OGH 7Ob555/94

OGH7Ob555/9431.8.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schwarz, Dr.Schinko und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Fa.J.L*****, vertreten durch Dr.Franz Gütlbauer und Dr.Siegfried Sieghartsleitner, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei Dr.Hermann G*****, vertreten durch Dr.Hubert Schauer, Rechtsanwalt in Linz, wegen restl. S 409.536,- s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 26.Jänner 1994, GZ 2 R 239/93-33, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 23.Juli 1993, GZ 5 Cg 231/91-29, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision und die Revisionsbeantwortung werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Beklagte erteilte der Firma K***** den Auftrag, die Planung und Lieferung der Einrichtung eines Wohnzimmers und eines Schlafzimmers durchzuführen. Die Möbel wurden von der klagenden Partei hergestellt. Diese begehrt vom Beklagten den Werklohn von S 412.536,- s.A. mit der Behauptung, daß ihr die entsprechende Forderung der Fa.K***** zediert worden sei und daß sich der Beklagte zur Direktzahlung des Werklohnes an sie verpflichtet habe. Der Beklagte bestritt die aktive Klagslegitimation, weil dies unrichtig und sein Vertragspartner ausschließlich die Fa.K***** sei und wendete überdies mangelnde Fälligkeit der Klagsforderung ein, weil die Einrichtung verschiedene, trotz Aufforderung nicht behobene Mängel aufweise. Zu letzterem Einwand führte die klagende Partei aus, daß alle beanstandeten Mängel behoben worden seien. Die weiters behaupteten Mängel seien gänzlich unerheblich. Die Zurückbehaltung des Entgeltes sei schikanös.

Das Erstgericht erkannte der klagenden Partei S 409.536,- s.A. zu und wies lediglich das Mehrbegehren von S 3.000,- s.A. ab. Die Forderung der Fa.K***** sei wirksam an die klagende Partei zediert worden. Die Leistungsverweigerung des Beklagten sei schikanös, weil der Verbesserungsaufwand, der mit S 3.000,- anzusetzen sei, unverhältnismäßig gering sei.

Das Gericht zweiter Instanz änderte das Urteil im Sinn einer gänzlichen Klagsabweisung ab. Die Frage der Aktivlegitimation könne dahingestellt bleiben, weil dem Beklagten ein Leistungsverweigerungsrecht wegen noch zu behebender Mängel zustehe. Die nach den Feststellungen des Erstgerichtes trotz während des Verfahrens durchgeführter Verbesserungsarbeiten nach wie vor vorhandenen Mängel seien nicht unerheblich. Bei der Interessensabwägung ergebe sich kein krasses Mißverhältnis zu Lasten der klagenden Partei. Der Beklagte könne der Klagsforderung nicht nur den Verbesserungsanspruch hinsichtlich der um 7 mm zu verbreiternden Hochschranktür, des noch zu verschleifenden Muschelgriffes, der sichtbar gekitteten Schraublöcher, der losgelösten gebogenen Blende unterhalb der Sitzpolster und der neu anzuschraubenden Sitzpolster entgegenhalten. Auch die sinnlos gestückelte Deckenverblendung stelle - wenn schon nicht aus technischen, so doch aus optischen Gründen - einen Mangel dar. Weiters habe die beklagte Partei bei Unterstellung einer wirksamen Forderungszession entgegen der Ansicht des Erstgerichtes nach § 1396 ABGB auch die auf Planungsmängel der Fa.K***** zurückzuführenden Mängel, nämlich einen fehlerhaften Auslaß einer Elektroleitung für Deckenleuchten und die für Spotleuchten vorgesehenen, nun nicht mehr benötigten Bohrungen zu vertreten. Der Verbesserungsaufwand sei daher insgesamt weit höher als mit S 3.000,-

(Arbeitszeit für die Verbreiterung der Hochschranktür und Verschleifen des Muschelgriffes) anzusetzen. Der Beeinträchtigung des Klägers durch die Zurückbehaltung des Werklohnes stehe das berechtigte Interesse des Beklagten gegenüber, daß die teure Einrichtung frei von diesen nicht unerheblichen, teils insbesondere auch optisch wesentlich störenden Mängeln sei, sodaß er nach ständiger und auch jüngster Rechtsprechung den gesamten Werklohn zurückbehalten könne. Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof in jüngsten Entscheidungen bei der Frage, durch welche Umstände die Zurückbehaltung des gesamten Werklohnes als rechtsmißbräuchlich anzusehen sei, von seiner bisherigen Rechtsprechung abgewichen sei und insoweit noch keine ausreichend gesicherte Judikatur dazu vorliege, unter welchen Voraussetzungen nach der nunmehr vorzunehmenden Interessensabwägung Rechtsmißbrauch anzunehmen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist jedoch unzulässig, weil entgegen der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz und der Revisionswerberin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu klären ist.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens zweiter Instanz liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Nach ständiger und trotz der Bedenken Koziol's (Die Grenzen des Zurückbehaltungsrechts bei nicht gehöriger Erfüllung, ÖJZ 1985, 737

ff) aufrechterhaltener Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist der Besteller berechtigt, die ganze Gegenleistung bis zur Verbesserung des mangelhaften Werkes durch den Unternehmer zu verweigern (WBl 1987, 37 = EvBl 1987/49; ecolex 1990, 677; EvBl 1993/101 ua), es sei denn, die Ausübung dieses Rechtes artet zur Schikane aus. Kein Leistungsverweigerungsrecht hat der Besteller - unabhängig vom Schikaneverbot - nur bei ganz unerheblichen Mängeln (EvBl 1979/198; RZ 1983/41; ecolex 1991, 315). Ein ganz unwesentlicher Mangel ist ein Fehler, den kein vernünftiger Mensch als Nachteil empfindet (RZ 1983/41; WBl 1987, 37 ua). Schikane liegt nach neuerer Rechtsprechung vor, wenn das unlautere Motiv der Handlung die lauteren Motive eindeutig übersteigt, es also augenscheinlich im Vordergrund steht (vgl Reischauer in Rummel2 II, Rz 58, 59 zu § 1295 ABGB und die dort zahlreich angeführte Judikatur) oder wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein krasses Mißverhältnis besteht (WBl 1987, 37; JBl 1990, 248; SZ 63/49 je mit weiteren Nachweisen; WBl 1992, 333; EvBl 1993/101; 1 Ob 11/93 ua).

Wie die zahlreichen Belegstellen zeigen, beruhen diese bereits vom Gericht zweiter Instanz aufgezeigten Rechtsgrundsätze auf einer - wenn auch von der älteren Rechtsprechung abweichenden, inzwischen aber - gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Schikaneverbot des § 1295 Abs 2 ABGB, insbesondere auch im Zusammenhang mit dem Leistungsverweigerungsrecht nach den §§ 1052, 1170 ABGB. Von einer uneinheitlichen Rechtsprechung kann weder dann gesprochen werden, wenn in früherer Zeit ein anderer Standpunkt vertreten wurde als nunmehr ständig in neuerer Zeit (EvBl 1986/41), noch wenn trotz der einheitlich vertretenen Grundsätze einzelne Sachverhalte im Ergebnis unterschiedlich beurteilt werden (EFSlg 49.385; JBl 1984, 564). Von einer Verkennung der sich aus der zitierten Rechtsprechung ergebenden Rechtslage durch das Gericht zweiter Instanz kann hier keine Rede sein. Die Beurteilung, ob die in diesem konkreten Fall aufgelisteten Mängel - zu denen das Gericht zweiter Instanz zutreffend auch die auf Planungsfehler der Fa.K***** zurückzuführenden Mängel zählte (§ 1396 ABGB) - der konkreten Werkleistung gänzlich unerheblich sind und ob das Interesse des Beklagten an ihrer Behebung im krassen Mißverhältnis zur Interessenslage der klagenden Partei steht, kann auf Grund der spezifischen Umstände dieses Falles keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn einer generellen Richtschnur auch für andere Fälle der Leistungsverweigerung zukommen. Eine Überschreitung des letztlich bei der Beurteilung, ob schikanöse Rechtsausübung vorliegt und ob Werkmängel unerheblich sind oder nicht, im Einzelfall verbleibenden Ermessensspielraumes (vgl ecolex 1991, 315) ist in der Entscheidung der zweiten Instanz nicht zu erblicken.

Die Revision war mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Revisionsbeantwortung war als verspätet zurückzuweisen, weil die Revision an den Vertreter der beklagten Partei nach dem im Akt erliegenden Rückschein am 11.4.1994 zugestellt wurde, die Revisionsbeantwortung nach dem Postaufgabestempel aber erst am 10.5.1994 und somit einen Tag nach Ablauf der vierwöchigen Frist des § 507 Abs 2 ZPO zur Post gegeben wurde.

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