OGH 2Ob201/99v

OGH2Ob201/99v2.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei "Sch*****, vertreten durch Dr. Georg Hoffmann, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Franz W*****, vertreten durch Dr. Josef Friedrich, Rechtsanwalt in Graz, wegen "Naturalersatz" (Streitinteresse insgesamt S 1,256.452,--), infolge der Rekurse beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 22. Jänner 1999, GZ 3 R 251/98a-101, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 13. Oktober 1998, GZ 21 Cg 235/94i-95, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Beiden Rekursen wird Folge gegeben.

Der angefochtene Aufhebungsbeschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die Möglichkeit des Erwerbes des mit dem Vorkaufsrecht belasteten Liegenschaftsteiles der EZ 292, KG T***** bestehend aus dem Grundstück 824/3, dem Wirtschaftsgebäude, dem halben Hofraum und einer Grundfläche für die Abstellung von 50 PKW auf der nördlich gelegenen Wiese unterhalb des Gastgartens nach der Geländestufe mit eigener Zufahrt von der Straße Zug um Zug gegen Zahlung des darauf entfallenden Kaufpreisanteiles und unter Übernahme der Nebenvereinbarungen gemäß Punkt V. und VIII. des mit Rudolf B***** und Klement G***** geschlossenen Kaufvertrages vom 23. bzw 24. 6. 1994 zu verschaffen.

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen die mit S 326.467,60 (hierin enthalten S 112.626,40 Barauslagen und S 35.640,20 USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit S 72.299,-- (hierin enthalten S 39.770,-- Barauslagen und S 5.421,50 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit S 23.427,-- (hierin enthalten S 3.904,50 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens dritter Instanz zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 2./30. 3. 1988 schlossen die Streitteile, und zwar der Beklagte als Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 292, KG T***** bestehend aus der Baufläche Nr 13 mit Wohnhaus und Wirtschaftsgebäude, den Grundstücken 63 (Garten) und 60/24 (Acker) sowie dem Oberlandgrundstück 823/4 (Garten) KG R***** im Gesamtausmaß von 8701 m2 und Vermieter sowie die Klägerin als Mieterin zum Zwecke der Errichtung einer Kleinbrauerei und einer Gaststätte, einen Mietvertrag auf unbestimmte Zeit betreffend das genannte Wirtschaftsgebäude und die Hälfte des Hofraumes unter Benützung eines bisher bereits bestehenden (und noch auszubauenden) Parkplatzes. Gemäß Punkt VI Abs 2 dieses Vertrages räumte "der Vermieter der Mieterin das Vorkaufsrecht an den gemieteten Teilen der Liegenschaft, sowie das Vorpachtrecht am Gasthaus ein, was die Mieterin vertraglich annimmt. Der Vermieter bewilligt, daß ohne sein weiteres Einvernehmen, jedoch nicht auf seine Kosten zugunsten der Mieterin in EZ 292 KG T***** das Vorkaufsrecht gemäß §§ 1072 ff ABGB gemäß den Bestimmungen dieses Vertrages .... grundbücherlich einverleibt wird."

Tatsächlich ist eine Verbücherung dieses Vorkaufsrechtes jedoch nicht erfolgt. Die Klägerin hat das gemietete Wirtschaftsgebäude samt Grundstücksanteil in der Folge mit erheblichen Kosten ausgebaut und eine Brauerei sowie das sog "Braustüberl" errichtet.

Laut Teilungsausweis vom 24. 5. 1994 teilte der Beklagte von der vorbezeichneten Gesamtliegenschaft das Grundstück 63 in die Grundstücke 63/1 und 63/2, vereinigte die Baufläche 13 mit den Gebäuden mit dem (neuen) Grundstück 63/2 und löschte die Grundstücksbezeichnung 13. Mit Kaufvertrag vom 23./24. 6. 1994 (grundverkehrsbehördlich genehmigt am 15. 7. 1994) verkaufte der Beklagte die Grundstücke 63/2 (samt darauf befindlichen Objekten und Parkplatz) und 823/4 an Rudolf B***** und Klement G***** je zur Hälfte zum Kaufpreis von S 3,5 Mio. In Punkt VI dieses Kaufvertrages ist festgehalten, daß die beiden Käufer ausdrücklich erklären, den einleitend genannten Mietvertrag zwischen den Streitteilen zu kennen und als künftige gemeinsame Eigentümer des Mietgegenstandes in dieses Vertragsverhältnis einzutreten. Eine Verbücherung dieses Kaufvertrages fand (wie vom Obersten Gerichtshof durch Einsichtnahme in das Grundbuch erhoben wurde) bisher nicht statt.

Mit Schreiben vom 5. 8. 1994 teilte der Klagevertreter dem Beklagten mit, daß die Klägerin vom Verkauf der Gesamtliegenschaft erfahren, der Beklagte es jedoch unterlassen habe, das Vorkaufsrecht der Klägerin zu beachten und kein Anbot im Sinne des Gesetzes gestellt habe. Die Klägerin erkläre daher, das Vorkaufsrecht ausüben zu wollen, weshalb der Beklagte aufgefordert werde, zu Handen des Klagevertreters eine Vertragskopie zu übermitteln, damit der angemessene Teilkaufpreis festgestellt werden könne.

Der Beklagtenvertreter beantwortete dieses Schreiben seinerseits am 25. 8. 1994 damit, daß sich das Vorkaufsrecht nur auf einen geringen Teil der Gesamtliegenschaft beziehe, der Beklagte jedoch die Gesamtliegenschaft (und nicht bloß den vom Vorkaufsrecht betroffenen Teil derselben) verkauft habe, in welchem Fall nach der Rechtsprechung das Vorkaufsrecht vom Vorkaufsberechtigten nicht ausgeübt werden könne, sondern vielmehr (gleichgültig, ob einverleibt oder nicht) auf die Käufer zu überbinden und von diesen zu beachten sei, was auch geschehen sei.

Mit Schreiben vom 2. 9. 1994 wiederholte der Klagevertreter namens der Klägerin sein Begehren auf Einlösung des Vorkaufsrechtes und bot für die Teilliegenschaft "vorläufig" einen Kaufpreis von S 600.000,--. Da die Liegenschaft wirtschaftlich nur als Ganzes verkauft habe werden können und der Beklagte auf den Gesamtkaufpreis angewiesen gewesen sei, wurde dieses Schreiben vom Beklagtenvertreter mit Antwort vom 12. 9. 1994 neuerlich abschlägig beschieden.

Mit der am 19. 9. 1994 eingebrachten Klage stellte die Klägerin das aus dem Spruch ersichtliche Hauptbegehren; in eventu stellte sie ein solches Begehren auch in bezug auf die (laut Teilungsplan neu gebildete) Gesamtliegenschaft Zug um Zug gegen Zahlung eines Kaufpreises von S 3,5 Mio. Schließlich wurde noch - für den Fall der Unmöglichkeit der Verschaffung des mit dem Vorkaufsrecht belasteten Liegenschaftsteiles - ein weiteres Eventualbegehren auf Zahlung ihres Interesses in Höhe von S 1,256.452,-- samt 5 % Zinsen seit Klagstag gestellt.

Die beklagte Partei bestritt sämtliche Klagebegehren und beantragte - unter Hinweis und Wiederholung ihres bereits im vorprozessualen Schriftverkehr eingenommenen Rechtsstandpunktes deren Abweisung.

Das Erstgericht wies sämtliche Klagebegehren ab. Es traf über den eingangs bereits wiedergegebenen (und großteils außer Streit gestellten) Sachverhalt hinaus noch folgende weitere Feststellungen:

Bei der Suche nach einem Käufer wurde das Gasthaus der klagenden Partei zunächst sowohl vom Beklagten als auch dessen Makler mit dem Hinweis angeboten, daß ein Anbot über S 3 Mio vorliege, welches von der klagenden Partei als zu teuer abgelehnt wurde. Obwohl die beklagte Partei - im Falle des später ins Auge gefaßten und dann auch verwirklichten Verkaufes der Gesamtliegenschaft - der Auffassung war, daß das Vorkaufsrecht der klagenden Partei in diesem Falle nicht rechtswirksam sei, bot sie trotzdem der klagenden Partei nochmals fernmündlich die Gesamtliegenschaft um S 3,5 Mio an, was von der klagenden Partei aber ebenfalls abgelehnt wurde. Dadurch, daß die klagende Partei den Teil der Liegenschaft mit einem geschätzten Verkehrswert von S 1,434.000,-- (für den das nicht verbücherte Vorkaufsrecht gilt), nicht kaufen konnte und daher mit einem Barwert an Mieten bis zum 1. 12. 2008 (= frühestmöglicher Kündigungstermin zur Beendigung des Mietverhältnisses) in Höhe von S 1,805.000,-- zu rechnen hat, erleidet sie einen "Vermögensnachteil" von rund S 370.000,-- (unter Berücksichtigung eines 10 %igen Zuschlages gemäß § 12a Abs 3 MRG rund S 555.000,--).

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht - zusammengefaßt - aus, daß der Beklagte der klagenden Partei ohnedies die Einlösung sowohl des Liegenschaftsteiles als auch der Gesamtliegenschaft wirksam angeboten habe, er jedoch vom Fehlen eines Kaufinteresses der Klägerin habe ausgehen dürfen, weil diese ein schriftliches Angebot nicht verlangt habe. Der Beklagte sei im übrigen zur Anbotlegung in Ansehung der Gesamtliegenschaft gar nicht verpflichtet gewesen; das Vorkaufsrecht sei auf die belastete Sache beschränkt gewesen; die Käufer seien nur an der gesamten Liegenschaft interessiert gewesen. Trotzdem habe der Beklagte der Klägerin auch das Gesamtgrundstück zum Kauf angeboten, was diese jedoch ausdrücklich abgelehnt habe.

Das Berufungsgericht gab der von der klagenden Partei erhobenen Berufung Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Ohne auf die Beweisrüge der klägerischen Berufung inhaltlich einzugehen, erachtete das Berufungsgericht bereits aus rechtlichen Erwägungen die Aufhebung und Zurückverweisung für unentbehrlich:

Entgegen der Auffassung der beklagten Partei sei der vereinbarte Vorkaufsfall eingetreten, weshalb sie der klagenden Partei wenigstens den vom Vorkaufsrecht betroffenen Teil der verkauften Liegenschaft zur Einlösung hätte anbieten müssen. Andernfalls wäre es einem Vorkaufsverpflichteten möglich, das Vorkaufsrecht einfach dadurch zu umgehen, daß er die damit belastete Sache zugleich mit einer anderen um einen Gesamtpreis verkaufe. Das auf den belasteten Teil des Kaufgegenstandes beschränkte Vorkaufsrecht komme daher auch im Falle eines sog Mengekaufes zum Tragen: Dem Vorkaufsberechtigten sei die Möglichkeit zu geben, die ihm zustehende Sache gegen Entrichtung eines verhältnismäßigen Teiles des Gesamtkaufpreises zu erwerben. Allerdings könne dem Vorkaufsverpflichteten (im Wege ergänzender Vertragsauslegung) unter Umständen auch das Recht zugestanden werden, dem Berechtigten nicht nur den vom Vorkaufsrecht betroffenen Teil der Sache, sondern den gesamten Kaufgegenstand zur Einlösung anzubieten, wenn der mit dem Vorkaufsrecht belastete Teil der Sache zufolge einer nach Einräumung eingetretenen Änderung der Verhältnisse nicht ohne Nachteil für ihn ausgeschieden werden könne. Von diesem - in erster Instanz noch nicht erschöpfend geklärten - Gestaltungsrecht habe der Beklagte jedoch keinen Gebrauch gemacht. Soweit das Erstgericht seine abweisliche Entscheidung ua auf die Feststellung gestützt habe, der Beklagte habe der Klägerin die Einlösung des die Gesamtliegenschaft betreffenden Kaufvertrages wirksam angeboten, habe es zudem einen vom Beklagten gar nicht behaupteten Sachverhalt zugrundegelegt. Dazu komme, daß gar nicht feststehe, "wer wem warum welches konkrete Anbot erstellte". Mit Schreiben vom 2. 9. 1994 habe die klagende Partei auch bloß die Anbietung der Einlösung eingemahnt; daß hierin eine "wirkliche Einlösung" im Sinne des § 1075 ABGB des vom Vorkaufsrecht betroffenen Liegenschafteiles zu erblicken sei, könne nicht angenommen werden. Dies hätte aufgrund der bereits vorliegenden Verfahrensergebnisse zur Folge, daß (unbeschadet der mangelnden Verdinglichung des Vorkaufsrechtes) ein Eigentumsübertragungs-(Erfüllungs-) anspruch der klagenden Partei gegenüber dem Beklagten in Ansehung des vom Vorkaufsrecht betroffenen Liegenschaftsteiles ebenfalls berechtigt wäre. Dieser Standpunkt sei jedoch weder den Prozeßbehauptungen noch dem Inhalt der Klagebegehren zu entnehmen. Da der Klägerin der Inhalt des vom Beklagten mit den dritten Personen geschlossenen Kaufvertrages samt grundverkehrsbehördlicher Genehmigung bereits vor Klageeinbringung bekannt gewesen sei, komme ihr ein Recht auf Anbietung gemäß § 1072 ABGB freilich nicht (mehr) zu, weil sie außer einem Schadenersatzanspruch ohnehin den Anspruch auf Erfüllung gegenüber dem Beklagten hätte. Daß die Klägerin vom Beklagten wegen vertragswidriger Verletzung ihres Vorkaufsrechtes Schadenersatz durch Naturalrestitution (§ 1323 ABGB) begehre, sei hingegen den Prozeßbehaupteten der Klägerin sehr wohl zu entnehmen; in diesem Falle wäre das Klagebegehren jedoch auf Übergabe des vom Vorkaufsrecht betroffenen Teiles durch Abtrennung und grundbücherliche Einverleibung oder aber Schadenersatzleistung durch Geldersatz im Umfang des Austauschinteresses zu richten.

Ausgehend von diesen rechtlichen Überlegungen werde daher das Erstgericht im fortgesetzten Rechtsgang mit der klagenden Partei die Fassung ihrer Klagebegehren zu erörtern und ihr eine allfällige Änderung anheim zu stellen sowie weiters dann (auf der Grundlage eines im erforderlichen Umfang ergänzten Sachverhaltes) über die geltend gemachten Ansprüche neu zu entscheiden haben.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt, weil den im Anlaßfall maßgeblichen Rechtsfragen der Begründung und des Umfanges der Anbietungspflicht des Eigentümers einer nur teilweise mit einem Vorkaufsrecht belasteten Liegenschaft sowie des Inhaltes des Anspruches des in seinem Vorkaufsrecht Verletzten erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zukomme.

Gegen diese Entscheidung richten sich die jeweils auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Rekurse beider Parteien (von der beklagten Partei unrichtig als "Revisionsrekurs" bezeichnet: § 519 Abs 1 Z 2 ZPO) mit den Anträgen, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer Stattgebung (Klägerin) bzw Abweisung (Beklagter) der Klagebegehren abzuändern; im Rechtsmittel der Klägerin ist auch hilfsweise ein Aufhebungsantrag (Zurückverweisung an die zweite Instanz zur neuerlichen Entscheidung über ihre Berufung) enthalten.

Beide Parteien haben auch Rekursbeantwortungen erstattet, in denen wechselseitig beantragt wird, dem Rekurs des jeweiligen Gegners den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind berechtigt.

Gemäß § 1072 ABGB begründet das Vorkaufsrecht ein Recht des Vorkaufsberechtigten zum bevorzugten Erwerb der Sache für den Fall, daß der Verpflichtete diese verkaufen will; es beschränkt zwar den Verpflichteten nicht in seiner Freiheit, überhaupt zu verkaufen und auch nicht in der Gestaltung des Vertragsverhältnisses; lediglich der Käufer ist durch die Person des Vorkaufsberechtigten vorgegeben (EvBl 1986/148; Aicher in Rummel, ABGB I2 Rz 1 zu § 1072). Ein solches Vorkaufsrecht kann nicht nur als "Nebenvertrag" (§ 1067 ABGB) zu einem Kaufvertrag, sondern auch etwa - wie hier - im Rahmen eines Bestandvertrages rechtswirksam vereinbart werden (Aicher, aaO Rz 4 zu § 1072). Durch Eintragung in das Grundbuch kann es gemäß § 1073 ABGB verdinglicht werden und verstärkt damit das Recht des Berechtigten gegenüber Dritten, an welche die Sache gelangt ist (Aicher, aaO Rz 6 ff zu § 1073); insbesondere steht dem dinglich Vorkaufsberechtigten gemäß § 1079 zweiter Satz ABGB ein direktes Abforderungsrecht gegenüber dem Dritten zu (EvBl 1957/255; JBl 1995, 526). Aber auch ein (wie hier) bloß obligatorisches Vorkaufsrecht gewährt Ansprüche auf das Anbot zur Einlösung der Sache, wenn der Vorkaufsverpflichtete die Sache unter Mißachtung des nicht verbücherten Rechtes einem Dritten verkauft hat (SZ 32/14; SZ 59/54 = EvBl 1986/149 = JBl 1986, 509).

Ein solches Vorkaufsrecht kann auch - wie im vorliegenden Fall geschehen - bloß an einzelnen Grundstücken einer aus mehreren Grundstücken bestehenden Liegenschaft eingeräumt werden (7 Ob 625/92). Zum Vorkaufsrecht an einem (bloßen) Liegenschaftsteil bei späterem Verkauf der ganzen Liegenschaft hat der Oberste Gerichtshof

in der Entscheidung SZ 42/158 (= JBl 1970, 472 = EvBl 1970/111 = RZ

1970, 80 = NZ 1970, 171) ausführlich Stellung bezogen. Er vertrat

dabei den - auch in der Entscheidung 5 Ob 39/95 (MietSlg 47.077) wiederholten - Standpunkt, daß jedenfalls dann, wenn in der Mitveräußerung weiterer, nicht mit dem Vorkaufsrecht belasteter Sachen ein unter § 1077 ABGB fallender Nebenvorteil für den Verkäufer liegt, oder die mit dem Vorkaufsrecht belastete Sache nicht ohne Nachteil des Vorkaufsverpflichteten ausgeschieden werden kann, weil etwa sonst der Verkauf des Restes scheitern oder dessen Kaufpreis unverhältnismäßig geschmälert würde, dem Vorkaufsverpflichteten kraft ergänzender Vertragsauslegung das (Gestaltungs-)Recht zusteht, den ganzen Kaufgegenstand zur Einlösung anzubieten, sofern nicht schon bei Einräumung des Vorkaufsrechts die Herauslösung der Sache wirtschaftlich gleich zu beurteilen war. Jedenfalls dann, wenn - wie offensichtlich hier - anzunehmen ist, daß der mit dem Vorkaufsrecht belastete Teil in untrennbarem Zusammenhang mit dem Verkauf der (unbelasteten) Restliegenschaft steht, kann der Verpflichtete die gesamte Liegenschaft dem Berechtigten anbieten, muß dies aber nicht. Bietet aber der Verpflichtete die (teils belastete, teils unbelastete) Gesamtliegenschaft an, dann muß sie der Berechtigte bei sonstigem Verlust des Vorkaufsrechtes einlösen (SZ 42/158; Aicher, aaO Rz 23 zu § 1072; F. Bydlinski in Klang2 IV/2 781 ff). Will der mit dem Vorkaufsrecht Belastete allerdings von diesem Gestaltungsrecht keinen Gebrauch machen, dann ist er bei einem solchen Verkaufsfall verpflichtet, dem Vorkaufsberechtigten zumindest den mit dem Vorkaufsrecht belasteten Teil der Liegenschaft anzubieten. Die Auffassung, daß beim "Mengenkauf" mangels Identität des Kaufgegenstandes mit der Verkaufssache das Vorkaufsrecht überhaupt nicht ausgelöst werde, ist nämlich abzulehnen; der Verpflichtete bräuchte dann nämlich die Vorkaufssache nur zusammen mit einer beliebigen anderen um einen Gesamtpreis zu veräußern, um das Vorkaufsrecht zu umgehen (F. Bydlinski aaO 731 f, SZ 42/158).

Nach den Feststellungen des Ersturteils bot - im Sinne dieser rechtlichen Gegebenheiten - die mit dem Vorkaufsrecht belastete beklagte Partei zwar der klagenden Partei sowohl "das Gasthaus" (also den belasteten Liegenschaftsteil) als auch in späterer Folge, jedoch noch vor Abschluß des Rechtsgeschäftes mit den beiden nunmehrigen Hälfteigentümern auch die Gesamtliegenschaft der Klägerin an, welche jedoch beide Anbote (ersteres als "zu teuer") ablehnte. Allerdings beschränkten sich diese "Angebote" nur auf die Bekanntgabe des Preises, enthielten aber nicht auch die sonstigen für die Ausübung des Vorkaufsrechts notwendigen Informationen. Die Frist (des § 1075 ABGB) zur Einlösung - bei unbeweglichen Sachen binnen 30 Tagen "nach der geschehenen Anbietung" - beginnt nämlich erst in jenem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Verpflichtete dem Berechtigten die Kenntnis aller Tatsachen verschafft hat, welche dieser kennen muß, wenn er sich über die Ausübung des Vorkaufsrechtes schlüssig werden soll, wie Gegenstand, Preis, Zahlungsmodalitäten, Bedingungen, Nebenrechte und Nebenpflichten (RIS-Justiz RS0020180). Ein derart umfassendes (vollständiges) Angebot hat der Beklagte der Klägerin weder nach dem Vorbringen des Beklagten noch nach den insoweit getroffenen - allerdings bekämpften - Feststellungen erstattet. Aber auch wenn die klagende Partei (insoweit unstrittig) bereits mit Schreiben des Beklagtenvertreters vom 25. 8. 1994 (Beil D) eine Ablichtung des Kaufvertrages (mit dem Dritten) erhalten und damit Kenntnis über sämtliche dieser vorgenannten Tatsachen im Grundsätzlichen hatte, so entspricht es doch auch der ganz einhelligen und damit herrschenden Auffassung, daß der Lauf der in § 1075 ABGB genannten Frist ohne gehörige Anbietung des Vorkaufsverpflichteten nicht in Gang gesetzt wird, und zwar auch dann nicht, wenn der Berechtigte eindeutig Kenntnis vom Vorkaufsfall (im allgemeinen) erlangt haben sollte (Aicher, aaO Rz 23 zu § 1075; SZ 58/93; 6 Ob 739/87; 1 Ob 330/97d). In einem solchen Falle selbst voller und verläßlicher Kenntnis vom Vorliegen und vom Inhalt des Kaufvertrages, der den Vorkaufsfall darstellt, stünde dem Berechtigten bloß ein klagbarer Anspruch auf ein Einlösungsanbot gegen den Verpflichteten nicht zu (Aicher, aaO Rz 13 zu §§ 1075 und 23a zu § 1072; F.Bydlinski in Klang2 IV/2 850; JBl 1983, 203). Das hier zur Beurteilung anstehende (Haupt-)Klagebegehren geht allerdings ohnedies nicht auf die gehörige Anbietung - oder auf Eigentumsübertragung zufolge geschehener Einlösung -, sondern (ausdrücklich) "auf Verschaffung der Möglichkeit" des Erwerbs Zug um Zug gegen Zahlung des auf die belastete Sache entfallenden Kaufpreises. Gleichviel, ob dieses Begehren (der Klägerin als übergangener Verkaufsberechtigter) nun als Erfüllungsanspruch auf (primär: Hauptbegehren) Übertragung der belasteten Liegenschaftsteile (F. Bydlinski, aaO 885f) - wofür sprechen könnte, daß durch die bisher unterbliebene grundbücherliche Übertragung an die neuen Erwerber und damit noch nicht erfolgte Eigentumsverschaffung eine Ausübung des Vorkaufsrechtes noch nicht endgültig vereitelt ist (Aicher, aaO Rz 4 zu § 1079) - oder im Sinne der §§ 1079 Satz 1 iVm 1323 ABGB als ein auf Naturalrestitution gerichtetes Schadenersatzbegehren (Binder in Schwimann, ABGB2 Rz 3 zu § 1073) gewertet wird, so ist doch das Begehren jedenfalls ein solches auf Verschaffung des belasteten Objekts, wie dies der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung EvBl 1964/162 für zulässig erachtete und an welche sich die Klägerin bei der Formulierung ihres Begehrens auch ausdrücklich angelehnt hat (S 5 des Klageschriftsatzes). An dieser Qualifizierung des Klagebegehrens ist auch festzuhalten, obwohl die klagende Partei in ihrem Rekurs an den Obersten Gerichtshof dieses als "auf Anbietung der vom Vorkaufsrecht betroffenen Sache zur Einlösung" bzw "Auflegung eines Anbotes zur Einlösung" qualifiziert (S 4 und 5 des Rechtsmittelschriftsatzes). Eine solche Klageänderung ist im Revisionsverfahren nämlich unzulässig (§§ 483 Abs 4, 513 ZPO).

Auch wenn den Beklagten (als dem mit dem Vorkaufsrecht belasteten Vertragsteil) nach den obigen Grundsätzen zum "Mengenkauf" ein Gestaltungsrecht zum Anbot der Gesamtliegenschaft oder bloß des mit dem Vorkaufsrecht belasteten Teiles derselben zustand, hat er selbst nach den getroffenen Feststellungen durch das bloß beiläufig und unvollständig erstellte Anbot in keinem Falle die Frist für die Einlösung ausgelöst und damit das Vorkaufsrecht der Klägerin durch Verstreichen derselben zum Erlöschen gebracht. Dadurch, daß der Beklagte der Klägerin überhaupt kein den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Anbot erstattete, und zwar weder in bezug auf die Gesamtliegenschaft noch auf den maßgeblichen Teil derselben, und in der Folge auch beide zusammen veräußert hat, ist sie er Klägerin gegenüber jedenfalls sachfällig geworden. Da - wie ebenfalls bereits ausgeführt - der Berechtigte in einem Falle wie dem vorliegenden nach den Regeln zum "Mengenkauf" keinen Rechtsanspruch auf Anbietung der Gesamtliegenschaft hat, kann ein solcher (Erfüllungs- bzw Schadenersatz-)Anspruch auch nur insoweit zu Recht bestehen, als der klagenden Partei die belastete Sache (Teilflächen) entgangen ist. Dem steht hiebei - bei gegebener Bestimmbarkeit desselben - auch nicht entgegen, daß der effektive Kaufpreis für diese Liegenschaftsteile derzeit noch nicht feststeht (6 Ob 249/72), noch ist es für den Vorkaufsberechtigten von Bedeutung, wie nun der Belastete in einem solchen Falle seiner Rechtspflicht zu genügen in der Lage ist, also etwa dadurch, daß er dem dritten Erwerber eine Abstandszahlung leistet oder ihn sonst veranlaßt, zugunsten des zunächst übergangenen Vorkaufsberechtigten vom Vertrag wiederum abzustehen (EvBl 1964/162).

Damit ist aber das Klagebegehren im Sinne der Stattgebung des Hauptbegehrens berechtigt. Aufgrund dieser rechtlichen Überlegungen bedarf es auch nicht der Durchführung der vom Berufungsgericht erteilten Aufträge und Ergänzungen. Die unter Hinweis auf § 502 Abs 1 ZPO ausgesprochene Zulassung des Rekurses ermöglicht nämlich dem Obersten Gerichtshof die Überprüfung der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes in jeder Richtung, wobei das Verbot der reformatio in peius - hier zum Nachteil der rekurrierenden beklagten Partei - nicht gilt.

Zufolge dieser abändernden Entscheidung sind auch die Kosten aller drei Instanzen neu zu bemessen. Der Kostenzuspruch an die Klägerin beruht dabei auf §§ 41, 50 ZPO. Für die beklagte Partei ist der Erfolg ihres Rekurses an den Obersten Gerichtshof bloß ein formaler, der keinen Kostenzuspruch zur Folge haben kann. In dem von der klagenden Partei in erster Instanz gelegten Kostenverzeichnis waren dabei jedoch einige Abstriche vorzunehmen: Die Urkundenvorlage laut Schriftsatz ON 6 hätte bereits in der vorangegangenen Streitverhandlung vom 23. 12. 1994 erfolgen können. Für den Protokollberichtigungsschriftsatz ON 9 gebührt in analoger Anwendung der TP 1 II lit g RATG nur ein Betrag von S 869,-- zuzüglich Einheitssatz auf Basis der Tarifpost 1. Der unter dem Datum 21. 12. 1995 verzeichnete "Schriftsatz TP 3" fehlt im Akt. Keine Kosten gebühren für die ausschließlich in der Sphäre der Klägerin begründeten Fristverlängerungsanträge ON 18 und 19. Die Kosten von S 235,70 für "Baustellenfotos für SV" sind nicht bescheinigt. Für die Gutachtenserörterungsanträge ON 20, 42 und 79 gebührt nur eine Entlohnung nach TP 2. Die Verdienstsumme für die Teilnahme beim Lokalaugenschein mit dem Sachverständigen am 25. 11. 1996 (4/2) bemißt sich nach TP 7 nur mit S 12.576,-- (anstatt S 13.528). Nicht zu honorieren sind die Schriftsätze ON 59 (Bekanntgabe der Anschrift des Geschäftsführers der Klägerin) und 92 (ihrer neuen Zustelladresse).

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