OGH 9ObA196/99k

OGH9ObA196/99k1.9.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Franz Höllebrand als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Peter Sch*****, Maurer, ***** vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 7.028 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. März 1999, GZ 7 Ra 293/98g-42, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 4. März 1998, GZ 21 Cga 188/95i-34, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahingehend abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.554,88 (darin enthalten S 592,48 Umsatzsteuer) an Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 2.436,48 (darin enthalten S 406,08 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte beschäftigt zur Aufrechterhaltung des technischen Dienstes in dem von ihr in A***** betriebenen Rehabilitationszentrum Hausarbeiter. Der Kläger, der eine abgeschlossene Maurerlehre aufweist, wurde am 1. 10. 1979 als Hausarbeiter eingestellt. Seine Einstufung erfolgte in die Lohngruppe II/B Bezugsstufe IV der DO.C. Im Jahre 1980 wurde das vorerst befristete Dienstverhältnis des Klägers auf unbestimmte Zeit verlängert und der Kläger als Facharbeiter mit abgeschlossener Berufsausbildung per 1. 4. 1980 in die Lohngruppe V/A eingestuft. Er wurde für den funktionellen Betriebsdienst, allgemeine Reparaturarbeiten, Maurerarbeiten, Portier- bzw Rezeptionsdienste, Außenarbeiten wie Rasenmähen, Schneeschaufeln etc und für Maler- und Fliesenlegerarbeiten verwendet. Außer ihm sind bei der Beklagten noch zwischen sechs bis acht Hausarbeiter beschäftigt, wovon einer als Vorarbeiter und einer als dessen Stellvertreter fungiert. Diese Hausarbeiter weisen ebenfalls eine abgeschlossene Berufsausbildung wie beispielsweise eines Elektrikers, Installateurs, Tischlers oder Fräsers auf und verrichten die Arbeiten im sogenannten "Radldienst". Sämtliche Hausarbeiter haben im wesentlichen die gleichen Tätigkeiten zu verrichten. Die einzige Ausnahme liegt darin, daß sie verstärkt zu berufsspezifischen Tätigkeiten herangezogen werden. So können zwar sämtliche Hausarbeiter beispielsweise auch Glühbirnen austauschen oder tropfende Wasserhähne reparieren, doch einschlägige Arbeiten, wie beispielsweise das Reparieren von Heizanlagen oder Staubsaugern bleibt den einzelnen Arbeitnehmern mit der entsprechenden Ausbildung vorbehalten. Einschlägige Arbeiten im Elektrobereich sowie im Bodenlegen, Tapezieren, Malen, aber auch Installateur- und Tischlerarbeiten kommen häufiger vor als jene im Bereich des Maurerhandwerks. Letztere Arbeiten sind vor allem in den letzten Jahren deswegen in einem geringeren Umfang zu erbringen, da das Rehabilitationszentrum um- und neugebaut wurde. Aufgrund innerbetrieblicher Erhebungen wurden fünf von sieben Hausarbeitern aufgrund des erheblichen Ausmaßes ihrer berufsspezifischen Tätigkeiten in die Lohngruppe V, Dienstklasse B eingestuft, der Kläger jedoch nicht. Eine Feststellung, daß der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit als Betriebsrat benachteiligt und deswegen nicht in die höhere Gehaltsstufe eingereiht wurde, konnte nicht getroffen werden.

Das Erstgericht nahm ferner als erwiesen an, daß die in der Lohnstufe V/B eingereihten Hausarbeiter im Gegensatz zum Kläger berufstypische Arbeiten in einem erheblichen Ausmaß geleistet haben. Einschlägige Arbeiten im Elektro-, Installateur-, Tischler-, Maler-, Bodenleger- und Tapeziererbereich fallen häufiger an als im Maurerbereich. Aufgrund des Neubaues hat sich das Verhältnis der Maurer- zu den anderen Professionistenarbeiten mit Sicherheit zu Ungunsten des Maurerhandwerks ausgewirkt, da durch den Neubau kaum Maurerarbeiten anfallen.

Der Kläger begehrt die der Höhe nach nicht strittige Entgeltdifferenz zwischen der Lohngruppe V/A und V/B für die Zeit vom 1. 7. 1995 bis 30. 9. 1995 in der Höhe von S 7.028 brutto. Er macht geltend, daß er infolge der mit 1. 1. 1992 erfolgten Änderung des § 35 der DO.C, wonach Facharbeiter mit abgeschlossener Berufsausbildung nach einjähriger Berufspraxis, die im erheblichen Ausmaß in ihrem erlernten Beruf tätig sind, in die Lohngruppe V/B einzureihen sind, Anspruch auf Entgelt nach der Lohngruppe V/B habe. Die Vorgangsweise des Dienstgebers, nur einzelne Hausarbeiter in die Lohngruppe V/B einzustufen, verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger habe keine Maurertätigkeiten im erheblichen Ausmaß ausgeübt, so daß die Einstufungsvoraussetzungen für die Lohngruppe V/B nicht gegeben seien. Da auch ein deutlicher Unterschied im Ausmaß der berufstypisch verrichteten Arbeiten gegenüber den anderen Hausarbeitern bestehe, sei deren Höhereinstufung nicht willkürlich oder aus sachfremden Gründen erfolgt. Ein Anhaltspunkt dafür, daß die Höhereinstufung des Klägers nur wegen seiner Betriebsratseigenschaft unterblieben sei, habe sich nicht ergeben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge und änderte das Ersturteil dahingehend ab, daß es die beklagte Partei schuldig erkannte, dem Kläger S 7.028 brutto sA zu zahlen. Das Berufungsgericht sprach weiters aus, daß die Revision nach § 46 Abs 1 ASGG mangels vorhandener höchstgerichtlicher Judikatur zulässig sei.

Der Kläger sei als Maurer aufgenommen und bei der Beklagten auch für Maurerarbeiten herangezogen worden. Die fachspezifischen Arbeiten seien den Hausarbeitern mit der entsprechenden Ausbildung vorbehalten geblieben. Es sei daher davon auszugehen, daß der Kläger zu allen Maurerarbeiten herangezogen wurde und sich die Beklagte der handwerklichen Fähigkeiten des Klägers bedient habe. Offenkundig sei dies auch einer der wesentlichen Gründe für die Einstellung des Klägers und seine Einreihung in die Dienstklasse A der Lohngruppe V gewesen. Die Beklagte könne sich daher nicht mehr auf die mangelnde Erheblichkeit der Maurerarbeiten, aber auch nicht auf ihre mangelnde Regelmäßigkeit berufen. Da der Kläger auch die einjährige Berufspraxis erfüllt habe, seien die Voraussetzungen für die Umreihung in die Lohngruppe V Dienstklasse B gegeben. Auf die in § 35 Abs 2 DO.C genannten Kriterien könne es nicht ankommen, weil davon auszugehen sei, daß Maurertätigkeiten dauernd Inhalt der klägerischen Arbeitsleistung gewesen seien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes abzuändern.

Der Kläger stellt den Antrag, der Revision der beklagten Partei nicht Folge zu geben.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die DO.C legt wie die DO.A als Kollektivvertrag und Einstufungsnorm die ausschließlichen, keine Analogieschlüsse erlaubenden Voraussetzungen für die Einstufung in eine bestimmte Entlohnungsstufe fest (Arb 11.372; 9 ObA 409/97f; 9 ObA 151/98s). Die entsprechende Einreihung ist davon abhängig, daß der in § 35 DO.C angeführte Aufgabenbereich dauernd Arbeitsinhalt der betreffenden Tätigkeit ist (9 ObA 254/93). Die Tätigkeit ist ausschließlich daran zu messen, ob und welchen Tätigkeitsmerkmalen der in § 35 DO.C angeführten Verwendungsbereiche sie entspricht (9 ObA 409/97f). "Dauernd" bedeutet ein beharrendes Gleichbleiben eines Arbeitsinhaltes im Zeitablauf, also eine fortwährende Tätigkeit (9 ObA 321/89). Es kommt daher nicht auf die Absicht der Beklagten, den Kläger für alle Maurerarbeiten zu verwenden, an, sondern darauf, ob diese auch fortwährend zu verrichten waren.

Bei der Überlagerung von Tätigkeiten aus verschiedenen Aufgabengebieten ist der Arbeiter nach § 35 Abs 2 DO.C nach der höherwertigen Tätigkeit einzureihen, wenn sich diese in einem erheblichen Ausmaß und regelmäßig wiederholt. Erheblich ist keine überwiegende, sondern eine im Verhältnis zu den sonstigen Agenden ins Gewicht fallende Tätigkeit (4 Ob 68/75; 4 Ob 13, 14/79; 9 ObA 254/93).

Der Kläger wurde als Hausarbeiter aufgenommen. Sein Aufgabengebiet umfaßte demgemäß alle Arbeiten, die eben im Betrieb anfielen, darunter auch berufsspezifische. Entgegen den Einstufungskriterien ist er, obwohl die seiner Ausbildung entsprechenden Maurerarbeiten nur in einem verschwindend geringen Prozentsatz, den das Berufungsgericht mit mindestens 8 % anführt, anfielen und daher die dauernde Verwendung fehlte, in Lohngruppe V Dienstklasse A eingestuft worden. Voraussetzung dafür, daß bei Überlagerung von Tätigkeiten aus verschiedenen Aufgabengebieten wie im vorliegenden Fall, weil neben den berufsspezifischen Maurerarbeiten auch noch andere anfielen, eine Höhereinstufung erfolgt, ist, daß sich die höherwertigen Tätigkeiten in erheblichem Ausmaß und regelmäßig wiederholen. Einschlägige Arbeiten waren den Hausarbeitern mit der spezifischen Ausbildung vorbehalten, so daß von einer regelmäßigen Wiederholung dieser Arbeiten gesprochen werden kann. Weitere Voraussetzung ist jedoch die Erheblichkeit der berufsspezifischen Arbeiten, die beim Kläger nicht gegeben ist. Bei dem vom Berufungsgericht unwidersprochen festgestellten Prozentsatz von mindestens 8 %, ein darüber hinausgehender ist nicht erwiesen, liegt keine im Verhältnis zu den sonstigen Agenden ins Gewicht fallende Tätigkeit vor. So wurde etwa bei rund 30 %iger höherwertiger Tätigkeit die Erheblichkeit bejaht (4 Ob 68/75; 9 ObA 254/93).

Ob Motiv der Einstellung des Klägers seine Maurerausbildung war, ist im Hinblick auf die zwingenden Einstufungskriterien ohne Bedeutung. Er wurde entgegen der Annahme des Berufungsgerichtes auch nicht als Maurer, sondern als "Hausarbeiter" eingestellt. Da die Einstufung ausschließlich nach den in der DO.C dafür aufgestellten Kriterien vorzunehmen ist, ist die unrichtige Einstufung des Klägers in die Lohngruppe V Dienstklasse A keine Grundlage oder Präjudiz, um eine diese Einstufung voraussetzende weitergehende höhere, die lediglich als weitere Voraussetzung ein zeitliches Element beinhaltet, zu bewirken. Daß Facharbeiter mit abgeschlossener Berufsausbildung, die ihrer Ausbildung entsprechend verwendet werden (V/A), nach einjähriger Berufspraxis bei Sozialversicherungsträgern in V/B einzustufen sind, was der Kläger anstrebt, trifft auf ihn nicht zu. Ihm fehlt die der Ausbildung entsprechende dauernde bzw erhebliche einschlägige Verwendung als Maurer. Sämtliche Einstufungsvoraussetzungen müssen bei der Einstufung in eine höhere Lohngruppe erfüllt sein. Dies ist beim Kläger jedoch nicht der Fall.

Der Einwand der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, die Beklagte hätte willkürlich fünf von sieben anderen Hausarbeitern aufgrund ihrer Tätigkeit in die Lohngruppe V Dienstklasse B eingestuft, nicht jedoch den Kläger, geht ins Leere. Der Arbeitgeber ist zwar verpflichtet, einzelne Arbeitnehmer nicht willkürlich, das heißt ohne sachliche Rechtfertigung, schlechter zu behandeln als die übrigen (Arb 11.301; 9 ObA 151/98s). Hiezu hat das Erstgericht aber als erwiesen angenommen, daß die höher eingestuften Hausarbeiter im Gegensatz zum Kläger berufstypische Arbeiten in einem erheblichen Ausmaß leisten. Demgemäß ist die Beklagte von dem erkennbaren, der Höhereinstufung zugrundeliegenden generalisierenden Prinzip, bei erheblichen berufsspezifischen Arbeiten eine Höhereinstufung vorzunehmen, im Einzelfall des Klägers nicht willkürlich und ohne sachlichen Grund abgewichen.

Der Revision der Beklagten war daher Folge zu geben und das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Kosten für die Berufungsverhandlung konnten der beklagten Partei nicht zugesprochen werden, da sie entgegen dem Inhalt des Verhandlungsprotokolles nicht "bereits (in der Berufungsschrift) verzeichnet" worden sind.

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