OGH 4Ob147/98s

OGH4Ob147/98s16.6.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek als Vorsitzenden, durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj.Rene Thomas M*****, infolge Revisionsrekurses des Magistrats der Landeshauptstadt L*****, Amt für Jugend und Familie, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 6.März 1998, GZ 14 R 83/98v-24, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 29. Jänner 1998, GZ 1 P 1298/95g-21, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der am 24.11.1987 geborene Rene Thomas M***** wuchs nach Scheidung der Ehe seiner Eltern zunächst bei der obsorgeberechtigten Mutter auf. Diese ist noch für ein weiteres 1989 geborenes Kind sorgepflichtig und verfügt über ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von S 12.800,--. Darüberhinaus erhält sie für den Minderjährigen Familienbeihilfe in der Gesamthöhe von S 3.200,-- monatlich und den Kinderabsetzbetrag von S 350,-- monatlich.

Seit 9.11.1997 ist der Minderjährige im Rahmen der nach § 37 oö JWG 1991 gewährten Erziehungshilfe (volle Erziehung) in einer heilpädagogischen Kindergruppe untergebracht. Die Stadt L***** kommt für die Kosten der Heimunterbringung von S 1.504,--/Tag vorläufig auf. Die Wochenenden verbringt der Minderjährige bei der Mutter, er hält sich dort von Freitag bis Sonntag auf.

Nachdem eine Einigung über den Rückersatz der Unterbringungskosten nicht zustande kam, stellte die Stadt L*****, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie den Antrag, die Mutter zum teilweisen Ersatz der Unterbringungskosten in der Höhe von monatlich S 4.000,-- ab 9.11.1997 zu verpflichten (§ 40 JWG). Dieser Betrag enthalte die Hälfte der von der Mutter bezogenen Familienbeihilfe. Da diese ausschließlich für den Unterhaltsberechtigten zu verwenden sei, müsse zumindest die Hälfte davon dem Sozialhilfeträger zukommen.

Das Erstgericht verpflichtete die Mutter zu monatlichen Kostenbeiträgen von S 4.000,--. Dieser Betrag errechne sich aus 19 % des durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens zuzüglich der Hälfte der von der Mutter bezogenen Familienbeihilfe. Diese sei ihrem Wesen nach eine Betreuungshilfe und solle Pflege und Erziehung des Kindes als Zuschuß erleichtern. Da der Heimerhalter für die Kosten der vollen Erziehung aufkomme und die Mutter das Kind nur an den Wochenenden betreue, müsse zumindest die Hälfte der Familienbeihilfe dem Sozialhilfeträger zukommen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter teilweise Folge und verpflichtete sie zum teilweisen Kostenersatz von S 3.500,-- monatlich. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob die Familienbeihilfe im Falle einer Drittpflege des Unterhaltsberechtigten im Rahmen der vollen Erziehung dem Jugendwohlfahrtsträger direkt (ganz oder teilweise) zugute kommen soll, fehle. Ein (direkter) Anspruch des Jugendwohlfahrtsträgers auf Teile der Familienbeihilfe bestehe genausowenig wie ein direkter Anspruch des Unterhaltsberechtigten auf Auszahlung dieser Beihilfe. Als Betreuungshilfe solle die Familienbeihilfe jener Person zugute kommen, die die Last der Pflege und Betreuung trage. Sie sei Einkommen dieser Person, ohne daß der Betrag unmittelbar dem Kind zugewendet werden müsse und zähle damit zur Unterhaltsbemessungsgrundlage. Die Familienbeihilfe sei weder eigenes Einkommen des Kindes noch mindere sie seinen Unterhaltsanspruch, sodaß auch der Jugendwohlfahrtsträger, der seine Ansprüche kraft Legalzession vom Unterhaltsberechtigten ableite, keinen Anspruch auf die direkte "Umleitung" der Familienbeihilfe (oder Teile davon) an ihn habe. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß die Mutter nach Einleitung der vollen Erziehung die Betreuung des Kindes tatsächlich nicht mehr (oder nur eingeschränkt) leiste, habe sie doch nach § 2 Abs 2 2.Satz FLAG weiterhin Anspruch die Familienbeihilfe, wenn - wie hier - keine andere Person nach § 2 Abs 2 1.Satz FLAG anspruchsberechtigt sei. Aus dem Zusammenhang der § 2 Abs 2 2.Satz und § 12a FLAG folge, daß der Unterhaltsberechtigte auch dann, wenn er sich in Drittpflege befindet, keinen direkten Anspruch auf Auszahlung der Familienbeihilfe geltend machen könne. Damit scheide auch ein direkter Anspruch des Jugendwohlfahrtsträgers auf Teile der Familienbeihilfe aus.

Die Mutter ließ den Beschluß des Rekursgerichtes unbekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Jugendwohlfahrtsträgers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Gemäß § 33 JWG (und § 47 oö JWG 1991) haben der Minderjährige und seine Unterhaltspflichtigen die Kosten der vollen Erziehung zu tragen, soweit sie nach ihren Lebensverhältnissen dazu imstande sind. Bei diesen Kosten handelt es sich um Aufwendungen der Erziehung des Minderjährigen und damit um Kosten zur Deckung seiner Lebensbedürfnisse. Für die Bemessung des Ersatzes sind somit die Regelungen des Unterhaltsrechts (§§ 140 ff ABGB) maßgeblich, wobei dieselben Grundsätze, wie für die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes zu gelten haben (ÖA 1992, 163; RIS-Justiz RS0078933; Ent-Frischengruber, Jugendwohlfahrtsrecht Anm 1 zu § 33).

Die von der Mutter bezogene Familienbeihilfe gilt nach § 12a FLAG nicht als eigenes Einkommen des Kindes. Sie hat den Charakter einer Betreuungshilfe, die nach dem Willen des Gesetzgebers zur Gänze dem Haushalt zukommen soll, in dem das Kind betreut wird, um die Last der Betreuung (wenigstens teilweise) abzudecken. Sie ist in diesem Sinn Bestandteil des Einkommens des Bezugsberechtigten, den dieser allerdings für den Unterhalt des Kindes zu verwenden hat, ohne ihn unmittelbar dem Kind zuwenden zu müssen (Purtscheller/Salzman, Unterhaltsbemessung Rz 229; Pichler in Rummel ABGB2 Rz 12b zu § 140;

SZ 59/19; RZ 1992/69; ÖA 1997, 190 U 194; ÖA 1997, 193 U 186;

RIS-Justiz RS0047813 und RS0047526). Gemäß § 7 FLAG kann die Familienbeihilfe für ein Kind nur einer (natürlichen) Person gewährt werden, wobei grundsätzlich jene Person anspruchsberechtigt ist, zu deren Haushalt das Kind gehört (§ 2 Abs 2 1.Satz FLAG). Nach § 2 Abs 2 2.Satz FLAG hat jedoch auch eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten überwiegend trägt, Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach Satz 1 dieser Bestimmung anspruchsberechtigt ist. Abgesehen davon, daß die Mutter den Minderjährigen von Freitag bis Sonntag jeder Woche betreut, treffen auch die Voraussetzungen nach § 2 Abs 2 2.Satz FLAG zu. Das Familienlastenausgleichsgesetz versteht - wie sich aus seinem klaren Wortlaut, insbesondere auch aus § 46a ergibt - unter "Person" nur eine natürliche Person, nicht aber auch eine Institution nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz, die Pflege und Erziehungsleistungen im Rahmen der Erziehungshilfe erbringt. Für eine direkte - wie auch indirekte - Inanspruchnahme der Familienbeihilfe durch den die volle Erziehung nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz leistenden Jugendwohlfahrtsträger fehlen somit die gesetzlichen Voraussetzungen. Der Jugendwohlfahrtsträger kann seinen Anspruch nur gem § 40 JWG im Umfang des vom Unterhaltspflichtigen leistenden Unterhalts begehren.

Darin ändert auch der von der Rechtsprechung vertretene Grundsatz, wonach die Familienbeihilfe für den Unterhaltsberechtigten zu verwenden ist, nichts. Dieser Grundsatz verschafft dem Jugendwohlfahrtsträger keinen Anspruch gegen die bezugsberechtigte Mutter auf Auszahlung der Familienbeihilfe (oder Teile davon). Abgesehen davon deckt die Familienbeihilfe im vorliegenden Fall die von der Mutter tatsächlich erbrachten Betreuungsleistungen (Freitag bis Sonntag eines jeden Monats) teilweise ab und findet damit auch für den Unterhaltsberechtigten Verwendung.

Ausgehend von der Rechtsprechung, wonach die Familienbeihilfe als Einkommen des Unterhaltspflichtigen bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen ist (SZ 54/52; RZ 1991/26; ÖA 1997, 193 U 186), hat das Rekursgericht - von der Mutter unbekämpft - die Familienbeihilfe in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen und damit der Prozentberechnung zugrundegelegt. Auf die von Schwimann (in Schwimann ABGB2 Rz 54 zu § 140) aufgezeigte Judikaturdifferenz in der Frage der Einbeziehung der Familienbeihilfe in die Unterhaltsbemessungsgrundlage muß damit nicht eingegangen werden.

Dem Rekurs des Jugendwohlfahrtsträgers ist ein Erfolg zu versagen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte