OGH 8ObA90/99i

OGH8ObA90/99i11.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Dietmar Strimitzer und Ing. Hugo Jandl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Monika L*****, Gärtnereifacharbeiterin, *****, vertreten durch Dr. Peter Steinbauer, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Josef R*****, Gärtnereiinhaber, *****, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 177.119,60 brutto und S 12.472,-- netto sA (Revisionsinteresse S 177.119,60 brutto sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. Dezember 1998, GZ 8 Ra 123/98i-26, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 20. März 1998, GZ 35 Cga 10/97d-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Berufungsurteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil erster Instanz wiederhergestellt wird.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 22.385,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.522,50 USt und S 13.250,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte den Zuspruch von S 177.119,60 brutto und S 12.472,-- netto sA mit dem Vorbringen, sie sei ab 2. 8. 1976 beim Beklagten als Gärtnereifacharbeiterin beschäftigt gewesen. Sie habe am 5. 8. 1996 ihren vorzeitigen Austritt erklärt, weil sie ohne Gefährdung ihres Gesundheitszustandes ihre bisher ausgeübte Tätigkeit nicht mehr hätte fortsetzen können. Sie begehre neben einer Urlaubsentschädigung eine Abfertigung für 20 vollendete Dienstjahre und Sonderzahlungen in der Höhe des Klagsbetrages.

Der Beklagte bestritt das Klagsvorbringen, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, der Austritt der Klägerin sei unberechtigt erfolgt. Sie habe zwar auf ihre Rückenbeschwerden hingewiesen, habe aber nicht erklärt, nicht mehr imstande zu sein ihren Beruf auszuüben. Unmittelbar nach ihrem Austritt habe der Beklagte ihr einen Ersatzarbeitsplatz angeboten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wobei es von folgenden Feststellungen ausging:

Seit Anfang 1995 kam es bei der Klägerin wiederholt zu Krankenständen, vor allem wegen Kreuzbeschwerden und Beschwerden in den oberen und unteren Extremitäten, zuletzt aber auch wegen Grippe und eines Nervenzusammenbruches. Zuletzt war die Klägerin vom 13. 4. 1996 bis 12. 5. 1996 wegen Kreuzbeschwerden im Krankenstand, sodann vom 17. 5. bis 27. 5. 1996 wegen Grippe; anschließend befand sie sich in stationärer Behandlung der Universitätsklinik für Psychiatrie und zwar wegen eines Nervenzusammenbruches. Unter psychischen Problemen hat die Klägerin vor 1994 nicht gelitten. Von der Universitätsklinik für Psychiatrie wurde ihr eine Aufgabe des Berufes als Gärtnereigehilfin empfohlen. Dem Beklagten waren die Kreuzbeschwerden sowie die Probleme mit der Hand der Klägerin bekannt. Im Zusammenhang mit dem stationären Aufenthalt der Klägerin vom 24. 5. 1995 bis 19. 7. 1995 wegen Kreuzbeschwerden kam es zwischen der Klägerin und der Ehefrau des Beklagten zu einem ausführlichen Gespräch. Nach Rückkehr aus dem Krankenstand ließ der Beklagte die Klägerin unverändert weiter arbeiten. Die Klägerin hat während des letzten Krankenstandes am 5. 8. 1996 ihren vorzeitigen Austritt erklärt. Ein Ersatzarbeitsplatz wurde der Klägerin erst nach der Austrittserklärung angeboten. Bei der Klägerin besteht eine Lumboischialgie und eine depressive Reaktion. Die Klägerin ist nicht in der Lage, ohne Gefährdung ihrer Gesundheit den Beruf einer Gärtnereifacharbeiterin in einem Produktionsbetrieb auszuüben; hingegen könnte sie ihren Beruf im Verkauf ausüben. Zu Beginn ihrer Tätigkeit beim Beklagten war die Klägerin auch im Verkauf tätig.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, ein vorzeitiger Austritt sei dann gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sei, die bisherige Berufsarbeit ohne Gefährdung seiner Gesundheit auszuführen. Eine weitere Voraussetzung sei, dass der Arbeitgeber trotz zumutbarer Kenntnis, dass der Arbeitnehmer die Berufstätigkeit nicht mehr ausüben könne und trotz der Möglichkeit, einen Ersatzarbeitsplatz anzubieten, einen solchen nicht oder verspätet anbiete. Die Klägerin sei nicht mehr in der Lage ihre bisherige Tätigkeit als Gartenbaufacharbeiterin im Produktionsbetrieb des Beklagten auszuüben. Es sei ihr aber zumutbar und sie sei auch gesundheitlich in der Lage, als Gartenbaufacharbeiterin im Verkauf tätig zu sein, weil diese Tätigkeit auch zum Berufsbild dieses Berufes gehöre und sie auch zu Beginn des Arbeitsverhältnisses zum Beklagten im Verkauf eingesetzt gewesen sei. Der Beklagte habe der Klägerin erst nach der Austrittserklärung einen Ersatzarbeitsplatz angeboten, dies sei also verspätet erfolgt. Der Beklagte wäre auf Grund der Krankenstände auch ohne entsprechende Mitteilung der Klägerin auf Grund seiner Fürsorgepflicht verpflichtet gewesen, vor deren Austrittserklärung zu reagieren und entweder den Arbeitsplatz im Produktionsbetrieb entsprechend der Leistungsfähigkeit der Klägerin anzupassen oder ihr vorher einen Ersatzarbeitsplatz im Verkauf anzubieten, zumal dem Beklagten aus den Gesprächen über den Gesundheitszustand der Klägerin, welche zwischen der Klägerin und der Gattin des Beklagten sowie zwischen dem Beklagten und dem Gatten der Klägerin geführt wurden, bekannt sein musste, dass der Klägerin infolge ihrer Leidenszustände die Arbeit in dem Gärtnereiproduktionsbetrieb geradezu unmöglich gewesen sei. Dies sei jedoch nicht geschehen, weshalb sich der vorzeitige Austritt als gerechtfertigt erweise. Somit stehe der Klägerin der Klagsbetrag zu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, es änderte das Urteil - abgesehen vom unbekämpft gebliebenen Teilzuspruch (im Ergänzungsurteil) von S 12.472,-- netto - ab und wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des angefochtenen Urteils und führte in rechtlicher Hinsicht aus, die Klägerin könne sich nur dann wirksam auf den Austrittsgrund der Gefährdung ihrer Gesundheit berufen, wenn ihr der Beklagte eine andere, ihrer Gesundheit nicht abträgliche Arbeit nicht angeboten hätte. Dazu sei aber erforderlich, dass dem Beklagten vor der Austrittserklärung die Gelegenheit zu einem solchen Anbot gegeben werde. Der Arbeitnehmer dürfe den Arbeitgeber nicht mit einem Austritt überraschen, sondern müsse ihn über die maßgeblichen Umstände informieren, die zum Austritt berechtigen könnten. Die aus der Treuepflicht des Arbeitnehmers abgeleitete Aufklärungspflicht erfordere, dass er auf gesundheitliche Beeinträchtigungen von einer solchen Intensität, die ihn zur Erfüllung der vertraglich geschuldeten Leistung unfähig mache, hinweise. Eine Verpflichtung die gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu diesem Zeitpunkt auch nachzuweisen, bestehe hingegen nicht. Dem Arbeitgeber müsse aber zumindest bekannt gegeben werden, dass die vereinbarten Dienste aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erbracht werden könnten (9 ObA 163/93; Wachter, Abfertigung bei vorzeitigem Austritt, DRdA 1984, 250 ff). Der Arbeitgeber sei auf Grund seiner Fürsorgepflicht verbunden, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass das Leben und die Gesundheit des Arbeitnehmers geschützt seien. Nach Kenntnis des durch die Fortsetzung der bisherigen arbeitsgefährdeten Gesundheitszustandes des Arbeitnehmers habe er, wenn sich der Arbeitnehmer im Krankenstand befinde, zwar nicht unverzüglich, aber in angemessener Frist eine Ersatzbeschäftigung anzubieten (9 ObA 163/93). Die Krankenstände der Klägerin zwischen Mai 1995 und Mai 1996 hätten sich ausschließlich auf Kreuzbeschwerden und grippale Infekte bezogen. Ihren vorzeitigen Austritt habe die Klägerin aber auf psychische Probleme gestützt, wobei nur der letzte Krankenstand vom 30. 5. bis 11. 8. von der Klägerin wegen solcher psychischen Probleme in Anspruch genommen worden sei. Die Klägerin habe während dieses Krankenstandes ihren vorzeitigen Austritt erklärt. Ein Vorbringen dahin, sie habe den Beklagten vor ihrer Austrittserklärung auf ihre psychischen Probleme und eine daraus sich ergebende Unfähigkeit die bisherige Arbeitsleistung ohne Gesundheitsgefährdung zu erbringen, hingewiesen, habe sie nicht erstattet. Den Arbeitgeber habe daher keine Pflicht getroffen, nachzuforschen, ob die Klägerin nach einem längeren Krankenstand in der Lage gewesen sei, die vereinbarte Tätigkeit weiter auszuüben. Soweit die Klägerin nunmehr ihren vorzeitigen Austritt auch auf ihre Kreuzbeschwerden beziehe, sei ihr zu erwidern, dass der Arbeitgeber allein auf Grund der festgestellten Krankenstände noch nicht verhalten gewesen sei zu reagieren und der Klägerin ohne weiteren Hinweis auf ihren Gesundheitszustand einen Ersatzarbeitsplatz anzubieten. Im übrigen habe die Klägerin offensichtlich zur Zeit ihrer Austrittserklärung die Kreuzbeschwerden nicht als so gravierend angesehen, dass sie ihre Austrittserklärung auch darauf gegründet hätte. Umsoweniger sei der Beklagte verpflichtet gewesen, von sich aus ohne entsprechende Erklärung der Klägerin zu reagieren. Somit erweise sich der vorzeitige Austritt der Klägerin als für den Beklagten überraschend und damit nicht berechtigt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision, die gemäß § 46 Abs 3 Z 1 ASGG "jedenfalls" zulässig ist, ist auch berechtigt.

Die Klägerin hat zunächst ihren Austritt auf ihre psychische Erkrankung (Nervenzusammenbruch) gegründet, später aber auf ihr Rückenleiden. Während die psychische Erkrankung und deren Ursache dem Beklagten nicht bekannt waren, war dies bei dem Rückenleiden der Klägerin sehr wohl der Fall. So wie es bei der Entlassung zulässig ist, Entlassungsgründe nachzuschieben (Arb 9492; Kuderna, Entlassungsrecht2, 51 f), ist es auch zulässig, einen Austrittsgrund nachzuschieben. Da der Arbeitnehmer in der Austrittserklärung einen Grund nicht nennen muss und überdies weitere Austrittsgründe nachschieben kann, kommt dem Umstand, dass im Austrittsschreiben vom 5. 8. 1996 psychische Gründe angeführt wurden, keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Dem Beklagten waren die Krankenstände der Klägerin als Folge eines wiederholt auftretenden Rückenleidens bekannt und er wäre zufolge der ihn treffenden Fürsorgepflicht und der ihm bekannten Umstände, unter denen die Klägerin die Arbeitsleistung zu verrichten hatte, verpflichtet gewesen, der Klägerin einen Ersatzarbeitsplatz im Verkaufsbereich anzubieten bzw die Arbeit der Klägerin so umzugestalten, dass die krankmachenden Faktoren (häufiges Bücken während der Arbeit verbunden mit Hebe- und Tragearbeiten) vermindert oder ausgeschaltet worden wären. Das Vorhandensein eines Arbeitsplatzes für die Klägerin, nämlich im Verkaufsbereich, ergibt sich schon daraus, dass der Beklagte der Klägerin nach ihrem Austritt einen solchen ihre Gesundheit nicht gefährdenden Arbeitsplatz angeboten hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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