OGH 5Ob141/99t

OGH5Ob141/99t7.12.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache des Antragstellers DI Robert P*****, vertreten durch Dr. Johannes Schuster, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1. R***** Internationale Beteiligungsgesellschaft mbH, *****2. B***** Aktiengesellschaft, ***** beide vertreten durch Dr. Christian Kuhn, Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 12a Abs 3 MRG, infolge des Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 26. Jänner 1999, GZ 39 R 645/98m-21, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 31. Juli 1998, GZ 5 Msch 97/97a-15, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Sachbeschluss wird dahin abgeändert, dass unter Einbeziehung des unbekämpft gebliebenen Teils der erstinstanzliche Sachbeschluss wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Der Antragsteller ist Eigentümer des Hauses ***** in*****, die Zweitantragsgegnerin ist Mieterin der Geschäftsräumlichkeiten top Nr R 1 in diesem Haus und betreibt dort einen Billa-Markt. Die "J*****" Handel mit Waren aller Art Gesellschaft mbH ist Alleinaktionärin der Zweitantragsgegnerin. Alleingesellschafterin der J***** Handel mit Waren aller Art Gesellschaft mbH ist die B***** AG. Im Sommer 1996 wurden sämtliche Aktien der B***** AG von der Karl W***** Privatstiftung an die Erstantragsgegnerin verkauft, wobei der Kaufvertrag mit Zustimmung der Kommission der Europäischen Union am 17. 8. 1996 rechtswirksam wurde.

Unstrittig ist zwischen den Streitteilen auf Grund der Entscheidung 5 Ob 7/98k = WoBl 1998/112, dass diese Vorgänge in der Konzernholding für die Zweitantragsgegnerin als Mieterin grundsätzlich den Tatbestand des § 12a Abs 3 MRG verwirklicht haben.

Die Abweisung des Begehrens hinsichtlich der Erstantragsgegnerin ist in Rechtskraft erwachsen.

Soweit für das Revisionsrekursverfahren noch von Bedeutung, begehrt der Antragsteller als Vermieter festzustellen, dass er gegenüber der Zweitantragsgegnerin als Hauptmieterin zur Anhebung des Hauptmietzinses auf den angemessenen Hauptmietzins berechtigt ist. Dies auf Grund der Bestimmung des § 12a Abs 3 MRG.

Die Zweitantragsgegnerin begehrt die Abweisung des Feststellungsantrags mit der Begründung, dass die im Mietvertrag vom 20. 8. 1981 (Beilage ./1) getroffenen vertraglichen Vereinbarungen Punkt V und Punkt XI einer solchen Anhebung entgegenstünden.

Punkt V des Mietvertrags lautet:

"Da die Parteien diese Vertrages den Mietzins ausschließlich unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte und ohne Rücksicht auf öffentlich-rechtliche Mietzinsvorschriften vereinbart haben, kommen sie überein, dass auch in Zukunft öffentlich-rechtliche Mietzinsvorschriften auf diesen Vertrag nicht angewendet werden, sondern eine Mietzinsänderung nur auf Grund der vorstehenden Wertsicherungsklausel zulässig ist."

Punkt XI dieses Vertrages lautet:

"Die Mieterin ist berechtigt, alle Rechte und Pflichten aus diesem Mietvertrag auf ein anderes Unternehmen der Holding der Unternehmungen des Herrn Karl W*****, B***** AG, zu übertragen. Sie ist ferner berechtigt, das Mietobjekt ganz oder teilweise unterzuvermieten, doch bleibt sie in diesem Falle für die Einhaltung der Bestimmungen dieses Mietvertrags voll verantwortlich ..... ."

Mit Punkt V des Vertrages habe der Antragsteller einen Verzicht auf die Anhebung des Mietzinses erklärt. Mit Punkt IX des Vertrages habe der Antragsteller der Zweitantragsgegnerin ein Weitergaberecht eingeräumt, das auch den festgestellten Sachverhalt umfasse.

Der Antragsteller wendete dagegen ein, dass keine Weitergabe innerhalb des Konzerns erfolgt sei, weshalb Punkt XI nicht herangezogen werden könne.

Zu Punkt V bestritt er, dass damit wirksam ein Verzicht auf das nun in Frage stehende Anhebungsrecht erklärt worden sei. § 12a MRG sei keine dispositive Bestimmung, sondern zwingendes Recht, weshalb er darauf nicht wirksam habe verzichten können. Außerdem stelle § 12a MRG keine öffentlich-rechtliche Mietzinsvorschrift dar.

Der Erklärung könne auch kein Verzichtswille hinsichtlich einer Anhebungsmöglichkeit unterstellt werden, die im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung rechtlich noch gar nicht existiert habe. Der Mietvertrag sei nämlich vor Inkrafttreten des MRG abgeschlossen worden. Darüber hinaus sei einem solchen Verzicht die pflegschaftsbehördliche Genehmigung (der Antragsteller war im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages noch minderjährig) nicht erteilt worden.

Das Erstgericht stellte fest, dass der Antragsteller als Vermieter gegenüber der Zweitantragsgegnerin zur Anhebung des Hauptmietzinses auf den angemessenen Hauptmietzins berechtigt sei. Die von der Zweitantragsgegnerin geltend gemachten vertraglichen Bestimmungen stünden dem nicht entgegen. Zum einen handle es sich nicht um eine Weitergabe des verfahrensgegenständlichen Geschäftslokals an ein anderes Unternehmen der Holding B***** AG, sondern habe die Erstantragsgegnerin die Holding AG zur Gänze erworben.

Weil im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages die Bestimmung des § 12a Abs 3 MRG noch nicht bestanden habe, könne den Mietvertragsparteien nicht unterstellt werden, beabsichtigt zu haben, auf die Anhebung des Mietzinses nach dieser Gesetzesbestimmung verzichten zu wollen.

Einem dagegen von der Zweitantragsgegnerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge und wies den Antrag auf Feststellung der Berechtigung der Anhebung des Hauptmietzinses auch hinsichtlich der Zweitantragsgegnerin ab.

Das in Punkt XI des Mietvertrages vereinbarte Weitergaberecht hätte es der Mieterin ermöglicht, das Mietrecht zu gleichen Bedingungen zu übertragen und damit zu verwerten, wenn auch nur an ein anderes Unternehmen der Holding der Unternehmungen des Karl W*****. Umso mehr müsse sich der Antragsteller eine andere Art der wirtschaftlichen Verwertung des Mietrechts, nämlich ohne formalen Übertragungsvorgang an einen neuen Mieter, wie eben eine "entscheidende Änderung der Einflussmöglichkeiten" in der Mietergesellschaft ohne Mietzinsanhebung gefallen lassen (vgl Reich-Rohrwig, Mietzinserhöhung bei Geschäftsraum-Hauptmiete, 164 f). Ein Anhebungsrecht bestehe daher nicht.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 130.000 übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Ob die Einräumung eines Weitergaberechtes auch gesellschaftsrechtliche Veränderungen im Sinn des § 12a Abs 3 MRG umfasse, sei noch durch höchstgerichtliche Rechtsprechung geklärt.

Gegen die Abweisung des Antrags auch hinsichtlich der Zweitantragsgegnerin richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Feststellung, dass der Antragsteller gegenüber der Zweitantragsgegnerin zur Anhebung des Hauptmietzinses auf den angemessenen Hauptmietzins berechtigt sei.

Die Zweitantragsgegnerin beantragte, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung ist zunächst geklärt, dass die Veräußerung der Anteilsrechte an jener Holding Gesellschaft, die Alleingesellschafterin der Mietergesellschaft ist, eine wesentliche Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in der Mietergesellschaft bewirkte (5 Ob 7/98k = WoBl 1998/112). Gegenstand weiterer höchstgerichtlicher Entscheidungen war auch bereits, dass ein dem Mieter vertraglich zustehendes Weitergaberecht nicht nur im Fall des § 12a Abs 1 MRG eine Mietzinserhöhung ausschließt (wie dies zu § 12 Abs 3 aF MRG ständig judiziert wurde), sondern auch im Fall des § 12a Abs 3 MRG (EWR I/46a/15; EWR I/12a/31 ua). Aber auch die Frage, ob das der Zweitantragsgegnerin im Mietvertrag zugestandene Weitergaberecht auf ein anderes Unternehmen der Holding, B***** AG wurde von der Rechtsprechung des Höchstgerichtes bereits dahin geklärt, dass eine solche Vereinbarung der Anhebung des Hauptmietzinses nach § 12a Abs 1 MRG im Falle eines Machtwechsels im Konzern der Mieterin nicht erfasst ist (vgl 5 Ob 288/98h; 5 Ob 100/99p).

Es bleibt somit noch zu prüfen, ob die unter Punkt V des Mietvertrags getroffene Vereinbarung dem Anhebungsbegehren des Antragstellers entgegensteht.

Zunächst steht eine vom Wortlaut abweichende Parteienabsicht nicht fest, sodass die Auslegung nach der Bestimmung des § 914 ABGB vorzunehmen ist.

Auszugehen ist zunächst davon, dass unter "öffentlich-rechtlichen Mietzinsvorschriften" die Vertragsparteien nur "gesetzliche Mietzinsvorschriften" gemeint haben können, weil sonst der vertraglichen Regelung jeder Anwendungsbereich genommen wäre. Mietzinsvorschriften sind derzeit - auch im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses - nicht dem Bereich des öffentlichen Rechts, sondern jenem des Privatrechts zuzuordnen.

Zinsschutzbestimmungen sind stets nur einseitig, zugunsten des Mieters, zwingendes Recht, sodass grundsätzlich ein Verzicht auf jedwede Anhebung außer durch Wertsicherung in der Zukunft durch (geänderte) Rechtsvorschriften wirksam ist. Bei Verstößen gegen gesetzliche Mietzinsbeschränkungen wird nur zugunsten des Mieters Teilnichtigkeit bewirkt (Würth in Rummel Rz 20 zu §§ 1092 bis 1094 ABGB mwN). Auch im Geltungsbereich des MG war der Verzicht auf eine Mietzinserhöhung (dort im Fall einer § 7 MG-Erhöhung) zulässig, weil § 13 MG nur dispositives Recht war (MietSlg 34.386; 28.180).

Ob die Vertragsparteien bei Verfassung des Punktes V des Mietvertrages die Bestimmung des § 13 MG im Auge hatten, muss auf sich beruhen.

Zu fragen ist, welcher objektive Erklärungswert ansonsten dieser Vereinbarung, die den Begriff "Verzicht" nicht enthält, zugeordnet werden kann. Unschwer lässt sich erkennen, dass der Mieterin damit ein Fixmietzins zugesagt wurde, der nur durch die Anwendung einer vereinbarten Wertsicherungsklausel eine Veränderung erfahren sollte. Allenfalls läßt sich daraus noch ableiten, dass gesetzliche Mietzinsvorschriften zugunsten des Vermieters auch in Zukunft keinen Einfluss auf die Mietzinshöhe haben sollten und insofern ein Verzichtswille des Vermieters mit dieser Erklärung zum Ausdruck gebracht und von einer redlichen Erklärungsempfängerin objektiv so verstanden werden konnte. Weil aber jegliche Verzichtserklärung einer einschränkenden Auslegung unterliegt (vgl zuletzt ÖBA 1998, 641; JBl 1987, 580), kommt eine Erweiterung des Verzichtsinhalts auf ein erst 13 Jahre nach Abschluss des Mietvertrages neu geschaffenes, einmaliges Anhebungsrecht des Vermieters im Fall des Machtwechsels in der Mietergesellschaft nicht in Betracht. Die Regelung des § 12a Abs 3 MRG stellt insofern keine Mietzinsvorschrift dar, auf deren Anwendung der Vermieter durch Zusage eines Fixmietzinses, der sich nur durch Wertsicherungen ändern sollte, verzichtet hätte. Vom Gesetzgeber wurde damit ein neues Rechtsinstrument geschaffen, mit dem Umgehungsmöglichkeiten gesellschaftsrechtlicher Art vorgebeugt werden sollte, die unter dem bisherigen Tatbestand des § 12 Abs 3 aF MRG nicht subsumiert werden konnten. Die Regelung des § 12a Abs 3 MRG konnte vom objektiven Erklärungswert der Vereinbarung Beilage ./V nicht umfasst sein, weil mangels Kenntnis der erst durch das 3. WÄG geschaffenen neuen einmaligen Anhebungsmöglichkeit des Vermieters ein redlicher Erklärungsempfänger des Jahres 1981 einen solchen Verzichtswillen nicht annehmen konnte.

Dies führt im Ergebnis zur erstgerichtlichen Vertragsauslegung zurück, dass der Vermieter mit der in Punkt V des Mietvertrags abgegebenen vertraglichen Erklärung keinen Verzicht auf die Anhebungsmöglichkeit nach § 12a Abs 3 MRG abgegeben hat.

In diesem Sinn war der Revisionsrekurs berechtigt und der erstinstanzliche Sachbeschluss wiederherzustellen.

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