OGH 1Ob412/97p

OGH1Ob412/97p19.5.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gilbert S*****, vertreten durch Dr.Herbert Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dipl.Ing.Kurt H*****, vertreten durch Dr.Thomas Würzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Übergabe eines Bestandgegenstandes, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 4.September 1997, GZ 40 R 347/97v-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 18.Februar 1997, GZ 9 C 650/94p-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.248,64 (darin S 541,44 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Erbe nach seiner verstorbenen Mutter, die unter anderem Eigentümerin eines Wiener Einfamilienhauses mit (nun) nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen war. Am 7.11.1991 schloß die Rechtsvorgängerin des Klägers mit dem Beklagten über eine in ihrem Haus befindliche Wohnung einen ab 1.12.1991 auf ein Jahr befristeten Mietvertrag. Dieser wurde in der Folge einvernehmlich auf ein weiteres Jahr bis 30.11.1993 verlängert. Die Vermieterin verstarb am 25.9.1993. Mit Beschluß vom 16.11.1993 wurde eine Rechtsanwältin für den Kläger als einstweilige Sachwalterin zur Wahrnehmung seiner Ansprüche im Verlassenschaftsverfahren nach seiner verstorbenen Mutter bestellt. Dieser Beschluß wurde der einstweiligen Sachwalterin am 18.11.1993 zugestellt. Am 8.2.1994 wurde der einstweiligen Sachwalterin die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses der verstorbenen Mutter des Klägers gemäß § 810 ABGB und § 145 AußStrG überlassen. Dieser Beschluß wurde der Sachwalterin am 11.2.1994 zugestellt. Mit Beschluß vom 2.3.1994, zugestellt am 15.3.1994, bestellte das Pflegschaftsgericht die bisherige einstweilige Sachwalterin zur Sachwalterin gemäß § 273 ABGB zur Vertretung in Angelegenheiten der Verlassenschaft, der Vermögensverwaltung, der Unterbringung und vor Ämtern und Behörden. Am 25.5.1994 wurde dem Kläger die Verlassenschaft nach seiner verstorbenen Mutter zur Gänze eingeantwortet. Mit Beschluß vom 23.12.1994 genehmigte das Pflegschaftsgericht den bereits eingebrachten Übergabsauftrag.

Mit diesem am 28.11.1994 beim Erstgericht eingelangten Übergabsauftrag begehrte der Kläger vom Beklagten die Übergabe der von ihm gemieteten, im Erdgeschoß des Wiener Hauses gelegenen Wohnung zum 30.11.1994. Er brachte in der Folge vor, das Bestandobjekt liege in einem Einfamilienhaus, das nicht mehr als zwei selbständige Wohnungen umfasse. Der befristete Mietvertrag unterliege nicht den Bestimmungen des MRG und verlängere sich nur um jene Frist, welche ursprünglich vereinbart worden sei. Infolge Todes der damaligen Hauseigentümerin sei die Vermieterseite im Zeitpunkt des Ablaufs des befristeten Mietverhältnisses nicht in der Lage gewesen, rechtsgeschäftliche Handlungen zu setzen, weil weder die Verlassenschaft noch der Erbe im Hinblick auf seine mangelnde Geschäftsfähigkeit Erklärungen hätte abgeben können. In einem derartigen Fall verlängere sich der Mietvertrag um dieselbe Zeit, für die er ursprünglich abgeschlossen worden sei, sodaß Mietvertragsende nunmehr der 30.11.1994 sei. Der einstweiligen Sachwalterin sei im Zeitpunkt ihrer Bestellung der Mietvertrag mit dem Beklagten nicht bekannt gewesen.

Der Beklagte erhob gegen den Übergabsauftrag Einwendungen und führte darin aus, mangels entsprechender Vereinbarung liege ein befristetes Mietverhältnis vor. Der einschreitenden Sachwalterin sei das Bestehen eines Bestandvertrags bekannt gewesen, weil sie dem Beklagten mit Schreiben vom 9.3.1994 mitgeteilt habe, daß ihr die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses übertragen worden sei. Bereits in diesem Zeitpunkt wäre es dem Kläger möglich gewesen, die zuletzt vereinbarte Befristung mittels Räumungsklage geltend zu machen. Der am 28.11.1994 eingebrachte Übergabsauftrag sei jedenfalls verspätet.

Das Gericht erster Instanz erklärte den Übergabsauftrag vom 30.11.1994 für rechtswirksam. Wohnungen in Wohnhäusern mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen unterlägen gemäß § 1 Abs 4 Z 2 MRG nicht den mietrechtlichen Schutzbestimmungen. Aus der Raumanordnung im Haus lasse sich nicht der Schluß ziehen, daß dort mehr als zwei Wohnungen bestünden. Mangels Anwendbarkeit des MRG sei die im Mietvertrag vorgesehene Befristung zulässig. Durch den am 28.11.1994 bei Gericht eingelangten Übergabsauftrag sei die Frist des § 567 Abs 2 ZPO zum begehrten Übergabstermin am 30.11.1994 gewahrt worden. Entgegen der Ansicht des Klägers habe sich der Bestandvertrag zwar nicht um ein Jahr, jedoch in Anbetracht des vereinbarten Zinszahlungsintervalls jeweils um einen Monat verlängert. Derartige Bestandverträge erlöschten durch einen vor Ablauf der Bestanddauer eingebrachten Übergabsauftrag.

Das Gericht zweiter Instanz änderte dieses Urteil dahin ab, daß es den Übergabsauftrag vom 30.11.1994 aufhob und das Räumungsbegehren des Klägers abwies. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Entgegen der vom Erstgericht vertretenen Rechtsansicht seien auch auf Mietverhältnisse in Häusern mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen die Kündigungsbeschränkungen des MRG und damit insbesondere die Bestimmungen über die Wirksamkeit von Befristungen gemäß § 29 MRG anzuwenden. Gemäß § 1494 ABGB komme es zu einer Hemmung des Fristenlaufs auch gegenüber dem unvertretenen Nachlaß. Solange kein gesetzlicher Vertreter bestellt sei, könne die Verjährung nicht anfangen; einmal angefangene Ersitzungs- oder Verjährungszeit laufe zwar fort, sie könne aber nie früher als binnen zwei Jahren nach Behebung des Hindernisses vollendet werden. § 1494 ABGB werde auch auf kurze Fristen wie Präklusivfristen angewendet. Mit Zustellung des Beschlusses, mit welchem der einstweiligen Sachwalterin die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses gemäß § 810 ABGB übertragen worden sei, sei das Hindernis der mangelnden Vertretung weggefallen, weshalb ab 11.2.1994 die 14tägige Frist des § 569 ZPO zu laufen begonnen habe. Einer pflegschaftsbehördlichen Genehmigung der von der Sachwalterin getroffenen Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung habe es nicht bedurft. Da die einstweilige Sachwalterin die 14tägige Frist habe ungenutzt verstreichen lassen, sei es zwar zu einer Verlängerung des Mietvertrags jeweils um eine Bestandzinsperiode, also einen Monat, gekommen, jedoch sei dieses Vertragsende mangels Schriftlichkeit der Erneuerungsvereinbarung im Sinn des § 29 Abs 1 Z 3 MRG nicht durchsetzbar. Ein stillschweigend erneuerter Zeitmietvertrag ende im Anwendungsbereich dieser Gesetzesstelle nicht durch bloßen Zeitablauf. Eine Anwendung der gemäß § 1494 letzter Satz ABGB normierten zweijährigen Ablaufhemmung scheitere nach Ansicht des Senats „am Widerspruch zur kurzen Frist“ des § 569 ZPO.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zwar zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bisher zur analogen Anwendung des § 1494 ABGB auf befristete Bestandverhältnisse nicht Stellung genommen hat, es kommt ihr jedoch keine Berechtigung zu.

Gemäß § 1494 ABGB kann die Ersitzungs- oder Verjährungszeit gegen solche Personen, die aus Mangel ihrer Geisteskräfte ihre Rechte selbst zu verwalten unfähig sind, sofern diesen Personen keine gesetzlichen Vertreter bestellt sind, nicht anfangen. Die einmal angefangene Ersitzungs- oder Verjährungszeit läuft zwar fort; sie kann aber nie früher als binnen zwei Jahren nach den „gehobenen Hindernissen“ vollendet werden. Die ältere Rechtsprechung hat die Anwendung des § 1494 ABGB auf erblose Verlassenschaften mit der Begründung abgelehnt, daß es sich bei der zitierten Gesetzesstelle um eine Ausnahmevorschrift handle, die als solche streng auszulegen sei. In der Entscheidung SZ 62/143 ist der Oberste Gerichtshof in der Frage der analogen Anwendung des § 1494 ABGB auf den erblosen Nachlaß von seiner früheren Judikatur abgegangen. Ratio der Ausnahmeregel des § 1494 ABGB sei es, den handlungsunfähigen Gläubiger vor der Gefahr eines Rechtsverlusts durch Verjährung zu schützen; dies treffe auch auf den unvertretenen Nachlaß zu. Diese Rechtsansicht ist nunmehr gefestigt und ständige Rechtsprechung (1 Ob 566/94; 8 Ob 2343/96h; immolex 1997/54). Die im § 1494 ABGB beschriebene Hemmung der Verjährung tritt daher auch im Falle des ruhenden Nachlasses in der Zeit zwischen dem Tod des Erblassers und der Bestellung eines Nachlaßkurators bzw der Betrauung des Erben mit der Verwaltung ein (SZ 62/143; 1 Ob 566/94). Der erkennende Senat sieht sich auch durch die von Graf in JBl 1997, 562 („Wider die Anwendung des § 1494 ABGB auf den unvertretenen Nachlaß“) vorgetragenen Argumente nicht veranlaßt, von dieser Judikaturlinie abzuweichen, zumal die im Folgenden dargestellten Einschränkungen ohnedies im Ergebnis einigen im Aufsatz geäußerten Bedenken Rechnung tragen.

Ebenso ist es gesicherte Rechtsprechung, daß § 1494 ABGB auch auf Präklusivfristen anzuwenden ist (SZ 60/116; immolex 1997/54; 6 Ob 180/97g). Die einschlägigen Verjährungsvorschriften, insbesondere jene des § 1494 ABGB, wurden im Wege der Analogie daher auch auf die Jahresfrist des § 95 EheG angewendet; dabei wurde ausgesprochen, diese Frist könne solange nicht zu laufen beginnen, als der nicht voll geschäftsfähige geschiedene Ehegatte eines gesetzlichen Vertreters entbehre (SZ 60/116; 6 Ob 180/97g). Die Bestimmungen über die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung (§§ 1494, 1497 ABGB) wurden weiters auf einzelne Ausschlußfristen des Arbeitsrechts (WBl 1987, 130), sowie im Verfahren zur Geltendmachung der Erhöhung des Bauzinses (immolex 1997, 309) angewendet.

Gemäß § 1114 ABGB geschieht im Falle, daß eine Aufkündigung nicht bedungen wurde, eine stillschweigende Erneuerung des Bestandvertrags, wenn der Bestandnehmer nach Verlauf der Bestandzeit fortfährt, die Sache zu gebrauchen oder zu benützen und der Bestandgeber es dabei bewenden läßt. Gemäß § 569 ZPO gelten Bestandverträge unter diesen Voraussetzungen nur dann als stillschweigend erneuert, wenn binnen 14 Tagen nach Ablauf der Bestandzeit weder vom Bestandgeber eine Klage auf Zurückstellung noch vom Bestandnehmer auf Zurücknahme des Bestandgegenstands erhoben wird. § 569 ZPO stellt somit die widerlegbare Rechtsvermutung dafür auf, wann es unter den im § 1114 ABGB beschriebenen Bedingungen zu einer Erneuerung des Bestandvertrages kommt. Diese Vermutung der Erneuerung ist durch den erkennbar geäußerten gegenteiligen Willen, etwa durch die Abgabe einer bestimmten Erklärung im zeitlichen Zusammenhang mit dem Endtermin, widerlegbar (JBl 1987, 659; WoBl 1992, 77; JBl 1993, 587; 4 Ob 601/95). Vor diesem rechtlichen Hintergrund kann die Frist des § 569 ZPO kaum als Präklusionsfrist bezeichnet werden, begrenzt doch die Präklusion nach überwiegender Lehre die Lebensdauer eines Rechts von vornherein und unterscheidet sich dadurch von der Verjährung, bei der ein an sich unbefristetes Recht erlischt (Schubert in Rummel ABGB2 § 1451 Rz 5 mwH). Diese Frage muß aber deshalb nicht abschließend geklärt werden, weil auch die fehlende Möglichkeit, das Erlöschen des Bestandvertrags durch Zeitablauf geltend zu machen, zu einem Rechtsverlust des Vermieters führt und damit gerade jener Fall eintritt, der durch die Bestimmung des § 1494 ABGB und die darauf aufbauende Rechtsprechung verhindert werden sollte. Die analoge Anwendung des § 1494 ABGB ist daher auch in jenen Fällen geboten, in denen der Vermieter mangels gesetzlicher Vertretung seine Rechte aus dem Zeitablauf eines befristeten Bestandverhältnisses nicht wahrnehmen kann.

Der ruhende Nachlaß nach der verstorbenen Mutter des Klägers war erst mit Übertragung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses an die einstweilige Sachwalterin vertreten und in der Lage, die Übergabe des Bestandobjekts wegen Zeitablaufs zu begehren. Erst ab diesem Zeitpunkt stellt sich die Frage der Fristwahrung durch die einstweilige Sachwalterin und der möglichen stillschweigenden Erneuerung des Bestandvertrags. Der Zeitpunkt der Bestellung der Rechtsanwältin zur einstweiligen Sachwalterin ist demgegenüber unerheblich, weil der Nachlaß vor der Einantwortung ein nicht dem mutmaßlichen Erben gehörendes Sondervermögen darstellt (SZ 63/30; SZ 69/95; 10 Ob 2113/96z ua).

Der Revisionswerber meint nun, daß ihm von diesem Zeitpunkt an die im letzten Satz des § 1494 ABGB bestimmte zweijährige Frist für die Erwirkung der Übergabe des Bestandobjekts zur Verfügung gestanden sei. Dazu ist zu erwägen:

Der Oberste Gerichtshof hat bisher im Zusammenhang mit der analogen Anwendung der Bestimmung des § 1494 ABGB auf den erblosen Nachlaß zweimal explizit die Zweijahresfrist des letzten Satzes der Gesetzesstelle angewendet, ohne dies jedoch jeweils dogmatisch näher zu begründen. In 1 Ob 566/94 erachtete er die vom Beklagten behauptete Ersitzung des Eigentumsrechts an einer Liegenschaft als nicht gegeben, weil die Feststellungsklage des Verlassenschaftskurators innerhalb der Zweijahresfrist erhoben worden sei. Anlaß der die dargestellte nunmehrige ständige Rechtsprechungslinie einleitenden Entscheidung SZ 62/143 war eine Anfechtungsklage des Verlassenschaftskurators, die deshalb als rechtzeitig, da sie noch innerhalb von zwei Jahren nach der Kuratorbestellung erhoben worden war, angesehen wurde. Diese Entscheidung glossierte Eypeltauer in JBl 1990, 115 und verwies dort insbesondere auf die Entstehungsgeschichte der vom Obersten Gerichtshof analog auf die ruhende Verlassenschaft angewendeten Bestimmung. Während der Entwurf Hortens (Kap 7 § 31) noch vorgesehen habe, daß „wider eine liegende, noch nicht angetretene“ Verlassenschaft keine Verjährung laufe, habe sich diese Bestimmung weder im Entwurf Martinis noch im Ur-Entwurf zum ABGB wiedergefunden. Könne daraus wegen des Fehlens sonstiger Anhaltspunkte zwar nicht der Schluß gezogen werden, daß die analoge Anwendung von Verjährungshemmungsbestimmungen zugunsten des ruhenden Nachlasses unzulässig sei, so müsse doch die Sonderstellung des § 1494 ABGB, die diesem nach dem Willen des historischen Gesetzgebers zukommen sollte, beachtet werden. Um zu verhindern, daß der Minderjährige nach Eintritt der Verjährung „zu Schaden kommt“, ohne gegen seinen Vormund oder das Gericht einen Ersatzanspruch zu haben, weil diesen kein Verschulden zur Last fällt, sei ausnahmsweise dem Schutz des Geschäftsunfähigen und damit des Berechtigten Vorrang gegenüber dem Schutz des Verpflichteten eingeräumt worden (vgl Ofner, Protokolle II 284 f). Der volljährig Gewordene solle ausreichend Zeit haben, sich durch Nachforschung vollständige Kenntnis seiner Rechte zu verschaffen (Ofner aaO 280 f). Der Gesetzgeber habe den Schutz des Geschäftsunfähigen, der im § 21 Abs 1 ABGB als allgemeines Ziel deklariert sei, so wie in anderen Bereichen auch (§§ 151 Abs 3, 865 ABGB) höher bewertet als jenen des Vertragspartners, der verjährungsrechtlich gesehen der eigentlich Schutzwürdige wäre. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich somit, daß die zweijährige Ablaufhemmung des § 1494 ABGB in ihrer konkreten Konzeption nicht verjährungsrechtlich motiviert sei, sondern allein auf das Verhältnis zwischen dem Geschäftsunfähigen einerseits und dessen gesetzlichen Vertreter bzw dem Gericht andererseits abstelle. Ein gleichwertiges Schutzbedürfnis des ruhenden Nachlasses sei allenfalls im Verhältnis zum Verlassenschaftskurator bzw zum Abhandlungsgericht, nicht jedoch im Verhältnis zum Verpflichteten, zu finden. Ihm gegenüber sei eher eine wertungsmäßige Gleichlagerung mit § 1496 ABGB anzunehmen, weil es dem ruhenden Nachlaß wie dem Berechtigten bei Stillstand der Rechtspflege unmöglich sei, ein Recht klageweise durchzusetzen. Werde zum Vertreter des Nachlasses dieselbe Person bestellt, die schon vor Eintritt des vertretungslosen Zustands mit der Vertretung betraut war, komme es über die Hinderung an der gerichtlichen Durchsetzung des Rechts hinaus zu keiner Beeinträchtigung der Position des Berechtigten. Werde hingegen ein neuer gesetzlicher Vertreter bestellt, benötige dieser ausreichend Zeit, um sich durch Nachforschung über die bestehenden Rechte Kenntnis zu verschaffen. Ob dann genügend Zeit zur Verfügung stehe, hänge bei bloßer Fortlaufhemmung vom Zeitpunkt des Eintritts der Vertretungslosigkeit sowie von deren Dauer ab. Je näher dieser Zeitpunkt zum Ablauf der Verjährungsfrist hin liege und je kürzer die Zeit der Vertretungslosigkeit sei, umso weniger Zeit verbleibe dem neuen gesetzlichen Vertreter. Als Mindestfrist, die jedenfalls dem neuen gesetzlichen Vertreter des ruhenden Nachlasses in Form einer Ablaufhemmung zur Verfügung stehen müsse, biete sich die kürzeste allgemeine Frist an, die das ABGB zur gerichtlichen Geltendmachung von Rechten kenne. Es sei dies die sechsmonatige Frist gemäß den §§ 933 und 1097 ABGB. So wie bei diesen gehe es auch bei den gleich langen Fristen des § 6 DHG und § 6 Abs 2 AHG um eine rasche Klärung der Rechtslage im Interesse des Verpflichteten. Mit dieser Lösung sei eine möglichst geringe Beeinträchtigung des Schutzes des Verpflichteten bei gleichzeitig ausreichender Wahrung der Interessen des Berechtigten verbunden.

Bereits Klang (in Klang 2 VI 646) sah das Problem der Frist des letzten Satzes des § 1494 ABGB differenziert. Die Worte des Gesetzes, daß bei Wegfall der Hindernisse die Verjährung oder Ersitzung „nie“ früher als binnen zwei Jahren vollendet werden könne, bedürfen einer Einschränkung für solche Verjährungsfristen, deren Dauer zwei Jahre nicht erreiche. Wollte man die Regel des Gesetzes auch auf solche Fristen anwenden, so käme man zu dem Ergebnis, daß die Verjährung, die schon vor Bestellung des Vertreters begonnen hat, länger dauere als jene, die erst nachher ihren Anfang nimmt. Man werde der Absicht des Gesetzes am besten gerecht, wenn man in diesen Fällen die ganze Verjährungsfrist von dem Wegfall des Hindernisses an laufen lasse. Für die Meinung, daß die Ablaufshemmung bei kürzeren Fristen überhaupt entfalle, biete das Gesetz keine Stütze. Auch Reischauer ging in seinem Aufsatz „Probleme der Dienstnehmerhaftung“ in DRdA 1978, 193 im Zusammenhang mit § 6 DHG auf die Problematik der Zweijahresfrist ein. Diese Frist sei bei kürzeren als zweijährigen Verjährungsfristen nach dem Sinn des Gesetzes zu korrigieren. Die nach behobenem Hindernis zur Verfügung stehende Frist dauere nur so lange wie die Verjährungsfrist selbst, im Fall des § 6 DHG also höchstens sechs Monate. Es wäre sinnwidrig, eine Sechsmonatsfrist um zwei Jahre zu verlängern. Bei sehr kurzen Fristen werde der Fristenlauf allerdings nicht beginnen, bevor der gesetzliche Vertreter um das vom Verlust bedrohte Recht wisse. Die Zweijahresfrist sei dann aber eine absolute Frist.

Auch § 569 ZPO dient ohne Zweifel der raschen Klarstellung der Rechtslage im Interesse beider Vertragspartner. Angesichts der dargestellten gewichtigen Argumente im Schrifttum und mit Rücksicht auf die bloß 14tägige gesetzliche Frist kommt der erkennende Senat zu dem Schluß, daß es dem - von Eypeltauer zutreffend dargestellten - Schutzzweck des Gesetzes nicht entspräche, den ruhenden Nachlaß nach Wegfall des Hinderungsgrunds in jedem Fall eine Frist von zwei Jahren zur Verfolgung seiner Interessen zu eröffnen. Vielmehr ist jeweils im Einzelfall sorgfältig abzuwägen, welche Zeit der neu bestellte gesetzliche Vertreter zumutbarerweise benötigte, um sich mit seiner Aufgabe vertraut zu machen und entsprechende Schritte zu unternehmen. Dabei ist - Reischauer folgend - die Zweijahresfrist als absolute Grenze einzuziehen, die jedoch nur in außergewöhnlich komplexen oder sonst komplizierten Fällen zuzubilligen sein wird. Als allgemeine Richtschnur kann wegen des aus der kurzen gesetzlichen Frist hervorleuchtenden schützenswerten Interesses des Vertragspartners wohl eine Frist von sechs Monaten angenommen werden, die indes wohl insbesondere dann nicht ausgeschöpft werden darf, wenn der gesetzliche Vertreter schon früher mit der Angelegenheit befaßt war und daher wenigstens in groben Zügen als informiert angesehen werden kann.

Für den hier zu beurteilenden Fall zeitigen diese Erwägungen jedenfalls das Ergebnis, daß keinesfalls eine Frist von zwei Jahren zugebilligt werden kann, weil gerade das Haus, auf das sich das strittige Bestandverhältnis bezieht, der herausragende und wesentlichste Vermögensteil des Verlassenschaftsverfahrens war und schon anläßlich der Versiegelung der Wohnung der Verstorbenen im Verlassenschaftsverfahren am 11.10.1993 auf das Bestehen eines Bestandverhältnisses hingewiesen wurde. Der am 16.11.1993 gerade für die Vertretung des Klägers im Verlassenschaftsverfahren bestellten einstweiligen Sachwalterin hätte daher schon bei erstmaliger Akteneinsicht der sich für den möglichen Erben ergebende Problemkreis nicht verborgen bleiben dürfen. Im Verfahren wurde weder vorgebracht, noch ist sonst ersichtlich, daß es der Sachwalterin aus anderen Gründen nicht möglich gewesen wäre, sich innerhalb angemessener kurzer Zeit über den Inhalt des Bestandvertrags zu informieren und entsprechende Schritte zu unternehmen. Der Hinweis auf das Erfordernis pflegschaftsbehördlicher Genehmigung muß schon deshalb versagen, weil sich aus dem Pflegschaftsakt ergibt, daß diese innerhalb zweier Tage erteilt wurde (Einlangen des Antrags ON 29 am 21.12.1994, Beschluß ON 30 vom 23.12.1994, am selben Tag abgefertigt und am 27.12.1994 der Sachwalterin zugestellt). Selbst wenn man zugunsten des Klägers trotz dieser Umstände eine Sechsmonatsfrist veranschlagt, ergibt sich, daß der nach Zustellung des Beschlusses auf Überlassung von Besorgung und Verwaltung des Nachlasses am 11.2.1994 erst am 29.11.1994 bei Gericht eingebrachte Übergabsauftrag verfristet ist.

Schon das Berufungsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, daß auch für vermietete Häuser mit höchstens zwei Wohnungen gemäß § 1 Abs 4 MRG das Schriftlichkeitsgebot des § 29 MRG gilt. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung kann ein befristeter Mietvertrag nur schriftlich wirksam befristet verlängert werden (SZ 60/182, SZ 60/263, JBl 1987, 659; 8 Ob 1583/92; 6 Ob 327/97z). Bloß stillschweigend verlängerte Mietverträge enden nicht durch Zeitablauf. Sie können nur gerichtlich (§ 33 MRG) aus wichtigem Grund gemäß § 30 MRG aufgekündigt werden (JBl 1989, 177; 6 Ob 327/97z).

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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