OGH 6Ob151/99w

OGH6Ob151/99w15.7.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 3. Februar 1997 verstorbenen Maria S*****, über den Rekurs der Noterbin Roswitha W*****, vertreten durch Dr. Herta Eva Schreiber, Rechtsanwältin in Wels, wegen Feststellung des reinen Nachlasses, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 10. März 1999, GZ 22 R 44/99y-25, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 14. Jänner 1999, GZ 2 A 43/97y-20, zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

In den Nachlaß der am 3. 2. 1997 verstorbenen Maria S***** fällt ein 2/3-Anteil an einer Liegenschaft mit einem Haus, das ihre am 28. 9. 1992 vorverstorbene Tochter Karin Maria P*****, in deren Eigentum der restliche Drittelanteil der Liegenschaft stand, mit ihrem Ehegatten Günter P***** bewohnte. Dieser war gemeinsam mit zwei Kindern gesetzlicher Erbe nach seiner Gattin. Die Erben sowie die Liegenschaftsmiteigentümerin Maria S***** schlossen im Verlassenschaftsverfahren nach Karin Maria P***** ein Erbteilungsübereinkommen, bei dem sie von einem gesetzlichen Vorausvermächtnis des Witwers an der Ehewohnung gemäß § 758 ABGB ausgingen. Das Rekursgericht stellte dazu folgendes fest:

"Am 6. 10. 1993 wurde beim Gerichtskommissär das Verlassenschaftsinventar errichtet, in das der Drittelanteil der Erblasserin unter Berücksichtigung des Wohnungsrechts des Witwers gemäß § 758 ABGB mit einem Wert von S 259.000,-- aufgenommen wurde. Insgesamt ergab sich eine Nachlaßüberschuldung von S 21.480,47. Die Erben bzw deren Vertreter sowie Maria S***** schlossen und unterfertigten sodann ein Erbteilungsübereinkommen. Günter P***** erklärte dabei, sein gesetzliches Vorausvermächtnis gemäß § 758 ABGB anzunehmen, und verzichtete auf seinen ihm im Erbweg sonst zufallenden Anteil am Drittelanteil der Erblasserin an der Liegenschaft. Er verpflichtete sich, die Abhandlungskosten im Verhältnis seiner Erbquote, somit zu einem Drittel, zu zahlen, und übernahm Schulden von rund S 150.000,-- in seine Rückzahlungspflicht, wobei er erklärte, Yvonne und Rene S***** schad- und klaglos zu halten. Außerdem verpflichtete er sich, Maria S***** bei den im Haus anfallenden Arbeiten nach Maßgabe seiner finanziellen und handwerklichen Möglichkeiten und Fähigkeiten nach besten Kräften zur Hand zu gehen und sie bei allen im Haus anfallenden Erhaltungs-, Pflege- und Sanierungsarbeiten nach Kräften zu unterstützen, solange er das ihm zustehende gesetzliche Wohnungsrecht in der Ehewohnung ausübe. Er erklärte auch, die Betriebskosten der von ihm bewohnten Wohnung zu tragen und stimmte einem allfälligen Wohnungstausch zu, da die vormalige Ehewohnung eine größere Wohnfläche aufwies als die von Maria S***** mit den beiden Kindern bewohnte Wohnung. Außerdem wurde die Einverleibung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes für Maria S***** auf den Anteilen der beiden Kinder, befristet bis 18. 7. 2005 bzw 16. 9. 2006, vereinbart und durchgeführt.

Dieses Erbteilungsübereinkommen vom 6. 10. 1993 wurde pflegschaftsbehördlich genehmigt, und der Nachlaß wurde den drei Erben zu je 1/3 eingeantwortet."

Die Erblasserin Maria S***** hat mit Testament vom 15. 12. 1994 eine Enkelin zur Universalerbin eingesetzt und einen Enkel sowie ihre außereheliche Tochter auf den Pflichtteil beschränkt.

Das Verlassenschaftsgericht nahm das vom Gerichtskommissär errichtete Inventar mit Aktiva von 1,412.757,65 S und Passiva von 63.914 S, also mit einem Reinnachlaß von 1,348.840,65 S an.

Das Rekursgericht gab dem dagegen gerichteten Rekurs der Universalerbin Folge und hob den angefochtenen Beschluß zur Verfahrensergänzung auf. Es stellte nach dem Akteninhalt fest, daß in den Aktiva der Wert des 2/3-Anteils an der Liegenschaft mit 1,264.000 S enthalten sei. Dabei sei ein allfälliges Wohnrecht des Günter P***** nicht berücksichtigt. Dieser habe zum Todeszeitpunkt in der ehemaligen Ehewohnung (oder einer dafür eingetauschten Wohnung) gewohnt, halte sich aber derzeit dort nicht mehr auf und sei zu einer Lebensgefährtin gezogen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, daß bei der Bewertung des Nachlasses im Zuge der Inventarserrichtung auf den Todeszeitpunkt des Erblassers abzustellen sei. Gemäß § 97 Abs 1 AußStrG müsse das Inventar ein genaues und vollständiges Verzeichnis des beweglichen und unbeweglichen Vermögens, in dessen Besitz sich der Erblasser zum Zeitpunkt des Todes befunden habe, enthalten und den damaligen Wert anzeigen. § 102 Abs 1 AußStrG bestimme, daß für die Bewertung unbeweglicher Sachen der Zeitpunkt des Todes des Erblassers maßgeblich sei. Zu diesem Zeitpunkt habe Günter P***** noch im Haus der in die Verlassenschaft (mit dem 2/3-Anteil) fallenden Liegenschaft gewohnt. Auf ein gesetzliches Vorausvermächtnis nach § 758 ABGB habe ein Wohnrecht des Witwers zwar nicht gestützt werden können. Hiefür wäre im Sinne der Entscheidung SZ 70/122 erforderlich gewesen, daß die verstorbene Gattin Alleineigentümerin der Liegenschaft gewesen wäre. Mit dem Erbteilungsübereinkommen vom 6. 10. 1993 sei aber ein obligatorisches Wohnungsrecht des Witwers an der ehemaligen Ehewohnung begründet worden. Der Witwer habe auf Anteile am Nachlaß verzichtet, sich zur Übernahme von Nachlaßverbindlichkeiten sowie zur Unterstützung der Miteigentümerin Maria S***** verpflichtet. Für die Einräumung eines obligatorischen Wohnungsrechtes spreche auch der Umstand, daß der Witwer einem allfälligen Wohnungstausch im Haus zugestimmt habe. Zum Todeszeitpunkt der Maria S***** habe somit ein obligatorisches Wohnungsrecht des Günter P***** bestanden, das als den Verkehrswert der Liegenschaft mindernd zu berücksichtigen sei. Zu dieser Wertminderung sei aber das Verfahren noch ergänzungsbedürftig. Es sei der tatsächliche Barwert des Wohnungsrechtes festzustellen. Der im Verfahren erster Instanz beigezogene Sachverständige müsse nachvollziehbar erklären, warum der Barwert des Wohnungsrechtes, das im Vorverfahren mit 672.000 S geschätzt worden sei, nunmehr 1,612.624 S ausmachen sollte.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil zur Frage der Berücksichtigung eines obligatorischen Wohnrechts bei der Inventarserrichtung keine oberstgerichtliche Judikatur vorliege.

Mit ihrem Rekurs beantragt die Noterbin die Abänderung dahin, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Rekurswerberin wendet sich gegen die vom Rekursgericht mit seinem Aufhebungsbeschluß dem Erstgericht überbundene Rechtsansicht, daß ein Wohnrecht des Günter P***** in die Passiva des Verlassenschaftsinventars einzureihen sei. Die Parteien des Erbübereinkommens hätten keineswegs eine Dienstbarkeit der Wohnung im Sinne des § 521 ABGB einräumen wollen. Sie seien nur von der im Sinne der erst nachträglich ergangenen Entscheidung 6 Ob 132/97y = SZ 70/122 irrigen Ansicht ausgegangen, der Witwer nach der 1992 verstorbenen Miteigentümerin der Liegenschaft hätte an der ehelichen Wohnung ein gesetzliches Vorausvermächtnis nach § 758 ABGB gehabt. Nach der zitierten Entscheidung bestehe ein solches lebenslängliches Wohnrecht aber nicht, sodaß von keinem vertraglich eingeräumten Wohnrecht ausgegangen werden dürfe.

Diesem Rekursvorbringen sind die zutreffenden Erwägungen des Rekursgerichtes entgegenzuhalten. Selbst wenn der Wohnberechtigte bei Abschluß des Übereinkommens am 6. 10. 1993 im Sinne der Entscheidung SZ 70/122 deshalb kein im Gesetz (§ 758 ABGB) begründetes Wohnrecht an der Ehewohnung gehabt haben sollte (weil die Erblasserin selbst als bloße Miteigentümerin der Liegenschaft nur im Rahmen einer Benützungsregelung ein nicht vererbliches Wohnrecht hatte), ändert dies an der Wirksamkeit der vertraglichen Einräumung eines Wohnrechts nichts. Ein Rechtsirrtum über die Gesetzeslage machte den Vertrag noch nicht unwirksam und könnte höchstens Grundlage einer Irrtumsanfechtung sein. Entscheidungswesentlich ist daher hier nur die Frage, ob und wie das strittige Wohnrecht als außerbücherliche Belastung der in die Verlassenschaft fallenden Liegenschaft (des Miteigentumsanteils der Erblasserin) bei der Schätzung und der Inventarserrichtung zu berücksichtigen ist. Entgegen dem Rekursvorbringen hat das Rekursgericht dem Erstgericht nicht die Aufnahme des zu bewertenden (zu kapitalisierenden) Wohnrechts in die Passivseite des Inventars aufgetragen, sondern vielmehr auch zutreffend angeordnet, daß die Belastung der Liegenschaft schon bei der Ermittlung des Verkehrswertes, also auf der Aktivseite des Inventars zu berücksichtigen sei. Dazu ist folgendes auszuführen:

Für die Bewertung unbeweglicher Sachen ist der Zeitpunkt des Todes des Erblassers maßgeblich (§ 102 Abs 1 AußStrG). Der Wert unbeweglicher Sachen ist nach dem Liegenschaftsbewertungsgesetz (LBG) zu ermitteln, wenn dies - wie hier - zum Schutz Pflegebefohlener erforderlich ist (§ 102 Abs 2 AußStrG). Der Verkehrswert der Sache (d.i. der gemeine Preis nach § 305 ABGB) wird im LBG als der Preis definiert, der bei einer Veräußerung der Sache üblicherweise im redlichen Geschäftsverkehr erzielt werden kann (§ 2 Abs 2 LBG). Als Wertermittlungsverfahren nennt das LBG im § 3 das Vergleichswertverfahren (§ 4), das Ertragswertverfahren (§ 5) und das Sachwertverfahren (§ 6) und normiert ausdrücklich, daß Rechte und Lasten, die mit der zu bewertenden Sache verbunden sind und deren Wert beeinflussen, bei der Bewertung zu berücksichtigen sind (§ 3 Abs 3 LBG). Der Sachverständige hat in seinem Gutachten bei der Bewertung von Rechten und Lasten die Vorteile des Berechtigten und den Nachteil des Belasteten zu beschreiben und deren Dauer anzugeben und die Bewertung im Gutachten zu begründen (§ 10 Abs 5 LBG). Aus dem Gesetz ist nicht ersichtlich, daß die Rechte bzw Lasten dinglicher Natur sein müßten. Voraussetzung für eine Berücksichtigung ist nur, daß die Rechte für den Wert der Liegenschaft von Einfluß sind, was auch bei obligatorischen Rechten der Fall sein kann, wie eben gerade im Fall von Miet- oder Wohnrechten. Dieser Einfluß ist bei Wohnhäusern geradezu evident, deren Wert ausschließlich oder zumindest auch nach dem Ertragswertverfahren (§ 5 LBG) zu ermitteln ist. Dann spielt aber eine bestehende Belastung mit obligatorischen Wohnrechten, die eine andere (bessere) Bewirtschaftung auf längere Zeit verhindert, für die Höhe des Verkehrswerts eine maßgebliche Rolle. Bei der Bewertung von lebenslänglichen Wohnrechten ist dann im Regelfall von einer durchschnittlichen Lebenserwartung des Berechtigten auszugehen (Stabentheiner, LGB Anm 1 zu § 5).

Hier hatte der Sachverständige den Wert der Liegenschaft unter Kombinierung zweier Wertermittlungsverfahren nach dem Ertragswertverfahren und nach dem Sachwertverfahren ermittelt (ON 15) und mit seinem Ergänzungsgutachten den "Barwert" des Wohnungsrechtes bekanntgegeben (ON 17). Daß das Wohnrecht grundsätzlich bei der Wertermittlung Bedeutung hat und zu berücksichtigen ist, wurde schon dargelegt. Wenn das Rekursgericht dazu noch weitere Aufklärungen des Sachverständigen für erforderlich hält, ist dem - weil der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist - nicht entgegenzutreten. Gegen die Ergänzungsbedürftigkeit des Verfahrens wird im Rekurs auch nichts vorgebracht. Mit der allein ausgeführten Rechtsansicht über die Unwirksamkeit der Vereinbarung über das Wohnrecht und das Nichtbestehen eines solchen Rechts werden Rechtsfragen releviert, die nur in einem streitigen Verfahren abschließend geklärt werden können. Ein allfälliger Pflichtteilsprozeß wird weder durch die Aufnahme oder Nichtaufnahme von Sachen in das Inventar noch durch eine dort erfolgte Bewertung bindend präjudiziert.

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