Spruch:
Die Vollstreckbarkeit eines Anspruches kann auch dann nach § 10 EO. festgestellt werden, wenn der Schuldner den Eintritt der die Vollstreckbarkeit aufschiebenden Bedingung (Vorleistung) schuldhaft vereitelt hat
Entscheidung vom 3. August 1966, 3 Ob 63/66
I. Instanz: Kreisgericht Wels; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz
Text
Ein zwischen den Streitteilen zu 5 Cg .../61 des Kreisgerichtes Wels geführter Rechtsstreit wurde am 17. April 1964 mit gerichtlichem Vergleich beendet. In diesem Verfahren verpflichtete sich der Beklagte, dem Kläger 17.000 S binnen 14 Tagen nach Fertigstellung folgender Arbeiten zu bezahlen:
"a) Teilweise Neuisolierung der über der Garage liegenden Terrasse, sodaß die Garagendecke nicht mehr wasserdurchlässig ist, samt den zusätzlichen Betonierungs-, Anwurfs- und sonstigen Ausbesserungsarbeiten; b) teilweise Neuherstellung des Terrazzobodens, soweit die Neuherstellung durch die unter a) angeführten Arbeiten erforderlich wird.
Die Arbeiten unter a) werden durch die Fa. Leo W., Isolierungen, in Mondsee durchgeführt, wobei diese Firma die Garantie für die Wasser-Undurchlässigkeit der Decke für die Dauer von zwei Jahren zu übernehmen hat. Der Kläger tritt dieser Garantieerklärung bei.
Die Arbeiten unter b) werden von der Fa. Georg M. sachgemäß durchgeführt. Der Kläger garantiert die sachgemäße Durchführung dieser Arbeiten mit der Einschränkung, daß er berechtigt ist, die Terrazzoarbeiten von der Firma Anna H. insoweit durchführen zu lassen, als die Firma M. die Anbotbedingungen der Firma H. nicht akzeptieren sollte.
Die Kosten für die Ausführung der Arbeiten unter a) und b) hat der Kläger an die oben genannten Firmen zur Überweisung zu bringen."
Der Kläger behauptet nunmehr, der Beklagte habe zu Unrecht die Vornahme der Isolierungsarbeiten durch die Firma W. verhindert und beantragt - nachdem ein zur Hereinbringung von 17.000 S eingebrachter Fahrnisexekutionsantrag mangels Nachweises der Erbringung der obenangeführten Arbeiten abgewiesen worden war -, den Beklagten schuldig zu erkennen, dem Kläger 17.000 S zu bezahlen. Mit diesem Leistungsbegehren verband er das Eventualbegehren, es werde festgestellt, daß der Beklagte die Durchführung der oben unter a) und b) angeführten Arbeiten bis zum 15. Juni 1964 grundlos verweigert hat.
Der Erstrichter hat das Hauptbegehren abgewiesen und im Sinne des Eventualbegehrens erkannt.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es auch das Eventualbegehren abwies. Der in § 7 EO. geforderte Nachweis des Eintrittes der Vollstreckbarkeit könne nicht durch die Feststellung ersetzt werden, daß der Schuldner den Eintritt der für die Vollstreckbarkeit maßgebenden Bedingung schuldhaft vereitelt habe. Im allgemeinen dürfe eine Exekution nicht bewilligt werden, wenn die in § 7 (1) EO. festgesetzten Voraussetzungen fehlen. Eine der Ausnahmen sei § 7 (2) EO., falls die Vollstreckbarkeit des Anspruchs von dem seitens des Berechtigten nachzuweisenden Eintritt einer Tatsache abhänge. Die Strenge des Exekutionsverfahrens verbiete es, den Gesetzeswortlaut "Eintritt einer Tatsache" dahin ergänzend auszulegen, daß auch der Nichteintritt der Bedingung die Vollstreckbarkeit eines Ausspruches zur Folge habe, möge auch nach materiellem Recht die Vereitlung des Eintritts einer Bedingung durch den Verpflichteten deren Eintritt gleichgehalten werden. Ein Urteil, mit dem die Vereitlung des Eintritts einer Bedingung festgestellt werde, könne daher nicht den in § 7 EO. geforderten urkundlichen Nachweis des Eintritts der Bedingung ersetzen.
Zum gleichen Ergebnis führe auch die Erwägung, daß Verfahrensgegenstand nach § 10 EO. nur die formelle Frage der Vollstreckbarkeit des bereits bestehenden Titels, nicht aber der materielle Anspruch sei. Die Frage, ob die Verpflichtung des Schuldners trotz Nichteintritts der Bedingung aufrecht bleibe, betreffe aber nicht mehr die Vollstreckbarkeit, sondern berühre bereits den Grund des Anspruchs. Dies ergebe sich schon daraus, daß der Kläger, selbst wenn der Beklagte den Eintritt der Bedingung schuldhaft vereitelt habe, sich anrechnen lassen müsse, was er durch die Nichterbringung seiner Leistung erspart habe. Auf diesen materiellrechtlichen Einwand sei im Verfahren nach § 10 EO. nicht einzugehen. Es wäre nicht gerechtfertigt, den Beklagten mit diesem Einwand auf die Möglichkeit des § 35 EO. zu verweisen.
Dazu komme, daß im vorliegenden Fall für die Frage der schuldhaften Vereitlung die Vergleichsauslegung entscheidend sei, ob sich nämlich die Garantie auf das ganze Dach oder nur auf einen Teil desselben zu erstrecken habe; diese Frage könne aber in einem Verfahren nach § 10 EO. keinesfalls geklärt werden. Schließlich wäre das gestellte Eventualbegehren nicht geeignet, in Verbindung mit dem Vergleich die Bewilligung der Exekution zu erwirken.
Es sei daher schon aus rechtlichen Erwägungen die Berechtigung des Eventualbegehrens zu verneinen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers, in der Wiederherstellung des Ersturteiles beantragt wurde, Folge und hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Es ist zwar richtig, daß in einem Verfahren nach § 10 EO., das den in § 7 (2) EO. geforderten Nachweis schaffen soll, nur über die Vollstreckbarkeit des im Titel festgelegten Anspruchs zu entscheiden ist, nicht aber über diesen Anspruch selbst, und daß die in diesem Verfahren ergehende Entscheidung nicht an Stelle des unvollständigen Titels tritt, sondern neben diesen. Diese Rechtssätze können jedoch nicht zur Begründung der Abweisung des gegenständlichen Eventualbegehrens des Klägers herangezogen werden.
Auf Grund des zwischen den Streitteilen am 17. April 1964 geschlossenen Vergleiches ist der Kläger zu einer Vorleistung verpflichtet, während der Beklagte dem Kläger binnen vierzehn Tagen nach Erbringen dieser Vorleistung einen Geldbetrag zu bezahlen hat. Es ist daher die Vollstreckbarkeit des Anspruches des Klägers auf Zahlung von 17.000 S vom Eintritt einer Bedingung (Erbringung der Vorleistung) abhängig. Zum Nachweis des Eintritts dieser Bedingung, der die Leistungsfrist von vierzehn Tagen in Lauf setzt, dient ein Urteil im Sinne des § 10 EO. Der Ansicht des Berufungsgerichtes, die Gegenstand eines Verfahrens nach § 10 EO. bildende Bedingung könne nur in dem Eintritt von Tatsachen bestehen, nicht aber in deren Nichteintritt, liegt eine zu enge Interpretation des Gesetzes zugrunde, die auch dem Sinn dieser Gesetzesstelle nicht gerecht wird. Eine Bedingung für die Fälligkeit oder die Vollstreckbarkeit eines Anspruchs kann ja auch darin bestehen, daß eine bestimmte Tatsache nicht eintritt. Auch in diesem Falle muß dem Gläubiger die Möglichkeit offenstehen, den Eintritt der für die Fälligkeit oder die Vollstreckbarkeit maßgebenden Bedingung (das ist den Nichteintritt der Tatsache) in einem Verfahren nach § 10 EO. darzutun.
Die Behauptung des Klägers, der Beklagte habe die Erfüllung der Vorleistungen des Klägers, sohin den Eintritt der Bedingung schuldhaft vereitelt, es sei dadurch die Bedingung als eingetreten zu werten, berührt nicht den Grund des Anspruchs auf Zahlung von 17.000 S, sondern beschränkt sich auf die Frage der Vollstreckbarkeit dieses Anspruchs infolge des Eintritts der Bedingung. Die Bedingung wäre dadurch eingetreten bzw. sie wäre als eingetreten anzusehen, wenn der Schuldner ihren Eintritt schuldhaft verhindert hätte. Auf die Frage, ob die Einwendung einer Anspruchsminderung zufolge Unterbleibens der Vorleistungen in einem Verfahren nach § 10 EO. geprüft werden konnte, ist nicht einzugehen, weil eine derartige Einwendung von der beklagten Partei gar nicht erhoben wurde. Es ist auch unrichtig, aus der Rechtslage im Falle eines zufälligen Untergangs der Sache rechtliche Schlüsse in der Richtung abzuleiten was zu geschehen habe, wenn die Erfüllung der Bedingung schuldhaft vereitelt wird, weil ja die Rechtsfolgen in beiden Fällen gänzlich verschieden sind.
Es trifft zwar zu, daß das Eventualbegehren des Klägers verfehlt gefaßt ist. Wie bereits das Berufungsgericht dargetan hat, ist das Begehren in einem Verfahren nach § 10 EO. auf die Vollstreckbarkeit eines bestimmten Exekutionstitels gerichtet. Das Urteil hätte daher zu lauten: "Der Anspruch des ... aus dem Urteil (Vergleich ...) ... ist vollstreckbar" (vgl. auch Stagel, ÖJZ. 1952 S. 345 ff.). Es ist dem Berufungsgericht auch darin zu folgen, daß ein Urteil im Sinne des Urteilsantrages des Klägers nur unzulässig, sondern auch ungeeignet wäre, in Verbindung mit dem wiederholt zitierten Vergleich vom 17 April 1964 eine Exekutionsbewilligung zu erreichen. Es geht jedoch aus der Klagserzählung unmißverständlich hervor, welchen Erfolg der Kläger mit seiner Klage anstrebt, sodaß es Sache des Gerichts gewesen wäre, den Urteilstenor der Rechtslage entsprechend zu fassen.
Das Berufungsgericht hat, von seiner unrichtigen Rechtsansicht ausgehend, daß die Klage schon aus rechtlichen Erwägungen abzuweisen sei, zu den Berufungsgrunden der Mangelhaftigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht Stellung genommen. Da es jedoch prozeßentscheidend ist, ob der Beklagte den zur Vorleistung im Sinne des geschlossenen Vergleichs bereiten Kläger wider Treu und Glauben an der Erbringung der Vorleistung gehindert hat (vgl. SpR. 234), die diesbezüglichen Tatsachenfeststellungen des Erstrichters aber als unrichtig und als auf einem mangelhaften Verfahren beruhend vom Beklagten bekämpft wurden, wird das Berufungsgericht die Berechtigung der erhobenen Rügen zu prüfen haben.
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