Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Erblasserin war Mieterin eines Banksafes, in welchem sich unter anderem die Depotscheine für zwei bei verschiedenen Banken eingerichtete Wertpapierdepots befinden. Nach dem Bericht des Gerichtskommissärs (ON 4) teilte ihm die Revisionsrekurswerberin mit, sie besitze ebenfalls einen Schlüssel zu diesem Bankschließfach. Nach dem Ergebnis einer Rückfrage bei der Bank hätten die Erblasserin und die Revisionsrekurswerberin den Safe gemeinsam in der Form gemietet, dass jede der Mieterinnen einzeln zutrittsberechtigt sei.
Eine der beiden Testamentserbinnen beantragte die gerichtliche Sperre des Schließfachs. Der die Sperre verfügende Beschluss des Erstgerichts (ON 8) wurde infolge Rekurses der Revisionsrekurswerberin vom Gericht zweiter Instanz ersatzlos aufgehoben (ON 14), weil sich aus dem Bericht des Gerichtskommissärs ergebe, dass die Revisionsrekurswerberin Mitmieterin sei, sodass durch eine Sperre unzulässigerweise in deren Rechte eingegriffen werde. Das Erstgericht vernahm daraufhin die Revisionsrekurswerberin (ON 20), die - zusammengefasst wiedergegeben - vorbrachte, die Erblasserin habe ihr Ende April 1998 oder in den ersten Tagen des Mais 1998 die beiden Wertpapierdepots geschenkt und ihr gleichzeitig die beiden Losungsworte für die Depots bekanntgegeben. Erst nach dem Tod der Erblasserin habe die Revisionsrekurswerberin die beiden Depotscheine behoben und mit einem neuen Losungswort versehen. In der Folge teilte diese dem Gericht und dem Gerichtskommissär mit, sie beabsichtige, über einen Teil der im Depot erliegenden Wertpapiere zu verfügen, und sie werde daher die jeweiligen Banken auf Ausfolgung der Wertpapiere gerichtlich in Anspruch nehmen, wenn nicht eine entsprechende Verfügung des Verlassenschaftsgerichts ergehe (ON 22 und ON 23).
Mit Beschluss ON 25 wies das Erstgericht die beiden Banken an, über die Wertpapierdepots "nur mit gerichtlicher Zustimmung zu verfügen". Es gab die Behauptungen der Revisionsrekurswerberin wieder und führte aus, die den Erbinnen eingeräumte Frist, sich zu diesen Angaben zu äußern, sei noch nicht abgelaufen. Gemäß § 97 AußStrG seien jene Sachen in das Inventar aufzunehmen, die sich am Todestag im Besitz der Erblasserin befunden haben. Sei der Besitz an Sachen strittig, habe das Verlassenschaftsgericht darüber beschlussmäßig zu entscheiden. Die Revisionsrekurswerberin behaupte, schon zu Lebzeiten der Erblasserin im Besitz der Wertpapierdepots gewesen zu sein. Eine Stellungnahme der Testamentserbinnen liege noch nicht vor. Allerdings habe die Revisionsrekurswerberin angekündigt, über die Wertpapiere sofort verfügen zu wollen, und sogar eine Klage gegen die Kreditinstitute angedroht. Damit bestehe die akute Gefahr, dass allenfalls Teile der Verlassenschaftsmasse durch eine dritte Person verbracht werden könnten. Bis zur Klärung der Besitzfrage an den beiden Wertpapierdepots seien aber einseitige Verfügungen der nunmehrigen Revisionsrekurswerberin unzulässig, weshalb gemäß § 43 AußStrG zu entscheiden gewesen sei.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Revisionsrekurswerberin nicht Folge. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es führte aus, die Verlassenschaftsmasse sei gemäß § 43 AußStrG auch dann, wenn andere als die in dieser Gesetzesstelle konkret genannten Umstände besondere Vorsicht erfordern, sogleich zu versiegeln. Derartige Maßnahmen seien im Fall der konkreten Gefahr der gänzlichen oder teilweisen Verbringung von Amts wegen oder auf Antrag zu treffen, wobei zur Ermöglichung der Einbeziehung von Sparbüchern und Wertpapieren auch die Sperre von Konten oder Depots längstens bis zur Einantwortung angeordnet werden könne. Nach ständiger Rechtsprechung komme es bei der Beurteilung der Frage, welche Werte in die Abhandlung einzubeziehen seien, auf die Besitzverhältnisse zum Todeszeitpunkt des Erblassers an. Für Sparbücher gelte, dass diese durch tatsächliche Übergabe verschenkt werden können, wobei bei vinkulierten Sparbüchern gleichzeitig das Losungswort bekanntgegeben werden müsse. Werde ein Legitimationspapier nicht übergeben, dann könne die Besitzeinräumung nach herrschender Meinung auch im Wege einer Besitzanweisung erfolgen, mit der der innehabende Dritte angewiesen wird, für den Erwerber innezuhaben. Zu einer Besitzanweisung gegenüber der Bank sei es bis zum Tod der Erblasserin nicht gekommen. Selbst wenn die Revisionsrekurswerberin das Losungswort gekannt haben sollte, habe bis zum Todestag der Erblasserin weder eine Übergabe der Depotscheine stattgefunden, noch sei eine entsprechende Anweisung an die Bank erfolgt. Es könne daher nicht fraglich sein, dass wegen der fehlenden Übergabe von Urkunden und in Ermangelung einer Verständigung des Schuldners durch die Erblasserin die auf den Depots erliegenden Wertpapiere in die Verlassenschaft gehörten.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Einschreiterin ist nicht berechtigt.
Nach herrschender Auffassung ist für die Frage, ob eine Sache in das Abhandlungsverfahren einzubeziehen sei, der Besitz und nicht das Eigentum an der Sache des Erblassers am Todestag maßgeblich (NZ 1967, 110; EvBl 1975/75; RZ 1991/57; NZ 1999, 153; 1 Ob 2/99x ua). Eine Sicherung des Nachlasses gemäß § 43 AußStrG setzt voraus, dass die Vermögensgegenstände zum Nachlass gehören und sich zumindest am Todestag im Besitz des Erblassers befunden haben (SZ 70/46; 1 Ob 297/98b). Mit den Sicherungsmaßnahmen des Verlassenschaftsgerichts wird nicht über die materielle Berechtigung an den Nachlassgegenständen abgesprochen; es soll nur die Verlassenschaftsmasse vorläufig sichergestellt werden (6 Ob 374/97m; 1 Ob 297/98b).
Vom erkennenden Senat wurde bereits ausgesprochen, dass die Sperre von Spareinlagen vom Verlassenschaftsgericht erst dann verfügt werden könne, wenn feststehe, dass sie in die Abhandlung einzubeziehen seien (SZ 70/46; 1 Ob 297/98b). Das vorliegende Verfahren ist aber gerade dadurch gekennzeichnet, dass bislang Feststellungen über die Besitzverhältnisse an den strittigen Wertpapieren im Todeszeitpunkt der Erblasserin nicht getroffen wurden. Das Gericht zweiter Instanz hielt diese offenkundig deshalb für entbehrlich, weil es - wie noch darzustellen sein wird, unzutreffenderweise - davon ausging, die Revisionsrekurswerberin könne aus rechtlichen Erwägungen mit ihrem Vorbringen keinen Erfolg haben. Das Erstgericht hat demgegenüber seine Entscheidung klar als bloß vorläufig in dem Sinne deklariert, dass es ihm infolge des Drängens der Revisionsrekurswerberin nicht möglich gewesen sei, sämtliche Erhebungen für die Entscheidung über die Besitzverhältnisse durchzuführen, jedoch die Gefahr bestehe, dass möglicherweise in die Verlassenschaft fallende Sachen dieser durch die Revisionsrekurswerberin entzogen werden könnten. Es hieße § 43 AußStrG seines Schutzcharakters völlig zu entkleiden, wollte man in allen Fällen die Sicherung des Nachlasses erst nach vollständiger Durchführung aller erforderlichen Erhebungen für zulässig erachten. Vielmehr kann die Sperre der Verlassenschaftsmasse oder von Teilen davon bei konkreter Besorgnis der Verbringung von Verlassenschaftsstücken auch als bloße Provisorialmaßnahme für die zur Feststellung der Besitzverhältnisse erforderliche Zeit verfügt werden, was nicht zuletzt die Verwendung des Wortes "sogleich" im § 43 AußStrG nahelegt. Eine derartige Vorgangsweise ist - bei gegebener Gefährdung - jedenfalls dann zulässig, wenn dadurch nicht offenkundig in Rechte Dritter eingegriffen wird, weil es auch diesen Dritten zugemutet werden kann, gerichtliche Entscheidungen abzuwarten.
Der Beschluss des Erstgerichts stellt somit lediglich eine vorläufige Entscheidung dar, mit der im Verlassenschaftsverfahren, jedoch nicht endgültig die Sperre der Wertpapierdepots verfügt wurde. Das Erstgericht wird umgehend Feststellungen über die Besitzverhältnisse im Todeszeitpunkt der Erblasserin zu treffen haben. Der Ansicht des Rekursgerichts, das Tatsachenvorbringen der Revisionsrekurswerberin sei aus rechtlichen Gründen unerheblich, kann allerdings aus folgenden Erwägungen nicht gefolgt werden:
Gemäß § 943 ABGB erwächst dem Geschenknehmer aus einem mündlichen, ohne wirksame Übergabe geschlossenen Schenkungsvertrag kein Klagerecht. Dieses Recht muss durch eine schriftliche Urkunde begründet werden. Gemäß § 1 Abs 1 lit d NZwG bedürfen Schenkungsverträge ohne wirkliche Übergabe zu ihrer Gültigkeit eines Notariatsakts. Eine "wirkliche Übergabe", also ein neben dem Schenkungsvertrag als Übergabe erkennbarer weiterer Akt liegt dann vor, wenn er sinnfällig nach außen zutage tritt und so beschaffen ist, dass aus ihm der Wille des Geschenkgebers hervorgeht, das Objekt der Schenkung sofort aus seiner Gewahrsame in den Besitz des Beschenkten zu übertragen (5 Ob 109/75; NZ 1991, 11; NZ 1994, 284; JBl 1998, 247). Der Ausdruck "wirkliche Übergabe" bedeutet nichts anderes als das Gegenteil der bloßen Zusicherung oder des bloßen Schenkungsversprechens (JBl 1985, 672; ÖBA 1992, 746). Die Übergabe im Sinn des § 943 ABGB und des Notariatszwangsgesetzes kann auch im Wege der Besitzauflassung (traditio brevi manu = Übergabe kurzer Hand, § 428 zweiter Fall ABGB) erfolgen (SZ 48/75; JBl 1967, 623; NZ 1973, 103, JBl 1985, 672; JBl 1998, 247 ua). Eine Übergabe kurzer Hand genügt für den Besitzerwerb auch dann, wenn sich die zu übergebende Sache im gemeinsamen Gewahrsam des Übergebers und des Übernehmers befindet (SZ 48/75; 8 Ob 630/92; JBl 1998, 247; Klang in Klang II2 322; Schubert in Rummel, ABGB2 Rz 3 zu § 943; Koziol/Welser I10 350). Diese Übergabsform ist dadurch gerechtfertigt, dass jenes Verhältnis zwischen Sache und Erwerber, das sonst durch den Traditionsakt hergestellt werden soll, schon vorhanden ist (Klang aaO 323).
Bei der Besitzauflassung (traditio brevi manu) handelt es sich um eine Form der Besitzübertragung durch Erklärung. Diese bedarf keiner besonderen Publizitätserfordernisse, kann auch stillschweigend erklärt werden und muss den Übertragungswillen nur für den Partner außer Zweifel setzen, weil der Übernehmer die zu übertragende Sache bereits innehat. Die für die Besitzauflassung geforderte "erweisliche Art" kann somit nicht dahin verstanden werden, dass neben der Erklärung noch ein weiterer Publizitätsakt gesetzt werden müsse. "Erweislich" bedeutet nur, dass der Übertragungswille außer Zweifel steht (JBl 1985, 672; JBl 1998, 247).
Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts bedurfte es daher einer Erklärung der Erblasserin gegenüber der Depotbank nicht, weil die Übergabe der bereits in der (Mit-)Gewahrsame der Revisionsrekurswerberin befindlichen Depotscheine durch die behauptete Bekanntgabe des Losungsworts gesetzmäßig erfolgt wäre. Dadurch wäre nämlich der - angeblich - Beschenkten der unmittelbare Zugriff auf die Wertpapiere ermöglicht worden, sodass dieser Fall nicht anders zu beurteilen wäre als etwa die schriftliche Bevollmächtigung zur Behebung von Aktien aus einem Bankdepot (SZ 40/86). Auf die von der Revisionswerberin zitierte Entscheidung 7 Ob 75/98z ist schon deshalb in diesem Zusammenhang nicht weiter einzugehen, weil es dort um die Rechtswirksamkeit der Verpfändung von Wertpapieren durch bloße Übergabe des Effektenbuchs ging, ohne dass ein Verpfändungsvertrag über das Wertpapierkonto selbst behauptet worden wäre.
Aus den dargestellten rechtlichen Erwägungen kann das Tatsachenvorbringen der Revisionsrekurswerberin im Verfahren nicht unberücksichtigt bleiben. Erst wenn das Erstgericht entsprechende Feststellungen getroffen hat, wird darüber entschieden werden können, ob die verfügte Sperre aufrecht zu erhalten ist oder nicht.
Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.
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