OGH 8Ob129/98y

OGH8Ob129/98y24.8.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Adamovic und Dr. Spenling in der Ausgleichssache über das Vermögen der E***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Franz Kreibich ua, Rechtsanwälte in Salzburg, infolge Revisionsrekurses der Gläubigerin D***** Co. Ltd. *****, vertreten durch Dr. Walter Schuppich ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 24. Februar 1998, 2 R 34/98b und 35/98z (ON 443), mit dem die Rekurse der Gläubigerin gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes Salzburg vom 23. Oktober 1997 (ON 415) und vom 16. Jänner 1998 (ON 425) zurückgewiesen wurden und dem Rekurs der ehemaligen Ausgleichsschuldnerin gegen den Beschluß vom 16. Jänner 1998 (ON 425) nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Dem Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen den rekursgerichtlichen Beschluß wendet, mit dem der Rekurs gegen ON 415 zurückgewiesen wurde, nicht Folge gegeben.

2. Dem Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen den rekursgerichtlichen Beschluß wendet, mit dem der Rekurs gegen ON 425 zurückgewiesen wurde, Folge gegeben, der angefochtene Beschluß insoweit aufgehoben und dem Rekursgericht aufgetragen, unter Abstandnahme vom Zurückweisungsgrund über diesen Rekurs zu entscheiden.

3. Die Rekursbeantwortung der Ausgleichsschuldnerin wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Über Antrag der Ausgleichsschuldnerin wurde mit Beschluß des Erstgerichts vom 25.10.1995 über das Vermögen der Ausgleichsschuldnerin das Ausgleichsverfahren eröffnet. Am 22.2.1996 wurde der in weiterer Folge abgeschlossene Ausgleich rechtskräftig bestätigt, worauf das Ausgleichsverfahren am 18.3.1996 aufgehoben und dabei auf die Überwachung der Ausgleichserfüllung nach dem § 59 ff AO hingewiesen wurde.

Am 23.10.1997 wurde mit Beschluß ON 415 die Überwachung der Erfüllung des Ausgleiches nach § 64 Abs 1 AO wegen sichergestellter Ausgleichserfüllung über Antrag der Ausgleichsschuldnerin beendet. Grundlage dieser Entscheidung war die Sicherstellung sämtlicher Ausgleichsforderungen durch Barerlag oder Bankgarantie beim Sachwalter und eine entsprechende Vereinbarung mit den Hauptgläubigerbanken, sodaß kein Zweifel mehr an der Erfüllung des Ausgleiches vorgelegen hatte. Dieser Beschluß wurde am 10.11.1997 an der Gerichtstafel des Erstgerichtes angeschlagen und am 25.11.1997 im Amtsblatt der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Die Gläubigerin D***** Co. Ltd. (im folgenden: Gläubigerin) hat sich am Ausgleichsverfahren nicht beteiligt und auch keinerlei Forderungen angemeldet.

Am 1.10.1997 (ON 402) beantragte die Ausgleichsschuldnerin nach § 66 AO eine von der Gläubigerin ihr gegenüber geltend gemachte Forderung über S 47,824.570,12 s.A. mit Null Schilling festzustellen. Hinsichtlich dieser Forderung habe die Gläubigerin zu 3 Cg 209/97k des Erstgerichtes Klage erhoben, die Forderung sei jedoch unberechtigt und werde im Zivilprozeß auch bestritten.

Am 6.10.1997 (ON 407) bezeichnete der Sachwalter der Gläubiger die geltend gemachte Forderung höchstens mit S 5,683.000,- als zurecht bestehend.

Am 27.10.1997 beantragte die Gläubigerin in ihrem als Stellungnahme bezeichneten Schriftsatz ON 418 gemäß § 66 AO die Feststellung der mutmaßlichen Höhe der bereits erwähnten Forderung mit S 47,824.570,12 unter gleichzeitigem Auftrag an die Ausgleichsschuldnerin, zur Sicherung dieser Forderung den festgestellten Betrag bei Gericht bar zu erlegen. Dazu brachte sie vor, sie habe erst am 12.9.1996 vom gegenständlichen Ausgleichsverfahren Kenntnis erlangt und zwischenzeitig die oben erwähnte Klage erhoben; die geltend gemachte Forderung resultiere aus einem zwischen der Ausgleichsschuldnerin und ihr abgeschlossen Agenturvertrag.

Mit Beschluß vom 16.1.1998 (ON 425) stellte das Erstgericht die strittige Forderung nach § 66 Abs 1 AO mit S 6,765.000,- fest und verpflichtete die Ausgleichsschuldnerin zum Erlag der 40%igen Quote laut bestätigtem Ausgleich (S 2,706.000,-) bei Gericht, welchem Auftrag die Ausgleichsschuldnerin zwischenzeitig auch nachgekommen ist.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Ausgleichsschuldnerin gegen den Beschluß ON 425 nicht Folge.

Den gegen den Beschluß ON 415 erhobenen, am 3.12.1997 zur Post gegebenen Rekurs der Gläubigerin wies das Rekursgericht als verspätet zurück, weil er gemäß § 174 Abs 2 KO iVm § 76 Abs 2 AO binnen 14 Tagen nach dem Anschlag an der Gerichtstafel hätte erhoben werden müssen. Auch wenn die öffentliche Bekanntmachung eine Einschaltung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung einschließe, so komme es nach herrschender Auffassung nicht auf deren Zeitpunkt an.

Den gegen den Beschluß ON 425 erhobenen Rekurs der Gläubigerin wies das Rekursgericht als unzulässig zurück, weil ein Gläubiger, der sich aus welchen Gründen immer am Ausgleichsverfahren bis zu dessen rechtskräftiger Beendigung nicht beteiligt habe, keine Beteiligtenstellung habe; umso mehr fehle es ihm an der Rekurslegimitation, sodaß der Rekurs gegen diesen Beschluß zurückzuweisen sei. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Entscheidungsgegenstand des Rekursverfahrens jeweils S 260.000,-

übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, einerseits - hinsichtlich des erstgerichtlichen Beschlusses ON 415 - weil die Bedeutung der Frage, wann die Rekursfrist für einen bislang am Ausgleichsverfahren noch nicht Beteiligten zu laufen beginne, wenn der Beschluß einerseits an der Gerichtstafel angeschlagen und darüber hinaus im Amtsblatt zur Wiener Zeitung veröffentlicht werde, an Bedeutung das vorliegende Verfahren übersteige und vom Obersten Gerichtshof bisher noch nicht entschieden worden sei, andererseits - hinsichtlich des erstgerichtlichen Beschlusses ON 425 - weil die zur Frage der Unzulässigkeit des Rekurses der Gläubigerin vertretene Rechtsauffassung möglicherweise von bestehender höchstgerichtlicher Judikatur (SZ 61/244; SZ 65/56) abweiche.

Die Gläubigerin beantragt in ihrem Revisionsrekurs den rekursgerichtlichen Beschluß ON 443 in dem genannten Umfang, mit welchem ihre Rekurse gegen die Beschlüsse des Erstgerichtes ON 415 und ON 425 zurückgewiesen wurden, aufzuheben und den Rekursgericht aufzutragen, neuerlich (meritorisch) über diese Rekurse zu entscheiden.

Die Ausgleichsschuldnerin hat eine Revisionsrekursbeantwortung erstattet, die zurückzuweisen ist, weil das insolvenzrechtliche Rechtsmittelverfahren einseitig ist (§ 76 AO iVm §§ 171, 176 KO).

Der Revisionsrekurs der Gläubigerin ist im Ergebnis teils unberechtigt (betreffend den erstgerichtlichen Beschluß ON 415), teils berechtigt (betreffend den erstgerichtlichen Beschluß ON 425).

Zum Rekurs betreffend den erstgerichtlichen Beschluß ON 415:

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurswerberin meint, ihr Rekurs gegen den Beschluß ON 415 sei zu unrecht zurückgewiesen worden, weil ihr dieser Beschluß nicht zugestellt worden sei und daher die Frist nur ab öffentlicher Bekanntmachung zu laufen beginne; dies sei der Tag der (letzten) Bekanntmachung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 25.11.1997, in eventu 2 Wochen nach dem Anschlag an der Gerichtstafel (10.11.1997); daher sei der am 3.12.1997 zur Post gegebene Rekurs jedenfalls rechtzeitig.

Dieser Rekurs war jedenfalls zurückzuweisen, weil er nicht nur - wie das Rekursgericht meinte - verspätet erhoben worden war, sondern die Gläubigerin gegen den Beschluß ON 415 überhaupt nicht rekursberechtigt war.

Ihr diesbezüglicher Rekurs richtet sich gegen den Beschluß, mit dem die Überwachung der Erfüllung des Ausgleichs für beendet erklärt wurde (§ 64 Abs 1 AO). Über Rekurse gegen solche Beschlüsse entscheidet gemäß Abs 6 dieser Bestimmung das Rekursgericht endgültig. Wer rekursberechtigt ist, sagt das Gesetz nicht ausdrücklich. In § 64 Abs 1 zweiter Satz AO wird - abweichend von der im übrigen verwiesenen Bestimmung des § 58 AO (Aufhebung des Ausgleichsverfahrens) - angeordnet, daß der Beschluß, mit dem das Verfahren für beendet erklärt wird, nicht sofort, sondern erst nach Eintritt seiner Rechtskraft öffentlich bekannt zu machen ist. Daraus folgt, daß rekursberechtigt nur diejenigen Personen sein können, die vom Beschluß über Beendigung der Überwachung des Ausgleichsverfahrens individuell zu verständigen sind, weil die öffentliche Bekanntmachung ja erst nach Rechtskraft des Beschlusses zu erfolgen hat. Dies kann ein Gläubiger, der sich bis zu diesem Zeitpunkt am Ausgleichsverfahren nicht beteiligt hat und dem Gericht deshalb unbekannt ist, jedenfalls nicht sein (vgl Pollak in Bartsch/Pollak, KO, AO3 II 457), sodaß sein gegen den Beschluß auf Beendigung der Überwachung erhobener Rekurs als unzulässig beurteilt werden muß.

Im übrigen ist dem Rekursgericht insoweit beizupflichten, daß, wenn der Rekurs zulässig wäre, er jedenfalls verspätet wäre, weil er mehr als 14 Tage nach Anschlag an der Gerichtstafel erhoben wurde, da stets, auch bei angeordneten individuellen Zustellungen, der Anschlag an der Gerichtstafel - und weder die individuelle Zustellung noch sonstige öffentliche Bekanntmachungen - der maßgebliche Zeitpunkt ist, an dem die Wirkungen des Insolvenzverfahrens und die Zustellfolgen eintreten (Pollak aaO 456 f; Bartsch/Heil, Grundriß des Insolvenzrechts4 Rz 180).

Zum Rekurs betreffend den erstgerichtlichen Beschluß ON 425:

Ist das Bestehen oder die Höhe einer Forderung bestritten und liegt darüber keine nach § 46 Abs 4 AO ergangene Entscheidung vor, so hat das Ausgleichsgericht, gleichviel ob das Verfahren nach der Bestätigung aufgehoben wurde oder nicht, auf Antrag des Schuldners oder des Gläubigers die mutmaßliche Höhe der bestrittenen Forderung festzustellen (§ 66 Abs 1 AO). Die für den Fall des Verzuges in der Erfüllung des Ausgleichs vorgesehenen Rechtsfolgen (§ 53 Abs 4 AO) können den Schuldner jedenfalls dann nicht treffen, wenn er bei der Erfüllung des Ausgleichs bestrittene Forderungen bis zur endgültigen Feststellung des Bestehens oder der Höhe der Forderung in dem Ausmaß berücksichtigt, das einer vom Ausgleichsgericht gemäß § 66 Abs 1 AO oder § 46 Abs 4 AO getroffenen Entscheidung entspricht (§ 66 Abs 2 AO).

Das Rekursgericht vertrat - entgegen der ihm bekannten oberstgerichtlichen Rechtsprechung - die Ansicht, daß ein Gläubiger, der sich aus welchen Gründen immer am Ausgleichsverfahren bis zu dessen rechtskräftiger Beendigung nicht beteiligt habe, keine Beteiligtenstellung habe und durch den erstgerichtlichen Beschluß, der über den Antrag der Ausgleichsschuldnerin nach § 66 AO ergangen sei, nicht beschwert sei, sodaß ihm die Rekurslegimitation fehle, weshalb der Rekurs des Gläubigers gegen den Beschluß ON 425 zurückzuweisen sei.

Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden, wenn auch der von der Rekurswerberin für ihre Beschwer hauptsächlich angeführte Grund - der Beschluß ON 425 bewirke, daß die Gläubigerin 60 % ihrer Forderung abschreiben müsse, weil die Entscheidung gemäß § 66 AO die gesetzlichen Verzugsregeln dahingehend ändere, daß selbst dann, wenn der Ausgleichsschuldner einen Anspruch eines Ausgleichsgläubigers zu Unrecht bestreite und im Hauptprozeß unterliege, er dennoch in den Genuß der Wirkungen des Ausgleiches gemäß § 53 Abs 1 AO gelange - nicht stichhaltig ist. Die Antragstellung nach § 66 AO und der darüber ergehende Provisorialbeschluß soll gerade im Interesse des Ausgleichsschuldners bewirken, daß diesen nicht die gesetzlichen Folgen des Erfüllungsverzuges treffen können, wenn er sich bei der Ausgleichserfüllung an die Provisorialentscheidung nach § 66 AO hält (Pollak aaO 506; SZ 61/244).

Gegenstand des Rekurses der Gläubigerin war nur die Entscheidung über das Bestehen und die Höhe ihrer bestrittenen Forderung, nicht aber die Entscheidung über ihren Antrag, der Ausgleichsschuldnerin die Sicherstellung der bestrittenen Forderung durch Barerlag bei Gericht aufzutragen (dem das Erstgericht teilweise stattgegeben hatte); der mit dem Rekurs verbundene Antrag auf Ausfolgung dieses vom Ausgleichsschuldner erlegten Betrages richtete sich nicht an das Rekurs- sondern an das Erstgericht.

Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes kommt dem betroffenen Gläubiger, auch wenn er seine Forderung im Ausgleich nicht angemeldet hat, gegen die Entscheidung über einen Antrag des Schuldners nach § 66 Abs 1 AO ein Rekursrecht zu, da durch diese Entscheidung in sein ohnehin den Ausgleichswirkungen unterliegendes Forderungsrecht dadurch noch weiter eingegriffen wird, daß jene Summe bestimmt wird, durch deren qoutenmäßige Befriedigung innerhalb der im Ausgleich bestimmten Zahlungsfrist bzw der vom Gläubiger gesetzten Nachfrist der Schuldner die in § 53 Abs 4 AO vorgesehenen Folgen vermeiden kann, auch wenn die Forderung endgültig mit einem höheren Betrag zuerkannt wird. Soweit die gemäß § 66 Abs 1 AO vorläufig festgestellte Summe geringer ist, als die vom Gläubiger geltend gemachte Forderung, kann der Gläubiger daher in einem Recht verletzt sein und ist gemäß § 176 KO iVm § 76 Abs 2 AO zum Rekurs legitimiert (RIS-Justiz RS0065135, insbes EvBl 1968/165; SZ 45/106; ecolex 1993, 815; zuletzt 8 Ob 97/97s), und zwar unabhängig davon, ob er bisher am Ausgleichsverfahren teilgenommen hat oder nicht (SZ 43/51 = EvBl 1970/269).

Da dem betroffenen Gläubiger daher gegen die Entscheidung über einen Antrag des Ausgleichsschuldners gemäß § 66 Abs 1 AO ein Rekursrecht zukommt, kann es dahingestellt bleiben, ob die Gläubigerin mit dem Schriftsatz ON 418 nur eine Stellungnahme zum Antrag der Ausgleichsschuldnerin ON 402 (verbunden mit einem Antrag auf Sicherstellung der bestrittenen Summe durch Barerlag bei Gericht) erstattete oder einen eigenständigen Antrag auf Feststellung der mutmaßlichen Höhe ihrer bestrittenen Forderung stellte und wie lang ein Ausgleichsgläubiger einen Antrag nach § 66 Abs 1 AO stellen kann.

Der Zurückweisungsbeschluß war daher in dem ON 425 betreffenden Umfang aufzuheben und dem Rekursgericht die sachliche Erledigung des Rekurses der Gläubigerin aufzutragen.

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