OGH 6Ob205/97h

OGH6Ob205/97h23.4.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Traute H*****, vertreten durch Dr.Anton Baier, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Annie (auch Anna) H*****, vertreten durch Dr.Johannes Hock und Dr.Johannes Hock jun., Rechtsanwälte in Wien, wegen 450.000 S sA infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 22.April 1997, GZ 14 R 223/96h-203, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

In dem seit 28.April 1978 anhängigen Rechtsstreit war der erkennende

Senat bis dato dreimal befaßt: Im 1.Rechtsgang durch seinen Aufhebungsbeschluß GZ 6 Ob 703, 704/84-86. Im 2.Rechtsgang wurde im Teilurteil und Aufhebungsbeschluß GZ 6 Ob 594/88-119 die Rechtsauffassung vertreten, die letztwillige Verfügung der beklagten Liegenschaftseigentümerin und Tante der Klägerin habe Wirkung unter Lebenden, sodaß die Geschäftsgrundlage, von der die Streitteile bei Bauführung der Klägerin auf der Liegenschaft ausgegangen seien, nachträglich wegen Testamentswiderufs durch die Beklagte weggefallen sei. Damit stehe der Klägerin das lebenslange Wohn- und Nutzungsrecht am Haus und an der Liegenschaft sowie in Ansehung ihrer Aufwendungen ein nach § 1431 ABGB zu ermittelnder Kondiktionsanspruch mit wechselseitiger Abrechnung, bezogen auf den Stichtag 17.Dezember 1982 (Bekanntgabe des Testamentswiderrufs an die Klägerin; im folgenden nur Stichtag) zu. Nach der Rechtsauffassung des erkennenden Senats im

3. Rechtsgang GZ 6 Ob 580/91, 508/92-157 (veröffentlicht in JBl 1993, 592 = ZfRV 1992, 382), womit das Berufungsurteil ON 149 in seinem bestätigenden und aufhebenden Teil gebilligt wurde, ist für den behaupteten Kondiktionsanspruch der Klägerin von noch strittigen 700.000 S von den bindenden Ausführungen (§ 511 Abs 1 ZPO) in ON 119 auszugehen; dabei sind auch die Abzüge von der Kondiktionsforderung zu prüfen. Dazu gehöre auch die in Geld allenfalls unter Anwendung des § 273 ZPO zu bewertende Risikoübernahme der beklagten Liegenschaftseigentümerin für die Übernahme der Sachhaftung in Ansehung der von der Klägerin zur Finanzierung des Hausbaues aufgenommenen Darlehen.

Das Erstgericht sprach im 4.Rechtsgang der Klägerin 700.000 S sA aus dem Rechtstitel der Kondiktion zu und stellte dazu, soweit hier relevant, fest: Während aufrechter Ehe der Klägerin seien aus der Vermögenssphäre ihres Gatten etwa 600.000 S in den Hausbau investiert worden, weil es sich dabei auch um die eheliche Wohnung gehandelt habe. Zur Zeit ihrer Scheidung (1971) sei die Beziehung der Klägerin zur Beklagten noch ungetrübt gewesen. Die Beklagte habe gewollt, daß der Klägerin das Haus samt Aufwendungen auch nach der Scheidung vollkommen und ungeschmälert erhalten bleibe und der geschiedene Gatte der Klägerin keine Ansprüche gegen die Klägerin erheben könne. Seine Verzichtserklärung Beilage HHH (Informationsaufnahme beim Rechtsanwalt am 30.August 1971), die die Beklagte auch gekannt habe, habe nach der Absicht der Beklagten ausschließlich der Klägerin einen Vorteil bringen sollen. In diesem Sinn sei die Erklärung auch vom geschiedenen Gatten der Klägerin und dem die Information aufnehmenden Rechtsanwalt aufgefaßt worden.

Die Beklagte habe die Klägerin ab 1968 finanziell beim Hausbau mit insgesamt etwa 285.000 S ausschließlich deshalb unterstützt, um ihren Lebensunterhalt zu sichern und sie finanziell unabhängig zu machen. Eine mögliche Rückforderung dieser Beträge wäre in der Vorstellung der Streitteile gerade zu absurd gewesen, weil die Beklagte damals nur das Ziel gehabt habe, alles für die Klägerin zu tun. Die Beklagte habe auch gewußt, daß zur Finanzierung des Hausbaues Fremdmittel in Anspruch genommen werden müßten und sei mit der hypothekarischen Belastung ihrer Liegenschaft zur Sicherung dieser Darlehen einverstanden gewesen. Die Klägerin habe daher mit Zustimmung der Beklagten auf der Liegenschaft pfandrechtlich sichergestellte Darlehen aufgenommen, die zum Stichtag mit rund 300.385 S aushafteten. Die Annuitäten dieser Darlehen seien von der auch persönlich haftenden Klägerin laufend zurückgezahlt worden. 1996 seien noch zwei Darlehen mit etwa 55.000 S und etwa 91.000 S offen ausgehaftet. Durch die Aufwendungen der Klägerin sei der Wert der klägerischen Liegenschaft um rund 1,35 Mio S, bezogen auf den Stichtag, erhöht worden, das der Klägerin eingeräumte lebenslange Nutzungsrecht habe damals einen Wert von 650.000 S gehabt. Die zugunsten der Darlehensforderungen einverleibten Pfandrechte würden sich nur bei einem - mit Rücksicht auf das lebenslange Nutzungsrecht zugunsten der Klägerin mit Sicherheit auszuschließenden - Verkauf der Liegenschaft kaufpreismindernd auswirken.

Das Berufungsgericht reduzierte unter Billigung der erstinstanzlichen Feststellungen den Zuspruch auf 450.000 S sA - die Teilabweisung von 250.000 S sA blieb unangefochten - , weil von der Wertvermehrung von 1,35 Mio S auch die von der Beklagten der Klägerin für den Hausbau bzw dessen Finanzierung zur Verfügung gestellten Beträge von zusammen 230.000 S sowie 20.000 S für das Risiko der Inanspruchnahme der Sachhaftung der Liegenschaft, beides bemessen nach § 273 ZPO, abzuziehen seien. Zufolge ergänzender Vertragsauslegung unter dem Gesichtspunkt, daß ein Interessengegensatz zwischen den Streitteilen bei Scheidung der Ehe der Klägerin nicht abzusehen gewesen sei, habe der geschiedene Gatte der Klägerin in Ansehung seiner Aufwendungen für den Hausbau von etwa 600.000 S anläßlich der Scheidung nur zugunsten der Klägerin auf seine Ansprüche verzichtet, sodaß die Wertschöpfung nur ihr - und nicht der Beklagten - zugute kommen sollte. Daher könne die Klägerin auch für diese Aufwendungen Ersatz verlangen.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte bringt in ihrer außerordentlichen Revision keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO zur Darstellung:

a) Das Berufungsgericht ist grundsätzlich an seine in einem Aufhebungsbeschluß geäußerte Rechtsansicht gebunden. Geht es von dieser dennoch ab, ist dies dann ohne Bedeutung, wenn der Oberste Gerichtshof die erste Ansicht des Berufungsgerichtes als unrichtig, die zweite dagegen als richtig erachtet (SZ 55/95; 6 Ob 613/90 = EFSlg 64.487; 1 Ob 2169/96v; RIS-Justiz RS0042181). Eine Abweichung von einer in einem Aufhebungsbeschluß ausgesprochenen Rechtsansicht kann niemals einen Revisionsgrund bilden, weil die Bindungsvorschrift des § 499 Abs 2 ZPO nur in bezug auf die rechtliche Beurteilung besteht, die aber letztlich dem Revisionsgericht zusteht, sodaß es gleichgültig ist, ob das Berufungsgericht von seiner ursprünglichen Rechtsansicht abgegangen ist, wenn nur die Rechtsansicht in der zweiten Berufungsentscheidung die richtige ist (zuletzt 4 Ob 1568/95; RIS-Justiz RS0042173; Kodek in Rechberger, § 499 ZPO Rz 2 und die dort angeführte Rspr).

Tatsächlich besteht hier aber der von der Revisionswerberin behauptete Widerspruch zwischen den beiden zweitinstanzlichen Entscheidungen ON 149 und ON 203 nicht. Denn nach dem im

3. Rechtsgang, vom Obersten Gerichtshof mit ON 157 gebilligten, von der Berufungsinstanz erteilten Auftrag hatte sich das Erstgericht mit der Behauptung der Beklagten auseinanderzusetzen, der geschiedene Gatte der Klägerin hätte zu den Aufwendungen für den Aufbau mit rund 600.000 S beigetragen; dieser habe nicht nur gegenüber der Klägerin, sondern auch gegenüber der Beklagten auf alle diesbezüglichen Forderungen verzichtet. Soweit es sich um Aufwendungen handle, die nicht von der Klägerin getätigt worden seien, wäre sie zu deren Geltendmachung im Wege eines Kondiktionsanspruches nur insoweit berechtigt, als ihr geschiedener Gatte zu ihren Gunsten, nicht aber zugunsten der Beklagten auf den Ersatz dieser Aufwendungen verzichtet habe. Ein solcher nur zugunsten der Klägerin ausgesprochener Verzicht käme einer Zession dieses Anspruches an die Klägerin gleich. Es werde daher auch festgestellt werden müssen, ob und in welcher Höhe der geschiedene Gatte der Klägerin Aufwendungen auf der Liegenschaft gemacht und ob er auf diesen Anspruch (nur) zugunsten der Klägerin verzichtet habe. Ein wirksamer Verzicht auch gegenüber der Beklagten würde voraussetzen, daß die Beklagte in diese Vereinbarung eingebunden worden sei und den Verzicht angenommen habe. Im folgenden

4. Rechtsgang wurden von den Tatsacheninstanzen Feststellungen getroffen, daß nur zugunsten der Klägerin und nicht auch zugunsten der Beklagten ein Verzicht erfolgt sei. Das Berufungsgericht konnte im 3.Rechtsgang nur seine Rechtsansicht überbinden, nicht aber eine bestimmte Würdigung anderer Beweismittel zum Thema eines Verzichtes und der dabei maßgeblichen Parteienabsicht. Im Ergebnis ficht somit die Beklagte unzulässigerweise, auch aus dem Grund der Aktenwidrigkeit, die der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogene Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen an. Danach war aber die Beklagte, die sich nun im Rahmen einer Beweisrüge auf den Inhalt der Beilagen 14 (Aktennotiz des Rechtsanwaltes vom 2.September 1971), 15 (Schreiben des Rechtsanwaltes an die Beklagte vom 11.Oktober 1972) und 55 (Schreiben des Rechtsanwaltes an den geschiedenen Gatten der Klägerin vom 9.Oktober 1972) beruft, gerade nicht in den Verzicht des geschiedenen Gatten der Klägerin eingebunden.

b) Nach stRspr (RIS-Justiz RS0043369) gehört die rechtliche Würdigung von Willenserklärungen, Verträgen etc zur rechtlichen Beurteilung. Nur dann, wenn zur Feststellung der Parteienabsicht der Text einer Urkunde allein herangezogen wird, ist die Parteienabsicht durch Auslegung dieser Urkunde zu ermitteln. Wurden aber wie hier neben der Urkunde auch andere Erkenntnisquellen, wie die Aussage von Zeugen (hier: Vertragsverfasser und geschiedener Gatte der Klägerin) und/oder die Vernehmung der Parteien herangezogen, dann ist die Feststellung der entsprechenden Parteienabsicht dem tatsächlichen Bereich zuzuordnen (RZ 1989/68 mwN; SZ 60/266; JBl 1985, 97 uva; RIS-Justiz RS0043369) und muß sich damit einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entziehen. Daß ein Verzicht des geschiedenen Gatten der Klägerin auf seine Ansprüche aus den Aufwendungen zum Hausbau von rund 600.000 S gegenüber der Klägerin inhaltlich eine Zession dieser Forderung an die Klägerin darstellt, wurde bereits im

3. Rechtsgang gebilligt.

c) In der Vorentscheidung im 3.Rechtsgang ON 157 wurde ausgeführt, das nach § 273 ZPO zu bewertende Risiko für die Übernahme der Sachhaftung der fremden Liegenschaft sei noch festzustellen, nicht aber, wie offenbar nun die Beklagte vermeint, das abzugeltende Risiko der Beklagte sei gleich hoch wie die gesamte Pfandbelastung der Liegenschaft. Erhebliche Rechtsfragen bei der vom Berufungsgericht unter Heranziehung des § 273 ZPO mit 20.000 S bewerteten Risiko in Geld, bezogen auf den Stichtag, zeigt das Rechtsmittel nicht auf.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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