OGH 4Ob267/99i

OGH4Ob267/99i19.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Manfred E*****, vertreten durch Dr. Heinz-Erhard Lackner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei R***** AG, *****, vertreten durch Dr. Peter Gatternig, Rechtsanwalt in Wien, wegen 2,000.000 S sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 12. Juli 1999, GZ 15 R 105/99t-26, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Eine Verpflichtung zum Schadenersatz setzt neben der adäquaten Verursachung eines Schadens regelmäßig Rechtswidrigkeit des Verhaltens (§ 1294 ABGB) und Verschulden (§§ 1295, 1306 ABGB) voraus. Es besteht keine allgemeine Rechtspflicht, Schäden zu verhindern; das bloße Unterlassen macht in der Regel nicht verantwortlich (SZ 50/100 = JBl 1979, 254). Die Widerrechtlichkeit einer Unterlassung setzt eine Pflicht zum Tun voraus (Reischauer in Rummel, ABGB**2 § 1294 Rz 3 mwN). Eine Pflicht zum Handeln kann aus besonderen vertraglichen oder gesetzlichen Pflichten, aber auch daraus folgen, daß jemand, wenn auch erlaubterweise, eine Gefahrenquelle schafft (Ingerenzprinzip; Reischauer aaO Rz 4 mwN). Das gilt auch für die Schädigung absolut geschützter Güter. Unterläßt jemand die Abwendung einer Schädigung absolut geschützter Güter Dritter, so handelt er rechtswidrig, wenn er die Gefahrensituation verursacht hat, wenn die Interessen des Gefährdeten wesentlich höher zu bewerten sind als jene des Untätigen oder wenn besondere vertragliche oder gesetzliche Pflichten bestehen (Koziol/Welser I10 450; Koziol, Haftpflichtrecht I**2 100; SZ 50/100 = JBl 1979, 254; WBl 1994, 210 - "Schätzwert"; ZVR 1996/127; MietSlg 48.119). Auch die Verletzung des bloßen (reinen) Vermögens eines anderen, die ohne Eingriff in ein absolut geschütztes Rechtsgut erfolgt, ist nur in engen Grenzen rechtswidrig. Die Verursachung eines Vermögensschadens macht nur ersatzpflichtig, wenn eine vorwerfbare Verletzung eines Vertrags oder eines Schutzgesetzes iSd § 1311 ABGB oder ein sittenwidriges Verhalten des Schädigers vorliegt oder sich die Rechtswidrigkeit des schädigenden Verhaltens sonst aus der Rechtsordnung unmittelbar auf Grund des Gesetzes ableiten läßt (ÖBA 1994, 400; SZ 67/238); Voraussetzung ist nach stRsp und hL weiters, daß die Interessen des Schädigers wesentlich geringer zu bewerten sind als jene des Geschädigten (Koziol aaO 21f; JBl 1993, 788 mwN; ÖBA 1994, 73; SZ 70/137 = JBl 1998, 123 mwN).

Das Berufungsgericht wendet diese Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung zutreffend auf den Einzelfall an. Nach den maßgeblichen Feststellungen wußte der Kläger schon im Zeitpunkt seiner ersten Kontaktaufnahme zu Hans M*****, daß dieser nicht mehr bei der Beklagten beschäftigt, sondern nunmehr für eine Versicherung tätig war; auch hinterfragte der Kläger nicht, in welcher Form die seinem Gesprächspartner bis zum Frühjahr 1994 in Teilbeträgen übergebenen 1,653.000 S (die nach den Zusagen von Hans M***** bei einer Bindung von nur einem Jahr den ungewöhnlich hohen Ertrag von 16 % abwerfen würden) angelegt werden und begnügte sich mit der Entgegennahme eines auf die Beklagte gezogenen Wechsels, der die (gefälschten) Unterschriften zweier zeichnungsberechtigter Mitarbeiter der Beklagten als Akzeptanten samt (gefälschter) Firmenstampiglie der Beklagten aufwies. Sämtliche Gespräche zwischen den Geschäftspartnern fanden außerhalb der Geschäftsräumlichkeiten der Beklagten statt. Der Beklagten war die Person des Klägers sowie der Umstand, daß dieser mit Hans M***** Geldanlagegeschäfte abwickelte, im Zeitpunkt der Übergabe der Gelder nicht bekannt. Als die Beklagte 1991 erstmals von einem gefälschten Wechsel Kenntnis erlangte, wurde das Dienstverhältnis (im Hinblick auf die Dauer des Dienstverhältnisses von 21 Jahren und die bisher tadellose Arbeitsleistung) einvernehmlich beendet; zu einer Strafanzeige durch die Beklagte kam es erst im März 1994, nachdem der Beklagten Ende 1993 weitere gefälschte Wechsel ihres ehemaligen Dienstnehmers vorgelegt worden waren.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, zwischen den Streitteilen habe weder eine rechtsgeschäftliche Beziehung noch ein rechtsgeschäftlicher Kontakt oder eine sonstige Sonderbeziehung bestanden, die die Beklagte zu einem aktiven Tun verpflichtet hätte, eine ganz allgemeine Warnung an die Öffentlichkeit hätte ihre eigenen Interessen unzumutbar beeinträchtigt, weshalb die Beklagte auch keine rechtswidrige Unterlassung zu verantworten habe, hält sich im Rahmen der zitierten Rechtsprechung. Entgegen der Auffassung der Revision kann von einer Ausnützung des Rechtsscheins der Bank durch ihren ehemaligen Mitarbeiter keine Rede sein. Nicht zielführend ist auch ihr Hinweis auf das abstrakte Gefährdungsdelikt des § 177 StGB, dessen Schutzbereich zwar fremdes Eigentum in großem Ausmaß (Leukauf/Steiniger, StGB, Rz 2 vor § 169; Foregger/Kodek, StGB, 451), nicht aber das bloße Vermögen umfaßt (vgl die im sechsten Abschnitt des StGB zusammengefaßten strafbaren Handlungen gegen fremdes Vermögen). Daß die vom Kläger als pflichtgemäß behaupteten Handlungen der Beklagten (Hinweise an den Eingangstüren, Auflage schriftlicher Hinweise an den Schaltern; Verständigung der Aufsichtsbehörde; Information und Warnung der eigenen Mitarbeiter, der Portiere und des Sicherheitsdienstes; Verhängung eines Hausverbots über Hans M*****) den Schaden des Klägers verhindert oder zumindest weniger wahrscheinlich gemacht hätten (SZ 59/93; EvBl 1993/57; SZ 68/133; SZ 69/188; SZ 70/95), ist nicht zu erkennen.

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

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