OGH 10Ob136/98t

OGH10Ob136/98t13.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr, Dr. Steinbauer, Dr. Danzl und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Norbert W*****, Kaufmann (Elektriker) *****, vertreten durch Dr. Anton Weber, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagte Partei Josef S*****, Kaufmann,*****, vertreten durch Dr. Michael Kaufmann, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen S 80.290,80 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 11. Dezember 1997, GZ 1 R 569/97b-30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 12. August 1997, GZ 5 C 1448/95y-24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Gerichtes erster Instanz zur Gänze wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.070,72 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 845,12 Umsatzsteuer) und die mit S 12.706,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.014,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 15. 4. 1994 erteilte der Beklagte dem Kläger den Auftrag zur Herstellung, Lieferung und Installation einer Steuerungsanlage für eine Entrindungsanlage. Nach Abschluß der Arbeiten fand am 24. 2. 1995 eine Überprüfung der einzelnen Funktionen der Anlage statt, wobei sich verschiedene Probleme einstellten, die der Kläger nicht lösen zu können meinte. Im Verlauf der mündlichen Auseinandersetzung erklärte der Beklagte schließlich, der Kläger solle gehen, wenn er nicht bereit sei, den Fehler zu suchen. Infolge dieser Äußerung entfernte sich der Kläger. Er kümmerte sich in der Folge nicht mehr um die Anlage, weil er den Auftrag von seiner Seite aus als erledigt betrachtete, und legte am 1. 3. 1995 die Schlußrechnung über den restlichen Werklohn von S 105.142,80 unter Setzung einer Zahlungsfrist von 10 Tagen. Da die Anlage nach Ansicht des Beklagten verschiedene Mängel aufwies, bezahlte er den Werklohn nicht, sondern übermittelte dem Kläger am 14. 3. 1995 ein Schreiben mit der Aufzählung der konkreten Mängel, das mit folgenden Worten schloß:

"Da Sie überhaupt kein Interesse hatten, diese Anlage wie vereinbart und von Ihnen zugesichert zu montieren, und jetzt die Inbetriebnahme ganz bewußt verzögern, stelle ich Ihnen letztmalig eine Frist von 7 Tagen, Ihren Aufgaben laut Pflichtenheft, Angebot und Besprechung in Schwarzenberg nachzukommen. Sollten Sie diese Frist untätig verstreichen lassen, bin ich gezwungen die Mängel von einem anderen Elektrounternehmen beheben zu lassen und Ihnen diese in Rechnung zu stellen. Weiters mache ich Sie darauf aufmerksam, daß bei nicht Inbetriebnahme der Anlage ein Verdienstentgang von öS 30.000,- pro Tag entsteht, wofür ich Sie bei einer Verzögerung der Inbetriebnahme haftbar mache."

Der Kläger kam dieser Aufforderung zur Mängelbehebung nicht nach. Die verwendeten Steuerkabel werden den gestellten Anforderungen nicht gerecht; der Austausch der gesamten Kabel gegen jene des richtigen Typs würde ca S 9.500,- kosten. Die vom Kläger gelieferte Dokumentation ist nicht ausreichend; das Fehlen der nötigen Unterlagen würde eine Preisminderung von S 7.000,- ergeben.

Mit der am 9. 5. 1995 beim Erstgericht eingelangten Mahnklage begehrt der Kläger den noch ausständigen Werklohn von restlich S 96.790,80. Die behaupteten Mängel lägen nicht vor. Nach fruchtlosen Ablauf der zuletzt gesetzten Frist von 7 Tagen sei der Anspruch des Beklagten auf Verbesserung erloschen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Da der Kläger die Mängel bisher nicht behoben habe, sei der Werklohn nicht fällig. Hilfsweise würden Preisminderungsansprüche geltend gemacht. Aus dem Titel des Schadenersatzes wegen eines entgangenen Auftrages über DM 27.500 werde dieser Betrag als Gegenforderung eingewendet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da der Kläger die bestehenden Mängel trotz Aufforderung nicht behoben habe, sei der Beklagte zur Zurückbehaltung des restlichen Werklohns berechtigt. Durch die Nachfristsetzung habe er sich seines Verbesserungsanspruchs nicht begeben. Auf das Fehlen der Fälligkeit könne sich der Besteller nur dann nicht mehr berufen, wenn er die Mängelbehebung nicht mehr zulasse, sie geradezu vereitle, das Werk selbst fertigstelle oder sonst zeige, daß er kein Interesse mehr an einer Verbesserung habe. Ein solches Verhalten habe der Beklagte nicht gesetzt. Wegen der Höhe der Kosten für den erforderlichen Austausch des ungeeigneten Kabelmaterials und der allfälligen Preisminderung wegen der unzureichenden Lieferung der Dokumentation könne auch nicht von einem Mißverhältnis zwischen Werklohnforderung und Mängelbehebungskosten gesprochen werden, so daß der Beklagte sein Leistungsverweigerungsrecht auch nicht schikanös ausübe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge. Es sprach aus, daß die Klageforderung mit S 80.290,80 sA zu Recht, die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe, erkannte dem Kläger daher den genannten Betrag zu und wies das Mehrbegehren von S 16.500,- ab. Es ging davon aus, daß wesentliche, aber behebbare Mängel des Werkes vorlägen und sich der Kläger zunächst im Verbesserungsverzug befunden habe. Hier stelle sich die Frage, ob der Besteller nach Fristablauf entgegen seiner Aussage, daß er die Verbesserung ablehne, doch noch weiter Verbesserung fordern könne. Das Berufungsgericht bejahte diese Frage (im Anschluß an Kurschel, Die Gewährleistung beim Werkvertrag, 61; und Schwimann/Rebhahn, ABGB2 VI § 1167 Rz 55) unter der Voraussetzung, daß er sein Verlangen nach Verbesserung dem Unternehmer nach Fristablauf unverzüglich anzeige. Dem Schreiben des Beklagten vom 14. 3. 1995 lasse sich nicht entnehmen, daß er nach Ablauf der Frist weiterhin auf einer Verbesserung durch den Kläger bestehe; er habe auch später von diesem nie mehr Verbesserung verlangt. Damit habe er sich seines Verbesserungsanspruchs begeben und die Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages sei unzulässig. Er könne daher nur noch die Mängelbehebungskosten (S 9.500) und Preisminderungsansprüche (S 7.000) geltend machen, im übrigen sei er zur Zahlung des Werklohnes zu verurteilen. Da ein Schaden nicht erweislich sei, bestehe die Gegenforderung nicht zu Recht.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil es keine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu gebe, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Besteller bei Verbesserungsverzug des Unternehmers nach Fristsetzung iSd § 1167 Satz 3 ABGB weiter Verbesserung verlangen könne und ob er diesfalls auch noch das Recht auf Zurückbehaltung des Werklohns habe.

Gegen den stattgebenden Teil dieses Urteils richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils.

Der Kläger beantragte in seiner Revisionsbeantwortung die Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Die Revision ist zulässig, weil sich die angefochtene Entscheidung bei der Beurteilung des Verbesserungsanspruchs nicht auf Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stützen kann; sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach den §§ 1167 und 932 ABGB kann der Besteller, sofern er nicht wegen wesentlicher Mängel, die das Werk unbrauchbar machen oder einer ausdrücklichen Bedingung zuwiderlaufen, vom Vertrag abgehen will, wegen anderer behebbarer Mängel entweder Verbesserung - falls diese keinen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde - oder Preisminderung verlangen. Zwischen Erfüllung und Gewährleistung besteht kein scharfer Gegensatz. Der Verbesserungsanspruch ist vielmehr der in Gestalt eines Gewährleistungsanspruchs erhalten gebliebene Rest des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs (ecolex 1992, 26; SZ 64/63, SZ 53/107 uva; Koziol/Welser, Grundriß10 I 257 mwN in FN 29). Der Beklagte begehrte stets die Verbesserung des mit Mängeln behafteten Werks. Zuletzt verblieben als Mängel nur mehr die vertragswidrige Verwendung ungeeigneten Kabelmaterials und die nicht ausreichende Dokumentation. Insoweit ist der Versuch der Mängelbehebung erfolglos geblieben, so daß der Werkvertrag nach wie vor nicht gehörig erfüllt ist.

Verlangt der gewährleistungsberechtigte Werkbesteller in Ausübung seines ihm durch § 1167 ABGB eingeräumten Wahlrechts Verbesserung, so kann er grundsätzlich davon nicht mehr abgehen, solange er nicht dem Unternehmer ohne Erfolg eine angemessene Frist mit der Erklärung gesetzt hat, daß er nach deren Ablauf die Verbesserung ablehne. Erst nach Ablauf dieser Frist kann der Besteller die sonstigen in § 1167 ABGB genannten Ansprüche geltend machen (SZ 39/208; ecolex 1994, 674; ecolex 1994, 538; RIS-Justiz RS0021873; Reischauer in Rummel, ABGB2 § 932 Rz 14; Schwimann/Rebhahn, ABGB2 § 1167 Rz 21; Kurschel, Die Gewährleistung beim Werkvertrag, Diss. 1989, 58). Dem Werkbesteller steht bis zur völligen Erfüllung der Verbindlichkeit des Unternehmers, also bis zur vollständigen Verbesserung bestehender Mängel das aus der Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrags (§ 1052, § 1070 ABGB) abzuleitende Leistungsverweigerungsrecht zu. Dieses Recht wird insbesondere deshalb als sinnvoll erachtet, weil Verbesserungsansprüche mangels Gleichartigkeit mit der Werklohnforderung nicht kompensiert werden können, der Werkbesteller aber trotzdem die Möglichkeit haben soll, seinen Gewährleistungsanspruch zu sichern und den Unternehmer zu baldiger Verbesserung anzuspornen (Kurschel aaO 83 ff). Nach ständiger und trotz der Bedenken Koziols (Die Grenzen des Zurückbehaltungsrechts bei nicht gehöriger Erfüllung, ÖJZ 1985, 737 ff) aufrecht erhaltener Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist der Besteller berechtigt, die gesamte, noch offene Gegenleistung und nicht bloß einen dem Mangel entsprechenden Teil davon bis zur Verbesserung des mangelhaften Werks durch den Unternehmer zu verweigern (EvBl 1993/101; EvBl 1987/49; 7 Ob 555/94; 1 Ob 2005/96a; Kurschel aaO 84 mwN in FN 158), weil der Werkvertrag vor der gehörigen Erbringung der zugesagten Leistung noch nicht erfüllt und der Werklohnanspruch daher gemäß § 1170 ABGB noch nicht fällig ist. Ein derartiges Zurückbehaltungsrecht besteht nach herrschender Rechtsprechung nur nicht bei ganz unbedeutenden Mängeln (RZ 1983/41, 7 Ob 555/94 ua), vor allem, wenn die Ausübung dieses Rechts zur Schikane ausartete (MuR 1993, 190; SZ 56/103; 7 Ob 555/94 uva; Krejci aaO § 1170 ABGB Rz 7 mwN; Kurschel aaO 88). Von solch unbedeutenden Mängeln, geschweige denn von Schikane kann im vorliegenden Fall im Hinblick auf das Verhältnis zwischen dem restlichen (eingeklagten) Werklohn und den voraussichtlichen Mängelbehebungskosten keine Rede sein.

Auf mangelnde Fälligkeit des Werklohns kann sich der Besteller aber vor allem dann nicht berufen, wenn er die Behebung der Mängel durch den Unternehmer nicht mehr zuläßt (SZ 55/27, SZ 49/9 ua) oder sie geradezu vereitelt hat (MuR 1993, 190; SZ 61/233 ua). Stellt etwa der Besteller das dem Unternehmer aufgetragene Werk selbst fertig, ohne daß eine Säumnis des Unternehmers hierzu Veranlassung gegeben hätten, dann muß nach redlicher Verkehrsübung als vereinbart angesehen werden, daß der Werkvertrag im Umfang der Fertigstellung einvernehmlich aufgehoben wurde (MuR 1993, 190; SZ 41/41). Nichts anderes kann dann gelten, wenn der Besteller etwa den Rücktritt vom Vertrag erklärt, weil er das Vertrauen zum Werkunternehmer verloren habe, so daß ihm weitere Mängelbehebungsarbeiten nicht mehr zugemutet werden könnten: Diese Erklärung kann nur so verstanden werden, daß der Besteller weitere Verbesserungsarbeiten durch den Unternehmer nicht mehr zulassen will. In einem solchen Fall besteht kein Sicherungsbedürfnis des Werkbestellers mehr, weil er von seinem Verbesserungsrecht eben nicht mehr Gebrauch machen will, und um so weniger die Notwendigkeit, Druck auf den Werkunternehmer zu der von diesem geschuldeten, vom Werkbesteller aber gar nicht (mehr) angestrebten Verbesserung des mangelhaften Werks auszuüben. Kommt aber eine Verbesserung des mangelhaften Werks nicht mehr in Betracht, dann kann auch dem Besteller kein Recht zur Verweigerung der Gegenleistung zugebilligt werden (SZ 62/169; EvBl 1987/49; RdW 1984, 41 ua; zuletzt 1 Ob 2005/96a).

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 14. 3. 1995 unter Setzung einer angemessenen Frist zur Verbesserung aufgefordert, er hat jedoch entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht erklärt, daß er "nach deren Ablauf die Verbesserung ablehne" (§ 1167 Satz 3 ABGB), sondern lediglich darauf hingewiesen, daß er gezwungen wäre, bei Untätigbleiben des Klägers die Mängel von einem anderen Elektrounternehmer beheben zu lassen. Im Zusammenhalt mit dem letzten Satz des Schreibens, in dem auf den Verdienstentgang aus der Nichtinbetriebnahme der Anlage aufmerksam gemacht wurde, konnte der Kläger das Schreiben nach redlicher Verkehrsübung nicht in dem Sinne auffassen, daß der Beklagte die Behebung der Mängel nicht mehr zulassen oder geradezu vereiteln würde, daß er den Rücktritt vom Vertrag erklären oder sich mit Preisminderungsansprüchen begnügen, kurz von seinem Verbesserungsrecht eben nicht mehr Gebrauch machen würde. Dem Kläger mußte nach Erhalt des genannten Schreibens vielmehr klar sein, daß der Beklagte auch nach Ablauf der relativ kurzen Frist von 7 Tagen an einer Verbesserung dringend interessiert war und die Fristsetzung samt Androhung der Ersatzvornahme nur ein weiteres Druckmittel darstellen sollte; er durfte nicht darauf vertrauen, daß der Beklagte nach Fristablauf die Verbesserung durch ihn nicht mehr entgegennehmen würde. Der Beklagte hat, was seinen Wunsch auf Verbesserung betrifft, seine Meinung nie geändert und ein Vertrauen des Klägers darauf, daß eine Verbesserung nicht mehr in Betracht komme, nicht verletzt. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall wesentlich von dem im § 1167 Satz 3 ABGB genannten, daß nämlich der Besteller ausdrücklich erklärt, nach Ablauf der Frist die Verbesserung abzulehnen. Deshalb muß auch nicht zu der aus Analogie zu den Rechtsfolgen des Verzuges beim Fixgeschäft nach § 919 ABGB gewonnenen These Stellung genommen werden, daß der Besteller zwar auch in einem solchen Fall, also nach ausdrücklicher Ablehnung der Verbesserung nach Fristablauf, seine Meinung ändern und dennoch weiterhin Verbesserung fordern könne, dies im Interesse des Vertrauensschutzes allerdings nur dann, wenn er seine Meinungsänderung dem Unternehmer ohne Verzug angezeigt habe (so Kurschel aaO 61 f; dieselbe, Verbesserungsanspruch trotz Ablaufs der gesetzten Frist? WBl 1987, 258; ihr folgend Schwimann/Rebhahn, ABGB VI § 1167 Rz 55).

Da sich der Kläger somit bei Schluß der Verhandlung erster Instanz noch immer im Verbesserungsverzug befand, ist der restliche Werklohn nicht fällig und der Beklagte zur Zurückhaltung seiner Gegenleistung berechtigt. In Stattgebung seiner Revision ist daher das Urteil erster Instanz wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte