OGH 8ObA117/99k

OGH8ObA117/99k9.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael Zerdik und Helmuth Prenner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Karl F*****, vertreten durch Dr. Michael Böhme, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei R. ***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr. Erwin Dick, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 271.192,40 brutto und S 6.833,90 netto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5. Juni 1998, GZ 7 Ra 116/98z-27, idF des Berichtigungsbeschlusses vom 17. März 1999, GZ 7 Ra 116/98z-31, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 26. Jänner 1998, GZ 20 Cga 290/95b-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit seiner am 5. 12. 1995 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger nach Auflösung seines Dienstverhältnisses zur Beklagten die mit dieser vereinbarte Abfertigung. Sein Dienstverhältnis sei zum 30. 9. 1995 gekündigt worden. Anläßlich des Ausspruchs der Kündigung sei sein Abfertigungsanspruch mit S 410.840 errechnet und vereinbart worden, daß der Kläger das bisher von ihm benützte Firmenfahrzeug um den Betrag von S 150.000 abzüglich des an die Leasinggesellschaft zu entrichtenden Restkaufwerts in Anrechnung auf den Abfertigungsanspruch übernehmen könne.

Die Beklagte gestand die Höhe der Abfertigung sowie die Tatsache der Kündigung zum 30. 9. 1995 als richtig zu und wendete im übrigen ein, daß keine Abfertigung zustünde, weil die ursprünglich ausgesprochene Kündigung wegen der unberechtigten Ummeldung des Leasingfahrzeuges durch den Kläger in eine fristlose Entlassung umgewandelt worden sei. Weiters brachte die Beklagte vor, daß der anzurechnende Fahrzeugwert zumindest S 200.000 betragen habe und wendete aus dem Titel des Schadenersatzes eine Gegenforderung von S 300.000 ein, weil der Kläger während des aufrechten Dienstverhältnisses einen später von ihm betreuten Großkunden abgeworben habe.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte zur Zahlung des Betrages von S 271.192,40 brutto und S 6.833,90 netto sA schuldig, wies ein Zinsenmehrbegehren ab und stellte fest, daß die Beklagte dem Kläger sämtliche steuerlichen Nachteile zu ersetzen habe, die diesem daraus entstanden seien, daß der Abfertigungserrechnung ein Grundgehalt von S 22.885 anstelle von S 41.855 zugrundegelegt wurde. Der Kläger sei bei der Beklagten als Prokurist angestellt gewesen und habe bis 31. 7. 1995 ein Gesamtbruttogehalt von S 45.759 bezogen. Ab 1. 8. 1995 sei dieser Betrag um einen darin enthaltenen Sachbezug für PKW-Nutzung um S 5.000 auf S 40.759 gemindert worden. Am 22. 5. 1995 sei die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers zum 30. 9. 1995 ausgesprochen worden. Es sei erörtert worden, daß der Kläger das von ihm benutzte Firmenfahrzeug kaufen könne und der Kaufpreis mit dem Abfertigungsbetrag gegenverrechnet werde. Allerdings sei kein exakter Fahrzeugwert festgestellt worden. Eine Vereinbarung, daß der Kaufpreis S 150.000 und der vom Kläger zu ersetzende Restwert S 25.000 betrage, sei nicht getroffen worden. Der Abfertigungsanspruch des Klägers sei einvernehmlich mit S 410.890 festgestellt worden. Der Kläger habe sodann im Juli 1995, nachdem er den Fahrzeugrestwert von S 8.000 an die Leasingfirma bezahlt habe, ohne Rücksprache mit dem Geschäftsführer den PKW auf seinen Namen umgemeldet.

Nach Beendigung des Dienstverhältnisses am 30. 9. 1995 habe sich der Kläger selbständig gemacht und Anfang Oktober 1995 einem Großkunden der Beklagten seine Dienste für die Durchführung der Wasserzählererfassung angeboten. Diese Arbeiten seien ihm aus seiner bisherigen Tätigkeit bei der Beklagten bekannt gewesen. Der zwischen dem Großkunden und der Beklagten bestehende Vertrag sei wegen des Anbots des Klägers vom Kunden im Oktober 1995 zum Jahresende 1995 aufgekündigt worden. Ab letzterem Zeitpunkt habe der Kläger im Rahmen seiner eigenen Gewerbeberechtigung die bisher von der Beklagten für den Kunden geleisteten Arbeiten durchgeführt. Das Erstgericht konnte weder feststellen, daß der Kläger dem Großkunden seine Dienste bereits während des aufrechten Arbeitsverhältnisses zur Beklagten angeboten noch daß er dem Kunden gegenüber die Behauptung aufgestellt habe, daß nur er die Wasserzählererfassung durchführen könne.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß hinsichtlich des PKWs mangels Willensübereinstimmung kein Kaufvertrag zustandegekommen sei, weshalb die Frage der Rückabwicklung hinsichtlich des vom Kläger weiterhin benützten Fahrzeuges in einem anderen Verfahren geklärt werden müsse. Was die aus dem Titel des Schadenersatzes eingewendete Gegenforderung betreffe, sei darauf zu verweisen, daß zwischen den Streitteilen eine Konkurrenzklausel im Sinn des § 36 AngG nicht vereinbart worden sei. Der Kläger habe die Arbeiten für den Großkunden erst nach Beendigung seines Dienstverhältnisses übernommen. Mangels Konkurrenzklausel könne aus dieser Tatsache ein Schadenersatzanspruch nicht abgeleitet werden. Der Kläger, der aufgrund seines Alters auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr leicht vermittelbar gewesen sei, habe dafür Sorge tragen müssen, ein Erwerbseinkommen zu erzielen, weshalb sein Verhalten weder schuldhaft noch rechtswidrig sei. Dazu komme, daß er weder ein spezielles know-how noch spezielle Programme von der Beklagten an sich gebracht habe. Eine Konkurrenztätigkeit während des aufrechten Arbeitsverhältnisses habe nicht festgestellt werden können, weshalb die erst nach Beendigung des Dienstverhältnisses am 30. 9. 1995 ausgesprochene Entlassung keine Wirkung nach sich ziehe. Der Kläger habe daher Anspruch auf die der Höhe nach unstrittige Abfertigung.

Das Gericht zweiter Instanz gab der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge und bestätigte das Urteil mit der Maßgabe, daß es die Klagsforderung als zu Recht, die Gegenforderung jedoch nicht zu Recht bestehend feststellte und die Beklagte daher zur Zahlung von S 271.192,40 brutto und S 6.833,40 netto sA schuldig erkannte. Weiters übernahm es auch die Feststellungen des Erstgerichtes. Es führte aus, daß sämtliche geltend gemachten Feststellungsmängel hinsichtlich der Kundenabwerbung in der Tatsachen- und Beweisrüge sowie die Rechtsrüge hinsichtlich des Entlassungsgrundes bzw der -gründe schon deshalb ins Leere gingen, weil unstrittigerweise die Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis, das am 30. 9. 1995 geendet habe, erst am 25. 10. 1995 erfolgt sei. Die Entlassung aus einem bereits beendeten Dienstverhältnis sei aber rechtlich unmöglich, eine rückwirkende Umänderung der Kündigung in eine Entlassung unstatthaft. Wenn es auch richtig sei, daß das Erstgericht die Gegenforderung im Spruch nicht behandelt habe, "so war dies mit einer Maßgabebestätigung zu beheben, weil die beklagte Partei undifferenziert ihr Vorbringen erstattet hat, sodaß eine Manuduktion der anwaltlich vertretenen Partei nicht stattzufinden hatte, zumal im Parallelverfahren zu 22 Cga 98/96h (vgl ON 9 in diesem Akt) bereits im Jahre 1996 diesbezügliche Ansatzpunkte des Vorbringens vorlagen und hier kein konkretes, sondern substanzloses Vorbringen, vom nämlichen Parteienvertreter, dargeboten worden ist, sodaß eine mangelhafte, mangelnde oder nicht vollständige Information nicht durch Anleitung zu substituieren ist. Ein Erkundungshinweis auf ein Parallelverfahren reicht diesbezüglich nicht hin, sodaß das Erstgericht dazu zu Recht keine weiteren Beweise aufgenommen hat, sodaß die gerügte Mangelhaftigkeit nicht vorliegt."

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision ist zulässig (§ 46 Abs 3 Z 1 ASGG) und berechtigt.

Die Revisionswerberin bekämpft nur mehr, daß die von ihr eingewendete Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend erkannt und dem - sonst nicht mehr strittigen - Klagebegehren aus diesem Grunde stattgegeben wurde. Das Schwergewicht des Rechtsmittels liegt darauf, daß das Berufungsgericht das Vorbringen der Beklagten zum geltend gemachten Schadenersatzanspruch zu Unrecht als unzureichend klassifiziert und aus diesem Grunde die in der Berufung gerügte Mangelhaftigkeit des Unterbleibens weiterer beantragter Beweisaufnahmen verneint habe.

Die Beklagte hat in der Verhandlung vom 16. 10. 1996 (ON 14) ein ausführliches Vorbringen zum Schadenersatzanspruch erstattet. Sie hat vorgebracht, der Kläger habe noch während des aufrechten Dienstverhältnisses im September 1995 dem Großkunden bekanntgegeben, daß ausschließlich er die Wassermessung durchführen könne. Dies sei der Grund gewesen, weshalb der Großkunde den langjährigen Werkvertrag mit der Beklagten aufgekündigt habe. Auch habe der Kläger ohne Zustimmung und rechtswidrig das bei der Beklagten entwickelte Programm für Wasserzählung für eigene Zwecke verwendet und in weiterer Folge modifiziert. Durch dieses schuldhafte und rechtswidrige Verhalten des Klägers sei der Beklagten ein Schade in Höhe von zumindest S 300.000 entstanden, und zwar deshalb, weil der Umsatz mit dem Großkunden im Jahre 1994 S 485.000 und im Jahre 1995 S 507.000 betragen habe, während infolge des Verhaltens des Klägers im Jahre 1996 kein Umsatz mehr habe erzielt werden können. Offenbar über Anleitung der Verhandlungsrichterin wendete die Beklagte in der Verhandlung vom 19. 6. 1997 (ON 20) diese Schadenersatzforderung mit dem Betrag von zumindest S 300.000 bis zur Höhe der Klagsforderung kompensando ein und führte ergänzend aus, daß der Kläger durch Abwerbung des Großkunden diesen Schaden vorsätzlich schuldhaft und rechtswidrig herbeigeführt habe. Die Abwerbung sei noch während des aufrechten Dienstverhältnisses erfolgt. Zum Beweis für dieses Vorbringen berief sich die Beklagte auf den beizuschaffenden Akt 22 Cga 98/96h, die Vernehmung eines Zeugen sowie der Parteien.

Aus der wiedergegebenen Begründung des Berufungsgerichtes kann nicht einmal annäherungsweise entnommen werden, warum dieses Vorbringen in seiner Gesamtheit nicht geeignet wäre, einen Schadenersatzanspruch zu begründen, weil jeder konkrete Bezug zum Akteninhalt fehlt. Selbst wenn allenfalls zur Höhe des geltend gemachten Anspruches noch eine weitere Konkretisierung für erforderlich erachtet würde, kann jedenfalls keine Rede davon sein, die Beklagte habe lediglich "substanzloses Vorbringen" erstattet. Vor dem Hintergrund der möglichen Anspruchsgrundlage des § 7 AngG, der §§ 11 Abs 2, 13 UWG und allfälliger allgemeiner Schadenersatzbestimmungen erscheint das Vorbringen jedenfalls ausreichend schlüssig.

Wenngleich auch in Verfahren nach dem ASGG vom Berufungsgericht verneinte erstinstanzliche Verfahrensmängel grundsätzlich in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden können (RZ 1989/16; 8 ObA 353/97p ua), gilt dies dann nicht, wenn das Berufungsgericht die Mängelrüge mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hat. Es liegt dann zwar nicht der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit, wohl aber jener der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens vor (SZ 53/12; 9 Ob 111/98h; 10 ObS 2/99p).

Ein weiterer Mangel des Berufungsverfahrens ist darin gelegen, daß das Berufungsgericht zwar ausführt, das Erstgericht habe auch Feststellungen zur Abwerbung des Großkunden getroffen, "die vom Berufungsgericht ausdrücklich übernommen worden sind", sich aber mit der Stichhaltigkeit dieser Feststellungen im Lichte der Beweis- bzw Mängelrüge der Beklagten mit keinem Wort auseinandersetzt. Befaßt sich das Berufungsgericht mit der Beweiswürdigungsrüge nicht oder nur so mangelhaft, daß keine nachvollziehbaren Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und im Urteil festgehalten sind, liegt der Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO vor (RZ 1990/121; RZ 1991/5).

Das Gericht zweiter Instanz wird sich daher im fortgesetzten Verfahren mit den Ausführungen in der Berufung in sachbezogener Weise auseinanderzusetzen haben. Der Revision ist Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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