpunkt der Zahlung seien ca 220 Exekutionen und zahlreiche Konkursanträge verschiedener Gläubiger anhängig gewesen; ein Teil der Betreibungen sei zum Zahlungszeitpunkt noch anhängig gewesen. Aus der Erfahrung eines von der beklagten Partei bereits am 6.2.1989 gestellten Konkursantrages und mehrerer vor der Zahlung bereits geführter Exekutionen habe die Gemeinschuldnerin die angefochtene Zahlung insbesondere deshalb geleistet, um den von der beklagten Partei angedrohten und in weiterer Folge drohenden Konkurs zu vermeiden. Schon im Konkursantrag vom 6.2.1989 habe die beklagte Partei selbst - zutreffend - die bereits eingetretene Insolvenz der Gemeinschuldnerin und eine Gläubigermehrheit behauptet. Die Beklagte wäre daher zu zumutbaren Erhebungen über die Verhältnisse der Gemeinschuldnerin verpflichtet gewesen und hätte allein aus dem Pfändungsprotokoll erkennen können, daß die zahllosen übrigen Gläubiger nicht, jedenfalls nicht gleichzeitig und gleichmäßig mit der beklagten Partei, befriedigt werden konnten.

Die beklagte Partei wandte ein, der am 6.2.1989 gestellte Konkursantrag, nach welchem die Gemeinschuldnerin unverzüglich Zahlung geleistet habe, habe keinerlei Zusammenhang mit der angefochtenen Zahlung; während des Jahres 1989 habe die Gemeinschuldnerin die Beiträge weitgehend pünktlich bezahlt. Die angefochtene Zahlung sei nicht unter dem Druck eines anhängigen Konkursantrages geleistet worden. Die im Schreiben vom 9.2.1990 lediglich geäußerte Vermutung über eine Insolvenz der Gemeinschuldnerin sei durch die unverzügliche Zahlung entkräftet worden. Die beklagte Partei habe kongruente Befriedigung erlangt. Die Gemeinschuldnerin habe nicht in Benachteiligungsabsicht gehandelt; eine solche sei aus den Umständen auch nicht erkennbar gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Zugrundelegung folgender Feststellungen statt:

Die I***** GesmbH wurde 1985 mit dem Sitz in S***** gegründet. Gegenstand des Unternehmens waren vor allem die Planung und Ausführung von Bauvorhaben. Im Zuge von Bauausführungen wurden zahlreiche Mängel und auch Pönaleforderungen gegenüber der Gemeinschuldnerin geltend gemacht. Ein Teil der Forderungen der Gemeinschuldnerin wurden nicht oder nicht mehr vollständig bezahlt. Dadurch häuften sich zahlreiche Außenstände. Die Gemeinschuldnerin, die in vielen Fällen als Generalunternehmerin auftrat und durch knappe Kalkulation Vertragsabschlüsse zu erreichen versuchte, geriet zunehmend in Zahlungsschwierigkeiten. Aufgrund geringen Eigenkapitales und geringer liquider Mittel konnten Subunternehmen nicht bezahlt werden, sodaß diese wiederum ihre Tätigkeit einstellten, bis sie Zahlung erlangten. Die Zahlungsschwierigkeiten häuften sich; schon 1987 wurden Exekutionen gegen die Gemeinschuldnerin geführt und Konkursanträge gestellt. Bis zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlung wurden gegen die Gemeinschuldnerin beim Bezirksgericht I***** 129 Exekutionen wegen Kapitalforderungen von über S 17,000.000,-- betrieben; davon führte die Beklagte sieben Exekutionen zur Hereinbringung eines Gesamtbetrages von S 361.397,--. Am 14.2.1990 waren noch 75 Forderungen von über S 12,000.000,-- an Kapital offen. Beim Bezirksgericht T***** waren 70 Exekutionen wegen Forderungen von rund S 7,600.000,--, davon 8 Exekutionen von der beklagten Partei, geführt worden. Zum Zahlungszeitpunkt waren noch 28 Forderungen in Höhe von rund S 4,000.000,-- offen. Darüber hinaus bestanden offene Forderungen verschiedener Subunternehmer, die noch nicht in Exekution gezogen waren. Bis 14.2.1990 wurden gegen die Gemeinschuldnerin beim Landesgericht I***** bereits 22 Konkursanträge eingebracht, einer davon war noch anhängig. Die beklagte Partei selbst hatte am 6.2.1989 einen Konkursantrag eingebracht und darin Zahlungsunfähigkeit und Gläubigermehrheit behauptet. Überdies hatte die Gemeinschuldnerin Bankverbindlichkeiten von jedenfalls mehreren Millionen Schilling. Zwei der Gemeinschuldnerin gehörige Liegenschaften waren über ihren Wert hinaus belastet und wurden noch vor der Konkurseröffnung zwangsversteigtert; für die Gemeinschuldnerin blieb kein Mehrerlös. Die Baumaschinen wurden im Laufe des Jahres 1989 einem Gläubiger in Verrechnung gegen offene Forderungen in Zahlung gegeben. Im Zeitpunkt der angefochtenen Zahlung waren sämtliche Baugeräte nur mehr geleast. Die zu Recht bestehenden Forderungen der Gemeinschuldnerin beliefen sich nur mehr auf einen Bruchteil ihrer Schulden. Es bestand keinerlei Aussicht mehr auf den Fortbestand des Unternehmens. Eine positive Unternehmensentwicklung war nicht zu erwarten. Das Vermögen reichte im Liquidationsfall nicht mehr zur Befriedigung aller Gläubiger aus. Die Gemeinschuldnerin war auch nicht mehr in der Lage, fällige Schulden in angemessener Frist zu erfüllen, weil sie keine bereiten Zahlungsmittel mehr hatte. Zum Jahreswechsel 1989/90 hielt der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin eine vollständige Befriedigung der Gläubiger nicht mehr für möglich. Bemühungen um einen außergerichtlichen Ausgleich scheiterten, weil die Quote nicht aufgebracht werden konnte.

Schon seit 1988 nahm die Gemeinschuldnerin bei Zahlungen von Verbindlichkeiten generell auf die "Lästigkeit" der Gläubiger Bedacht, es wurden diejenigen vorrangig befriedigt, die Exekution führten, mit Konkursanträgen drohten oder solche einbrachten. Als besonders lästige Gläubiger empfand die Gemeinschuldnerin die beklagte Partei und die T***** *****kasse. Der Gemeinschuldnerin war bekannt, daß ihr von diesen beiden Gläubigern sofort Exekutionen und Konkursanträge drohten, wenn sie nicht fristgerecht Zahlung leistete.

In den Jahren 1987 bis 1990 betrieb die beklagte Partei beim Bezirksgericht I***** 7 und beim Bezirksgericht T***** Exekutionen über jeweils fünfstellige Beträge. Diese endeten überwiegend durch Zahlung oder Einstellung durch die beklagte Partei. Im Konkursantrag vom 2.2.1989 behauptete die beklagte Partei Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung und Gläubigermehrheit. Sie führte dort aus: "Die Firma bezahlt Ihre Schulden, die bis 1.8.1988 zurückreichen, weder unter dem Druck des anhängigen Exekutionsverfahrens noch reagiert sie auf diverse Zahlungsaufforderungen. Auch ein Schreiben der Antragstellerin vom 12.1.1989, welches für den Fall der weiteren Zahlungssäumigkeit einen Antrag auf Konkurseröffnung ankündigte, blieb ohne entsprechenden Erfolg. Bezüglich der Gläubigermehrheit wird auf die Exekutionsakte des BG T***** Abteilung 2 verwiesen". Am 17.3.1989 zog die beklagte Partei wegen vollständiger Zahlung den Konkurseröffnungsantrag zurück. Das Bezirksgericht I***** teilte der beklagten Partei mit, daß am 20.3.1989 gegen die Gemeinschuldnerin ca 16 Exekutionen mit einer Gesamtsumme betriebener Forderungen von ca S 3,500.000,-- anhängig seien.

Noch während zwei Exekutionen der beklagten Partei gegen die Gemeinschuldnerin wegen rückständiger Beiträge anhängig waren, verfaßte die beklagte Partei das eingangs genannte Schreiben vom 9.2.1990 und bezifferte ihre Forderung (einschließlich der betriebenen) mit S 193.009,--.

Um einen Konkursantrag und in der Folge eine Konkurseröffnung zu vermeiden, überwies der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin am 14.2.1990 der beklagten Partei S 128.672,--. Er nahm es dabei in Kauf und fand sich damit ab, daß andere Gläubiger, darunter auch solche, die zu diesem Zeitpunkt bereits zugunsten hoher gleich alter oder älterer Forderungen Exekution führten, keine Befriedigung erhielten und ihre Forderungen in der Folge im Konkurs anmelden mußten, im Umfang der geleisteten Zahlung entweder überhaupt nicht oder später befriedigt würden.

Die beklagte Partei richtet zur Hereinbringung von Beiträgen eine Woche nach Fälligkeit ein vom Computer verfaßtes Mahnschreiben an den Schuldner. Bei Nichtzahlung wird fünf Wochen nach Fälligkeit ein Rückstandsausweis erstellt und Exekution beantragt. Etwa drei Wochen nach Einbringung eines zweiten Exekutionsantrages wird dem Beitragspflichtigen schriftlich die Konkursantragstellung angedroht. Im Falle weiterer Nichtzahlung wird der Konkursantrag gestellt. Dazu wird von der Rechtsabteilung der beklagten Partei durch Einsicht in das Pfändungsprotokoll, in die Pfändungskartei und durch Anfrage bei der Sozialversicherung erhoben, ob Gläubigermehrheit besteht, nicht aber die wirtschaftliche Situation des Schuldners überprüft.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, der vorliegende Sachverhalt sei der Bestimmung des § 28 Z 2 KO zu unterstellen. Für die Annahme einer Benachteiligung genüge bereits die bloße Verzögerung oder Erschwerung der Befriedigung anderer Gläubiger. In Benachteiligungsabsicht handle ein Gemeinschuldner, wenn er zumindest mit dolus eventualis in Kauf nehme, daß Gläubiger durch seine Rechtshandlung benachteiligt werden, ohne daß diese Benachteiligung der einzige Beweggrund seiner Rechtshandlung sein müsse. Es genüge, wenn der künftige Gemeinschuldner andere Ziele, wie etwa die Begünstigung des Vertragspartners, verfolge und dabei die Benachteiligung anderer Gläubiger entweder als sicher erkannt oder sich damit bewußt und positiv abgefunden habe. Die Gemeinschuldnerin sei zum Zahlungszeitpunkt bereits zahlungsunfähig und ohne Aussicht auf Sanierbarkeit überschuldet gewesen. Der Geschäftsführer habe selbst nicht mehr an eine Möglichkeit einer (späteren) gänzlichen Befriedigung der Gläubiger geglaubt. Benachteiligungsabsicht liege auch nahe, wenn, wie hier, Klags- oder Exekutionsmaßnahmen oder auch ein Konkursantrag, mit welchem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu rechnen gewesen sei, durch die angefochtene Zahlung hintan gehalten werden solle. Die nach Eintritt der Insolvenz ausschließlich zur Vermeidung eines Konkursantrages und letztlich zur Verzögerung der Konkurseröffnung geleistete Zahlung indiziere auch die Benachteiligungsabsicht. Diese hätte der beklagten Partei auch bekannt sein können, zumal sie habe wissen müssen, daß die Gemeinschuldnerin die Zahlung an sie nur geleistet habe, um den angedrohten Konkursantrag abzuwenden und in Ermangelung liquider Mittel keine andere Wahl gehabt habe, als es in Kauf zu nehmen, daß andere Gläubiger im Umfang der Zahlung weniger erhielten. Diese Kenntnis wäre der beklagten Partei aufgrund des schon früher gestellten Konkursantrages, der umfangreichen Fahrnisexekutionen, von welchen sie durch Einsicht in die Pfändungskartei hätte wissen müssen und der laufenden öffentlich bekanntgemachten Zwangsversteigerungsverfahren bei durchschnittlicher Sorgfalt leicht möglich und zumutbar gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei keine Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und billigte dessen insbesondere auf die Ausführungen des Obersten Gerichtshofes in SZ 64/37 gestützte Rechtsansicht über die Benachteiligungsabsicht unabhängig von der Kongruenz der geleisteten Zahlung der späteren Gemeinschuldnerin und über die fahrlässige Unkenntnis der beklagten Partei.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes, auch im Falle einer kongruenten Befriedung sei Benachteiligungsabsicht iSd § 28 KO anzunehmen, wenn sie im Bewußtsein vorgenommen werde, daß durch sie die Befriedigung der übrigen Gläubiger zumindest verzögert oder erschwert werde, ohne daß es weiterer Indizien bedürfe, in der Lehre nicht unumstritten sei (insbesondere Koziol in ÖBA 1991, 828 und derselbe in Grundlagen und Streitfragen der Gläubigeranfechtung 81 f sowie König, Die Anfechtung nach der KO, Rz 131).

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Es entspricht der nicht erst seit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes SZ 64/37 =ecolex 1991, 532 = ÖBA 1991, 826, heute herrschenden Auffassung, daß auch kongruente, also dem Gläubiger zeitlich und sachlich gebührende Befriedigung oder Sicherstellung, der Absichtsanfechtung gemäß § 2 AnfO und § 28 KO unterliegen und daß bei kongruenter Deckung strenge Anforderungen an die Feststellung der Absicht zur Gläubigerbenachteiligung zu stellen sind (vgl die bei Koziol aaO angeführten Nachweise). Auch Koziol räumt ein, daß sich die Problematik der Einzelanfechtung, weil der Schuldner frei wählen kann, welche seiner Gläubiger er befriedigen will und er auch nicht zu deren Gleichbehandlung verpflichtet ist, "solange nicht die Gründe für eine Konkurseröffnung vorliegen", anders darstellt als bei der Absichtsanfechtung im Zuge eines Konkursverfahrens nach § 28 KO, weil die Zulassung der Anfechtung hier nicht dazu führe, daß der Anfechtungsgegner überhaupt nichts erhalte, sondern als Konkursgläubiger an der Verteilung der Masse teilnehme, sodaß es zu einer Gleichbehandlung mit den anderen Gläubigern komme. Das Gesetz sehe jedoch den Gleichbehandlungsgrundsatz nur für die Verteilung der Masse im Konkurs und davor bloß ab den in § 30 KO festgelegten Zeitpunkten, "also ab der materiellen Insolvenz", vor. Die Absichtsanfechtung erfasse aber auch wesentlich früher vorgenommene Rechtshandlungen, die zu einem Zeitpunkt erfolgt seien, zu welchem noch keine Gleichbehandlungspflicht bestanden habe. Eine kongruente Deckung könnte nur unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes bedenklich erscheinen, das jedoch erst ab dem materiellen Konkurs bestehe. Die Anfechtbarkeit kongruenter Leistungen sei dann zu bejahen, wenn die Befriedigung eines Gläubigers durch ein Verhalten des Schuldners errreicht werde, das seinen sonstigen Gläubigern gegenüber pflichtwidrig sei und vom befriedigten Gläubiger auch nicht erzwungen hätte werden können, weil hier ein Gläubiger durch ein ihm erkennbares pflichtwidriges Verhalten seines Schuldners einen Vorsprung vor seinen Konkurrenten gewinne und dadurch deren Möglichkeit, vor ihm Befriedigung zu erlangen, vereitelt werde.

Nach § 30 Abs 1 KO gehört zu den materiellen Konkursvoraussetzungen der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit. Wenn auch die Begünstigungsanfechtung ausgeschlossen ist, wenn die Begünstigung früher als ein Jahr vor der Konkurseröffnung stattgefunden hat, so ergibt sich doch aus den strafrechtlichen Kridabestimmungen der § 156 f StGB, daß der Gleichbehandlunggrundsatz jedenfalls ab dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gewahrt werden muß und dessen Verletzung ein pflichtwidriges Verhalten des Schuldners darstellt, das einem von mehreren Gläubigern einen unberechtigten Vorsprung verschafft. Solange der Schuldner, der einen von mehreren Gläubigern zur Gänze befriedigt hat, aufgrund einer wenn auch objektiv unrichtigen Zukunftsprognose subjektiv noch hofft, seine Zahlungsunfähigkeit beheben zu können und damit die übrigen Gläubiger, wenn auch zu einem späteren Zeitpunkt, voll befriedigen zu können, handelt er jedenfalls in Begünstigungsabsicht, weil er entgegen seiner Gleichbehandlungsverpflichtung einem Gläubiger durch frühere Befriedigung vor den übrigen mit ebenfalls fälligen Forderungen bewußt trotz eingetretener Zahlungsunfähigkeit den Vorzug gibt. Kommt aber zu dieser Begünstigung, wie hier, noch ein weiteres subjektives Tatelement hinzu, nämlich das Wissen, daß das zahlungsunfähige und überschuldete Unternehmen nicht mehr saniert werden kann und eine wenn auch verspätete volle Befriedigung aller Gläubiger auch in Zukunft nicht möglich ist, nimmt es der Schuldner bei der Vollzahlung eines Gläubigers somit in Kauf, daß die übrigen jedenfalls einen finanziellen Nachteil erleiden werden, so ist Benachteiligungsabsicht anzunehmen. Im vorliegenden Fall war dem Geschäftsführer der zahlungsunfähigen und überschuldeten Gemeinschuldnerin nicht nur bewußt, daß jedenfalls für die nichtbefriedigten Gläubiger ein Ausfall zu erwarten war, sondern es sind auch Verhandlungen über einen außergerichtlichen Ausgleich mangels Zahlungsmöglichkeit auch nur einer Quote gescheitert. Der Ansicht Koziols, dem Anfechtungstatbestand des § 30 Abs 1 Z 3 KO käme bei Zulassung einer Absichtsanfechung nach § 28 Z 2 KO, bei welcher die Konkursvoraussetzungen zum Zahlungszeitpunkt bereits vorgelegen sind, die ohnedies auf den Zeitraum von zwei Jahren vor Konkurseröffnung beschränkt ist und deren subjektive Voraussetzungen in jedem Einzelfall streng zu prüfen sind, in Fällen kongruenter Deckung keine Bedeutung mehr zu, kann daher nicht gefolgt werden.

Nach den getroffenen Feststellungen ist den Vorinstanzen auch zuzustimmen, daß der beklagten Partei, welche mit der Androhung eines Konkurseröffnungsantrages jedenfalls konkursfremde Ziele - nämlich die wirksame und vor den Forderungen der anderen zahlreichen Gläubiger bevorzugte Betreibung der eigenen Forderung, beabsichtigte (vgl hiezu Sprung, Zum Mißbrauch des Konkurseröffnungsantrages in JBl 1969, 243), die von der Gemeinschuldnerin verfolgten Intentionen anläßlich der Zahlung der in Frage stehenden Forderung bekannt sein mußte (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Revision war daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 KO.

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