OGH 12Os55/99 (12Os56/99)

OGH12Os55/99 (12Os56/99)10.6.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juni 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Haun als Schriftführer, in der Strafsache gegen Erwin F***** und andere Beschuldigte wegen des Vergehens der Auskundschaftung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses nach § 123 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Beschwerdegericht vom 23. Dezember 1998, AZ 20 Bl 153/98, und den Beschluß des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 17. Februar 1999, GZ 3 U 782/98k-22, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Plöchl, jedoch in Abwesenheit der Beschuldigten und ihres Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache 3 U 782/98k des Bezirksgerichtes Linz-Land verletzen das Gesetz der Beschluß:

1. des Landesgerichtes Linz als Beschwerdegericht vom 23. Dezember 1998, AZ 20 Bl 153/98 (GZ 3 U 782/98k-14 des Bezirksgerichtes Linz-Land), mit dem das Strafverfahren gemäß § 451 Abs 2 StPO wegen Verfristung der Privatanklage eingestellt und es überdies verabsäumt wurde, über die Kostenersatzpflicht der Privatanklägerin zu entscheiden, in den Bestimmungen der §§ 46 Abs 1, 390 Abs 1 StPO;

2. des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 17. Februar 1999, GZ 3 U 782/98k-22, in seiner Begründung, wonach die Kostenersatzpflicht der Privatanklägerin eine sachliche Erledigung des Strafverfahrens voraussetze, im § 390 Abs 1 StPO.

Der Kostenbestimmungsantrag der Beschuldigten und ihre Beschwerde gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 17. Februar 1999, GZ 3 U 782/98k-22, mit welchem dieser Antrag abgewiesen worden war, werden zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Schriftsatz vom 27. August 1998, beim Bezirksgericht Linz-Land zu AZ 3 U 782/98k eingelangt am 1. September 1998, beantragte die Privatanklägerin E***** GesmbH unter Hinweis auf ihr im August 1998 bekanntgewordene Verdachtsmomente in Richtung einer Verletzung ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse die Bestrafung der Beschuldigten Erwin F*****, Walter H***** und Helmut B***** wegen der Vergehen nach §§ 11, 12 UWG sowie §§ 123, 124 StGB und begehrte gleichzeitig die Vornahme von Hausdurchsuchungen, die Beschlagnahme von Unterlagen sowie die Vernehmung verschiedener Zeugen (ON 2 in ON 2).

Mit Beschluß vom 2. September 1998 erklärte sich das Bezirksgericht Linz-Land aufgrund der Strafdrohungen der §§ 123 f StGB für sachlich unzuständig (ON 3 in ON 2).

Die Privatanklägerin beantragte daraufhin am 4. September 1998 die Abtretung des Verfahrens an das Landesgericht Linz (ON 4 in ON 2) und dort unter Aufrechterhaltung des Bestrafungsantrages die Einleitung der Voruntersuchung gegen die Beschuldigten wegen des inkriminierten Sachverhaltes. Die Akten langten am 8. September 1998 beim Landesgericht Linz ein. Bereits am 4. September 1998 war bei diesem Gericht ein Strafantrag gleichen Inhalts (ON 1) eingebracht worden.

Nach Vernehmung zweier Zeugen wies die Untersuchungsrichterin den Antrag der Privatanklägerin auf Einleitung der Voruntersuchung wegen der Vergehen nach §§ 123 f StGB "und §§ 11, 12 UWG" sowie den Antrag auf Vornahme von Hausdurchsuchungen am 4. November 1998 mit der Begründung ab, daß kein verdachtsbegründendes Tatsachensubstrat in Richtung §§ 123 ff StGB vorliege und trat das Verfahren wegen des verbleibenden Verdachts nach §§ 11, 12 UWG an das dafür sachlich und örtlich zuständige Bezirksgericht Linz-Land ab (ON 6).

Dieses Gericht erließ sodann am 19. November 1998 die von der Privatanklägerin begehrten Hausdurchsuchungs- und Beschlagnahmebefehle (ON 8).

Gegen die Einleitung des Verfahrens erhoben die drei Beschuldigten Beschwerde (ON 12). Dieser gab das Landesgericht Linz mit Entscheidung vom 23. Dezember 1998 Folge, hob die Hausdurchsuchungsbefehle auf, ordnete die Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände an und stellte gemäß § 451 Abs 2 StPO das Strafverfahren gegen die drei Beschuldigten wegen §§ 11 und 12 UWG infolge Verfristung der Privatanklage ein. Über die Kostenersatzpflicht der Privatanklägerin wurde dabei nicht abgesprochen (ON 14).

Mit Beschluß vom 17. Februar 1999 wies das Bezirksgericht Linz-Land den Antrag der Beschuldigten auf Bestimmung der Verteidigerkosten mit der Begründung ab, daß die Kostenersatzpflicht eine sachliche Erledigung des Strafverfahrens voraussetze (ON 22).

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend zeigt die Generalprokuratur in ihrer deshalb gemäß § 33 StPO erhobenen Beschwerde auf, daß der Beschluß des Landesgerichtes Linz als Beschwerdegericht vom 23. Dezember 1998, AZ 20 Bl 153/98 (GZ 3 U 782/98k-14 des Bezirksgerichtes Linz-Land), in mehrfacher Hinsicht das Gesetz verletzt.

Die zur Privatanklage berechtigte Person muß gemäß § 46 Abs 1 StPO bei sonstigem Verlust des Anklagerechtes binnen sechs Wochen von dem Tag, an dem ihr die strafbare Handlung und ein der Tat hinlänglich Verdächtiger bekannt geworden sind, einen Verfolgungsantrag gegen diesen stellen. Dieser Antrag kann auf Einleitung der Voruntersuchung oder auf Bestrafung des Täters gerichtet sein und ist bei dem zur Entscheidung über die Privatanklage berufenen Gericht einzubringen (JBl 1996, 126 f; EvBl 1994/20). Welches Gericht das aufgrund derartiger Verfolgungsanträge einzuleitende Strafverfahren zu führen hat, ist in der Strafprozeßordnung (und fallweise auch im Nebenstrafrecht) nach sachlichen (§§ 8 f StPO) und örtlichen (§§ 51 f StPO) Gesichtspunkten geregelt. Inkriminiert die Privatanklägerin mehrere Sachverhalte, so ist zusätzlich der Gerichtsstand der Konnexität (§ 56 StPO) zu beachten, wonach bei zusammentreffenden Strafsachen die Zuständigkeit des Gerichtshofs den Ausschlag gibt (§ 56 Abs 2 StPO).

Für die Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit im Zeitpunkt der Einleitung des Strafverfahrens ist das Anklagevorbringen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht maßgebend (EvBl 1993/22).

Demnach war der Gerichtshof erster Instanz nicht nur zur Führung des Strafverfahrens wegen der von der Privatanklägerin unter Bezeichnung bestimmter Tatsachen begehrten Bestrafung der Beschuldigten wegen § 123 StGB (für den Antrag auf Bestrafung wegen des Offizialdeliktes nach § 124 StGB fehlte ihr die Anklagebefugnis) berufen, sondern hatte kraft objektiver Konnexität auch über die weiters erhobene Privatanklage wegen der an sich in die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes fallenden Vergehen nach §§ 11, 12 UWG zu entscheiden. Da die auf beide Tatkomplexe abstellende Privatanklage innerhalb der im § 46 StPO genannten Frist beim Gerichtshof eingelangt war, war die Frist zur Ausübung des Privatanklagerechts für beide Sachverhalte gewahrt (ON 1 und ON 4 in ON 2).

Die in der untersuchungsrichterlichen Beweisaufnahme gelegenen nachträglichen Umstände, die den - a priori ungeachtet der behaupteten Dienstnehmerstellung der Beschuldigten nicht sicher ausschließbaren - Tatverdacht wegen des Vergehens nach § 123 StGB schließlich entkräfteten und zur Abtretung der Strafsache an das für die Führung des Verfahrens wegen des verbleibenden Verdachts nach §§ 11 f UWG zuständige Bezirksgericht führten, konnten die bereits eingetretene Rechtswirksamkeit des Verfolgungsantrages nicht mehr beseitigen. Anders wäre die Sachlage nur dann gewesen, wenn nach den Tatsachenbehauptungen der Privatanklage von vornherein eine Subsumtion unter § 123 StGB nicht in Betracht gekommen wäre (JBl 1996, 126 f). Unter dieser - hier wie dargelegt nicht gegebenen - Voraussetzung wäre es dem Gerichtshof im konkreten Fall allerdings ohne weiteres möglich gewesen, den Akt vor Ablauf der sechswöchigen Klagefrist nach Ablehnung des Verfolgungsantrages wegen § 123 StGB an das zur Entscheidung über den Verdacht nach §§ 11, 12 UWG sachlich zuständige Bezirksgericht rückabzutreten.

Die vom Landesgericht Linz angenommene Verfristung der Privatanklage und die darauf gestützte Verfahrenseinstellung nach § 451 Abs 2 StPO widerspricht somit dem Gesetz.

Der bezeichnete Beschluß des Landesgerichtes Linz steht aber auch mit § 390 Abs 1 StPO im Widerspruch.

Anläßlich der rechtsirrig beschlossenen Verfahrenseinstellung wäre das Landesgericht Linz nämlich nach § 390 Abs 1 StPO verpflichtet gewesen, auch über die Kosten des Strafverfahrens abzusprechen, weil die Strafsache mit dieser Entscheidung sowohl für die erste als auch die für die zweite Instanz erledigt wurde. Demgemäß hätte das Beschwerdegericht der Privatanklägerin den Ersatz aller infolge ihres Einschreitens den Beschuldigten aufgelaufenen Kosten auftragen müssen.

Da die Beschuldigten jedoch durch die die Kostenersatzpflicht auslösende fehlerhafte Einstellung des Verfahrens ohnehin formal begünstigt wurden, fehlt es an einer entsprechenden Grundlage, diese Gesetzesverletzung in analoger Anwendung des § 292 letzter Satz StPO durch Ergänzung der Beschwerdeentscheidung zu sanieren.

Schließlich steht auch die Begründung des Beschlusses des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 17. Februar 1999, GZ 3 U 782/98k-22, wonach die Kostenersatzpflicht eine sachliche Erledigung des Privatanklageverfahrens voraussetze, mit § 390 Abs 1 StPO nicht im Einklang.

Wird ein auf Begehren eines Privatanklägers eingeleitetes Strafverfahren auf andere Weise als durch ein verurteilendes Erkenntnis beendigt, ist diesem der Ersatz aller infolge seines Einschreitens aufgelaufenen Kosten in der das Verfahren für die Instanz erledigenden Entscheidung aufzutragen, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die Beendigung des Verfahrens erfolgte. Denn eine sachliche Erledigung des Strafantrages als Bedingung dieser Kostenersatzpflicht im Sinne der erstgerichtlichen Auffassung kann dem insoweit klaren Gesetzeswortlaut nicht entnommen werden.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher spruchgemäß zu erkennen.

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