OGH 9ObA61/98f

OGH9ObA61/98f1.4.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hopf sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Elmar A. Peterlunger und Herbert Hannig als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dietrich S*****, Angestellter, *****, vertreten durch DDr. Elisabeth Steiner und Dr. Daniela Witt-Dörring, Rechtsanwältinnen in Wien, wider die beklagte Partei Ö***** AG, *****, vertreten durch Dr. Johannes Stieldorf, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 392.378,66 brutto samt Anhang (Revisionsinteresse S 384.346,98), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Oktober 1997, GZ 10 Ra 245/97s-43, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 14. Februar 1997, GZ 31 Cga 23/96w-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 17.550,-- (darin enthalten S 2.925 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen).

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat zutreffend die Rechtzeitigkeit und Begründetheit der Entlassung des Klägers wegen Vertrauensunwürdigkeit bejaht, sodaß auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers folgendes zu erwidern:

Der im gesamten Verfahren qualifiziert vertretene Kläger stützte sich in erster Instanz zur behaupteten Verfristung der Entlassung nur darauf, daß ihn der zuständige Personalchef der Beklagten nicht schon am Tag der Kenntniserlangung vom Entlassungssachverhalt, sondern erst am nächsten Tag entlassen habe (ON 5, AS 15). Soweit in der Revision geltend gemacht wird, daß die beiden unmittelbaren Vorgesetzten des Klägers, der Leiter und der Stellvertreter des Leiters der Buchhaltung, schon einige Tage vor dem Personalchef Kenntnis vom Entlassungsgrund gehabt hätten, so ist hieraus für den Standpunkt des Revisionswerbers nichts zu gewinnen, weil diese beiden Personen nach den erstgerichtlichen Feststellungen weder Vertreter des Arbeitgebers, noch zur Vornahme von Entlassungen befugt oder sonst als leitende Angestellte ganz oder teilweise mit Personalagenden befaßt waren. Deren Kenntnis vom Entlassungsgrund ist daher nicht der Kenntniserlangung durch den Arbeitgeber gleichzuhalten (Kuderna, Entlassungsrecht2 18; Arb 9.424 ua).

Die Entlassung eines Arbeitnehmers kann nicht auf bloße Verdachtsmomente gestützt werden; der Arbeitgeber hat vor dem Ausspruch der Entlassung zu prüfen, ob sich der Angestellte tatsächlich eines pflichtwidrigen Verhaltens schuldig gemacht hat oder nicht (Kuderna aaO 87; Arb 9.238, 9.909; RIS-Justiz RS0028842). Ob eine Enlassung rechtzeitig oder verspätet vorgenommen wurde, läßt sich nur nach den Umständen des Einzelfalles richtig beurteilen. Die Unterlassung der sofortigen Geltendmachung eines Entlassungsgrundes führt dann nicht zur Verwirkung des Entlassungsrechtes, wenn das Zögern in der Sachlage begründet war (Arb 9.606, 10.445; RIS-Justiz RS0031571). Da der Personalchef erstmals am Freitagnachmittag vom Vorwurf, der Kläger habe sich Gutstunden erschlichen, erfuhr, er hierauf den unmittelbaren Vorgesetzten mit weiteren Erhebungen beauftragte, er schließlich am darauffolgenden Montag den Kläger mit dem Vorwurf unter Androhung der Entlassung für den Fall der mangelnden Rechtfertigung bis zum nächsten Tag konfrontierte, kann in der schließlich am nächsten Tag ausgesprochenen Entlassung kein schuldhaftes, ungebührlich langes Zögern der Beklagten erblickt werden, aus dem der Kläger auf einen Verzicht des Arbeitgebers auf die Geltendmachung des Entlassungsgrundes schließen durfte (Arb 9.564, 9.606, 10.445 ua).

Der Hinweis des Revisionswerbers, beim Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit sei nicht nur der letzte, unmittelbar zur Entlassung führende Vorfall, sondern das Gesamtverhalten des Arbeitnehmers innerhalb eines längeren Zeitraumes zu berücksichtigen, ist grundsätzlich richtig (Kuderna aaO 87; RIS-Justiz RS0081395). Diese Gesamtschau schlägt allerdings im vorliegenden Fall nicht zugunsten des Revisionswerbers aus. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen erschlich sich nämlich der Kläger durch mißbräuchliche Handhabung des Zeiterfassungssystems der Beklagten vorsätzlich nicht nur am 21.6.1995, sondern auch schon vorher am 31.5.1995 und an zwei bis drei weiteren Tagen im Frühjahr 1995 mehrere Gutstunden, denen keine tatsächliche Arbeitsleistung gegenüberstand. Damit machte sich aber der Kläger in nachhaltiger Weise Handlungen schuldig, die ihn des Vertrauens des Arbeitgebers unwürdig erscheinen ließen (§ 27 Z 1 dritter Tatbestand AngG). Die beklagte Partei mußte aufgrund der mehrmaligen unwahren Angaben des Klägers über erbrachte Leistungen, nicht zuletzt auch im Zusammenhang mit dem Leugnen des Klägers, als er erstmals mit dem Entlassungssachverhalt und den gegen ihn sprechenden Beweisen konfrontiert wurde, befürchten, daß dieser auch weiterhin seine Pflichten nicht getreulich erfüllen werde (Kuderna aaO 86, 89 mwN). Aufgrund der nachhaltigen Pflichtwidrigkeit des Klägers war dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst während der Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar (RdW 1996, 218).

Entgegen den Behauptungen des Revisionswerbers kann sein Verhalten weder durch die "Eigenartigkeit" des gegenständlichen Zeiterfassungssystems noch durch ein angebliches "Bereicherungspotential" oder durch "Verrechnungsgewinne" der Beklagten entschuldigt werden. Dem Standpunkt des Revisionswerbers, daß bei Angestellten "ein anderer Maßstab hinsichtlich tatsächlich erbrachter Arbeitsleistungen" als im "Bereich manueller Arbeitsleistung" anzulegen sei, kann in dieser Form nicht beigetreten werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte