OGH 7Ob355/98a

OGH7Ob355/98a28.5.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof und Dr. Damian Partnerschaft, Wien, gegen die beklagte Partei Werner K*****, vertreten durch Dr. Friedrich H. Knöbl, Rechtsanwalt in Wien als Verfahrenshelfer, wegen S 207.048,60 (sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 14. September 1998, GZ 14 R 69/98i-46, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 16. Februar 1998, GZ 9 Cg 137/95y-42, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S

10.665 (darin enthalten S 1.777,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Gesellschaftsvertrag vom 20. 1. 1994 errichtete der Beklagte gemeinsam mit einem zweiten Gesellschafter die D***** GmbH (im folgenden nur mehr Gesellschaft genannt) mit Sitz in W*****. Am 15. 6. 1994 wurde er alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer des Unternehmens. In der Folge wurden Gesellschaftsanteile von Dritten erworben und der Beklagte daraufhin als Geschäftsführer abberufen. Am 24. 10. 1994 wurde ein neuer Geschäftsführer bestellt, der allerdings schon am 3. 11. 1994 wieder abberufen wurde. Neuerlich wurde der Beklagte zum Geschäftsführer bestellt, bereits am 11. 11. 1994 aber wiederum seiner Funktion enthoben, ohne daß ihm dies mitgeteilt worden wäre. Erst am 1. 3. 1995 erfuhr der Beklagte durch den neu bestellten Geschäftsführer vom neuerlichen Geschäftsführerwechsel.

Am 27. 2. 1995 - also wenige Tage zuvor - hatte der Beklagte hinsichtlich rückständiger Sozialversicherungsbeiträge der Gesellschaft gegenüber der Klägerin eine Bürgschaftserklärung unterfertigt. Er und auch die seitens der Klägerin einschreitende Gertrude E***** gingen dabei davon aus, daß er Geschäftsführer der Gesellschaft sei, was auch der Eintragung ins Firmenbuch entsprach. Die wiederholten Geschäftsführerab- bzw Umbestellungen waren nämlich nicht ins Firmenbuch eingetragen worden. Nach der schriftlichen Bürgschaftserklärung verpflichtete sich der Beklagte als Bürge und Zahler die ab einschließlich August 1994 unberichtigten Sozialversicherungsbeiträge samt Verzugszinsen und Nebengebühren in monatlichen Raten a S 30.000 und die ab Februar 1995 neu auflaufenden Sozialversicherungsbeiträge, Nachtragsüberschreibungen und Beitragszuschläge pünktlich zu leisten. Der Beklagte zahlte der Klägerin am 13. 3. 1995 S 17.706,24, am 16. 3. 1995 S 30.000 und am 21. 3. 1995 S 21.216,73.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten zuletzt (nach im zweiten Verfahrensgang erfolgter Klagseinschränkung um S 96.820,09) S 207.048,60 an von der Gesellschaft geschuldeten Sozialversicherungsbeiträgen. Die sich aus dem Rückstandsausweise Beilage B inklusive der bis 29. 5. 1995 berechneten Verzugszinsen sowie Nebengebühren ergebende Beitragsschuld von S 303.868,69 habe sich durch eine Zahlung des Insolvenzentgeltausgleichsfonds von S 96.820,09 am 11. 4. 1996 auf den eingeschränkten Klagsbetrag verringert.

Der Beklagte wendete im wesentlichen ein, sein Schuldbeitritt sei ausschließlich auf der Grundlage erfolgt, daß er Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin sei. Zufolge des beiderseitigen Irrtums betreffend seine Geschäftsführereigenschaft sei die Bürgschaftsvereinbarung unwirksam. In Kenntnis des tatsächlichen Sachverhalts wäre er eine solche Zahlungsverpflichtung nicht eingegangen. Im übrigen werde Sittenwidrigkeit der Verpflichtungserklärung eingewendet, die darin bestehe, daß "ein vollkommen außenstehender Dritter ohne Rechtsbeziehung zur Schuld (von der Klägerin) zu einer Haftungserklärung bewegt worden sei".

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (auch) im zweiten Rechtsgang statt. Die Einwendungen des Beklagten seien nicht stichhältig. Der Irrtum über die Position des Beklagten als Geschäftsführer sei für die Klägerin nicht wesentlich gewesen; sie hätte die Bürgschaft auch dann akzeptiert, wenn ihr bekannt gewesen wäre, daß der Beklagte nicht mehr Geschäftsführer sei. Seitens des Beklagten sei zwar ein wesentlicher einseitiger Irrtum vorgelegen, doch sei dieser mangels Vorliegens einer der drei Alternativen des § 871 Abs 1 ABGB nicht beachtlich. Der Beklagte hätte sich im Hinblick auf die häufigen Geschäftsführerwechsel über seine rechtliche Stellung zu informieren gehabt. Daß er das nicht getan habe, gehe zu seinen Lasten. Die Funktion des Beklagten als Geschäftsführer sei keine "Vertragsgrundlage" der Bürgschaftserklärung gewesen, weil die Klägerin die Bürgschaftsvereinbarung nicht von dieser Funktion abhängig gemacht habe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Mit Ausnahme der Feststellungen, wonach die Streitteile die gegenständliche Bürgschaftsvereinbarung auch in Kenntnis der Enthebung des Beklagten als Geschäftsführer geschlossen hätten, billigte es den vom Erstgericht festgestellten, im wesentlichen bereits eingangs zusammengefaßt wiedergegebenen Sachverhalt. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Gericht zweiter Instanz die Ansicht, ein (gemeinsamer) Irrtum über die Geschäftsführereigenschaft des Beklagten sei gar nicht vorgelegen, weil die Vertretungstätigkeit des Geschäftsführers erst mit dem Zugang der Mitteilung seiner Abberufung an ihn erlösche. Ein wesentlicher Irrtum des Beklagten darüber, als Geschäftsführer weiterarbeiten, die Gesellschaft leiten und sanieren zu können, hätte gemäß § 871 ABGB nur dann zur Anfechtung berechtigt, wenn er rechtzeitig aufgeklärt worden wäre. Denn im Hinblick auf den aktuellen Stand des Firmenbuches habe der Klägerin die Abberufung des Beklagten als Geschäftsführer nicht auffallen müssen. Der Beklagte habe aber nicht einmal behauptet, die Klägerin von seinem Irrtum, den er am 1. 3. 1995 erkennen habe können, informiert zu haben. Vielmehr habe er trotz Kenntnis seiner Abberufung nach dem 1. 3. 1995 Zahlungen an die Klägerin geleistet und damit die Einhaltung der getroffenen Vereinbarung, nicht aber deren Anfechtung signalisiert. Der Geschäftsführer einer GesmbH hafte gemäß § 114 ASVG für die von ihm vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen persönlich. Habe er sich jedoch für die rückständigen und die laufenden Sozialversicherungsbeträge verbürgt, hafte er aufgrund dieser Bürgschaft auch für künftig fällig werdende Beiträge. Nachdem sich der Beklagte auch nach dem 1. 3. 1995 geweigert habe, seine Geschäftsführertätigkeit aufzugeben, sodaß gegen ihn am 12. 12. 1995 eine diesbezügliche einstweilige Verfügung erlassen habe werden müssen, sei der Verpflichtung zur Zahlung zukünftiger Beitragsrückstände (der Klage lägen die bis zum 29. 5. 1995 berechneten Rückstände zugrunde) nicht nachträglich die Geschäftsgrundlage entzogen worden. Der Einwand der Sittenwidrigkeit versage im Hinblick auf die Strafsanktion und den Regelungszweck des § 114 ASVG. Denn der Geschäftsführer einer GmbH solle durch diese Bestimmung zur Beitragszahlung unter dem Druck der sonstigen strafrechtlichen Verurteilung verhalten werden. Eine Bürgschaft oder Schuldübernahme könne nur dann als sittenwidrig beurteilt werden, wenn ein besonders grobes Mißverhältnis zwischen dem Verpflichtungsumfang und der Leistungsfähigkeit des Bürgen oder Mitschuldners bestehe und dieser aus Geschäftsunerfahrenheit ohne wesentliches Eigeninteresse gehandelt habe. Im Hinblick auf die Strafsanktion des § 114 ASVG habe der Beklagte aber bei Abschluß der Bürgschaft im Eigeninteresse gehandelt. Der Beklagte könne sich auch nicht auf Geschäftsunerfahrenheit berufen.

Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß der Oberste Gerichtshof die Frage der Haftung eines Geschäftsführers einer GmbH, der durch einen lange zurückliegenden Gesellschafterbeschluß enthoben wurde, dies aber erst nach dem Abschluß einer Bürgschaftsverpflichtung für Sozialversicherungsbeiträge erfährt, bisher nicht entschieden habe. Auch habe der Oberste Gerichtshof bisher nicht ausdrücklich entschieden, ob im ersten Verfahrensgang getroffene Feststellungen, die seinerzeit auch nicht bekämpft wurden, im zweiten Verfahrensgang mit der Berufung erstmalig bekämpft werden können.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Revisionsausführungen beziehen sich zunächst allein auf die Anspruchshöhe; sodann wendet sich der Beklagte aber auch noch gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, er habe die Bürgschaftserklärung im Hinblick auf § 114 ASVG im Eigeninteresse unterfertigt und die Bürgschaftserklärung sei auch nicht sittenwidrig. Der Revisionswerber widerspricht auch der Auffassung des Berufungsgerichtes, wonach er zum Zeitpunkt der Unterfertigung der Bürgschaftserklärung noch Geschäftsführer gewesen sei; tatsächlich sei er damals weder Geschäftsführer noch Gesellschafter gewesen.

Zweckmäßigerweise wird zuerst auf die den Anspruchsgrund betreffenden Einwände der Revision eingegangen, die sich sämtlich als nicht stichhältig erweisen:

Der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz, wonach die am 11. 11. 1994 erfolgte Abberufung des Beklagten als Geschäftsführer zum Zeitpunkt der gegenständlichen Bürgschaftsvereinbarung am 27. 2. 1995 noch gar nicht wirksam war, ist beizupflichten. Zwar wirkt der Abberufungsbeschluß nach ganz allgemeiner Ansicht idR konstitutiv und unabhängig von der Eintragung in das Firmenbuch (Kostner/Umfahrer GmbH5 98 mwN). Gegenüber dem abzuberufenden Geschäftsführer wirksam wird der Abberufungsbeschluß jedoch nur dann sofort, wenn er bei der Beschlußfassung gegenwärtig ist (vgl Zöllner in Baumbach/Hueck, dGmbHG16 497). Wenn dies nicht der Fall ist, muß ihm der Beschluß bekanntgegeben werden (Zöllner aaO 498) und wird die Abberufung erst mit dieser Erklärung wirksam (hM, vgl Feil/Gellis Komm z GmbH-Gesetz3 Rz 7 zu § 16; Rowedder-Koppensteiner, dGmbHG Rz 19 zu § 38 mwH). War aber der Beklagte am 27. 2. 1995 noch gar nicht wirksam abberufen, konnten sich die Parteien über die Geschäftsführereigenschaft des Beklagten folglich auch nicht gemeinsam irren und muß der betreffende Einwand des Beklagten ins Leere gehen.

Für die Motivation des Beklagten zur Schuldübernahme bzw Abgabe der Bürgschaftserklärung war allerdings nicht seine Abberufung als Geschäftsführer als solche wesentlich, sondern der Umstand, daß er damit von vornherein in seinen bei Vertragsschluß am 27. 2. 1995 gehegten Erwartungen enttäuscht sein mußte, die Gesellschaft weiter leiten und sanieren zu können. Der zutreffenden Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz, sein diesbezüglicher Irrtum sei mangels rechtzeitiger Aufklärung gegenüber der Klägerin, aber auch mangels Veranlassung durch die Klägerin und weil er dieser auch nicht auffallen mußte, gemäß § 871 ABGB nicht beachtlich, widerspricht der Revisionswerber an sich ohnehin nicht. Sein bloßer Einwand, er hätte bei Kenntnis der tatsächlichen Sachlage, daß er also nicht weiter Geschäftsführer sein werde, keine Veranlassung gehabt, die Bürgschaft für die von der Gesellschaft zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge zu übernehmen, wäre nur dann stichhältig, wenn man eine weitere Geschäftsführertätigkeit als Geschäftsgrundlage für die Bürgschaftsvereinbarung ansehen könnte.

Nach der Lehre von der Geschäftsgrundlage ist eine Partei an ein Rechtsgeschäft nicht gebunden oder kann dessen Anpassung begehren, wenn eine Voraussetzung nicht zutrifft, die stets einem Geschäft von der Art des geschlossenen zugrundegelegt wird. Diese Lehre geht von der Erwägung aus, daß von den Parteien nicht erwartet werden kann, Selbstverständliches ausdrücklich im Vertrag zu erwähnen, solches vielmehr auch ohne ausdrückliche Vereinbarung als Vertragsinhalt angesehen werden muß (SZ 35/47; JBl 1975, 203; EvBl 1976/68; vgl Rummel in Rummel2 I Rz 4 ff zu § 901 mwH). Nach hM kann sich jedoch eine Partei nicht auf den Wegfall einer typischen Voraussetzung berufen, wenn sich diese auf Tatsachen der eigenen Sphäre bezieht (EvBl 1975/206; SZ 49/13; EvBl 1977/68 uva), oder wenn die Zweckverfehlung vorhersehbar war (JBl 1979, 651 uva). Der Umstand, daß ein Geschäftsführer abberufen wird, berührt ausschließlich seine eigene Sphäre und kann daher vom Kläger im vorliegenden Fall nicht ins Treffen geführt werden. Ob der Beklagte, wie dies das Erstgericht offenbar ausdrücken wollte, im Hinblick auf die zuvor erfolgten Geschäftsführerwechsel, ohnehin seine Abberufung ins Kalkül ziehen hätte müssen und der Wegfall der Geschäftsgrundlage insoweit hier also auch vorhersehbar gewesen ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls kann sich der Beklagte nicht auf das Fehlen oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen (was er im übrigen in der Revision ohnehin nicht mehr ausdrücklich tut).

Sein darin vorgetragenes wesentliches Argument den Anspruchsgrund betreffend ist vielmehr, daß das Berufungsgericht zu Unrecht eine Haftung gemäß § 114 ASVG angenommen habe. Soweit er diese Kritik darauf stützen will, zum Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme gar nicht mehr Geschäftsführer gewesen zu sein, ist er auf die eben gemachten Ausführungen zu verweisen. Soweit er argumentiert, daß dem Rückstandsausweis nicht zu entnehmen sei, daß dieser Arbeitnehmeranteile betreffe, aber nur in diesem Fall die Strafdrohung des § 114 ASVG gelte, übersieht er die Bestimmung des § 67 Abs 10 ASVG. Danach haften GmbH-Geschäftsführer seit 1. 1. 1990 neben den durch sie vertretenen "Beitragsschuldnern" im Rahmen ihrer Vertretungsmacht für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Diese Geschäftsführerhaftung ist ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehenden Verpflichtungen zur rechtzeitigen Abfuhr von Sozialversicherungsbeiträgen verletzt hat (Andexlinger, Zur Haftung des GmbH-Geschäftsführers nach § 67 Abs 10 ASVG idF 48. ASVG-Novelle in RdW 1992, 347). Für die Beurteilung einer solchen Pflichtverletzung können die von der Rsp zu den §§ 9 und 80 BAO entwickelten Grundsätze herangezogen werden. Eine Pflichtverletzung kann demnach darin liegen, daß der Geschäftsführer Beitragsschulden schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt läßt, bzw - im Falle des Fehlens ausreichender Mittel - nicht für eine zumindest anteilige Befriedigung der Forderungen des Sozialversicherungsträgers Sorge trägt (Andexlinger aaO). Den zur Haftung herangezogenen Geschäftsführer trifft in diesem Zusammenhang die Verpflichtung, darzulegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, daß die Beitragsschulden rechtzeitig - zur Gänze oder zumindest anteilig - entrichtet wurden, und dafür entsprechende Beweisangebote zu erstatten. Die Konkretisierungspflicht des Geschäftsführers ist dabei weitreichend (vgl VwGH 12. 5. 1992, 92/08/0072, 0073). Mangels ausreichender Darlegung kann angenommen werden, daß der Geschäftsführer seine Pflichten schuldhaft verletzt hat (Andexlinger aaO).

Im Hinblick auf die den Beklagten (der gar nichts vorgebracht hat, wonach die Beitragsrückstände nicht auf seine schuldhafte Pflichtverletzung zurückzuführen wären) gemäß § 67 Abs 10 ASVG treffenden Haftung muß nicht nur sein in Richtung des vom Berufungsgericht herangezogenen § 114 ASVG gehender Einwand ins Leere gehen. Insbesondere erweist sich auch sein an die "übliche Vorgangsweise der Klägerin, den Geschäftsführer vorzuladen und unter Hinweis auf seine Haftung zur Abgabe einer Bürgschaftserklärung zu veranlassen", geknüpfter Vorwurf der Sittenwidrigkeit im vorliegenden Fall als haltlos. Trifft es doch demnach eben nicht zu, daß der Beklagte durch die Klägerin fälschlich bzw wahrheitswidrig auf eine ihn allenfalls treffende Haftung hingewiesen worden wäre.

Die Ansicht der Vorinstanzen, der Beklagte habe aufgrund der von ihm eingegangenen Bürgschaftsverpflichtung der Klägerin für die klagsgegenständlichen Beitragsrückstände zu haften, ist daher - jedenfalls im Ergebnis - zu billigen.

Es ist daher im weiteren auf die von der Revision besonders betonte, weil vorrangig behandelte Frage der Höhe des Anspruchs der Klägerin einzugehen.

Das Erstgericht hat im ersten Rechtsgang aufgrund des Rückstandsausweises Beilage B festgestellt, daß die Gesellschaft der klagenden Partei für die Monate Juli und August 1994 und März 1995 inklusive Nebengebühren und Verzugszinsen, berechnet bis 29. 5. 1995, rückständige Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt S 303.868,69 samt 10,5 % Zinsen pro Jahr aus S 282.234,47 ab dem 30. 5. 1995 schuldet. Der Beklagte hat diese Feststellungen in seiner Berufung gegen das Ersturteil im ersten Verfahrensgang unbekämpft gelassen. In dem vom Erstgericht im zweiten Rechtsgang gefällten Urteil wurde ergänzend zu diesen Feststellungen noch eine Gutbuchung aufgrund einer Zahlung des Insolvenzentgeltausgleichsfonds von S 96.820,09 festgestellt und weiters die Feststellung getroffen, daß der (sich nach Abzug der Gutbuchung ergebende) Betrag von S 207.048,60 alle Zahlungen berücksichtigt und den (restlichen) Kapitalsbetrag samt kapitalisierten Zinsen darstellt.

Das Berufungsgericht ist auf die die Anspruchshöhe betreffenden Feststellungsrügen mit der Begründung nicht eingegangen, im Falle der Aufhebung könnten abschließend erledigte Streitpunkte nicht neuerlich aufgerollt werden. Habe der Berufungswerber die Feststellungen über die Höhe in seiner ersten Berufung nicht in Zweifel gezogen, so sei dieser Streitpunkt im ersten Verfahrensgang abschließend erledigt worden, nachdem der Berufungswerber im zweiten Verfahrensgang dazu kein konkretes Vorbringen erstattet oder sich eine Sachverhaltsveränderung ergeben habe.

Der Revisionswerber widerspricht diesen Ausführungen. Er habe die Richtigkeit des Rückstandsausweises bestritten. Der Oberste Gerichtshof habe in seiner Entscheidung 1 Ob 694/89 ausgesprochen, daß ein Rückstandsausweis keine Bindung bewirke, wenn ein Bürge im ursprünglichen Beitragsverfahren keine Parteienstellung hatte. Da ein vollstreckbarer Rückstandsausweis nur gegen die ursprüngliche Beitragsschuldnerin wegen entschiedener Sache unanfechtbar sei, könne der Bürge die Höhe der Forderung bestreiten. Die klagende Partei wäre daher für die Richtigkeit ihres Rückstandsausweises beweispflichtig gewesen, sei aber dieser Beweispflicht nicht nachgekommen.

Der Revisionswerber setzt sich darüber hinweg, daß er die erstgerichtlichen Feststellungen zur Höhe des Beitragsrückstandes im ersten Rechtsgang unbekämpft gelassen hat und diese Frage daher als abschließend geklärt anzusehen war (vgl RIS-Justiz RS0042458). Weiters bedenkt der Beklagte nicht, daß ein von der klagenden Partei ausgestellter Rückstandsausweis, wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (RIS-Justiz RS0040429), eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 292 ZPO über Bestand und Vollstreckbarkeit einer Abgabenschuld (1 Ob 596/88) darstellt und daher vollen Beweis hinsichtlich seines Inhalts (also der Abgabenschuld) begründet. Zwar ist nach stRsp auch gegen Urkunden, die vollen Beweis machen, der Gegenbeweis nicht ausgeschlossen (SZ 48/5 uva). Im Sinne der von der Revision zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes wäre es daher einem Bürgen, der im ursprünglichen Beitragsverfahren keine Parteienstellung hatte, unbenommen, den Gegenbeweis der Unrichtigkeit des Rückstandsausweises zu erbringen. Wer einen Beweis nach § 292 Abs 2 ZPO führen will, darf sich allerdings nicht bloß auf die Behauptung der Unrichtigkeit der Urkunde beschränken, sondern muß konkret jene Tatsachen anführen, aus denen sich diese Unrichtigkeit ergibt, und sie beweisen (RIS-Justiz RS0040507).

Dieser Beweispflicht hat der Beklagte im vorliegenden Fall keineswegs genügt. Es ist daher von der Richtigkeit des Rückstandsausweises Beilage B auszugehen, der die festgestellten Zahlungen des Beklagten, auf die dieser nun hinweist, ja berücksichtigt. Da die Feststellung des Inhalts des Rückstandsausweises Beilage B im ersten Rechtsgang auch gar nicht bekämpft wurde, hat das Gericht zweiter Instanz zutreffend bemerkt, daß damit die Frage der Höhe der Beitragsrückstände bereits im ersten Rechtsgang abschließend geklärt wurde. Die Zahlung von S 96.820,09 durch den Insolvenzentgeltausgleichsfonds, die im zweiten Rechtsgang zu einer Klagseinschränkung um diesen Betrag auf S 207.048,60 führte, ist in keiner Weise strittig, sodaß die Auffassung des Berufungsgerichtes, die Anspruchshöhe habe keinen Streitpunkt mehr bilden können, zu billigen ist.

Die Revision muß daher in jeder Hinsicht erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

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