OGH 3Ob19/96

OGH3Ob19/9625.3.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Walter K*****, Frauenarzt, *****, vertreten durch Mag. Dr. Hella Ranner und Dr. Franz Krainer, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Rudolf A*****, Student, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Piffl-Percevic, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung (Streitwert S 350.000), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 19. Juni 1995, GZ 4 R 175/95-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 16. Februar 1995, GZ 5 C 519/94f-22, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und in der Sache selbst das das Klagebegehren abweisende Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

42.714 (darin enthalten S 7.119 USt) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist grundbücherlicher Eigentümer der Wohnung top Nr. 3 im Haus *****. Der Beklagte bewohnt diese Wohnung seit 1986 aufgrund eines unbefristeten Mietvertrages.

Am 17.11.1992 schlossen die Streitteile einen gerichtlichen Räumungsvergleich, der auszugsweise wie folgt lautete:

"2.) Die beklagte Partei verpflichtet sich bei sonstiger Exekution, das ........... Mietobjekt ............ bis spätestens 30.9.1993 zu räumen und der klagenden Partei geräumt von persönlichen Fahrnissen zu übergeben.

3.) Dieser Vergleich wird seitens des Beklagten unter der Bedingung abgeschlossen, daß der Kläger bei Frau Mag. Dr. Hella R***** ein auf Inhaber lautendes Sparbuch mit einer Einlage von S 350.000 binnen zwei Monaten hinterlegt mit dem unwiderruflichen, schriftlichen Auftrag, daß Frau Mag. Dr. R***** an den Beklagten Zug um Zug mit der Schlüsselübergabe dieses Sparbuch als Entschädigung für den Ausmietungsschaden übergibt, wenn die Schlüsselübergabe spätestens am 31.1.1993 erfolgt. Sollte die Schlüsselübergabe bis 31.3.1993 erfolgen, erhält der Beklagte das Sparbuch abzüglich S 20.000. Bei einer späteren Räumung erhält der Beklagte das Sparbuch abzüglich S 100.000.

4.) Für den Fall, daß die Räumung zu dem vereinbarten Räumungstermin, also dem 30.9.1993, nicht erfolgt, verpflichtet sich der Beklagte zur Zahlung eines Pönales in Höhe von S 50.000.

.........................................................."

Bisher erfolgte keine Räumung der Wohnung durch den Beklagten.

Mit Titelergänzungsklage gemäß § 10 EO begehrt der Kläger die Feststellung, daß er am 15.1.1993 an die Klagevertreterin ein (in der Klage näher bezeichnetes) Sparbuch mit einem Einlagestand von S 350.000 zur Erfüllung der Bedingung gemäß Punkt 3.) des Räumungsvergleiches übergeben habe und daher die Vollstreckbarkeit des Vergleiches gegeben sei. In der Folge dehnte der Kläger das Klagebegehren um ein weiteres, erkennbar hilfsweise gestelltes Feststellungsbegehren aus, daß der Klagevertreterin vom Kläger im November 1992 drei Sparbücher über den Wert von S 410.000 zur Erfüllung des Punktes 3.) des Vergleiches mit dem Auftrag zur Erfüllung der Bedingung gemäß Punkt 3.) übergeben worden seien und daher die Vollstreckbarkeit des Vergleiches gegeben sei (ON 18, AS 105). Im November 1992 seien vier Sparbücher mit dem Auftrag umgewidmet worden, sie gemäß Punkt 3.) des Vergleiches zu verwenden. Ende September 1993 sei ein Sparbuch mit einem Wert von S 350.000 per 15.1.1993 (rückwirkend) eröffnet worden. Der Kläger habe die im Räumungsvergleich vereinbarte Bedingung erfüllt, der Beklagte habe dennoch das Bestandobjekt nicht geräumt. Da der Eintritt der Bedingung nicht durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen werden könne, müsse eine Titelergänzungsklage erhoben werden.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß ihm die im Räumungsvergleich vereinbarte fristgerechte Hinterlegung des Sparbuches größtmögliche Sicherheit bei der Abwicklung der Räumung im Hinblick auf die im Falle einer Neuanmietung einer anderen Wohnung zu erwartende Verpflichtung zur Zahlung einer Ablöse bieten sollte. Der Räumungsvergleich sei unwirksam, weil der Kläger die vereinbarte Bedingung nicht erfüllt habe. Die Behauptung, es wäre (generell) unmöglich, eine öffentliche Urkunde über den Eintritt der vereinbarten Bedingung zu erwirken, werde bestritten. Das Hauptfeststellungsbegehren sei unschlüssig, weil es nicht auch die im Vergleich enthaltene zweite Bedingung des schriftlichen Auftrages des Klägers an die Klagevertreterin, das Sparbuch dem Beklagten bei der Schlüsselübergabe auszuhändigen, enthalte. Die Titelergänzungsklage sei im übrigen auch deshalb unzulässig, weil die Parteien den Mietvertrag durch Zahlung und Annahme der Mietzinse fortgesetzt haben.

Das Erstgericht wies das Haupt- und das Eventualfeststellungsbegehren ab. Unter Zugrundelegung des eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhaltes vertrat es die Rechtsauffassung, daß die Titelergänzungsklage gemäß § 10 EO nur dann erfolgreich und zulässig sei, wenn der Gläubiger oder sein Rechtsnachfolger in den Fällen des § 7 EO den Eintritt der Fälligkeit oder die für den Eintritt der Vollstreckbarkeit maßgebenden Tatsachen, namentlich die von ihm zu bewirkende Vorleistung nicht durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachweisen könne. Bei rechtzeitiger Hinterlegung des Sparbuches vor Ablauf der Frist und Vorlage der entsprechenden Urkunden bei einem Notar wäre ein solcher urkundlicher Nachweis ohne weiteres möglich gewesen. Es entfalle damit die Notwendigkeit und Zulässigkeit einer Klage nach § 10 EO.

Das Berufungsgericht hob infolge Berufung des Klägers das Ersturteil auf und trug dem Erstgericht eine Verfahrensergänzung und neuerliche Entscheidung auf. Es erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig und sprach (in der Begründung) aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, S 50.000 übersteigt (S. 15 des Berufungsurteils).

Das Berufungsgericht billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes, daß die Titelergänzungsklage nach § 10 EO nur dann zulässig sei, wenn der Gläubiger in den Fällen des § 7 EO den Eintritt der Fälligkeit und/oder die für den Eintritt der Vollstreckbarkeit maßgebenden Tatsachen nicht durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden beweisen könne, erachtete jedoch das Verfahren für ergänzungsbedürftig, weil das Erstgericht nicht erörtert habe, ob nicht dem Vergleich die Absicht zugrundegelegen sei, daß auch das Vorhandensein von mehreren Sparbüchern mit Einlagen von zusammen mehr als S 350.000 genüge bzw welche Interessen der Kläger bei redlicher Vertragsabwicklung daran gehabt habe, daß ein gesondertes Sparbuch über S 350.000 erlegt und schon vor einer Exekutionsführung vorgewiesen werde.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem Berufungsgericht die Entscheidung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens aufzutragen.

Der Kläger beantragt, den Rekurs "aufgrund der Einzelfallproblematik" zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und berechtigt. Es kann sogleich durch Urteil in der Sache selbst erkannt werden, da die Streitsache zur Entscheidung reif ist (§ 519 Abs 2 ZPO). Da die Spruchreife von Amts wegen wahrzunehmen ist, bedarf es keines dahin abzielenden Rechtsmittelantrages der Parteien (Fasching, Lehrbuch2 Rz 1823).

Zutreffend gehen die Parteien und die Vorinstanzen vom Vorliegen einer Titelergänzungsklage nach § 10 EO aus. Diese setzt voraus, daß die in den §§ 7 und 9 EO geforderten urkundlichen Nachweise nicht erbracht werden können. § 7 Abs 2 EO normiert, daß - soweit hier relevant - der Eintritt der für die Vollstreckbarkeit maßgebenden Tatsachen mittels öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunden bewiesen werden muß, wenn im Exekutionstitel die Vollstreckbarkeit des Anspruches von den seitens des Berechtigten zu beweisenden Eintritt einer Tatsache, namentlich von einer vorangegangenen Leistung des Berechtigten abhängig ist. Davon, daß der gegenständliche Räumungsvergleich unter der Bedingung einer Vorleistung des betreibenden Gläubigers abgeschlossen wurde, deren Eintritt gemäß § 7 Abs 2 EO von ihm urkundlich nachzuweisen ist, gehen die Parteien übereinstimmend und zutreffend aus. Wenn dies nicht der Fall wäre, dann wäre die Exekution ohne Nachweis dieser Tatsache zu bewilligen (Heller/Berger/Stix, EO I4 195; RZ 1991/63). Dem Berufungsgericht ist zuzubilligen, daß es vielfach Sache der Auslegung des Titels ist, ob der Berechtigte den Eintritt einer Tatsache beweisen muß (Heller/Berger/Stix aaO 196). Eine Verfahrensergänzung ist jedoch insoweit entbehrlich, weil bei Verneinung eines vom Berechtigten zu erbringenden Nachweises, eine Titelergänzungsklage nach § 10 EO von vornherein nicht erforderlich wäre. Zweck dieser Klage ist nämlich, daß der Nachweis bestimmter Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen für einen vorhandenen Exekutionstitel überhaupt erforderlich ist (SZ 50/30 mwN).

Aus § 10 EO iVm § 7 Abs 2 EO folgt aber auch, daß die Titelergänzungsklage nur dann zulässig ist, wenn der betreibende Gläubiger in den Fällen des § 7 EO den Eintritt der Fälligkeit oder die für den Eintritt der Vollstreckbarkeit maßgebenden Tatsachen, namentlich die von ihm zu bewirkende Vorleistung, nicht durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden beweisen kann. Ist der urkundliche Nachweis hingegen möglich, dann ist das Begehren einer Titelergänzungsklage nach § 10 EO abzuweisen (SZ 47/22, vgl SZ 50/30; Stagel, in ÖJZ 1952, 345 [346]; Heller/Berger/Stix aaO 245).

Die Möglichkeit des Klägers, den urkundlichen Nachweis gemäß § 7 Abs 2 EO zu erbringen, wurde vom Beklagten schon in erster Instanz geltend gemacht. Der unsubstantiierten Bestreitung durch den Kläger war in erster Instanz nicht zu entnehmen, worin er ein Hindernis für die Erbringung des geforderten Nachweises sieht. Nun trifft es gewiß zu, daß der Eintritt einer Bedingung im Sinne des § 7 Abs 2 EO nicht durch eine öffentliche Privaturkunde, mit der der daraus Berechtigte den Eintritt der Bedingung bestätigt, erbracht werden. Die Bestätigung muß in der gehörigen Form durch den Verpflichteten erfolgen. Hier aber handelt es sich darum, daß bei einem Dritten ein Sparbuch verbunden mit einem unwiderruflichen schriftlichen Auftrag erlegt wird. Der außenstehende Dritte hat dann aber sehr wohl die Möglichkeit, den Eintritt der Bedingung durch eine öffentlich begläubigte Urkunde zu bestätigen (vgl Heller/Berger/Stix 198). Daß der außenstehende Dritte die Abgabe einer solchen Erklärung verweigert hätte, wurde nicht behauptet. Unzweifelhaft war zwar die Herstellung einer öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde mit Kosten verbunden. Dieser Umstand befreit den Kläger allerdings nicht von der Verpflichtung gemäß § 7 Abs 2 EO. Daß der Beklagte die Erbringung der Vorleistung durch den Kläger schuldhaft vereitelt hätte (SZ 39/134), behauptet der Kläger nicht.

Ob der Kläger der Vorleistung nicht nur durch ein Sparbuch über S 350.000 sondern auch durch vier Sparbücher über S 410.000 entsprechen konnte, worauf das Eventualfeststellungsbegehren abzielt, ist für den Verfahrensausgang unerheblich. Ein relevanter Unterschied für die Frage, ob ein urkundlicher Nachweis überhaupt möglich ist, folgt hieraus nicht. Ob der Kläger die im Vergleich vereinbarte Vorleistung ohnehin erbrachte, ob das Sparbuch durch ein Losungswort gesichert werden durfte, ob die Klagevertreterin auch als Treuhänderin des Beklagten fungierte, oder ob der Vergleich (in materiellrechtlicher Hinsicht) noch wirksam ist, braucht hier nicht geprüft werden. Da das Erstgericht die Rechtsfrage der Unzulässigkeit der Titelergänzungsklage richtig gelöst hat, erweist sich der Rekurs des Beklagten zufolge Spruchreife der Sache als im Ergebnis berechtigt, weshalb das klageabweisende Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen war (§ 519 Abs 2 ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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