Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das erstinstanzliche Urteil insgesamt wie folgt lautet:
"1. Die eingeklagte Forderung besteht mit 3.000,-- S zu Recht.
2. Die eingewendete Gegenforderung besteht bis zur Höhe der zu Recht bestehenden Klageforderung zu Recht.
3. Das Klagebegehren des Inhalts, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei 95.750,-- S samt 4 % Zinsen aus 185.500,-- S vom 16. 1. 1995 bis 4. 2. 1995 und aus 110.500,-- S vom 5. 2. 1995 bis 28. 5. 1995 und aus 95.750,-- S seit 29. 5. 1995 binnen 14 Tagen zu bezahlen, wird abgewiesen.
4. Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 19.839,82 S (darin 2.726,64 S USt und 3.480,-- S Barauslagen) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die klagende Partei ist weiters schuldig, den beklagten Parteien die mit 18.547,25 S (darin 2.207,87 S USt und 5.300,-- S Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 13.977,04 S (darin 1.115,84 S USt und 7.282,-- S Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 4. 11. 1994 ereignete sich gegen 20.55 Uhr im Ortsgebiet von Bruckmühl, Gemeinde O*****, auf der T*****-Bezirksstraße ein Verkehrsunfall, an dem die Klägerin als Lenkerin eines PKW und der Erstbeklagte als Lenker eines bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten weiteren PKW beteiligt waren. Die Klägerin fuhr mit ihrem PKW aus einem rechts neben der T*****-Bezirksstraße gelegenen Parkplatz im Rückwärtsgang in diese ein, um in Richtung O***** weiterzufahren. Der Erstbeklagte war auf der T*****-Bezirksstraße aus Richtung E***** kommend nach O*****unterwegs und stieß mit seinem PKW gegen das Heck des von der Klägerin gelenkten PKW. Der Erstbeklagte wurde wegen dieses Verkehrsunfalles mit - rechtskräftigem - Urteil des Bezirksgerichtes S***** vom 3. 3. 1995, U 159/94-16, des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung der Klägerin und ihrer Beifahrerin nach § 88 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Die zweitbeklagte Partei leistete als Haftpflichtversicherung des PKW des Erstbeklagten zur Schadensabdeckung Teilzahlungen von 89.750,-- S wobei sie von Ersatzforderungen der Klägerin von insgesamt 179.500,-- S (S 145.000,-- an Fahrzeugtotalschaden, 30.000,-- S an Schmerzengeld, 2.500,-- S an Abschleppkosten und 2.000,-- S an Spesen und Ummeldekosten) und einem gleichteiligen Verschulden der beteiligten Lenker ausging.
Mit der am 19. 1. 1996 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin von den Beklagten zur ungeteilten Hand - nach Ausdehnung (AS 27) - die Bezahlung von 95.750,-- S sA, und zwar der zweiten Hälfte der oben angeführten Schäden sowie von 6.000,-- S für eine beschädigte Anhängerkupplung. Der Erstbeklagte habe eine weit überhöhte Geschwindigkeit eingehalten. Als die Klägerin in die Bezirksstraße eingefahren sei, sei dessen Fahrzeug noch nicht in ihrem objektiven Sichtbereich gewesen. Sie habe darauf vertrauen dürfen, daß der sich auf der Bezirksstraße nähernde Erstbeklagte die im Ortsgebiet verordnete Höchstgeschwindigkeit beachten werde und das Einbiegen daher gefahrlos möglich sei.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin sei ohne gehörige Sorgfalt in die bevorrangte T*****-Bezirksstraße eingefahren und habe daher eine Vorrangverletzung zu vertreten, die die Annahme eines gleichteiligen Verschuldens rechtfertige. Aufgrund der eingeschränkten Sichtverhältnisse hätte sich die Klägerin in die Bezirksstraße vortasten müssen, wodurch sie den Unfall verhindern hätte können. Weiters wandten die Beklagten einen Selbstbehalt aus der Kaskoversicherung von 10.000,-- S zur Gänze sowie die Hälfte der restlichen dem Erstbeklagten entstandenen Schäden (2.000,-- S für eine beschädigte Brille, 1.500,-- S an Ummeldespesen, 2.000,-- S an Radioumbaukosten und 1.000,-- S an Spesen), insgesamt sohin 13.250,-- S, aufrechnungsweise gegen die Klageforderung ein.
Das Erstgericht erkannte die Klageforderung mit 95.750,-- S sA als zu Recht bestehend, die eingewendete Gegenforderung jedoch als nicht zu Recht bestehend und verpflichtete die Beklagten daher zur Zahlung von 95.750,-- S sA. Dabei ging es im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:
Die T*****-Bezirksstraße weist im Kollisionsbereich zwei durch eine Leitlinie unterteilte, je 3,5 m breite Fahrstreifen auf und verläuft - in Fahrtrichtung des Erstbeklagten - in einer langgezogenen Rechtskurve. In diese Richtung fällt die Bezirksstraße mit etwa 2 % ab und es besteht ein geringes Quergefälle nach rechts von etwa 2 %. Rechts schließt an die Fahrbahn ein 5 bis 7 m tiefer Parkplatz, der in eine Hofeinfahrt übergeht, an. Durch eine vor dem Parkplatz endende Steinmauer ist die Sicht derart behindert, daß ein aus der ursprünglichen Parkposition der Klägerin ausfahrender Lenker nur bei Tageslicht Sicht auf Dächer sich nähernder Fahrzeuge hat, bei Dunkelheit jedoch trotz einer vorhandenen Straßenlaterne ein sich aus Richtung E***** näherndes Fahrzeug kaum auffällig ist. Auch in Richtung O***** besteht für einen aus der Position der Klägerin aus dem Parkplatz ausfahrenden Lenker infolge eines Hauseckes nur eingeschränkte Sicht. Bei einer Sitzposition des Lenkers 2 bis 3 m innerhalb dieses Parkplatzes hat dieser auf die Annäherungsrichtung des Erstbeklagten eine Sicht von etwa 55 m und in die Gegenrichtung von etwa 30 m. Bei einer Sitzposition im Bereich der Randlinie, wobei dann ein ausfahrendes Fahrzeug zumindest zwei Drittel des in Richtung O***** führenden Fahrstreifens blockiert, besteht auf die Annäherungsrichtung des Erstbeklagten eine Sicht von etwa 60 m und in die Gegenrichtung von etwa 100 m. Der Erstbeklagte hat in Annäherung an die Unfallstelle eine Sicht von etwa 60 m an den rechten Fahrbahnrand, 65 m auf die Mitte des rechten Fahrstreifens und 70 m auf die Fahrbahnmitte.
Die Klägerin hatte ihren PKW auf dem Parkplatz rechtwinkelig zur Fahrbahnlänggsachse abgestellt und fuhr mit Schrittgeschwindgkeit in einem Zug rückwärts in die T*****-Bezirksstraße ein, um auf dieser in Richtung O***** weiterzufahren. Zur selben Zeit näherte sich der Erstbeklagte der Unfallstelle mit einer Geschwindigkeit von 85 bis 90 km/h. Er reagierte 2,35 Sekunden bzw 51 m vor dem Anstoß und prallte mit einer Geschwindigkeit von rund 55 km/h mit der Front seines PKW gegen das Heck des von der Klägerin gelenkten PKW, welches zum Zeitpunkt des Anstoßes im Stillstand war und sich in einer Schrägstellung von 30 Grad zur Fahrbahnlängsachse befand, wobei das linke Heck die Fahrbahnmitte um ca 40 cm überragte. Die Klägerin war im Zeitpunkt des Anstoßes im Begriff, vom Retourgang auf den ersten Gang zu schalten. Wie lange vor dem Anstoß sie das Fahrzeug angehalten hat, kann nicht festgestellt werden. Es ist auch nicht feststellbar, ob die Klägerin das Fahrzeug des Erstbeklagten schon beim Einfahren in die Bezirksstraße (Überfahren der unterbrochenen Randlinie) erkennen konnte, ebenso nicht, ob sie im Zuge des Einfahrens unfallverhindernd reagieren hätte können. Der Erstbeklagte hätte bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 50 km/h und rechtzeitiger Reaktion mit einer mittelstarken Betriebsbremsung (3 m/s**2) ohne Kollision hinter dem PKW der Klägerin anhalten können.
Am PKW der Klägerin entstand Totalschaden. Am Ersatzfahrzeug wurde - wie beim beschädigten PKW der Klägerin - eine Anhängerkupplung montiert, welche S 6.000,-- kostete.
In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß dem Erstbeklagten die Einhaltung einer überhöhten Geschwindigkeit als Verschulden anzulasten sei. Ein Mitverschulden der Klägerin sei nicht erwiesen, weil der zeitliche Zusammenhang zwischen der Einfahrbewegung der Klägerin und der Annäherung des Erstbeklagten ungeklärt geblieben sei. Damit bestehe eine alleinige Haftung der Beklagten für die Unfallfolgen.
Mit dem nunmehr bekämpften Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, ob ein Beweisdefizit hinsichtlich der Wahrnehmbarkeit eines bevorrangten Fahrzeuges bei Einfahren des Benachrangten in eine bevorrangte Verkehrsfläche zu Lasten desjenigen gehe, der sich auf eine Vorrangverletzung berufe. Dabei übernahm es die Feststellungen des Erstgerichtes.
In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Berufungsgericht davon aus, daß die Klägerin, die im Rückwärtsgang von einem Parkplatz in die Fahrbahn der T*****-Bezirksstraße eingefahren sei, im Sinne des § 19 Abs 6 StVO gegenüber dem Verkehr auf der Bezirksstraße benachrangt gewesen sei. Ein im Nachrang befindlicher Verkehrsteilnehmer dürfe in eine bevorrangte Verkehrsfläche nur einfahren, wenn er durch gehörige Beobachtung des bevorrangten Verkehrs in seiner tatsächlichen Gestaltung sich die Gewißheit verschafft habe, dies ohne Gefährdung oder auch nur Behinderung des Vorrangberechtigten unternehmen zu können. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes habe ein von einer nach § 19 Abs 6 StVO benachrangten Verkehrsfläche kommender Fahrzeuglenker besondere Vorsicht und Aufmerksamkeit anzuwenden und seine Fahrweise unter allen Umständen so einzurichten, daß er auch Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang, selbst wenn sie sich nicht vorschriftsmäßig verhielten, weder gefährde noch behindere. Die im § 19 Abs 7 StVO normierte Wartepflicht setze allerdings die Wahrnehmbarkeit des bevorrangten Fahrzeuges durch den Benachrangten bei gehöriger Vorsicht und Aufmerksamkeit voraus. Für die Anwendbarkeit der Vorrangregeln genüge es, daß es dem Wartepflichtigen bei gehöriger Vorsicht und Aufmerksamkeit möglich gewesen sei, das andere Fahrzeug überhaupt oder rechtzeitig wahrzunehmen. Die Wahrnehmbarkeit aufgrund des Lichtscheines der Scheinwerfer des anderen Fahrzeuges reiche hiebei aus. Sei die Nichtwahrnehmung des bevorrangten Fahrzeuges auf ein Fehlverhalten des Wartepflichtigen zurückzuführen, habe er eine Vorrangverletzung zu verantworten. Weil nicht festgestellt werden habe können, ob das Fahrzeug des Erstbeklagten bei Beginn des Einfahrens der Klägerin in die Bezirksstraße bereits in ihrem Sichtbereich gewesen sei, könne der Beginn dieses Fahrmanövers (noch) keine Vorrangverletzung begründen. Die Wahrnehmbarkeit des bevorrangten Fahrzeuges durch den Benachrangten sei Tatbestandsmerkmal der Vorrangverletzung und falle daher in die Beweispflicht desjenigen, der sich auf die eine Übertretung der als Schutznorm(en) im Sinne des § 1311 ABGB anzusehenden Vorrangbestimmungen berufe. Jede in diese Richtung verbleibende Unklarheit gehe zu seinen Lasten. Weil nicht feststehe, daß das Fahrzeug des Erstbeklagten für die Klägerin bei Beginn des Einfahrens in die Bezirksstraße bereits wahrnehmbar gewesen sei, habe die Klägerin durch die Einleitung des Fahrmanövers keine Vorrangverletzung begangen. Weil ein schrittweises Einfahren (Vortasten) des Wartepflichtigen in eine Kreuzung oder in eine bevorrangte Verkehrsfläche nur dort sinnvoll sei, wo durch ein solches Fahrverhalten das Sehen (durch Veränderung des Sichtwinkels) und das Gesehenwerden (durch Vergrößerung des Auffälligkeitswertes) gefahrenmindernd verbessert werden könne, hätte die Klägerin, die durch das Einfahren in die Bezirksstraße ihre Sicht nur von ursprünglich 55 auf 60 m verbessern hätte können, auch durch ein (zentimeterweises) Vortasten in mehreren Etappen bis zu ihrer späteren Stillstandsposition nicht eine solche Sicht gewinnen können, daß sie eine Behinderung des aus Fahrtrichtung des Erstbeklagten herankommenden Fließverkehrs ausschließen hätte können. Daß ein von ihr noch nicht wahrgenommener Verkehrsteilnehmer auf der bevorrangten Fahrbahn die fundamentale Vorschrift des § 20 Abs 1 StVO derart - wie der Erstbeklagte - mißachten würde, habe die Klägerin, die gemäß § 3 StVO wie jeder andere Straßenbenützter darauf vertrauen haben dürfen, daß andere Personen die für die Benützung der Straße maßgebenden Rechtsvorschriften befolgten, nicht in Rechnung stellen müssen. Es begründe daher keine Vorrangverletzung, daß die Klägerin, von der eine vortastende Fahrweise nicht zu verlangen gewesen sei, mit Schrittgeschwindigkeit in einem Zug in die bevorrangte Fahrbahn eingefahren sei. Daß ungeklärt geblieben sei, ob die Klägerin während des Einfahrens eine unfallverhindernde Reaktion setzen habe können, gehe zu Lasten der für deren Verschulden beweispflichtigen Beklagten. Mangels Erweislichkeit eines zeitlichen Zusammenhanges zwischen dem Einfahren der Klägerin in die bevorrangte Fahrbahn und der Annäherung des Erstbeklagten sei den Beklagten auch nicht der Nachweis gelungen, daß die Klägerin ihre Verpflichtung, beim Einfahren die bevorrangte Verkehrsfläche ständig zu beobachten, verstoßen habe. Zur Beiziehung eines Einweisers sei die Klägerin angesichts der Sichtweiten von 55 bis 60 m nicht verpflichtet gewesen, wobei sich die Beklagten im Verfahren vor dem Erstgericht darauf gar nicht berufen hätten. Eine Vorrangverletzung der Klägerin könne daher nicht angenommen werden, weil die Unklarheiten im erhobenen Sachverhaltsbild zu Lasten der Beklagten gingen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragte, der Revision keine Folge zu geben.
Die Revision ist berechtigt.
Die Beklagten machen in ihrem Rechtsmittel im wesentlichen geltend, daß allein das Einfahren in die bevorrangte Verkehrsfläche ohne Gewißheit, das Einfahrmanöver in diese ohne Behinderung des möglicherweise herankommenden aber nicht wahrnehmbaren bevorrangten Verkehrs beenden zu können, bereits objektiv den Tatbestand einer Vorrangverletzung darstelle, sodaß ausgehend von der Vorrangverletzung der Klägerin und unter Berücksichtigung der eingehaltenen Geschwindigkeit des Erstbeklagten von gleichteiligem Verschulden auszugehen und das Klagebegehren somit abzuweisen sei.
Rechtliche Beurteilung
Hiezu wurde erwogen:
Wie der erkennende Senat jüngst (1. Juli 1999, 2 Ob 181/97z) ausgesprochen hat, trifft bei der Klärung der Frage, ob eine Verpflichtung zur Leistung von Schadenersatz wegen Übertretung eines Schutzgesetzes besteht, sowohl den Geschädigten als auch den in Anspruch genommenen Schädiger die Beweislast für verschiedene Kriterien, die für das Bestehen einer Ersatzpflicht des Schädigers erfüllt sein müssen. Den Geschädigten trifft dabei die volle Beweislast für den Schadenseintritt und die Verletzung des Schutzgesetzes als solche (SZ 44/187; SZ 54/108; Welser, Schutzgesetzverletzung, Verschulden und Beweislast, ZVR 1976, 1 [10];
Karollus, Praktische Probleme der Schutzgesetzverletzung, insbesondere im Verkehrshaftpflichtrecht, ZVR 1994, 129 ff [133];
Brunner, Die Zurechnung der Schadenersatzpflicht bei Verletzung eines "Schutzgesetzes" gemäß § 1311 ABGB, ÖJZ 1972, 114). Als Beweis für das Vorliegen einer Schutzgesetzverletzung ist der Nachweis der Tatsache ausreichend, daß die Schutznorm objektiv übertreten wurde (SZ 44/187; Karollus aaO). Dies ergibt sich allerdings nicht schon allein aus dem Umstand, daß es zu einem Unfall gekommen ist, vielmehr hat der Geschädigte auch den vom Schutzgesetz erfaßten Tatbestand, hier also das Bestehen eines Vorrangverhältnisses nachzuweisen. Im vorliegenden Fall setzt dies die Klärung der Frage voraus, welches Fahrzeug aus welcher Straße kam und in welchem Verhältnis die betreffenden Verkehrsflächen zueinander stehen. Da die Klägerin von einem Parkplatz (§ 19 Abs 6 StVO) in eine Bezirksstraße einfuhr, ist den Beklagten diesbezüglich der ihnen obliegende Beweis gelungen.
Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Klägerin ergibt sich nicht schon allein aus der Tatsache der objektiven Schutzgesetzverletzung. Das Rechtswidrigkeitsurteil ist vielmehr erst aus der Verletzung von konkret für die betreffende Situation ausformulierten, ex ante die erforderliche Sorgfalt bestimmenden Verhaltensgeboten abgeleitet und ergibt sich damit erst aus einem objektiven Sorgfaltsverstoß (Karollus aaO, 131; derselbe, Schutzgesetzverletzung, 159 ff; Reischauer in Rummel2 Rz 6 zu § 1311; Esser/Weyers, Schuldrecht II7, 581), der vielfach als Verhaltensunrecht bezeichnet wird (Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 4/13; Reischauer aaO; Karollus aaO, 131). Daß ihm die objektive Übertretung des Schutzgesetzes nicht als schutzgesetzbezogenes Verhaltensunrecht anzulasten ist, hat jedoch der Schädiger zu beweisen (Karollus aaO, 134; Reischauer aaO Rz 17 zu § 1311). Dies ergibt sich aus der Anwendung des § 1298 ABGB, der, obwohl er nur vom Verschulden spricht, sich auch auf das Verhaltensunrecht bezieht (Karollus aaO, 132). Die Erkennbarkeit des gegnerischen Fahrzeuges für den an und für sich Wartepflichtigen ist zwar ein grundlegendes Element für die Anwendbarkeit der Vorrangregeln (ZVR 1973/125; ZVR 1981/247; ZVR 1984/135; ZVR 1986/12; ZVR 1990/157; ZVR 1999/24 uva; Dittrich-Stolzlechner, StVO Anm 23 zu § 19; Danzl, Rechtsfragen des Vorranges, ZVR 1987, 289 ff [297]), ihr Vorliegen ist jedoch eine Frage der objektiven Sorgfaltswidrigkeit, was für den vorliegenden Fall bedeutet, daß die Beklagten nur die Nichtbefolgung der abstrakten Verhaltenspflicht (die Wartepflicht bei der Parkplatzausfahrt) zu beweisen hatten, die Klägerin hingegen die - bei Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt - nicht gegebene rechtzeitige Erkennbarkeit des gegnerischen Fahrzeuges. Damit wird auch der allgemeinen Beweislastregel von der "subjektiven Günstigkeit" entsprochen (vgl Fasching, Lehrbuch2 Rz 882; Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 11 vor § 266): Die Beklagten mußten demnach nur den rechtsbegründenden Umstand des Vorrangverhältnisses iSd § 19 Abs 6 StVO beweisen, die Klägerin hingegen den rechtshindernden Umstand der Nichterkennbarkeit des Fahrzeuges des Erstbeklagten. Dieser Beweis ist der Klägerin jedoch nicht gelungen.
Was die subjektive Sorgfaltswidrigkeit betrifft, wurden subjektive Umstände, die der Klägerin in der konkreten Situation die Normeinhaltung unmöglich gemacht haben (Karollus aaO, 135), nicht behauptet. Es ist daher auch vom Vorliegen eines Verschuldens der Klägerin, das ja Voraussetzung für die Haftung aus einer Schutzgesetzverletzung ist (SZ 18/150; SZ 44/187; SZ 51/109; ZVR 1990/101 uva; Danzl aaO, 301), auszugehen, weil nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes der Schädiger den Beweis dafür zu erbringen hat, daß ihn an der Übertretung des Schutzgesetzes kein Verschulden trifft (ZVR 1970/232; SZ 51/109; JBl 1985, 355; ZVR 1990/101; ZVR 1998/3 uva; Fucik, Die (objektive) Beweislast besonders im Haftpflichtprozeß, RZ 1990, 54 [58 f]; Gschnitzer, Schuldrecht BT2, 486; Koziol/Welser I10, 457; Harrer in Schwimann2 Rz 32 zu § 1311; Welser aaO 9 f; Danzl aaO, 301).
Eine Vorrangverletzung und somit ein Verschulden der Klägerin resultiert im vorliegenden Fall daher aus der Negativfeststellung, daß nicht feststellbar sei, ob die Klägerin das Fahrzeug des Erstbeklagten schon beim Einfahren in die Bezirksstraße (Überfahren der unterbrochenen Randlinie) erkennen konnte, weil aufgrund der dargelegten Beweislastregel schon daraus der Klägerin eine rechtswidrige Vorrangverletzung vorzuwerfen ist.
Es ist daher davon auszugehen, daß auch die Klägerin ein Verschulden am Zustandekommen des gegenständlichen Verkehrsunfalles trifft. Da einerseits in der Regel eine Vorrangverletzung schwerer wiegt als andere Verkehrswidrigkeiten (ZVR 1977/3; ZVR 1997/16 ua), andererseits aber der Erstbeklagte eine eklatante Geschwindigkeitsüberschreitung (um 70 %) zu vertreten hat, erscheint eine gleichteilige Verschuldenszumessung (vgl ZVR 1986/27 mwN) sachgerecht und den Umständen angemessen.
Der Klägerin gebührt sohin (nur) noch die Hälfte der geltend gemachten Kosten für die Anhängerkupplung, sodaß in Abänderung der Urteile der Vorinstanzen die eingeklagte Forderung mit 3.000,-- S und die - der Höhe nach unstrittige - Gegenforderung bis zur Höhe der zu Recht bestehenden Klageforderung zu Recht bestehen und das Klagebegehren sohin abzuweisen war.
Die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gründet sich auf § 41 ZPO. Da der Einspruch gegen den Zahlungsbefehl auf Bestreitung und Klageabweisung beschränkt war und keine Ausführungen enthielt, war dieser nur nach TP 2 RAT samt 60 % Einheitssatz zu honorieren. Die Klägerin hat sohin den Beklagten die mit 19.839,82 S (darin 2.726,64 S USt und 3.480,-- S Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz zu ersetzen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Der Kostenersatzanspruch der Beklagten beträgt für das Berufungsverfahren 18.547,25 S (darin 2.207,87 S USt und 5.300,-- S Barauslagen) und für das Revisionsverfahren 19.977,04 S (darin 1.115,84 S USt und 7.282,-- S Barauslagen).
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